Kapitel 5 – There ain't no point in the words I write

Zäh flossen die Novembertage vor sich hin und gingen schließlich in den Dezember über, während Hogwarts im Schnee zu versinken drohte. Beinah täglich schneite es mehrere Zentimeter. Amy nahm das Ganze mit Melancholie hin und dachte schweren Herzens an die ganze Schneeballschlachten, die sie mit Cedric gemacht hatte. Aber die Erinnerungen an ihren letzten Winter waren nicht das Einzige, was sie beschäftigte, sondern auch Jamie und besonders dessen Rat.

So setzte sie sich an diesem sonnigen Nachmittag mitten im Dezember mit einer Rolle Pergament und ihrer Feder an ihren Schreibtisch und dachte nach. Wie und vorallem wo sollte sie anfangen? Was sollte sie überhaupt schreiben? Auch wenn sie das Schreiben wesentlich einfacher fand als reden, fiel es ihr jetzt doch schwer. Eine ganze Weile saß sie da, bis sie schließlich einfach schrieb.

Lenny,

Ich weiß, dass alles was du möchtest, ist mir eine gute Freundin zu sein. Aber das ist im Moment wohl nicht gerade die leichteste Aufgabe. Das tut mir Leid. Ich wollte nicht, dass das alles so passiert, das kannst du mir glauben. Am allerwenigsten will ich noch einen Freund verlieren. Aber ich habe das Gefühl, dass genau das passiert, dass ich dich und die anderen Beiden mit meiner unzugänglichen Art von mir wegstoße, obwohl mir eigentlich nichts ferner liegt. Aber ich weiß nicht was ich tun soll. Alles was ich tue, erscheint mir so falsch.

Amy hielt inne, um ihre Feder in das Tintenfass zustecken, während ihre Augen noch einmal über die Zeilen huschten. Sie war sich nicht sicher, ob das die richtige Wortwahl war, ob Lenny verstehen würde. Trotzdem schrieb sie nach kurzem Zögern weiter.

Vielleicht fragst du dich, wie ich auf die Idee gekommen bin, dir einen Brief zu schreiben. Nun, genau genommen war es nicht mal meine Idee, jemand hat mich darauf gebracht. Du kennst diesen Jemand nicht, ich kenne ihn selbst kaum. Ich weiß nur, dass er mir geholfen hat, indem er mir begreiflich gemacht hat, dass es wichtig ist dir zu erklären.

Viel früher hätte ich es schon tun sollen, aber ich konnte nicht. Ich war nicht mehr Herr meiner Worte. Und noch immer schaffe ich es nicht mit dir darüber zu reden. Naja, ich war noch nie besonders gut darin Worte auszusprechen. Das geschriebene Wort liegt mir einfach mehr, aber das weißt du.

Erneut machte Amy eine Pause, las die Worte noch einmal und war kurz davor das Pergament zuzerreißen. Das machte doch alles keinen Sinn. Die Worte die sie niedergeschrieben hatte, ergaben überhaupt keinen Sinn, waren vollkommen wertlos. Doch schließlich ließ sie das Blatt doch am Leben und dachte weiter nach. Was sollte sie als nächstes schreiben, um dem Ganzen vielleicht doch ein wenig Sinn einzuhauchen?

Genug mit leere Phrasen. Ich sollte endlich anfangen. Wenn ich doch nur wüsste wie. Warum war ich die ganze Zeit so blind, so blöd, blauäugig? Ihr habt es alle gemerkt, nur mir und Ced blieb es verborgen. Musste es denn wirklich erst soweit kommen? War sein Tod die Strafe dafür, dass wir die Liebe nicht gleich erkannt haben? Wenn ja dann ist euer göttliches Gericht aber nicht so fair, wie alle immer behaupten. Er hat doch nichts getan, warum also musste er sterben? Ich begreif es nicht. Was nimmt Gott sich für ein Recht heraus einfach unschuldige Menschen sterben zu lassen? Und trotzdem glauben immer noch alle an ihn…

Amys Hand zitterte so sehr, dass sie beinahe das Tintenfass verfehlte. Sie sollten sich ihre Blasphemie wirklich sparen, wo sie doch genau wusste, dass Lenny nur mit den Augen rollen würde. Aber sie konnte nicht anders. Immer wenn sie daran dachte, dass Cedric völlig grundlos sterben musste, gingen diese Gedanken mit ihr durch. Sie wollte das doch eigentlich gar nicht. Nichts würde sie lieber tun, als einen allmächtigen, gerechten Gott zu glauben, der alles wieder gerade biegen konnte. Oder an das Leben nach dem Tod. Das Leben wäre so viel einfacher, wenn sie an all diese Dinge glauben könnte. Aber sie konnte es einfach nicht.

Ja, Lenny, ich habe ihn geliebt und ich liebe ihn noch immer. Aber was nutzt mir diese Erkenntnis noch, jetzt da er tot ist? Er musste erst sterben, damit es mir wirklich bewusst wurde. Gewusst habe ich es wohl schon immer, irgendwo tief in mir drin, aber ich wollte es nicht glauben, konnte es nicht. Er war doch mein bester Freund. Jetzt ist er tot und ich sitzte hier und mein ständiger Begleiter ist der Gedanke, was hätte sein können. Was wäre passiert, wenn ich mir die Liebe zu ihm schon früher eingestanden hätte? Hätte ich den Mut gehabt es ihm zu sagen oder wäre es weiterhin mein dunkles Geheimnis geblieben? Beides wäre schwer gewesen, glaube ich und mit beidem hätte ich unsere Freundschaft zerbrechen können. Was hättest du getan?

Leise tropften die ersten Tränen auf das Pergament und verwischten die Schrift ein wenig, um dem ganzen noch einen zusätzlichen melancholischen Touch zugeben. Amy schluckte und wischte sich über die Augen, bevor sie die Feder ins Tintenfass tunkte, um fortzufahren. Es fiel ihr so unheimlich schwer, all ihre Gefühle und Gedanken in Worte zufassen und sie für Lenny verständlich zumachen. Sie hoffte, dass ihre Freundin sie verstehen würde.

Du warst schon immer mutiger als ich, aber hättest du dich getraut, deinem besten Freund deine Liebe zugestehen? Ich könnte es nicht, unmöglich. Lieber würde ich eine Lüge leben, meine Gefühle unterdrücken, als die Freundschaft wegen ein paar fehlgeleiteten Gefühlen zu zerstören. Cedric war immer ein guter Freund, aber mehr nicht. Ich war seine beste Freundin und Cho das Mädchen seines Herzens. Ob das fair ist, ob sie das wirklich verdient hat, ist eine andere Frage. Aber es war so. Er liebte sie, nicht mich. Und ich kann ihn sogar fast verstehen. Was hab ich schon, was Cho nicht hat? Cho ist hübsch, klug, beliebt, ja, vielleicht konnte sie zum ihm sogar nett sein. Und ich, was hab ich? Ich bin nicht hübsch, ich bin nicht beliebt, die anderen machen sich oft über mich lustig. Wäre ich er, hätte ich wahrscheinlich auch Cho gewählt.

Amy musste innehalten, so sehr zitterten ihre Hände. Ihre Tränen tropften nun im Sekundentakt auf das Pergament, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Die Feder traf das Tintenfass nicht, sonder schmiss es um. Es dauerte einen Moment, bis Amy begriff und es wieder aufrecht hinstellte. Die Hälfte der Tinte war auf ihrem Schreibtisch verteilt. Amy atmete tief durch, um sich wieder zur Ruhe zu bringen, bevor sie ihre Feder vorsichtig in das halbleere Tintenfass tunkte, um den Brief weiter zuführen.

Ich will nicht behaupten, dass er mich nicht geliebt hat. Denn das hat er, aber eben nur als Freund. So viele 'Was wäre wenn' –Fragen drängen sich mir noch auf. Was wäre wenn Cho nicht wäre? Hätte er sich dann eine andere Freundin gesucht oder sich für mich entschieden? Oder wäre er gar alleine geblieben? So viele Dinge, die ich niemals erfahren werde und doch so gerne wüsste. Warum hat er mich nicht geliebt? Warum habe ich ihn geliebt?

Liebe. Sie wird dem Menschen wohl auf ewig ein Rätsel bleiben, ganz besonders mir. Ich habe sie noch nie verstanden und ich werde sie nie auch nur ansatzweise verstehen. Sie kommt und geht und lässt sich an den unmöglichsten Orten nieder. Zum Beispiel in einer jahrelang existierenden Freundschaft, um diese zu zerstören. Die Liebe ist genauso unfair wie das Leben. Liebe heißt Schmerz und Schmerz bedeutete Liebe. Beides kann ohne das andere nicht überleben, sie haben eine symbiotische Beziehung aufgebaut und wir müssen darunter leiden. Trotzdem gibt es noch so viele Menschen, die felsenfest auf die Liebe bauen, obwohl sie enttäuscht wurden. Warum? Ich kann sie nicht verstehen. Du?

Wieder hielt Amy inne. Diesmal aber aus freien Stücken und nicht, weil ihre Tränen sie dazu zwangen. Es gab noch so viel zu erzählen, aber sie wusste nicht, ob sie alles erzählen könnte. Wie würde Lenny reagieren, wenn Amy ihr von all dem erzählen würde, was sie in den letzten Monaten durchgemacht hatte. Angefangen bei ihrer Essstörungen über die Begegnung mit Jamie und ihren Suizidgedanken. Würde sie verstehen oder würde sie sich nur unnötig Sorgen machen? Amy wusste, dass sie es wagen musste, dass sie die Freundschaft nur mit der ganzen Wahrheit retten könnte. Sie wollte keine Lüge mehr leben.

Ich könnte versuchen, dir auf irgendeine Weise zu erklären, wie ich mich in den letzten Monaten gefühlt habe. Aber würdest du es begreifen? Jeder geht mit dem Schmerz eines Verlustes anders um und ich kann gar nicht damit umgehen. Wie du weißt ess ich kaum was und das seit Monaten. Was du nicht weißt, ist das, wenn ich etwas esse, ich es meistens gleich wieder ausspucke. Es muss sich für dich anhören, als wäre ich Bulimikerin, aber das stimmt nicht. Ich will das nicht, aber mir wird nach jedem Essen so schlecht, dass ich nicht anders kann. Dementsprechend dünn bin ich auch schon, aber Kleider können gut kaschieren. Ich will nicht, dass ihr euch noch mehr Sorgen um mich macht.

Wahrscheinlich fällt es mir deshalb auch so schwer, dir alles zu erzählen. Vielleicht hast du gedacht, dass wäre alles, immerhin ist es schon schlimm genug, aber ich bin noch nicht fertig. Das Zusammenleben mit Dave und das ich mir mit ihm ein Bad teilen muss, hat gewisse Nach- oder Vorteile, je nachdem wie man es sieht. Jedes Mal, wenn ich am Waschbecken stehe, sehe ich die Rasierklingen und frage mich immer wieder aufs Neue, warum nicht? Gott Lenny, bitte versteh das nicht falsch, ich weiß, dass es nicht richtig wäre. Aber was soll ich tun? Es gibt Momente, da kann ich einfach nicht mehr. Wie du siehst, habe ich bisher die Finger davon gelassen. Aber auch nur, weil ich Angst habe davor, nicht weil ich es nicht wollte.

Amy war kurz davor die letzten Zeilen wieder zu streichen. Lenny würde verrückt werden vor Sorge. Aber sie ließ es bleiben. Lenny musste es erfahren und Amy musste es jemandem erzählen. Sie musste all diese Gefühle endlich loswerden, sie mit jemandem teilen, damit sie sie nicht mehr alleine tragen musste.

Bitte mach dir keine Sorgen um mich, ich werde nichts Unüberlegtes tun. Das kann ich euch und mir nicht antun. Ced hätte es bestimmt auch nicht gewollt. Ced, er wird enttäuscht sein von mir. Ich hab alles falsch gemacht. Alle sind schon wieder auf dem Dampfer, der sie im Leben weiterbringen lässt. Nur ich habe ihn verpasst und warte verzweifelt auf den Nächsten. Aber er kommt nicht oder wenn, dann mit ziemlich viel Verspätung und langsam werde ich des Wartens überdrüssig. Denn die Plätze für die Leute, die auf das nächste Schiff warten, sind keine Pelzsessel mit verstellbarer Lehne und Ausblick auf das Meer, sondern kleine Holzhocker in einer Zelle ohne Fenster. Ich hoffe, du verstehst was ich meine. Ich fühle mich gefangen in dem Gewirr meiner eigenen Gefühle und ich weiß nicht, wie ich diesem Gefägnis entfliehen kann.

Die Wände sind dunkel und versehen mit kleinen, spitzen Messern, die nichts lieber täten, als sich in meine Haut zu bohren. Noch können sie mich nicht erreichen, aber sie sind da und die Wände kommen immer näher. Was wird passieren, wenn der Lebensdampfer nicht rechtzeitig kommt, wenn die Wände schneller sind? Ich will es nicht wissen, der bloße Gedanke macht mir unheimlich Angst.

Hart musste Amy schlucken, um den Kloß in ihrem Hals verschwinden zu lassen, um wieder tief durchatmen zu können. Das klang alles so schrecklich, dabei wollte Amy nicht, dass Lenny sich Sorgen machte. Aber auf der anderen Seite wollte sie ihr alles erzählen und das beinhaltete eben auch die schlimmen Dinge. Aber da sich ihr Brief langsam dem Ende zu neigte, sollte sie doch endlich zu den positiveren Dingen kommen. Denn die gab es tatsächlich… und es waren nicht nur Lenny, Ciara und Luca, die immer wieder versuchten, Amy aufzubauen und ihr zu helfen oder das Quidditchspielen. Sondern Amy war sie sicher, dass da noch wer war, jemand der sie erst verwirrt hatte.

Aber du musst wissen, es ist nicht immer so dunkel hier in diesem 'Warteraum'. Es gibt auch lichte Momente, in denen vielleicht jemand mal die Tür öffnet und Licht herein lässt oder die Wände wieder etwas mehr an Abstand gewinnen. Diese Momente sind vielleicht selten, aber sie sind da und sie lassen mich hoffen. Hoffen, dass das Schiff bald kommt.

Zu diesen Momenten gehören das Quidditch und natürlich du und die anderen Beiden. Quidditch lässt mich mich frei fühlen. Frei von allem, der Welt, meinen Gedanken und Gefühlen. Es gibt nichts, um das ich mir Sorgen machen muss, wenn ich fliege. Und ihr, ihr gebt mir Halt. Ihr lasst mich wissen, dass es Leute gibt auf dieser Welt, die mich noch brauchen, die mich nicht aufgeben. Es kommt vielleicht nicht so rüber, aber ich bin euch dankbar für jedes bisschen, dass ihr für mich tut. Ich weiß nicht, wo ich ohne euch wäre.

Amy stoppte ein letztes Mal und ließ ihren Blick über das Pergament gleiten. Eigentlich hatte sie alles gesagt, es gab nur noch eine Kleinigkeit, die sie anfügen musste, dann wäre sie fertig. Nur, wie sollte sie das erklären? Alles bisher war ihr schon unheimlich schwer gefallen, aber dieses letzte Detail war noch viel komplizierter. Sie verstand es selbst noch nicht.

Aber ihr seit nicht die Einzigen, die das Warten verkürzen und einfacher machen. Es gibt da noch jemanden, der mir in den letzten Wochen geholfen hat. Wahrscheinlich weiß er das noch nicht mal selbst. Ich hab ihn erst einmal getroffen, aber dieses eine Mal hat mir ordentlich zu denken aufgegeben. Er war ein Freund von Ced und arbeitete im Eberkopf. Kannst du dir vorstellen, dass Ced jemals im Eberkopf war? Ich nicht, denn ich hab den Schuppen mit meinen eigenen Augen gesehen… Jedenfalls ist Jamie dort scheinbar Kellner oder sowas. Ich hab ihn dort getroffen und er wusste, wer ich bin. Ced hat ihm von mir erzählt. Ich weiß nicht, was mich bewegt hat mit ihm zugehen. Vielleicht nur, weil er Ced kannte, aber vielleicht waren es auch diese Augen. Sie sind silber, richtig silbern, das ist Wahnsinn. Ich hab noch nie solche Augen gesehen.

Auf jeden Fall saßen wir dann in seiner Küche und haben uns unterhalten. Es war irgendwie seltsam, aber er hat mich zum Denken gebracht. Er hatte auch die Idee mit dem Brief. Ich würde ihn gerne wieder besuchen, wenn das nächste Hogsmeade- Wochenende ist. Vielleicht hat er noch mehr Ideen für mich, die mir helfen. Denn dieser Brief hat mir sehr geholfen. Ich hoffe, dass er dir auch was gebracht hat, dass du mich jetzt vielleicht wenigstens im Ansatz verstehen kannst.

In Liebe,

Amy

Vorsichtig rollte Amy das Pergament zusammen und schob es in eine Schublade. Trotz des Krampfes in ihrer Hand, war sie sich noch nicht sicher, ob sie Lenny den Brief tatsächlich geben sollte. Es fiel ihr, obwohl Lenny ihre beste Freundin war, schwer all diese Geheimnisse von sich preis zugeben. Aber am meisten störte es sie, dass sie genau wusste, wie Lenny reagieren würde. Es beunruhigte sie zu wissen, dass sie mit ein paar Zeilen ihre Freundin in großen Aufruhr versetzen würde. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie Lenny vor Sorge vergehen würde, wenn sie den Brief lesen würde.

Die Tage vergingen und Amy hatte sich noch immer nicht dazu durchgerungen, Lenny den Brief zugeben. Sie war nur insofern weiter gekommen, dass sie sich inzwischen sicher war, dass sie ihr den Brief geben musste. Aber sie schaffte es trotzdem nicht. Das Pergament lag noch immer zusammen gerollt in ihrer Schublade und wartete und wartete. Amy konnte sich einfach kein Herz fassen. Fast jeden Tag nahm sie den Brief aus ihrem Schreibtisch und war kurz davor ihn in ihre Tasche zu stecken, um ihn dann Lenny zu geben. Aber jedes Mal steckte sie ihn wieder zurück in die Schublade. Sie kam sich so dämlich vor.

Es war kurz vorm Beginn der Weihnachstferien, als sie all ihre Willenskraft zusammen nahm, das Pergament in ihre Hosentasche schob und damit in den Gemeinschaftsraum der Hufflepuffs zugehen, welchen sie ja nicht mehr bewohnte. Er war fast wie leer gefegt, da es ein wunderschöner kühler Wintertag war und die meisten Schüler sich ihre Zeit draußen vertrieben. So auch Lenny, Ciara und Luca, was es für Amy doch ein wenig einfach machte.

Sie schlich sich in das Schlafzimmer der anderen, indem nun ein Bett, ihres, fehlte und musterte sie. Es dauerte nicht lange, bis sie Lennys, dass am Fenster stand ausfindig gemacht hatte. Es war das, auf dem das meiste Zeug herum lag, wie hätte es anders sein können. Sie ging darauf zu und ließ sich auf der Bettkante nieder. Vorsichtig zog sie das Pergament aus ihrer Hosentasche und schob es unter Lennys Kopfkissen, sodass nur ein Eckchen herauslugte.

Gerade wollte sie es wieder hervor ziehen und mitnehmen, als sich Schritte näherten. Amy sprang vom Bett auf und lief aus dem Zimmer. Noch rechzeitig, bevor Lenny sie entdecken konnte, war sie durch die nächst beste Türe verschwunden und wartete. Als Lenny auch nach Minuten nicht aus dem Zimmer kam, entschloss Amy sich, dass es sicher war, wieder aus ihrem Versteck zu kriechen. Leise tapste sie zurück zu der Tür, die zum Schlafzimmer ihrer Freundinnen führte. Sie stand einen spaltbreit offen, durch den Amy hindurch lugen konnte.

Dort stand Lenny, ihre Augen huschten über ein Stück Pergament und begann sich langsam mit Tränen zu füllen. Amy hatte es gewusst, Lenny würde sicher gleich platzen vor Sorge. Doch anstatt dies zu tun, begann sie immer wieder mit dem Kopf zu schütteln und leise zu schluchzen. Aber schließlich rollte sie mit einem leichten Lächeln auf den Lippen das Pergament wieder zusammen und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Ich verstehe dich gut" ,flüsterte sie leise und legte das Pergament auf ihren Nachtisch.

Amy biss sich auf die Unterlippe, hielt es schließlich aber doch nicht aus und stieß die Tür auf. „Dann ist ja gut" ,meinte sie ebenso leise wie Lenny vorher und fiel dieser um den Hals. Lenny drückte die Freundin an sich und hielt sie fest, als ob sie sie nie wieder loslassen wollte. Ein synchrones Seufzen folgte und die Beiden gingen Arm in Arm nach draußen.