Disclaimer: Alles = JK Rowling. Nix = mein.

Der Gedanken-Erinnerungsteil ist von Vertical Horizon, Footprints In The Snow inspiriert, und ich gebe zu, dass ich daraus abgekupfert hab. Aber ich liebe diesen Song einfach, und ich wollte, dass das da drin ist. Wenigstens ansatzweise.

A/N: Etwas wie ein Vorläufer zu Unschuld, nur das letzte Kapitel spielt nach Unschuld.

Ich fühle mich ganz ganz ganz seltsam. Das ist das erste Mal, das allererste Mal seit ich Schreibe, dass ich versucht habe, meine - ich weiß nicht - Wut, was auch immer, darin abzureagieren. Der Plot wurde aufgrund dessen etwas... umgeändert. Okay, er hat sich vollkommen verselbstständig und.. . *hilfe*schnief* Aber rückgängig machen will ich es auch nicht, selbst wenn ich befürchte, ich hab... wirklich... irgendwie... Müll geschrieben, also, nicht Müll im Sinne von Müll, sondern Müll in der Hinsicht, dass ich eigentlich gar nicht wollte, dass passiert was passiert. Okay, jetzt schreibe ich wirklich Müll. Lassen wir das. Trotzdem, oder gerade deswegen eine kleine Warnung... das Kapitel ist, denke ich zumindest, "dunkler" als die vorherigen. Vielleicht auch grausamer (siehe auch die offizielle Warnung).

Sorry für den schlechten "nahezu zur selben Zeit" Bruch im letzten Teil, aber ich brauchte einen POV-Wechsel *lol*

Danke an jeden einzelnen meiner Riwu-Schreiber... hab ich mal erwähnt, dass ich euch liebe? :) *knuddelwuschel*

Warnung: Für Beru - H/D!
Außerdem, in diesem Kapitel, Character Death.

Feuer

Das Moor verdorrt,
es schwelt im Feuer der Himmel,
es fällt der Mond,
der Erdkreis brennt

(Das Mûspilli)

Anfang Januar 1998

"Jedenfalls, theoretisch müsste es dann möglich sein, die innere Barriere zu überwinden und..."

"Theoretisch vielleicht, praktisch ist es eine Schnapsidee."

Drei Köpfe fuhren zu Draco herum, der völlig unbeteiligt die Tür hinter sich schloss und zu einem der Fenster hinüberging.

"Ich kann mich nicht erinnern, dass dich jemand um deine Meinung gefragt hätte." bemerkte Ron bissig und kniff leicht die Augen zusammen.

"Das ist der Fehler." Draco lächelte sanft, aber sein Ton war so arrogant wie immer, "Ihr solltet mich fragen. Und ihr solltet meinen Rat befolgen."

Hermione trat Ron gegen das Schienbein, so dass seine aggressive Antwort in einem leisen Schmerzensruf unterging. Malfoy hatte ihr gerade noch gefehlt, es war schwer genug, Harry und Ron dazu zu bringen, sich wenigstens einander gegenüber einigermaßen zivil zu benehmen, mit Draco im selben Raum war das so gut wie unmöglich. Erstaunlicherweise schien der Slytherin das erkannt zu haben, aber anstatt es auszunutzen ging er Ron für gewöhnlich aus dem Weg, was Hermione nur noch misstrauischer machte. Sie war sich sicher, dass etwas an der Sache faul war.

"Du weißt, dass deine Anwesenheit bei unseren internen Planungen nicht erwünscht ist, Draco." Sie wies zur Türe, in der Hoffnung, die Angelegenheit im Keim ersticken zu können.

"Ach, wie konnte ich das vergessen? Ihr vertraut mir ja nicht." Draco rollte mit den Augen und fasste sich theatralisch an die Brust, machte aber natürlich keinerlei Anstalten, das kleine Turmzimmer zu verlassen.

"Ehe ich dem vertraue, lade ich Du-weißt-schon-Wen zum Frühstück ein!" knurrte Ron halb unter dem Tisch hervor, er hatte sich gebückt um sein Bein zu begutachten.

Hermione warf einen Seitenblick zu Harry, aber der schwieg, was ihrer Meinung nach nicht sonderlich hilfreich war. Ebenso wenig hilfreich war die Tatsache, dass bisher keiner der noch im Schloss anwesenden Professoren jemals einen Versuch gemacht hatte, zwischen den Parteien zu vermitteln - und dass nie einer von ihnen deutlich gemacht hatte, was sie von Dracos Anwesenheit im Allgemeinen hielten und wie sie zu ihm standen. Eine Sache, die Hermione zu schaffen machte, sie andererseits aber auch beruhigte, denn Dumbledore wäre der wohl der Letzte gewesen, der sich von Draco an der Nase herumführen lassen hätte.

"Ganz richtig." erklärte auch Hermione, "Wir vertrauen dir nicht, was aber selbst für dich nachvollziehbar sein sollte."

"Ja. In der Tat."

Es klang ein wenig verträumt, aber Hermione weigerte sich, dieses Wort mit Malfoy in Verbindung zu bringen. Innerlich aufseufzend schaute sie zu, wie Draco es sich auf der Fensterbank bequem machte.

"Wenn ihr euch wieder eingekriegt habt, können wir dann vielleicht weitermachen?" Harry trommelte ungeduldig mit den Fingern und schnipste mit Daumen und Zeigefinger der anderen Hand einen Stapel Blätter, der sich dadurch fächerartig über die ganze Tischfläche ausbreitete, zu Ron hinüber. "Abschnitt D und H sind lausig, überarbeite sie noch einmal neu."

"Du musst es ja wissen." Der Ton von Rons Antwort harmonierte wunderbar mit seinem finsteren Blick, und als Hermione sah, wie sich die beiden ehemals besten Freunde giftig anstarrten, hätte sie am liebsten an Ort und Stelle zu weinen begonnen. Wieso konnten sie sich nicht einfach wieder vertagen? Wieso mussten sie beide so unglaublich stur sein? Sahen sie denn nicht, dass ihr Streit früher oder später den ganzen Widerstand beinträchtigen würde? Seit ihrem vierten Schuljahr hatte sie sich nicht mehr so hilflos gefühlt, was die beiden betraf, und einen Moment lang überlegte sie, ob es vielleicht helfen würde, wenn sie den beiden mit Hogwarts: A History einen kräftigen Schlag auf den Schädel geben würde. Sie lächelte, und so verlockend die Idee auch sein mochte, sie verwarf sie wieder.

"Man könnte glauben, dass man in deinem Alter in der Lage ist, Kritik zu vertragen."

Hermione schoss einen giftigen Blick zu Draco, aber der bemerkte das nicht einmal, er blickte ungerührt zum Fenster hinaus. Es hatte wieder zu schneien begonnen, und Malfoy schien das zu mögen, er verbrachte viel Zeit draußen, und sie musste widerwillig zugeben, dass die Jahreszeit ihm stand.

"Verdammt, Malfoy!" Ron sprang auf und stemmte die Fäuste auf den Tisch, so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten, "Ich sage es dir zum letzten Mal, misch dich nicht in Angelegenheiten ein, die dich einen Scheißdreck angehen!"

Jetzt schenkte Draco seine volle Aufmerksamkeit den anwesenden Personen, und das Lächeln von vorher war verschwunden.

"Und hier liegt das Problem, Weasley." Er betonte den Namen so überdeutlich, dass man das allein als Beleidigung werten konnte, und Ron tat das, denn er wäre auf Malfoy losgegangen, wenn Hermione ihn nicht kurzentschlossen am Arm gepackt hätte.

"Lass ihn ausreden." Flüsterte sie, und als sie sein Zögern bemerkte, fügte sie hinzu: "Bitte."

Erleichtert sah sie, dass er sich entspannte, und mit noch größerer Erleichterung nahm sie sein Nicken zur Kenntnis. Sie zog auffordernd die Augenbrauen in die Höhe und machte eine ungeduldige Geste mit der Hand. "Und was ist das Problem, Malfoy? Na los, wir hören dir zu! Und sind sehr gespannt, was du zu sagen hast!"

Sie konnte sich gut vorstellen, was kommen würde, und dieses Mal würde sie ihm sein Gerede nicht durchgehen lassen. Sie würde ihm jedes einzelne Wort, jede einzelne Beleidigung zurück in sein verfluchtes Slytherinmaul stopfen, und wenn er daran ersticken würde. Hermione erschrak über das Ausmaß ihrer Wut, aber sie nahm an, dass das eine völlig normale Reaktion war, in Anbetracht dessen, dass sie sich seit Malfoys Ankunft stets bemüht hatte, sich zurückzuhalten, im Grunde aber bereits bei ihrer ersten Begegnung an die Decke hätte gehen können.

"Welch Gnade mich ereilet, dass Euer Hochwohlgeboren mir niederem Geschöpfe zu sprechen erlaubet." Draco grinste, und auch wenn sie keine Ahnung hatte, woraus er zitierte, es war sein Glück, dass er weitersprach, ehe sie ihm an die Kehle sprang.

"Das Problem ist, dass es mich wohl etwas angeht. Es kümmert mich nicht im geringsten, ob ihr euch selber ins Verderben reitet oder morgen das Weite sucht. Aber in Anbetracht dessen, dass es hierbei nicht nur um euch sondern auch um mich geht, will ich verdammt sein, wenn ich nicht ein Wörtchen mitzureden habe bei euren hirnrissigen Plänen!"

Das war das erste Mal, realisierte sie während sie seine Worte verarbeitete, dass er einfach nur sagte, was er dachte, ohne versteckte Anspielungen, ohne hintersinnige Doppeldeutigkeiten, ohne feine Nuancen - ohne Netz, ohne doppelten Boden. Und es war eines der wenigen Male, wo sie geneigt war, ihm zuzustimmen – oder wenigstens anzuerkennen, dass sie verstand, warum er so dachte. Und obwohl das eigentlich die Basis für eine rationale Diskussion hätte sein können, lief ab diesem Moment so ziemlich alles schief, was schief laufen konnte.

"Glaubst du vielleicht, dass wir dir unsere ach so hirnrissigen Pläne anvertrauen? Nur damit du zu deinem Vater rennen kannst um ihm zu erzählen, was wir vorhaben?" Ron war kurz davor zu schreien, und das bedeutete, dass er kurz davor war, die Beherrschung zu verlieren. Ein Ereignis, auf das Hermione schon seit Wochen mit Ängsten und Bangen wartete.

Aber es war nicht Ron, der als erstes die Beherrschung verlor, es war Draco. Und wenn Ron Feuer war, wenn er zornig wurde, dann war Draco Eis. Kalte Wut beherrschte sein Gesicht, seine Augen, seine Körperhaltung – unnatürlich angespannt, unnatürlich beherrscht.

"Weasley, wenn ich euch an meinen Vater verraten wollte, dann wärt ihr längst alle tot – vielleicht hätte ich euch sogar mit eigener Hand umgebracht. Ich bräuchte nur zwei Worte zu sprechen und die Sache wäre erledigt. Avada Kedavra. So einfach ist das."

Hermoine fühlte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich, und im selben Atemzug wie Ron einen Schritt nach hinten machte, sprang Harry auf.

"Genug!" befahl er barsch, "Ich erkläre diese Diskussion für beendet. Kein Wort mehr, von keinem von euch."

Hätte sie es nicht besser gewusst, Hermoine hätte geschworen, dass Draco tatsächlich kurz davor war, den Todesfluch auszusprechen, und sie merkte mit Entsetzen, dass sie tatsächlich Angst hatte. Angst, die von der Ruhe, mit der Malfoy sprach, noch immer ohne seinen Platz auf der Fensterbank zu verlassen, keineswegs beruhigt wurde.

"Wenn glaubst, Potter, dass ich mir von dir den Mund verbieten lasse, Potter, dann bist du genauso dumm wie die beiden da."

"Ach, Uneinigkeit im Potter-Malfoy Paradies? Was wird das?" fauchte Ron, der endlich seine Sprache wiedergefunden hatte, "Eine Wiederholung von Salazar Slytherin gegen Godric Gryffindor im 20. Jahrhundert? Malfoy, dir würde ich den selben Betrug zutrauen wie dem Gründer deines Hauses, ganz Slytherin stinkt nach Verrat!"

Draco brach in schallendes Gelächter aus, und es wirkte so echt, dass Hermoine nicht fassen konnte, dass ein Mensch so schnell von einem Extrem der Selbstbeherrschung ins andere rutschen konnte. Offensichtlich ging es nicht nur ihr so, denn es herrschte komplette Stille, beinahe so, als wäre die Anspannung mit einem Mal gebrochen worden. Und in gewisser Weise, stellte sie überrascht fest, war sie das auch, und es beunruhigte sie, dass sie nicht sagen konnte, was genau eigentlich vor sich ging, was zwischen ihnen hier vor sich ging - besonders, weil sich ein solcher Schnitt im Gespräch vollzog, dass sie sich fragte, ob es überhaupt noch einen Sinn ergab.

"Wirklich, Weasley, solch hirnloses Geschwätz hätte ich nicht einmal von dir erwartet! Salazar Slytherin konnte Hogwarts nicht betrügen, indem er Schwarzmagier wurde, weil er nie etwas anderes war als Schwarzmagier!"

Nicht nur Hermione starrte ihn verblüfft an, aber sie war die erste, der es gelang, eine verwirrte Antwort zu stottern.

"Aber... Wenn er... Wieso sollte... Wieso sollte er dann überhaupt... Gründer geworden sein?"

"Was ist das, Dummheit oder Ignoranz?" Draco schüttelte den Kopf, wie um seinen Unglauben darüber auszudrücken, dass jemand so unwissend sein konnte, "Ausgewogenheit, meine Liebe. Ausgewogenheit, und die Tatsache, dass es nicht die Magie ist, die böse ist, sondern derjenige, der sie benutzt, und der Zweck, zu dem sie angewandt wird."

Und dann rutschte er vom Fensterbrett herunter, verschränkte die Arme und blickte sie der Reihe nach an. Und Hermione hatte schwören können, dass sie aus seiner Stimme Sorge heraushören konnte, als sein Blick schließlich an Harry hängen blieb während er sagte:

"Aber Ausgewogenheit ist etwas, das euch allen zu fehlen scheint."

***

"Wirst du um mich weinen, wenn ich tot bin?"

"Nein. Nicht um den Mann, der du dann gewesen sein wirst."

"Als hätte ich etwas anderes erwartet..."

"Ich werde um dich weinen, den kleinen Jungen, der du nie sein durftest."

***

Bevor ich nach Hogwarts kam, wusste ich nicht, dass es etwas wie Freundschaft gibt. Es war nur ein Wort, hohl und ohne jede Bedeutung. Und dennoch wusste ich eines mit jener untrüglichen Gewissheit, die nur ein Kind haben kann: Nicht jeder kann dein Freund sein. Dein Freund, das kann nur einer sein, der dir so nah ist wie deine Haut, jemand, der deinem Leben Bedeutung verleiht, jemand, der dich nicht immer verstehen muss – weil er dir immer vertraut, immer an dich glaubt und bereit ist, für dich durchs Feuer zu gehen.

Und etwas ganz merkwürdiges ist passiert, etwas, das ich vielleicht Wunder nennen würde, wenn ich an Wunder glaubte. Ich habe einen Freund gefunden, einen wirklichen Freund.

Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen, dass wir uns begegnet sind, und dann scheint es wieder Jahrhunderte her zu sein. Wir wurden Freunde, und mehr als das. Wir sind aneinander gewachsen, er und ich, und auch wenn die Welt immer auf mich schauen wird und immer auf mich geschaut hat, war er es, der mir viel mehr gegeben hat, als ich ihm im Gegenzug dafür jemals hätte zurückgeben können. Er war mein Fels in der Brandung.

Die Welt hatte sich schon damals gegen uns verschworen, und Jahr für Jahr zog sich der Kreis enger um uns. Aber wir haben zusammengehalten, uns gegenseitig Mut gemacht. Wir haben versucht, uns Trost zu spenden, und konnten doch niemals unseren Tränen freien Lauf lassen, wenn wir es hätten tun sollen. Es gab nichts, das wir gemeinsam nicht meistern konnten, denn egal was passierte, wir wussten, wir waren nicht allein.

Wir waren Freunde.

Und wir dachten nicht an das Morgen, dachten nicht daran, dass es vielleicht nicht immer so sein würde. Wir glaubten an das Jetzt, und daran, dass Freundschaft für immer währt. Immer ist die eine Hälfte der Ewigkeit.

Damals wussten wir noch nicht, wie schnell die Zeit vergeht, und wir wussten erst recht nicht, dass die Zeit alles ändert, alles mit sich reißt und unter sich begräbt bis nichts mehr ist wie es einmal war.

Ich weiß nicht, was geschehen ist, was sich verändert hat, wer den ersten Schritt weg vom anderen getan hat. Ich weiß nicht, wann der Bruch kam, der erste Riss, aber der Riss wuchs, und er brach uns entzwei. Vielleicht bin ich selbst zerbrochen, aber es ist nicht wichtig. Er ist aus meinem Leben verschwunden, fast ohne eine Spur zu hinterlassen.

Er konnte mich nicht verstehen, wie auch, es ist, als sprächen wir zwei Sprachen, als wären wir Welten von einander entfernt. Als ich ein Kind war, schien alles so einfach, ich glaubte, ein Freund muss mich nicht verstehen, solange er mir vertraut, solange ich an ihn glaube. Heute weiß ich, dass das nicht genügt, dass das niemals genügen kann.

Denn heute glaube ich an nichts mehr, und heute weiß ich, dass es niemals Freundschaft geben kann. Niemals ist die andere Hälfte der Ewigkeit.

Und dennoch, wenn ich seinen Spuren im Schnee folge, wenn ich an sein Lachen denke, wenn ich höre wie er den anderen voll Zuversicht Mut macht, wenn ich in seinen Augen sehe, dass er noch immer für mich durchs Feuer gehen würde, dann habe ich dennoch die irrsinnige Hoffnung, dass ich nicht recht habe, dass er noch nicht aus meinem Leben verschwunden ist.

Er hat mich bereits einmal gelehrt, was Freundschaft ist.

Vielleicht, nur vielleicht wird er es wieder tun.

***

"Sie sind so dumm, so dumm in ihrer Abhängigkeit."

"Vielleicht sind sie das, aber sind wir es nicht alle?"

"Nein. Ich bin nicht wie sie, glaube nicht blind an einen einzelnen Menschen, bedingungslos."

"Manche Menschen nennen es Vertrauen."

"Manche Menschen können sich das nicht leisten."

***

Ende Januar 1998


Er wachte auf, weil jemand schrie. So laut schrie, dass es von den Steinmauern Hogwarts widerzuhallen schien. Im selben Moment, als er hochfuhr und bereits halb aus dem Bett sprang, wurde ihm, noch ehe er einen anderen Gedanken fassen konnte, mit schlafwandlerischer Sicherheit klar, dass es seine eigene Stimme gewesen war, die ihn aus dem Schlaf gerissen hatte.

Die Narbe, sein Brandzeichen auf der Stirn, pochte.

Er spürte den Würgreiz in seiner Kehle, sein Magen war im Bruchteil von Sekunden zu einem eiskalten Ball geworden, der schmerzhaft versuchte, sich seinen Weg nach oben zu bahnen. Seine Hände krallten sich um die Bettkante, und er schloss die Augen, versuchte sich zu erinnern, erinnern, wovon er geträumt hatte. Er wusste, dass er geträumt hatte, dass er geträumt haben musste, und er wusste auch, dass er sich erinnern musste, und es kostete ihn keinerlei Anstrengung oder gar Fantasie, sich vorzustellen, von wem der Traum gehandelt hatte.

... ein schmerzhaft vertrautes Gesicht, unnatürlich blass, der Blick unnachgiebig, stolz, wenn auch nicht furchtlos ...

... "Deine geringe Bereitschaft zur Kooperation ist ebenso bemerkenswert wie ermüdend" ...

... rote Schlangenaugen und erbarmungslos kaltes Lachen ...

... "Niemals" ...

... "Du warst immer nur einer von vielen, unbedeutend selbst im Tod" ...

... zwei Worte, zwei Worte, in grünes Licht getaucht, Avada Kedavra, zwei Worte, zwei Worte ...

... ein Körper, zu einer grotesken Parodie seiner Selbst verkrümmt, rotes Haar wie Blut im Schnee ...

Nein.

Der Laut, der sich seiner Kehle entrang, klang alles andere als menschlich, und einem unbedarften Zimmerbewohner hätte er vermutlich eine Gänsehaut über den Rücken gejagt. Aber es war keiner hier, niemand, der sich darum gekümmert hätte, niemand, den es kümmern hätte können. Er hatte ein Zimmer für sich, ganz allein für sich und seine rasenden Gedanken.

Ein Traum, es war nur ein Traum, ein Alptraum, nichts weiter. Es war nicht wahr, weil es nicht wahr sein durfte. Es war nur ein Traum, ein Traum.

Aber der stechende Schmerz auf seiner Stirn behauptete mit höhnischem Genuss das Gegenteil.

Später wusste er nicht einmal mehr, dass er aufgestanden war, er erinnerte sich auch nicht daran, sein Zimmer verlassen zu haben, geschweige denn daran, dass er seine Brille aufgesetzt und seinen Umhang übergeworfen hatte. Für kurze Zeit wusste er gar nichts mehr, war er gar nichts mehr, bestand er nur aus Leere, und sein Körper versuchte, das zu tun, was seine Seele sich wünschte. Davonlaufen. Vor sich selbst, und vor den Bildern des Traums in seinem Kopf, die sein Verstand schreckliche Gewissheit werden lassen wollte, aber von denen sein Herz sich weigerte, sie auch nur als Möglichkeit in Betracht zu ziehen.

Hätte er sich selbst gesehen, wie er im Schlafanzug und mit wirrem Haar durch die Gänge lief, die nackten Füße auf dem Steinboden hämmernd, vielleicht hätte er sogar eines seiner selten gewordenen Lachen gelacht. Vielleicht wäre er aber auch erschrocken zurückgewichen, und mit Sicherheit hätte er nicht gewusst, was er tun sollte, was er mit sich selbst anfangen sollte.

Nahezu zur selben Zeit...

Vermutlich war es mehr Zufall als Instinkt gewesen, dass Draco ausgerechnet in dieser Nacht und zu dieser Zeit sein Zimmer verließ, das sich auf seinen eigenen Wunsch noch immer im Bereich der Slytherin befand, auch wenn dort außer ihm nur noch wenige andere wohnten. Er hatte es ebenso wie seine Hauskameraden abgeschlagen, auch nur in die Nähe eines der anderen Häuser zu ziehen. Er hatte auch nicht einmal das Bedürfnis gehabt, dies zu erklären, und so war es Blaise gewesen, die den heimlichen Flüstereien (so unauffällig, dass sogar Longbottom es bemerkt hatte) der anderen ein Ende bereitet und die Konfrontation gesucht hatte.

"Nur weil einige unser Haus verraten haben, müssen wir ihm noch lange nicht den Rücken zukehren, damit euch wohler ist! Und keine Sorge, wir erwarten nicht, dass ihr uns versteht - für euch zählt Loyalität doch nur, wenn sie sich auf eine Narbe und 'Harry Potter' bezieht."

Blaise besaß ein ungemeines Talent dafür, den Nagel auf den Kopf zu treffen, und die Diskussion, die daraus entstanden war, brachte ihn jetzt noch zum Lächeln. Wirklich, es war kaum zu glauben, wie dumm manche Menschen doch waren. Sie hatten gar nichts verstanden, sie wussten gar nichts über Salazar Slytherin und das, was sein Haus ausmachte. Alles, was sie damit in Verbindung bringen konnten, war ein rotäugiger Albino-Lord, der in seinem Größenwahn nichts anderes mehr im Sinn hatte, als aus dem Weg zu räumen was nicht mit seiner Vorstellung harmonierte. Was so gut wie alles war, das gab Draco durchaus zu, vermutlich hätte Voldemort bereits das Wort 'Harmonie' aus dem Sprachgebrauch verbannt, wenn es ihm möglich gewesen wäre.

Er war so sehr mit seinen Gedanken beschäftigt, dass es eindeutig mehr Instinkt als bewusste Reaktion war, die ihn nach der Gestalt greifen ließ, die mit einem Mal aus einem der Gänge gestolpert kam und schwankend an ihm vorbeihasten wollte. Zu seinem Erstaunen erkannte er Harry Potter, und eine bewusste Reaktion wäre in diesem Fall gewesen, ihn sofort wieder loszulassen. Aber das konnte er nicht. Nicht, als er etwas von dem gehetzten Ausdruck in den Augen des Gryffindors erhaschte, eine beängstigende Mischung aus gnadenlosem Zorn und gähnender Leere, die das sonst schimmernde Grün nahezu schwarz wirken ließ.

"Potter?" fragte er, aber er bekam keine Antwort, auch nicht, als er den anderen schüttelte. Draco zögerte, ganz kurz nur, dann holte er aus und gab Harry einen kräftigen Schlag mit der flachen Hand auf die Wange.

"Potter." wiederholte er noch einmal und beobachtete, wie sich die Verwirrung im Gesicht seines Gegenüber auflöste, wie sich Wolken nach einem Gewitter lösten, "Was ist passiert?"

Harrys Lippen formten Worte, aber kein Laut drang aus ihnen hervor, und dennoch wiederholte er dieselben Worte immer wieder und wieder, einem Mantra, einer Beschwörung gleich.

"Potter, was zum Teufel ist los mit dir?!"

Jetzt erst suchte Harry seinen Blick, und Draco wäre beinahe zurückgeschreckt, so abgrundtief war der unbestimmte Hass, der darin lag. Dann wanderte der Blick weiter, zu den schlanken Fingern, die sich weiß vom dunklen Umhang des Gryffindors abhoben.

"Lass mich los."

"Wohl eher nicht." Es lag nicht in seiner Absicht, aber dennoch konnte Draco nicht verhindern, dass die alte Überheblichkeit sich in seiner Stimme niederschlug, "Du kannst dich kaum auf den Beinen halten, und ich habe keine Lust, dich vom Boden aufzusammeln."

"Du verstehst nicht. Ich will fallen."

Dracos Augenbrauen schossen in die Höhe und sein Mund wurde schmal. Er zog seine Hände zurück.

Für ein paar Sekunden schien es, als könne Harry sich selbst auf den Beinen halten, aber dann, langsam, fast wie in Zeitlupe, sackten ihm die Beine weg, und Harry Potter, der Junge der lebt, war nicht mehr als ein auf dem Boden zusammengekrümmtes Häufchen Elend, das sich am ganzen Leib bebend gegen die Mauer drückte.

"Ron..."

Es war mehr ein klägliches Wimmern als ein gesprochenes Wort, aber es spiegelte so viel verzweifelte Hoffnungslosigkeit, so viel endlose Trauer und solch grenzenlosen Schmerz in sich wieder, dass eine Flut an Worten nicht mehr sagen hätte können.

Draco wäre niemals auf den Gedanken gekommen, jemandem Trost spenden zu wollen, und er wusste, dass dieser Moment sein Moment des Sieges hätte sein können. Aber er wusste auch, dass er sich schon lange nicht mehr sicher war, ob er diesen Sieg wollte. Was er sah, ließ ihn ohnehin vergessen, was er wollte. Wortlos sank er auf die Knie und streckte die Arme nach Harry aus, nach diesem zitternden Etwas, diesem zerbrochenen bisschen Mensch. Das merkwürdige Gefühl in seinem Bauch für das er keinen Namen hätte finden können, hielt ihn nicht davon ab, Harry an sich zu ziehen und so fest er konnte an sich zu drücken.

Und das Wissen, dass dies nicht der richtige Augenblick dafür war, hielt Draco auch nicht davon ab, seine Hände irgendwann erst unter Harrys Umhang, dann unter das Schlafanzughemd wandern zu lassen. Er spürte, wie Harry schauderte. Vielleicht, weil Dracos Hände kalt waren und Harrys Haut so warm. Vielleicht, weil Harry nicht wollte, dass Draco ihn berührte, jetzt berührte - oder jemals berührte. Vielleicht, weil Harry versuchte, um seinen besten Freund zu weinen und es nicht konnte, jetzt nicht konnte - oder jemals konnte.

Aber ganz am Rande seines Bewusstseins stellte Draco mit Interesse fest, dass ihm der Grund dafür egal war.

Mit sanfter Gewalt hob er Harrys Kinn, fuhr mit dem Daumen über die feingeschwungene Kurve des Kiefers, und er sah mit Genugtuung, dass der Atem des Gryffindors schneller ging. Er sah auch, dass Harry ansetzte, um etwas zu sagen, aber diesen Versuch unterband Draco, verschloss den Mund des anderen fest mit seinem eigenen. Die Hände, die er erst unsicher über seine Arme tasten spürte, und die dann fieberhaft zitternd ihren Weg seine Taille hinab zu seinen Hüften fanden, waren nicht auf Widerstand aus.

Probeweise lösten sie den Kuss, gleichzeitig, wie abgesprochen. Stumm, aber schweratmend als müssten sie um ihr Leben laufen, starrten sie sich an, in einer seltsamen Verkehrung ihrer alten Bemühungen, sich mit Blicken zu töten. Ihre Gesichter befanden sich bereits so dicht beieinander, dass der Slytherin nahezu keinerlei zusätzliche Bewegungen benötigte, um die einzelne, einsame Träne, die über Harrys Wange rollte, mit der Zunge aufzufangen. Salz, entdeckte er, konnte tatsächlich süß schmecken.

Harrys Hände waren offensichtlich noch nicht am Ziel ihrer Reise angekommen, und Draco registrierte vage, dass sein Körper ihn überlistete und ihm die Gier ein Stöhnen entriss. Er nahm sich nicht mehr die Zeit, nach Abneigung oder Verlangen in der Miene des anderen zu suchen. Zeit, befand er, war etwas, das man jetzt nicht verschwenden sollte. Wer konnte schon wissen, wie viel am Ende davon noch blieb?

Etwas in ihm brannte.

"Lass dich noch einmal fallen, Harry. Wenn du Glück hast, fange ich dich dieses Mal auf."


***

"Nach was suchst du, was erwartest du?"

"Sicherheit, irgend ein Zeichen, eine Garantie..."

"Du kennst die Regeln nicht."

"Nein?"

"Es gibt keine Garantie, keinen mit Blut unterzeichneten Vertrag, man verkauft nicht seine Seele."

"Vielleicht sollte man das tun."

"Vielleicht habe ich das versucht."

***

PS: Aus gegebenem Anlass verweise ich an der Stelle auf die Brandzeichen-SideStory "Spuren im Schnee".