Fünfzig Tage und eine Nacht

Seit der Verlobung Anfang Oktober waren genau fünfzig Tage vergangen. Zwar waren beide Brautpaare der Meinung gewesen, dass die Zeit bis zur Hochzeit gerne noch kürzer hätte ausfallen können, aber es waren doch so umfangreiche Vorbereitungen für eine Doppelhochzeit notwendig, dass man sich auf eine Frist von etwa sieben Wochen geeinigt hatte. Nun war es Ende November. Das Wetter zeigte sich kalt und bereits recht frostig, mit ungewöhnlich wenigen Niederschlägen für diese Zeit in England.

Fitzwilliam Darcy lief unruhig in der Netherfield'schen Bibliothek auf und ab und war sich fast sicher, dass der kostbare Teppich unter seinen Füßen bereits erste Spuren der Überbeanspruchung zeigen musste. Dabei war er erst eine gute Viertelstunde hier drinnen. Das Warten wurde ihm lange, jedoch dachte er sich bereits, dass er sich noch ein wenig länger in Geduld würde üben müssen. Er zog in seiner typischen Art die linke Augenbraue nach oben, aber seine lagunenblauen Augen hatten einen fröhlichen Schimmer. Er beherrschte sich, nicht nach der bereitstehenden Brandykaraffe zu greifen. Er wollte seiner Frau nicht mit einer Alkoholfahne entgegentreten, sobald diese nun bereit zur Abreise hereinkam. Hoffentlich war sie der Witterung angemessen gekleidet, er wollte auf keinen Fall, dass sie auf der Fahrt fror und sich womöglich noch eine Erkältung zuzog. Das Brautkleid würde sie dann bestimmt nicht mehr tragen, was er persönlich ein wenig bedauerte, aber es war wirklich nicht für die Reise geeignet.

Er war sich ziemlich schnell mit Elizabeth einig gewesen, dass sie beide so bald als möglich (und schicklich) die Gesellschaft auf dem Hochzeitsempfang in Netherfield verlassen sollten. Sie würden ein Stück Richtung Norden fahren und dort für ein, zwei oder gar drei Tage in einem gemütlichen Gasthof Station machen, bevor die Fahrt nach Pemberley fortgesetzt werden sollte. Die Hochzeitsnacht wollten sie nicht auf Netherfield verbringen, weil Jane und Charles dort das alleinige Anrecht als Frischvermählte haben sollten. Fitzwilliam und Elizabeth wollten nicht noch länger die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das hatten sie in den vergangenen 50 Tagen zur Genüge erlebt.

Fitzwilliam Darcy ließ sich in einen Fauteuil neben dem Kamin nieder und starrte in die Flammen…

… Er wusste gar nicht mehr, an wie vielen Dinnerabenden sie teilgenommen hatten, wie viele Gratulanten gekommen waren, wie viele Hände er geschüttelt hatte und wie viele augenzwinkernde Kommentare sich Lizzie hatte anhören müssen anlässlich ihrer Verlobung. Die hatte sich – was vorauszusehen war – wie ein Lauffeuer in halb Hertfordshire herumgesprochen und so war es nicht verwunderlich, dass sowohl er und Elizabeth als auch Charles und Jane kaum noch eine ruhige Minuten verbrachten.

Namen schwirrten in seinem geplagten Kopf umher und er hatte mehr als einmal das unangenehme Gefühl, dass er – unabsichtlich natürlich – wie ein exotisches Tier vorgeführt wurde. Er ertrug alles tapfer und halbwegs gelassen, manchmal natürlich auch wieder etwas stoisch, weil Elizabeth an seiner Seite war. Ein aufmunterndes Lächeln von ihr entschädigte ihn stets für alle Dorftölpel, die ihm so vorgestellt wurden.

Zweimal musste er in diesen vergangenen sieben Wochen nach London reisen. Es war immer unabdingbar, aber es zog ihn doch gleich wieder mit Macht an die Seite seiner Verlobten. Er konnte einfach nicht mehr ohne sie sein. Der erste Abschied war schon recht kurz nach dem Verlobungstag, er musste ganz dringend in die Stadt, um Elizabeth ein ihr angemessenes Verlobungsgeschenk zu machen. Und das war nun einmal in einem Banksafe sicher deponiert, von dort musste er es holen. Er sagte nicht den wahren Grund seiner Abreise, sondern machte Elizabeth lediglich klar, dass es doch auch für ihn einige wichtige Angelegenheiten zu regeln gab.

Er kam daher nach Longbourn am frühen Mittag, wurde wohl mit großem Enthusiasmus, aber gebührendem Respekt, um nicht zu sagen sogar mit einer gewissen Ängstlichkeit von seiner zukünftigen Schwiegermutter empfangen, die sofort wort- und gestenreich nach Lizzie schicken ließ. Allerdings war Mrs. Bennet nicht aus dem Salon zu bewegen, sie war die ganze Zeit des Abschiednehmens über dabei. Zwar hielt sie sich dezent im Hintergrund, oh ja, das konnte sie durchaus, denn er hatte nicht ohne Amüsement festgestellt, dass sie ziemlich schnell in ihrem unermüdlichen Redefluss versiegte, wenn er seine Augenbraue recht drohend hochstellte und dabei die andere über der Stirn zusammenzog, so dass sein Gesicht einem drohenden Gewittersturm nahe kam. Das also tat er, nachdem er Lizzie formvollendet mit einem zarten Handkuss begrüßt hatte und erreichte somit, dass seine Verlobte ihm wissend lächelnd zuzwinkerte und Mrs. Bennet sich in eine Ecke über eine Handarbeit zurückzog.

Sie setzten sich beide auf das Sofa und er hielt die ganze Zeit über Elizabeths Hand. Während er über die bevorstehende Reise redete, strich er ihr ab und zu zart mit einer Hand über ihr Haar. Mehr an Zärtlichkeit auszutauschen wagte er nicht in Gegenwart seiner Schwiegermutter. Aber sie ertranken fast in ihren gegenseitigen Blicken, die eine wesentlich deutlichere Sprache sprachen als die zurückhaltenden Gesten. Er versprach seiner Verlobten, dass er alle Dinge in London mit größter Eile abzuwickeln gedenke, damit er ja nicht eine Stunde länger als notwendig dort verbringen musste. Und dann, als ihr eine Träne über die eine Wange lief, tat er etwas ganz Ungeheuerliches, er hatte es geahnt und sich entsprechend darauf vorbereitet: Er zog ein Stück Papier aus der Tasche seines Frackes und reichte es ihr wortlos. Darauf stand in seiner gestochen scharfen Schrift: „Weine nicht, sonst weine auch ich. Ich trinke von deinen Lippen, genau jetzt in diesem Moment, fühle dich von mir geküsst mit so viel Leidenschaft, deren ich nur irgendwie fähig bin. Ich liebe dich sehr und werde dich schmerzlich vermissen. Dein sich nach dir verzehrender Fitzwilliam." Elizabeth schluckte und nickte tapfer, dabei warf sie ihrer Mutter einen Seitenblick zu. Fitzwilliam Darcy erhob sich, zog beide Hände Elizabeths nacheinander an seine Lippen und strich ihr ein letztes Mal über die Haare. Dann ließ er sie los und wandte sich Mrs. Bennet zu. Er verbeugte sich knapp und entbot ihr einen sehr höflichen, aber kurzen Abschiedsgruß und war gegangen, bevor sie noch ihren Mund zu einer wortreichen Entgegnung hatte öffnen können.

Vier Tage später war er wieder zurück. Er ließ die Kutsche gleich in Longbourn anhalten, machte nicht erst in Netherfield Halt, um sich eventuell umzukleiden oder zu erfrischen. Etwas steifbeinig sprang er aus dem Verschlag und eilte die Treppe zum Haus hinauf. Die Familie Bennet nahm gerade den Tee ein und auch Charles saß mit zufriedener Miene im Salon neben seiner Jane. Alle verstummten unwillkürlich, als Fitzwilliam Darcy eintrat. Er hasste diese Reaktionen auf sein Auftreten, warum nur kam das dauernd vor? Langsam erhob sich Elizabeth. Die anderen folgten ihrem Beispiel. Er konnte sich nicht an seiner Lizzie satt sehen. Welch ein Segen, dass er die vier Tage überstanden hatte. Es hatte ihn hart angegangen, die letzten Meilen hatten sich wie endlos gezogen. Er nickte allen Anwesenden zu und begrüßte sie höflich. Mr. Bennet fand ausnahmsweise noch vor seiner Frau die Sprache wieder und hatte ein herzliches Wort für seinen in Reisekleidern steckenden Schwiegersohn, führte ihn sogleich zum Teetisch und musste Elizabeth auch gar nicht erst bitten, ihren Verlobten zu bedienen. Fast wie zufällig strich diese ihm über den Ärmel seines Mantels, er blickte in ihre Augen und verlor sich darin. Mrs. Bennet musste ihn dreimal ansprechen, bis er reagierte: „Oh, entschuldigen Sie bitte vielmals, Mrs. Bennet, ich…. ähm ja, die Reise war soweit angenehm und verlief ohne Schwierigkeiten, danke Ihrer Nachfrage!" Und er setzte leise und nur für Elizabeth hörbar hinzu: „Und ich bin sehr froh, wieder hier zu sein, sehr, sehr froh." Seine Gedanken schweiften ein wenig ab.

Er hatte immer das Gefühl, dass Charles sich gegenüber Jane wesentlich mehr herausnehmen konnte als er gegenüber Elizabeth. Die beiden waren zwar vor einiger Zeit dunkelrot angelaufen dabei, aber sie hatten sich immerhin bereits einmal in Anwesenheit der Familie geküsst. Mehr als ein verständnisvolles Schmunzeln hatte dies merkwürdigerweise nicht verursacht. Nun ja, er hatte Elizabeth auch schon überaus leidenschaftlich in seine Arme gerissen und geküsst, aber sie waren dazu stets allein gewesen. Diese Gelegenheiten waren bisher überaus rar, ganz ehrlich gesagt, war er beim Mitzählen bei der Zahl zwei stehen geblieben. Das eine Mal am Tag ihrer Verlobung, weit draußen vor dem Haus, an diesem alten Baum, wenn er heute daran dachte, ging es ihm noch immer durch Mark und Knochen. Das zweite Mal dann etwa gut eine Woche später, als das Wetter mal einen Spaziergang zuließ, der länger als zehn Minuten dauerte. Beide Paare waren zusammen mit Mary und Kitty aufgebrochen, die beiden Mädchen konnten aber dem Tempo nicht folgen und blieben weit zurück. Jane und Charles setzten sich ebenfalls ab, verschwanden für einige Zeit in ein kleines Wäldchen am rechten Wegrand, so zog Fitzwilliam seine Lizzie auf der anderen Seite hinter fast mannshohe Ginsterbüsche, die aber leider zu dieser Jahreszeit nicht ganz blickdicht waren.

„Du glaubst gar nicht, wie sehr ich auf einen solchen Augenblick gewartet habe, Liebste", flüsterte er ihr heiser vor Aufregung ins Ohr. Und er verlor keine einzige Sekunde mehr mit Reden, sondern zog sie mit fester Hand an seinen starken Körper und küsste sie fordernd und ausdauernd. Da er von der ersten Begegnung dieser Art wusste, dass sie recht offenherzig dachte, ließ er nach einem kleinen Augenblick seine Hände auf ihrer Kleidung auf Wanderschaft gehen. Er zeichnete die Rundung ihrer Hüften nach, legte seine Hand einen Moment lang provozierend auf ihr kleines, festes Gesäß und presste sie noch fester an sich. Sie schaute überrascht, aber mit einem Lächeln in den Mundwinkeln. Seine Hände arbeiteten sich nach oben. Die Taille hätte er fast mit beiden Händen umspannen können, aber nein, es fehlte schon noch ein gutes Stück. Ihr Mantel war ihm nun im Weg. Er beugte seinen Kopf noch weiter herunter und erreichte so ihren Hals an einer Seite. Dort platzierte er weitere Küsse, weich wie ein Samtkissen. Geschickt öffnete er dabei die wenigen Knöpfe an ihrem Mantel, glitt mit den Händen an ihren Seiten hoch und verharrte dann für ein paar Sekunden, bevor er kurz, sehr kurz mit seinen Daumen auf jeder Seite über den Stoff ihres Kleides an jener Stelle strich, wo dieser ihre Brüste bedeckte. Sie gab einen Laut wie ein junges Kätzchen von sich. Er lächelte. Dann hob er kurz den Kopf und sah ein Stück hinter ihnen Mary und Kitty kommen. Er küsste Elizabeth noch einmal heftig und drehte dann ihren Kopf in Richtung ihrer Schwestern. Sie knöpfte rasch ihren Mantel zu, warf Fitzwilliam einen letzten tiefen Blick zu und bemühte sich, ihr erhitztes Gesicht wieder unter Kontrolle zu bringen. Dann trat das Paar unauffällig hinter den Büschen wieder vor auf den Weg. Mary und Kitty waren in eine Unterhaltung vertieft und hatten nichts bemerkt. Allerdings vermissten alle vier nun das andere Pärchen, Jane und Charles. Fitzwilliam Darcy konnte sich ein süffisantes Grinsen nicht verkneifen. Die beiden anderen tauchten erst kurz vor Meryton wieder auf, und Jane hatte ganz offensichtlich die Schleife ihrer Schute völlig verdreht und vernachlässigt gebunden, was beim Aufbruch von Longbourn aus noch sehr ordentlich ausgesehen hatte.

Er rief sich wieder zur Ordnung, weg von derart ablenkenden Gedanken. Mit festem Blick schaute er nun in die Teegesellschaft. Das, was er Elizabeth aus London mitgebracht hatte, gedachte er natürlich nicht, ihr während der Teestunde zu präsentieren. Am Abend, so vernahm er aus dem Munde seiner Schwägerinnen, sei man zu einem Dinner nach Bleakham eingeladen, wo Sir William Lucas Freundschaft hin pflegte. Fitzwilliam Darcy rollte unangenehm berührt mit den Augen. Er hätte sich viel lieber mal einen beschaulichen Abend im Kreis der Familie hier gewünscht, in dessen Verlauf er Elizabeth hätte zur Seite nehmen können, um ihr unauffällig sein Präsent zu überreichen.

Er suchte Blickkontakt mit seinem Schwiegervater. Komischerweise verstanden sich die beiden Herren fast blind, was er schon öfter mit großer Freude festgestellt hatte. Es dauerte keine Minute, bis Mr. Bennet sich wie zufällig hinüber zu seinem Schwiegersohn hinbewegte. Sie wechselten ein paar leise Worte, dann erhob sich Fitzwilliam Darcy und entschuldigte sich kurz bei allen Anwesenden. Etwa zwei Minuten später schickte Mr. Bennet seine zweite Tochter mit dem Auftrag, für ihn etwas zu holen, in die Bibliothek.

Dort erwarte sie ihr ungeduldiger Verlobter. Er nahm sie in die Arme und küsste sie inniglich. Mit einem raschen Blick auf die Uhr machte er sich klar, dass die Zeit drängte, wollte man dieser Dinnereinladung Folge leisten. Und nach Netherfield musste er ja auch noch zuvor. Deswegen kürzte er bei aller empfundenen Leidenschaft für Elizabeth seine stürmische, nach Zweisamkeit verlangende Begrüßung ab und nestelte an der Innentasche seines Mantels. „Ich habe dir etwas aus London mitgebracht, mein Herz." Sie schaute zu ihm auf. „Ach Fitzwilliam, das ist sehr nett von dir, aber für mich ist nur maßgebend, dass du wieder bei mir bist, dass du dich selbst mitgebracht hast." Er setzte lächelnd einen kleinen Kuss auf ihre Nasenspitze, dann zog er eine Schatulle hinter seinem Rücken hervor, deren bloßer Anblick Elizabeth bereits die Sprache verschlug. Die Schatulle war über und über mit einem Mosaik aus Perlmuttstückchen besetzt und in der Mitte prangte eine fein herausgearbeitete goldene Rose. Er erklärte, dass diese Schatulle ursprünglich aus Deutschland stamme und die Rose in der Mitte auf ihre Namenspatronin, die deutsche Heilige Elisabeth von Thüringen, zurückzuführen sei. Er versprach ihr, die ganze Geschichte dieser Heiligen zu erzählen, sobald man mehr Zeit dafür haben würde. Elizabeth wollte nach der Schatulle greifen, da sie dachte, dies wäre das eigentliche Geschenk. „Nein", hörte sie da ihren Verlobten einwenden „es befindet sich etwas darinnen, was Generationen von Darcys ihren Verlobten zum Geschenk gemacht haben und dieser Tradition möchte ich nicht nachstehen und hinzufügen, dass es mich mit großer Freude erfüllt, es dir hier und heute überreichen zu dürfen." Er klappte die Schatulle auf und Lizzie war einer Ohnmacht nahe. Ein kostbares Geschmeide von vermutlich unschätzbarem Wert lag darinnen. In filigrane Fassungen gebettet schimmerten zig Saphire im Licht der Kandelaber in der spärlich erleuchteten Bibliothek - ein Kollier und die passenden Ohrgehänge.

„Fitzwilliam", Elizabeth musste sich räuspern „Fitzwilliam, Liebster, das kann ich nicht annehmen. Es ist… es ist einfach … es passt nicht zu mir!" „Keine Widerrede", flüsterte ihr Verlobter ihr ins Ohr, während er sich ein Stück hinter sie drehte „es gehört nun dir. Mein Vater hat mir einmal gesagt, dass meine Mutter sich so sehr gewünscht hat, es zu erleben, dass die Verlobte ihres Sohnes dies einmal tragen wird, so wie sie diese Schmuckstücke einst getragen hat. Und sie wären beide, mein Vater wie auch meine Mutter, sehr stolz auf dich." Mit diesen Worten hängte er ihr schnell das Kollier um den Hals. „Die Steine haben die Augenfarbe meiner Mutter", sagte er mit kaum unterdrückter Emotionalität. Elizabeth starrte ihn wie hypnotisiert an: „Ja", hauchte sie „mag sein, aber für mich haben sie exakt deine Augenfarbe!" Sie kam ihm in diesem Augenblick wunderschön vor, die funkelnden Darcy-Juwelen am Hals, er war vollkommen überwältigt und spürte jeweils eine heiße Träne auf jeder Seite seine Wangen hinunterlaufen. Elizabeth küsste die salzigen Tropfen weg und raunte ihm dabei zu: „Weine nicht, sonst weine auch ich. Das hat mir vor einigen Tagen einmal jemand geschrieben, erinnerst du dich?" Fitzwilliam Darcy nickte ergriffen und barg sein Gesicht für einen winzigen Moment in Elizabeth's Haaren. Dann richtete er sich auf: „Wir müssen zurück, Liebes, man wird schon über uns klatschen, vermutlich." „Ja", lachte sie „aber erst solltest du diese Pretiosen hier wieder verstauen, damit kann ich unmöglich hier im Haus herumstolzieren." Er stimmte kurz in ihr Lachen mit ein, nahm ihr dabei die Kette wieder ab und legte sie zurück in die herrliche Schatulle. „Aber heute Abend zum Dinner in - großer Gott, wo ist das nun wieder? - wirst du den Schmuck anziehen oder?" Elizabeth legte eine Hand auf ihren Mund und wollte schon den Kopf schütteln, aber dann begriff sie, dass es ihrem Verlobten wohl unheimlich viel bedeuten musste, sie dies tragen zu sehen und so nickte sie zur Bestätigung. Er lächelte glücklich und hielt ihr die Tür der Bibliothek auf, dann schlüpften sie beide hinaus.

Die Juwelen machten natürlich große Furore, insbesondere Mrs. Bennet sowie Kitty konnten sich kaum über das wertvolle Verlobungsgeschenk von Mr. Darcy beruhigen. Elizabeth hatte die Steine zwar an diesem Abend in Bleakham umgelegt, aber es war in der Tat nicht der richtige Anlass dafür. Das sah dann später auch Fitzwilliam Darcy ein, obwohl er Lizzie immer wieder versicherte, sie würde das Geschmeide mit großer Anmut tragen. Sie konnte ihn aber letztendlich davon überzeugen, dass man hier auf einer Landgesellschaft so etwas niemals zu sehen bekam und das Kollier mit Zubehör doch eher für einen Abend in der Oper oder einen großen Ball geeignet sei. Er konnte nicht umhin, ihr zuzustimmen.

Das zweite Mal fuhr er nach London - mit einem Umweg über eine schöne Gegend nördlich von Hertfordshire, wo er vollständige Arrangements für die ersten Tage nach der Hochzeit traf - um vor allen Dingen bei seinem Schneider vorstellig zu werden und die Schatulle mit den Familienjuwelen wieder im Banksafe abzuliefern. Lizzie hatte ihn inständig darum gebeten, sie hatte keine ruhige Minute, nachdem nun die halbe Grafschaft wusste, welche Werte da in Longbourn in einer Kommode in ihrem Zimmer herumlagen.

Die Abreise war zwei Wochen vor der Hochzeit. Er kehrte eine Woche später zurück, da er ja wie gesagt, noch an anderem Ort etwas zu erledigen hatte. Da es aber bereits spät am Abend war, als er nach Hertfordshire zurückkehrte, störte er niemanden mehr in Longbourn, sondern fuhr direkt weiter nach Netherfield Park. Es fiel ihm schwer, denn er hatte große Sehnsucht nach seiner Verlobten, aber ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er eine weise Entscheidung getroffen hatte.

Zusammen mit Charles saß er noch ein Weilchen am prasselnden Kaminfeuer, er erzählte ihm, welche Arrangements er für die Reise nach Pemberley und vor allen Dingen für die Hochzeitsnacht getroffen hatte. Charles grinste frech bei seinen Erläuterungen. „Grundgütiger, Fitzwilliam, wenn uns vor einem Jahr jemand gesagt hätte, dass wir über Jahresfrist beide am gleichen Tag heiraten würden, den hätten wir doch glatt für verrückt erklärt, nicht wahr? Und nun ist es in sechs Tagen soweit." Sein Gegenüber nickte nur versonnen. Da erhob sich Charles Bingley und wünschte seinem Freund eine gute Nacht. Kaum war Charles aus dem Raum, stand auch Fitzwilliam Darcy aus dem Sessel auf und ging zu den großen Terrassentüren. Er öffnete einen Flügel, atmete die kalte Novemberluft ein.

Als ihn eine Stimme ansprach, die sich genauso anhörte wie Elizabeth, zuckte er zutiefst erschrocken zusammen: „Wenn der Propheten nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Propheten kommen!" Und aus dem Dunkel heraus trat seine Verlobte in den Lichtkegel, den das erleuchtete Fenster auf die Terrasse warf. Er zog sie am Arm in den warmen Salon hinein und schloss schnell die Tür. „Um Himmels willen, Elizabeth, was tust du denn hier?" Er war kaum einer normalen Reaktion fähig, so war ihm der Schreck in die Glieder gefahren. Sie aber strahlte ihn an: „Der Fleischersjunge kam noch sehr spät in Longbourn vorbei, weil am Mittag bei der Lieferung etwas vergessen wurde und er sagte, er hätte deine Kutsche Richtung Netherfield rollen sehen. Da bat ich ihn, mich ein Stück mitzunehmen und hier abzusetzen, da ich mir schon dachte, dass du zu solch später Stunde nicht mehr bei uns hereinschauen würdest." Dann trat sie ganz nah an ihn heran, strich ihm mit beiden Armen über seine Frackärmel bis hoch zu seinen Schultern und fügte mit schelmischem Blick hinzu: „Ich bin natürlich heimlich hier, das heißt nicht ganz, Jane weiß darüber Bescheid. Ich musste dich sehen, ich hätte es nicht mehr länger ausgehalten!" Er gab einen stöhnenden Laut von sich und presste sie hart an sich, bevor er ihre Lippen mit einem drängenden Kuss verschloss.

Er zog sie mit sich auf den Sessel, setzte sich nieder und platzierte Elizabeth auf seinem Schoß. Dann erzählte er, was es aus London zu berichten gab. Und er eröffnete ihr auch, dass er spezielle Pläne für die Zeit gleich nach der Hochzeit habe. Neugierig sah seine Verlobte ihn an. Er musste unwillkürlich lächeln und berichtete also in groben Zügen von seinen getroffenen Arrangements, wobei er nicht alles verriet, da einige Überraschungen dabei waren. Elizabeth staunte. Er hatte dies sehr genau und mit großem Sinn für Romantik geplant. Und es gefiel ihr außerordentlich gut, vor allen Dingen die Tatsache, dass Jane und Charles dann Netherfield ganz allein für sich hatten. Sie hauchte kleine Küsse auf das Gesicht ihres Verlobten, so sehr freute sie sich über das Gehörte. Er wehrte lachend ihre Attacken ab, hielt ihre Handgelenke fest und blickte sie dann ernst an. Fragend zog sich seine linke Augenbraue in die Höhe: „Mein Herz, hast du auch daran gedacht, wie du jetzt nach Longbourn zurückkommst? Du weißt, wie spät es bereits ist." Ganz langsam räkelte sich Elizabeth auf ihm, er sog scharf die Luft ob ihrer fast schon aufreizenden Bewegungen ein. Sie stand langsam auf und reichte ihrem Verlobten die Hand, zog ihn auffordernd aus dem Sessel hoch. „Liebster Fitzwilliam", sie flüsterte nun in sein Ohr „ich werde wohl oder übel hier bleiben müssen." Er sah sie irritiert an: „Wie, hier bleiben? Hier im Salon kannst du nicht schlafen, und ein Gästezimmer ist nicht gerichtet." Sie drückte nun ihren Körper ganz eng an den seinen und legte den Kopf ein wenig schräg, als sie erwiderte: „Gut, dass ich den Weg zu deinem Zimmer kenne." Und sie ließ ihn ganz abrupt los, wandte sich zur Tür, öffnete diese und spazierte in die Halle hinaus.

Mit einem Satz hechtete er hinter ihr her. Sie war bereits auf den ersten Stufen der Treppe angelangt. Er hielt ihre Hand fest, die auf dem Geländer lag. Er bemühte sich, seine Stimme zu dämpfen, damit man auf sie beide im Haus nicht aufmerksam wurde: „Elizabeth, du weißt nicht, was du da sagst. Das werde ich nicht dulden!" Sie machte sich von ihm los und rannte unverhofft los, die restlichen Stufen hinauf. Er beeilte sich, ihr nachzukommen. Am oberen Ende der Treppe bekam er sie wieder zu fassen. Er packte sie um die Taille, so dass sie stehen bleiben musste. Atemlos blickten sie sich für einen Moment an. Da wusste er, dass er verloren hatte. Er presste seinen Mund mit aller Härte auf den ihren, doch ihr Entgegenkommen war sanft und weich. Das Blut raste in unaufhörlichen Wellen durch seinen Körper, er hob Lizzie hoch und trug sie den Korridor entlang bis zu seiner Zimmertür. Da er keine Hand frei hatte, drehte sie den Türknauf für ihn, er tippte mit dem Fuß gegen die geöffnete Tür, um sie weiter auf zu stoßen. Sobald sie drinnen angelangt waren, drehte er sich ein wenig, und gab der Tür einen Stoß mit dem Ellbogen, so dass sie wieder zufiel.

Etwas schwer atmend setzte er Elizabeth auf dem Bett ab und sank gleich daneben nieder. Er nahm beide Hände von ihr auf und barg sie in den seinen. Dann begann er zu reden: „Sieh mal Lizzie, gerade vorhin habe ich dir erzählt, was ich alles für die ersten Tage nach unserer Hochzeit in die Wege geleitet habe. Ich möchte, dass alles perfekt und wundervoll abläuft. Wir sollten diese Planung nicht dadurch über den Haufen werfen, dass wir uns jetzt auf einen Pfad begeben, der uns momentan noch nicht eröffnet ist." Er blickte sie unsicher an, sie sagte jedoch kein Wort. Er entschloss sich, anders vorzugehen, offener, so wie sie es immer vorzog: „Ach, Liebste, glaube nicht, ich würde nicht von dieser unerfüllten Sehnsucht nach dir geplagt. Ich sagte dir bereits am Tag unserer Verlobung, dass ich lieber heute als morgen… mit dir… ähm ja, das Bett mit dir teilen möchte. Aber nun ist es doch nicht mehr lange hin bis zur Hochzeit und die paar Tage werden sicher ganz schnell vergehen, meinst du nicht?" Er stand auf und begann, nervös auf und ab zu gehen. „Natürlich kannst du nicht mitten in der Nacht nach Longbourn zurückkehren, selbstverständlich wirst du hier übernachten. In meinem Bett, ich werde", er zögerte und blickte sich um „ja, ich werde mir die zwei Sessel hier zusammenschieben und darauf schlafen, das wird gehen." Elizabeth blickte ihn zweifelnd an. Er setzte seine Worte sogleich in die Tat um und schob die Sessel zusammen. Dann nahm er seinen Mantel, quetschte sich umständlich in das Provisorium und deckte sich mit dem Mantel zu. Er sah aus wie ein viel zu groß geratenes Baby. Die langen Beine hatten überhaupt keinen Platz und nach einer Minute war es bereits so unbequem, dass er sich drehen musste, was er aber nicht richtig konnte. Es endete mit einem ‚Plumps' und er landete auf dem Boden.

Er unterdrückte einen Fluch mit Rücksicht auf Elizabeth's Anwesenheit und stand auf. Er kam zu ihr zurück ans Bett und seufzte: „Elizabeth, wenn ich mich hier in dieses Bett lege und du mit dazu, dann werde ich nicht fähig sein, mich wie ein Gentleman zu verhalten, ich werde mich vermutlich nicht zurückhalten können." Er strich ihr mit der Hand über Gesicht und Haare, dann fuhr er fort „Es würde alles kaputt machen, was wir uns für nächste Woche vorgenommen haben." Sie nickte langsam und schaute in seine seeblauen Augen, als sie sprach: „Das verstehe ich. Deswegen werde ich mich in den Sessel legen, ich passe da besser hinein. Aber zuvor möchte ich, dass du weißt, dass ich extra hierher gekommen bin, weil ich dachte, dies könnte eine Chance sein, mein großes Verlangen nach dir zu stillen. Ich hatte tatsächlich vor, heute Nacht das Bett mit dir zu teilen und zwar mit allen Konsequenzen, aber ich sehe ein, nach all dem, was du bereits in Vorbereitung für die Hochzeitsnacht hast, dass wir in der Tat gewisse Dinge bis dahin werden aufschieben müssen." Und sie stand auf und rückte sich ihrerseits die beiden Sessel zurecht. Er stellte sich hinter sie, und drehte sie wieder zu sich um: „Elizabeth, du bist wirklich die ungewöhnlichste Frau, die ich jemals getroffen habe. Ich liebe dich. Aber ich denke, es besteht keine Notwendigkeit, dass du eine unbequeme Nacht hier verbringst, das möchte ich auf keinen Fall. Wenn du einverstanden bist, dann lege dich ruhig ins Bett, ich werde mich sogar dazulegen, aber du musst bitte Verständnis haben, dass wir weitestgehend vollständig bekleidet bleiben sollten. Sonst…. „ er beendete den Satz nicht.

Sie begab sich wieder zum Bett, zog lediglich ihren Mantel und die Stiefel aus und legte sich dann unter eine dünne Decke. Fitzwilliam Darcy atmete tief aus, zog Frack und Krawatte aus, sowie die Stiefel und schlüpfte dann ebenfalls darunter. Er war bestrebt keinen Körperkontakt herzustellen, doch sie rollte zu ihm herüber, legte einen Arm um seine Körpermitte und kuschelte ihr Gesicht an seinen Nacken. Er versuchte, ruhig zu atmen. Ein schwieriges Unterfangen, wie er feststellen musste. Er konnte nicht einschlafen. Sie hingegen schlief nach etwa einer halben Stunde tief und fest. Langsam drehte er sich zu ihr und betrachtete sie im Schlaf. Er lächelte mild, aber gleichzeitig überrollte ihn auch wieder eine Welle der Erregung. Verflixt! Er drehte sich wieder auf die andere, ihr abgewandte Seite.

Diese Frau machte ihn halb wahnsinnig! Er hatte in diesem Bett schon mehr schlaflose Nächte verbracht, damals aber aus anderem Grund. Weil er sich seine starken Gefühle gegenüber ihr nicht eingestehen konnte und wollte. Das hatte ihn vor etwas mehr als einem Jahr völlig aus dem Konzept geworfen und er hatte oft hier wach gelegen und gegrübelt, wie es denn sein konnte, dass er in seinen Gedanken nie von Elizabeth Bennet loskam. Nun lag er wach, weil seine Gedanken und sein Körper nicht mehr von ihr loskamen.

Er war mehr als einmal versucht, alle guten Vorsätze über den Haufen zu werfen, sie sanft wach zu küssen und es einfach geschehen lassen… aber dann sagte er sich wieder und wieder, dass dies alles nicht der richtige Weg sei, er musste einfach noch ein paar Tage mehr Geduld aufbringen. Obwohl – sie würden so oder so in Kürze Mann und Frau sein, kam es da darauf an, wann man da den Gipfel der Intimität erklomm? Ob heute oder in wenigen Tagen – war das mittlerweile nicht egal? Nein, er pfiff sich selbst in aller Schärfe zurück, Fitzwilliam, lass es! Langsam zog er ein Kissen aus dem Bett und warf es auf den Boden. Leise stand er auf, holte seinen Mantel vom Sessel, legte sich vor der linken Bettseite auf den Teppich, deckte sich so gut es ging mit dem Mantel zu und fand nach vielen weiteren Minuten endlich den ersehnten Schlaf.

Er schreckte verstört hoch, mit enormen Rückenschmerzen. Schlaftrunken blickte er sich um. Er lag zwar noch auf dem Boden, doch war die große Decke vom Bett über ihn gebreitet. Darunter, dicht neben ihm auf dem Teppich lag Elizabeth mit wirrem Haar. Sie hatte sich wie ein Kätzchen zusammengerollt und schlummerte selig an seiner rechten Seite. Er schüttelte fassungslos den Kopf. Großer Gott, diese Ehe versprach nicht langweilig zu werden. Da hatte er sich ja was geangelt!

Er konnte nicht umhin, sich zu ihr zu beugen und sie auf ihr linkes Ohr zu küssen. Sie räkelte sich, drehte sich zu ihm hin – und schlug die Augen auf. Für einen Moment blickten sie einander fasziniert an, dann schlang sie die Arme fest um seinen Nacken und hauchte einen vorsichtigen, fast unschuldigen Kuss auf seine rechte Augenbraue, woraufhin sich die andere auf der linken Seite sofort reflexartig nach oben zog. Sie musste lachen. „Weißt du eigentlich, wie wundervoll das ausschaut, wenn du das tust?" fragte sie ihn. „Wenn ich was tue?" murmelte er heiser an ihrem Hals. „Na, das mit deiner Augenbraue, wie machst du das nur?" kam es von ihr. Er schaute leicht irritiert. „Ich mache etwas mit meiner Augenbraue? Das ist mir gar nicht bewusst, bist du sicher?" gab er zurück. Sie nickte eifrig. Dann zeichnete sie mit ihrem Zeigefinger die Linie der steilen Braue nach. Er schnappte rasch nach ihrer Hand und biss ganz sanft in den Finger, der das eben getan hatte. Sie holte sehr tief Luft. Er rollte weiter herum, drehte sie bis sie komplett auf dem Rücken lag und brachte sich dann in eine Position halb seitlich über ihr. Ihre Hände hielt er rechts und links von ihrem Kopf schraubstockartig fest, dann beugte er sich gelassen (es wirkte nur so, in Wirklichkeit war er alles andere als das) über sie, senkte seinen Kopf und küsste sie mit Macht.

Sie ergab sich sofort in alles. Es war der gefährlichste Moment bislang. Wenn er jetzt keinen kühlen Kopf behielt, war alles zu spät. Er rutschte ein Stück weiter auf sie, gab ihre Hände frei und ließ seine linke auf Wanderschaft gehen. Mit der rechten stützte er sich ein wenig ab. Er zeichnete die Linien ihres Körpers nach, fuhr an Taille und Hüfte vorbei bis zu ihren Beinen. Dort legte er die Hand auf dem Stoff ihres Kleides dort ab, wo ihr Oberschenkel war. Er hatte wieder das Gefühl, dass seine Hand gleich in Flammen stehen würde. Einen weiteren atemberaubenden Kuss schenkte er ihr.

Dann sprang er auf, wie von tausend Teufeln verfolgt, schaute mit erhitztem Gesicht auf die erstaunte Elizabeth und ließ einen tiefen Seufzer los. „Elizabeth, richte dich bitte so her, dass man dir nicht ansieht, wo du die Nacht verbracht hast. Ich werde inzwischen zu den Stallungen gehen und die Kutsche anspannen lassen, damit du nach Longbourn gebracht werden kannst. Und…", er pausierte kurz „ich bitte dich, komme vor der Hochzeit nie wieder auf die Idee, die Nacht mit mir verbringen zu wollen. Es war … es ist mir außerordentlich schwer gefallen, standhaft zu bleiben, das kannst du mir gerne glauben, aber ich denke, dass es so besser für uns beide war." Er schaute nun etwas milder auf sie herab, reichte ihr die Hand und zog sie zu sich hoch. Auge in Auge mit ihr sprach er weiter: „Es sind noch fünf Tage, wir werden hochanständig bleiben, versprichst du mir das?" Sie nickte ganz langsam. „Gut, aber bevor ich gehe und dich deiner Toilette überlasse, möchte ich dir sagen, dass ich mir nichts Schöneres vorstellen kann, als derart von dir in Versuchung geführt zu werden – wenn die Zeit dafür gekommen ist, natürlich." Er küsste sie ganz leicht, nur nicht wieder das Feuer neu entfachen, dachte er dabei. Dann schob er sie ein Stück von sich, betrachtete sie noch einmal begehrlich und fügte leise hinzu: „Mein Gott, du ahnst gar nicht, wie sehr ich dich liebe, auch wenn du mich diese Nacht auf eine wahrhaft harte Probe gestellt hast." Damit ließ er sie allein.

Zum Glück hatte niemand auf Longbourn etwas von dieser nächtlichen Eskapade mitbekommen. Nur Jane, die ungeduldig darauf lauerte Näheres zu erfahren. Als die beiden Schwestern dann endlich für sich waren, war Jane trotz allem ein wenig enttäuscht, dass sich nicht „das Spektakuläre" ereignet hatte. Wo sie doch darauf ein wenig gehofft hatte, dass ihre Schwester ihr vielleicht mitteilen würde, wie „es" gewesen war, damit sie sich für ihren Teil darauf einstellen konnte, was sie mit Charles erwartete. Aber Elizabeth beeilte sich dennoch, ihr zu sagen, dass alles, was anscheinend mit den intimen Abläufen zwischen Mann und Frau zu tun hatte, wahnsinnig aufregend und schön sein musste, wenn es denn zwischen Liebespaaren wie ihr und Fitzwilliam oder Jane und Charles geschah. Jane hätte allerdings niemals gewagt, bei Charles so weit zu gehen, sich mitten in der Nacht in sein Schlafgemach zu begeben und ihn dann halbherzig, weil weitgehend unwissend, versuchen zu verführen. Sie kicherte mit rotem Kopf ohne Unterlass bei Lizzies Bericht.

Aber sie gab auf Nachfrage von Elizabeth zu, dass Charles und sie durchaus schon als fortgeschritten beim Küssen bezeichnet werden konnten und errötete dabei noch eine Stufe mehr.

Man sprach nicht mehr über die Episode, weil gar keine Zeit mehr war, darüber zu reden. Nur noch bei intensiven Blickkontakten zwischen Elizabeth und Fitzwilliam wurde es hie und da ersichtlich.

Aus Pemberley traf Georgiana Darcy ein, ebenso wie die Schwestern von Charles und sein Schwager, Mr. Hurst aus London. Auf Lucas Lodge hielten Mr. und Mrs. Collins Einzug, die Gardiners kamen an, von überall her reisten Gäste an. Colonel Montgomery Fitzwilliam war ebenfalls eingetroffen, in Eile, zwischen zwei Auslandsaufenthalten, doch er ließ es sich nicht nehmen, den Trauzeugen für seinen Cousin zu machen. Er war jedoch auffallend schweigsam dieser Tage. In seinem Fahrwasser erschienen seine Mutter, die Countess of Matlock und ihre Tochter, des Colonels Schwester. Der Earl of Matlock war wegen leichter gesundheitlicher Beschwerden lieber daheim auf dem Familiensitz geblieben, ebenso fehlte der Viscount of Matlock, der es offensichtlich vorzog, sich in London zu amüsieren.

Die Hochzeitsgesellschaft würde auch auf Lady Catherine und Miss Anne de Bourgh verzichten müssen, die natürlich eine rüde Absage geschickt hatte, ebenso auf Mr. und Mrs. Wickham, da dieser keinen Urlaub von seinem Dienst in Newcastle erhielt. Ein Glück für Georgiana, dass ihr diese peinliche Begegnung erspart blieb.

Erst war die Zeit bis zur Hochzeit nur sehr langsam vergangen, doch die letzten beiden Tage rasten nur so dahin. Und ehe man sich versah, waren alle in der Kirche versammelt und die Zeremonie nahm ihren Lauf. Jane konnte sich ein Dauerlächeln nicht verkneifen, Charles hingegen sah viel eher ergriffen aus. Fitzwilliam dachte, sein lauter Herzschlag müsste für jeden der Versammelten in der Kirche hörbar sein und blickte sich daher ständig nervös um. Er wurde auch nicht viel ruhiger, als ihm Elizabeth einen langen Blick zuwarf. Erst als er ihr den Ring mit zittrigen Händen übergestreift hatte, fühlte er sich langsam etwas entspannter.

Auf dem großen Empfang in Netherfield ging es turbulent zu. Als aber alle Anwesenden den beiden glücklichen Paaren einen Toast zukommen ließen und auf ihr Wohl tranken, und sie so sehr beklatscht wurden, da wurden mit einem Mal immer mehr Stimmen laut, die forderten, dass die Brautpaare sich küssen sollten. Fitzwilliam überkam wieder eine Art Panikattacke. Er hatte Elizabeth noch niemals zuvor öffentlich geküsst, er kam sich wie auf dem Präsentierteller vor. Er konnte nicht einmal vermeiden, dass er leicht rot anlief. Charles hatte den ganzen Tag über schon rote Wangen, er war gehobener Stimmung und drückte auch impulsiv sofort Jane an sich, um ihr einen ordentlichen Schmatzer aufzudrücken. Jetzt war es an Jane, rot zu werden. Alles klatschte und lachte, dann waren die vielen Augenpaare auf ihn und Elizabeth gerichtet. Seine Frau wandte sich ihm zu, er nahm ihre Handgelenke und drückte nur ganz kurz seine zusammengepressten Lippen auf die ihren. Er wollte sich sofort zurückziehen, hatte aber nicht mit ihrer Reaktion gerechnet. Sie machte eine Hand los, fasste ihn um den Nacken und öffnete ihre Lippen weit. Er konnte nun nicht mehr anders, als ihre Taille zu umgreifen und sie zu sich heranzuziehen. Zum Teufel mit den vielen Leuten, sie waren ihm plötzlich egal. Erst als frenetischer Beifall aufbrandete, kam er wieder richtig zu sich. Seine Augenbraue hatte sich wieder in eine fragende Position begeben, als er sich von seiner Frau löste und die Verwandten und Bekannten im Raum anstarrte. Charles ließ mit einem donnernden Schlag seine Hand auf die Schulter des Freundes krachen. „Nun, alter Knabe, ich schätze, du hast mich um Längen geschlagen. Könntest du mir Unterricht erteilen?" Sie mussten beide lachen.

Als alle Gratulationen hinter sich gebracht, die Geschenke bestaunt und die erlesenen Speisen vertilgt waren, beschlossen Fitzwilliam und Elizabeth alsbald aufzubrechen. Sie ging nach oben in sein Zimmer, um sich umzukleiden. Er wartete in der Bibliothek…