Disclaimer: Alles = JK Rowling. Nix = mein.

A/N: Etwas wie ein Vorläufer zu Unschuld, nur das letzte Kapitel spielt nach Unschuld.

Für die Produktion dieses Kapitels musste eine halbe Packung Prateser Biscotti (Original von Antonio Mattei) ihr Leben lassen. Ich bin ihnen für ihr Opfer außerordentlich dankbar.

Des weiteren bin ich allen dankbar, die mir eine Review oder Riwu hinterlassen haben... die da wären:
Snuffkin, Maxine, Naru Taru, Ensis, Sam, Sarah, Asahi und Darwion. *strahl und wuschel*
DANKE! Euer Feedback ist wunderbar (hoffentlich kann ich dem weiterhin gerecht werden *g*).

Der letzte Part (speziell das Ende) ist furchtbar, aber das lag am Wein und daran, dass ich es endlich fertig kriegen wollte *verlegen grins*

Oh, und richtig: dieses Kapitel ist speziell meiner Hintertürchenkumpanin Sam gewidmet... *grins*

Warnung: Für Beru - H/D!
(Damit dürfte alles gesagt sein *grins*)

Flamme

Und sie waren wie die Flamme, die sich selbst verzehrt.

Ende September 1997

"Schieß los, Potter. Ich habe nicht den ganzen Abend Zeit."

Er nickte und gab sich keinerlei Mühe seine Überraschung zu verbergen. Er hatte nicht gedacht, dass Draco vor ihm am Treffpunkt erscheinen würde. Das war noch nie vorgekommen. Forschend betrachtete er den anderen und ein beklemmendes Gefühl stieg in ihm auf. War irgendetwas geschehen, irgendetwas anders als sonst? Und lag es am dämmrigen Herbstlicht oder schimmerte sein Haar tatsächlich golden statt wie sonst silbrig? Er sah die Ungeduld in den grauen Augen, und riss sich zusammen.

"Ich wollte mit dir reden..."

"Was du nicht sagst!"

Er ignorierte diesen Einwurf. Seitdem er jenen schicksalhaften Bericht gelesen hatte, wollte ihn ein einziger Gedanke nicht mehr losgelassen. Und aus dem Gedanke war eine Erkenntnis geworden, und aus der Erkenntnis ein Plan. Nächtelang war er wachgelegen und hatte versucht, zu verdrängen, zu vergessen. Aber ihm war klar geworden, dass er das nicht konnte. Ihm war klar geworden, was er tun musste. Es gab nur einen einzigen Grund, warum er hier war.

"Ich wollte mit dir reden, weil ich dir ein Angebot machen will." fuhr er ungerührt fort, "Weil ich weiß, dass du noch kein Todesser bist."

Mit Genugtuung sah er, dass jetzt Draco der Überraschte war, so überrascht, dass es ihm erst nach einigen Sekunden gelang, gelassen zu erwidern:
"Wie kommst du darauf?"

"Ich habe meine Quellen." Er konnte ein zufriedenes Lächeln nicht unterdrücken, es war sicher nicht schlecht, zu demonstrieren, dass die League sehr wohl an Informationen aller Art gelangen konnte, "Entspricht es den Tatsachen?"

"Was, wenn es so wäre?"

Der Moment der Überraschung war bereits wieder vorbei. Aber das machte nichts, er hatte schon genug erfahren, mehr als er gehofft hatte. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich bereits jetzt, als habe er gewonnen.

"Dann würde ich dich gern auf meiner Seite haben."

Es schien fast, als sei Draco über diesen Vorschlag nicht einfach nur erstaunt sondern mehr noch, eher schon entsetzt. Dann aber grinste er höhnisch und fragte mit unverhohlenem Spott: "Und was lässt dich zu der größenwahnsinnigen Annahme kommen, dass ich dieses absolut lächerliche Angebot annehmen werde?"

Ja, was war eigentlich der Grund dafür, fragte er sich selbst, so wie er es sich bereits tausendmal gefragt hatte, nur um immer wieder zum selben Ergebnis zu kommen. "Weil wir beide wissen, dass du so nicht länger weitermachen kannst."

"Du bist Experte darin, was?"

Auch diesen ironischen Einwurf überhörte er. Er wusste, dass Draco ihn provozieren wollte, und genau das konnte er sich nicht leisten. Wenn er sich die Blöße geben würde, die Beherrschung zu verlieren, dann würde er sein Ziel niemals erreichen.

"Du kannst nicht länger so tun, als stündest du außen vor. Du kannst dich nicht länger aus allem heraushalten. Du weißt, wie wichtig es ist, dass wir gewinnen, aber du glaubst, du kannst einfach warten, bis sich die Probleme von selbst lösen, ohne dass du eindeutig Position beziehen musst. Aber so funktioniert das nicht."

"Du sagst, ich müsse mich für eine Seite entscheiden." gab Draco zurück, gefährlich leise und seine Augen schimmerten wie glatter Stahl, "Aber das ist nicht, was du mir eigentlich sagen willst. Du willst sagen, dass es nur eine richtige Wahl gibt - deine Seite. Und du denkst, es sei einfach damit getan, mich auf deiner Seite haben zu wollen. Aber ist dir schon einmal der Gedanke gekommen, dass wenn ich das auch wollte, ich schon längst auf deiner Seite stehen würde?"

Ihm blieb die Luft weg. Draco wollte doch wohl nicht ernsthaft sagen, dass er eigentlich nicht fand, dass Voldemort und die Todesser Böses taten?

"Verdammt, Malfoy, das... du... siehst du nicht, was sie tun? Diese... diese Bestien zerstören alles, was nicht ihren Vorstellungen entspricht, ohne jede Gnade!"

"Diese Bestien, wie du sie nennst, Potter, sind meine Freunde. Meine Familie. Sei vorsichtig mit dem, was du sagst. Was erwartest du? Dass ich brav nicke und sage, 'Ja, Harry Potter, du hast Recht. Diese Menschen sind böse. Bitte, lass mich dir helfen, meine Familie und meine Freunde zu vernichten.'" Draco hielt kurz inne, er presste den Mund so fest zusammen, dass seine Kieferknochen hervortraten. "Tja, Überraschung: du hast Recht. Was sie tun ist falsch. Aber ich werde dir nicht helfen."

Er blinzelte ungläubig. Hatte er sich eben verhört? Hatte Draco tatsächlich zugegeben, dass Voldemort Böses tat? Also hatte er sich doch nicht geirrt. Er hatte es gewusst.

"Aber wenn du glaubst, dass es falsch ist, dann musst du..."

"Irrtum! Ich muss gar nichts!" Dracos Wut schäumte völlig unerwartet auf, so wütend hatte er ihn noch nie gesehen - der Slytherin schrie beinahe. "Es ist falsch und böse und man muss sie aufhalten! Aber du brauchst mich nicht um diesen verdammten Krieg zu gewinnen! Du und deine Freunde, ihr seid stark genug um die Menschen zu vernichten, die mir wichtig sind! Glaubst du, dass ich dir dabei helfe? Dass ich meinen Zauberstab erhebe um meine Familie, meine Freunde zu töten? Glaubst du wirklich, ich würde die Menschen töten, zu denen ich gehöre, seit ich atme? Glaubst du wirklich, ich würde sie betrügen?"

"Aber... aber du sagst, dass sie gegen alles kämpfen, an das du glaubst..."

"Nein! Das habe ich niemals gesagt! Sie kämpfen gegen alles, an das DU glaubst, Potter! Ich glaube nicht an die selben Dinge wie du. Ich glaube nicht an die Dinge, für die du kämpfst."

Er fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen, oder als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Nein, mehr noch - er fühlte sich verraten, persönlich angegriffen und verletzt. Er wusste nicht, wieso, und gleichzeitig wusste er ganz genau, warum.

"Wie kannst du es wagen, Malfoy... Glaubst du etwa nicht an die Freiheit, an Gleichheit und an das Gute? Diese Menschen sind böse, sie folgen einem grausamen Mann! Sie töten, einfach so, weil sie es können und weil es ihnen Spaß macht! Sie töten Dutzende unschuldiger Menschen, und sie werden niemals damit aufhören, wenn wir sie nicht aufhalten!"

"Nicht wir. Wenn ihr sie nicht aufhaltet. Wenn du sie nicht aufhältst, Harry Potter."

"Ich glaube einfach nicht, dass du so abgestumpft bist!" Jetzt schrie auch er, und obwohl er merkte, wie zornig er war, spürte er doch jetzt schon eine Leere in sich, die ihm Angst machte. Sobald seine Wut verraucht sein würde, würde nichts mehr übrig sein. Nichts mehr in ihm, keine Hoffnung mehr, denn die letzte Hoffnung hatte er soeben verloren. "Voldemort hat meine Eltern getötet..."

"Vergiss es, Potter." Dracos Stimme war schneidend, ebenso kalt und unnahbar wie sein Blick, "Das Universalargument zieht bei mir nicht. Voldemort hat deine Eltern getötet. Und eines Tages wirst du meine Eltern töten. Ich würde sagen, das ist mehr als ein fairer Handel."

Er fühlte, wie er blass wurde. Es konnte nicht...
"Malfoy..."

"Dieses Gespräch ist beendet, Potter. Lass mich in Ruhe."

***

"Es ist, wie es ist."

"Du wirst es mir niemals sagen?"

"Weil es keinen Grund dafür gibt."

"Ich weiß nicht, ob ich damit leben kann."

"Du wirst es müssen."

***

Als ich den Namen Harry Potter zum ersten Mal hörte, begriff ich noch nicht, was für eine Bedeutung der Junge dahinter für die Welt hatte. Später wuchs ich mit deiner Geschichte auf, und ich lernte den Hass meines Vaters kennen, den er gegen dich hegte. Und je älter ich wurde, umso größer wurde mein Wunsch, dich kennen zu lernen. Ich wollte, dass du mein Freund wirst, denn jemand, der den Dunklen Lord besiegen konnte und sich den Zorn meines Vaters in deinem Alter zuzog, der musste einfach etwas Besonderes sein. Der musste meiner würdig sein, und meine Bewunderung verdient haben. Meinen Eltern hätte ich natürlich niemals davon erzählt, sie hätten es nicht gebilligt - schon damals wollte mein Vater dich tot sehen. Manche Dinge ändern sich nie.

Heute ist nicht mehr wichtig, was ich einst wollte. Alles ist anders gekommen. Du hast meine Freundschaft ausgeschlagen und mich abgewiesen. Du hast mich verschmäht und dich mit Schlammblütern und Versagern verbündet, anstatt dass du mein Angebot angenommen hättest um die Macht mit mir gemeinsam zu suchen. Wir sind Feinde geworden, und ich habe alles versucht, um dich bloßzustellen so wie du mich bloßgestellt hast. Ich weiß nicht, ob du dir vorstellen kannst, wie sehr ich dich gehasst habe, jeden Tag ein bisschen mehr. Für dich haben sich alle auf den Kopf gestellt, für dich wurden Regeln gebrochen, für dich wurde Himmel und Erde in Bewegung gesetzt. Es spielte keine Rolle, was du getan hast, am Ende gingst du als Sieger hervor und alles hat dir zugejubelt.

Für mich blieb nur die Rolle deines Gegenspielers, der dir Steine in den Weg legt und der immer am Rand bleibt. Unwichtig. Hast du jemals bemerkt, wie lächerlich es war? Meine Angriffe, meine Beleidigungen gegen dich und deine Gryffindor-Freunde, sie waren nichts, sie waren wertlos - du spieltest schon lange in einer höheren Liga. Egal, was ich tat, ich konnte dich nicht damit erreichen. Es war immer einfach, das Wiesel auf 180 zu bringen, aber das wollte ich nie, das war nicht mein Ziel. Ich wollte dich, aber du hast mir selbst diese Genugtuung verweigert. Das war das Schlimmste von allem. Ich war kein ernstzunehmender Gegner für dich, wie auch? Mit dem Dunklen Lord kann ich nicht konkurrieren. Ich habe dich gehasst, aber dir war ich nicht einmal das wert - du hast dir deinen Hass für andere bewahrt. Ich war nur Nichts für dich.

Du dagegen, du warst immer für alle etwas Besonderes. Ich konnte nie herausfinden, was der Grund dafür ist, dass die Menschheit dir nachläuft. Vielleicht deine Narbe, dein Brandzeichen, so unverkennbar wie das Dunkle Mal. Oder aber deine grünen Augen, die Augen deiner Mutter, wie es heißt. Möglicherweise etwas ganz anderes, etwas, das ich nie verstehen werde, nie verstehen will. Ich habe immer gehofft, dass der Tag kommen würde, an dem du getötet wirst, zerschmettert am Boden liegst, zusammen mit deinen Anhängern, die dir so willig, so blind folgen. Alles ist anders gekommen. Ich weiß nicht, was passiert ist, ich weiß nicht, was du getan hast. Ich weiß gar nichts mehr.

Verdammt, wie ich dich hasse.

***

"Es ist bloß ein Spiel für dich, nicht wahr?"

"Ein Spiel? Was meinst du?"

"Der Krieg, das Leben, du und ich... einfach alles."

"Wenn es ein Spiel für mich ist, dann erst, weil du es dazu gemacht hast."

"Du lachst mich aus. Deine Augen verraten dich. Sie leuchten."

"Und deine Augen... sie schreien noch immer."

***

Mitte Dezember 1997


Schweiß lief Harry über die Stirn und rann ihm in die Augen. Es brannte, aber kaum dass er sich die Zeit nahm, mit dem Handrücken darüber zu wischen, wurde er bereits schmerzhaft mit der flachen Seite einer Klinge an der Schulter getroffen.

"Nicht träumen!" Dracos Stimme erinnerte ihn an einen Ausbilder beim Militär, und es wäre untertrieben gewesen, zu sagen, dass ihm das nicht sonderlich gefiel. Der Slytherin dagegen schien in seiner Rolle als Foltermeister aufzugehen wie Krokusse im Frühling. Wütend versuchte Harry, den nächsten Schlag zu parieren, und die beiden Waffen schlugen klirrend gegeneinander.

"Ellbogen zurück! Schultern nach unten!"

Zu gerne hätte er eine patzige Antwort gegeben, aber dazu fehlte ihm der Atem. Seine Beine vollführten die Bewegungen inzwischen nur noch automatisch - vor, zurück, Seite, Ausfallschritt. Das Gefühl in seinen Armen war auch schon vor einer Weile verloren gegangen, ein Wunder, dass er den Säbel überhaupt noch hoch halten konnte. Morgen würde er sich vor Muskelkater kaum rühren können, und wie in jeder Fechtstunde fragte er sich, was doch gleich der Grund dafür gewesen war, dass er das alles auf sich nahm. Das einzige, was ihn tröstete, war die Tatsache, dass es ihm inzwischen gelang, Draco wenigstens auch ins Schwitzen zu bringen.

Warum sie mit dem Trainieren begonnen hatte, das war ihm tatsächlich nicht ganz klar. Es hatte damit begonnen, dass Draco sich über Harry lustig gemacht hatte, weil der nicht die geringste Ahnung davon besaß, wie er das Schwert von Godric Gryffindor richtig halten musste. Und irgendwann waren sie hier oben gelandet. Am nächsten Tag wieder. Und dann noch einmal. So lange, bis es zur Gewohnheit geworden war. Inzwischen war es eine stillschweigende Abmachung zwischen ihnen, ein willkommener Grund zur Flucht vor den anderen.

Denn Draco war natürlich kein gerngesehener Bewohner im Schloss, auch nachdem Dumbledore offiziell sein Einverständnis zur Anwesenheit des jungen Malfoys gegeben hatte. Und Harry vermied längere Begegnungen mit so ziemlich jedem. Er hatte keine Lust auf Erklärungen für Dinge, die er nicht erklären konnte und erst recht nicht wollte. Mit Ron sprach er sowieso nur das Nötigste, und dem schien das ganz recht zu sein, er hatte alle Versöhnungsversuche durch Hermione abgeblockt.

Bis auf ein paar Kommentare von Draco verliefen die Übungen immer schweigsam. Mal umkreisten sie einander wie zwei Raubkatzen, von denen keine als erste den Angriff wagen wollte, dann wieder war jeder einzelne Hieb getragen von zorniger Kraft, deren Ursprung keiner der beiden hätte benennen können. Es war nicht nötig, dass sie viel miteinander redeten, sie überließen den Dialog dem blitzenden Metall und manchmal hatte Harry das Gefühl, Malfoy schon ewig zu kennen. Es erschreckte ihn, aber der einzige Mensch, bei dem er sich im Moment wirklich wohl fühlte, war Draco.

Etwa eine viertel Stunde später hatte Harry das Gefühl, dass die Luft vor seinen Augen flirrte und er keine Minute länger aushalten würde.

"Schluss für heute."

Harry jubelte innerlich auf - offensichtlich hatte er ausnahmsweise das Glück auf seiner Seite. Am liebsten hätte er sich an Ort und Stelle auf den Boden fallen lassen, stattdessen lehnte er sich nur erschöpft gegen die Mauer des kleinen Turmzimmers und ließ den Säbel scheppernd zu Boden gleiten. Draco gab einen missbilligenden Laut von sich, er stand mit dem Rücken zu Harry, die Hände links und rechts gegen eines der Fenster gestemmt. Dehnen nannte er das, Harry bevorzugte den Begriff Selbstquälung. Er wischte sich mit dem Zipfel seines Hemdes über das Gesicht und blinzelte. Über den blonden Kopf seines Trainingspartners hinweg konnte er sehen, dass es draußen dicke, weiche Flocken schneite, aber ihm war so heiß als wäre es mitten im Hochsommer.

Er merkte erst, dass er gestarrt hatte, als Draco sich umwandte und ihn erwartungsvoll ansah. "Äh.... du... hast du was gesagt?" stotterte er verlegen und stieß sich gespielt lässig von der Wand ab.

"Nein, einen Stepptanz aufgeführt." Draco rollte mit den Augen, "Vergiss es."

"Soll ich dir mal was verraten?" Harry musste grinsen, "Ich dachte früher immer, du wärst deinem Vater ähnlich. Aber wenn ich die Schnute anschaue, die du jetzt ziehst, dann kommst du wohl eher nach deiner Mutter."

"Sehr witzig, Potter. Ich lache mich tot." Der andere drehte sich wieder um, griff nach einem Handtuch und rieb sich damit über das Gesicht.

Harry schob seufzend die Hände in die Hosentaschen und ging zu Draco hinüber ohne ihn anzusehen, stattdessen lehnte sich erneut gegen die Wand. Gestern Abend hatte er ein langes Gespräch mit Dumbledore gehabt, und es lag ihm noch immer schwer im Magen. Er hatte eigentlich vorgehabt, Draco um seine Meinung bitten wollen, aber jetzt wusste er nicht mehr so recht, wie er die Sache ansprechen sollte.

"Wusstest du, dass Voldemort zur Hälfte Muggel ist?" erkundigte er sich etwas aus der Luft gegriffen und seine Finger trommelten gegen die kühle Steinmauer.

Die Antwort kam ungerührt und augenblicklich. "Natürlich weiß ich das. Ich habe seinen Lebenslauf auswendig gelernt, als ich 5 war."

"Oh." machte Harry und kratzte sich an der Schläfe, "Aber weißt du auch, dass sein und mein Zauberstab Zwillinge sind?"

Draco warf ihm einen langen Blick von der Seite zu und widmete sich dann seinem Säbel, den er nach jedem Training mit Hingabe glatt schmirgelte. Harry hatte ihn einmal darauf hingewiesen, dass er das auf Muggelweise tat, aber Draco hatte das dementiert und behauptet, es sei in der Zaubererwelt seit jeher Tradition, Waffen von Hand zu pflegen.

"Auch das weiß ich. Denkst du etwa, mein Vater hätte nicht dafür gesorgt, dass ich alles erfahre, was sich am Abend der Auferstehung des Dunklen Lords abgespielt hat?"

Harry verfluchte sich, natürlich, daran hatte er gar nicht mehr gedacht. Irgendwie verlief das Gespräch nicht ganz so, wie er wollte. Andererseits, es tat gut, mit jemandem so über Voldemort sprechen zu können, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt. Mit niemandem sonst konnte er das so offen tun, aus den verschiedensten Gründen zwar, aber das Ergebnis war immer das selbe.

"Ist dir jemals aufgefallen, wie ähnlich er mir ist?" versuchte er es ein letztes Mal und starrte konzentriert an die Decke.

Jetzt dauerte es länger, bis Draco etwas erwiderte, aber er klang nicht weniger entschieden als zuvor.
"Das ist vollkommener Schwachsinn, und das weißt du auch."

Harry senkte den Blick. Das war in etwa die Reaktion, die auch Sirius gezeigt hatte, als er ihn darauf angesprochen hatte. Er hatte sich von Draco etwas mehr erhofft, es war nicht hilfreich. Es änderte nichts an den Befürchtungen, die er insgeheim hegte. Er zuckte ein wenig resigniert mit den Schultern. "Wenn du das sagst."

Draco fuhr herum und packte Harry am Handgelenk, so fest, dass der leise aufschrie.

"Sag so etwas nie wieder, hast du mich verstanden? Nie wieder!"

Harry starrte den Slytherin überrascht an, er hatte alles mögliche erwartet, nur nicht eine solche Reaktion. Er nickte dann vorsichtig, aber Draco ließ ihn nicht los, im Gegenteil, er verstärkte seinen Griff nur noch.

"Es gibt einen entscheidenden Unterschied, und das solltest du niemals vergessen, Potter."

"Und... der wäre?" Die Frage kam völlig automatisch, ohne dass er darüber nachgedacht hätte. Er war sich nicht einmal sicher, dass er im Moment denken konnte, denn alles was er fühlte, waren Dracos kurzgeschnittene Fingernägel, die sich in seine Haut bohrten, und alles was er sah, war der grimmige Gesichtsausdruck seines Gegenübers.

"Die Menschen folgen dir, weil sie es wollen. Es ist ihre freie Entscheidung. Sie sehen, wofür du stehst, und sie sind bereit, mit dir zusammen dafür zu kämpfen und zu sterben. Die Menschen respektieren dich." Dracos Gesicht war Harrys so nah, dass er dessen Atem auf seiner Haut fühlen konnte. Warm, beinahe heiß. "Niemand respektiert Voldemort. Ihm folgen die Menschen, weil sie Angst haben. Seine Feinde fürchten ihn ebenso wie seine Anhänger."

Ihm stockte fast der Atem, als er das hörte, und die Worte hingen fast greifbar zwischen den beiden. Harry hätte nicht sagen können, wie lange sie sich einfach nur in die Augen starrten. Die Spannung, die plötzlich zwischen ihnen zu knistern schien, war ihm unangenehm, und er machte irgendwann den Versuch, nach hinten auszuweichen. Aber sofort spürte die Wand in seinem Rücken, Draco stand immer noch dicht vor ihm. Er hatte ihn nicht losgelassen. Aus einem nicht nachvollziehbaren Grund begann sein Herz schneller zu schlagen, als er in diese grauen Augen blickte, die jetzt gar nichts mehr mit jenen grauen Augen gemeinsam zu haben schienen, die er so gut zu kennen glaubte.

Plötzlich war ihm, als ob sich Stück für Stück alles, was ihn bisher verwirrt hatte, zusammenfügte. Wie bei einem Puzzle, in dem jedes Teil seinen Platz fand um erst ganz am Ende das Bild sichtbar werden zu lassen.

"Und du?" flüsterte er, wagte kaum, laut zu sprechen, als hätte er Angst, dass Draco davonlaufen könnte. "Warum folgst du mir?"

Draco lächelte amüsiert, aber auch er sprach leise: "Du musst etwas missverstanden haben, Potter. Ich folge dir nicht."

Harry schluckte rau und versuchte zu nicken, aber die Antwort blieb ihm im Hals stecken. Denn Malfoy neigte das Gesicht nach vorn, seine Nase streifte sacht über Harrys Wange, und er fühlte seine Knie weich werden. Ohne zu wissen, warum, schloss er die Augen. Dann war Dracos Mund auf seinem, und er fühlte, wie Worte gegen seine Lippen gemurmelt wurden, deren Bedeutung in seinen Gedanken zu verschwimmen schien.

"Ich werde dir niemals folgen, nur gemeinsam mit dir gehen."

***

"Du bist also hier."

"Ach. Es ist dir aufgefallen?"

"Schlechter Zeitpunkt für Scherze. Was willst du?"

"Du hast mich eingeladen."

"Und?"

"Wie du sagtest. Ich bin jetzt hier."

"Ich werde dich töten, wenn du mich betrügst."

"Du bist nicht der Erste, der damit droht."

"Hoffentlich werde ich nicht der Erste sein, der die Drohung wahr macht."

***