8. Der Beginn einer etwas anderen Freundschaft
„Was hat er getan, dass sie ihn abführen?", verlangte Virginie von den Soldaten zu wissen, während sie Draco immer noch nicht ansah. „Heute Morgen sind Ziegen gestohlen worden und er ist der einzige, der zu fraglicher Zeit nicht in den Dienerunterkünften war.", erklärte die eine Wache. „Und da verdächtigen sie ihn gleich?", fragte die Prinzessin mit ruhiger Stimme, obwohl sie innerlich kochte. „Nein, eure Hoheit. Aber er hat kein Alibi für die Zeit.", entgegnete der andere Mann. „Doch das hat er.", verteidigte sie ihn, „ich hatte ihn zu mir bestellt, weil ich meine Gemächer umdekorieren wollte.", erklärte sie ihnen mit ernster Miene. „Verzeihen Sie Prinzessin, das haben wir nicht gewusst.", die Wachen verneigten sich unterwürfig und ließen den Blonden sofort los. „Ihr könnt gehen.", entließ sie sie. Die zwei nickten und gingen davon.
„Warum hast du das gemacht?", wollte Draco wissen, als sie außer Hörweite waren. „Was?", wollte sie Zeit schindend wissen. „Du hast gelogen, um mich zu befreien.", stellte er fest. „Du bist unschuldig!", rechtfertigte sie ihre Tat. Der Blonde zog eine Augenbraue hoch, sagte jedoch nichts mehr dazu.
„Deine Leibgarde wartet.", erinnerte er sie schließlich, nachdem sie sich eine Zeit lang nur angeschwiegen hatten. „Ich weiß.", sagte Virginie gelangweilt. „Willst du nicht mit ihnen gehen?", fragte er und lehnte sich lächelnd an die Wand. „Nein, eigentlich nicht.", gähnte sie grinsend, „willst du mich nicht vielleicht entführen? Damit würdest du mir den Morgen retten." Sie lächelte ihn an. „Und die zwei Wachen wahrscheinlich bald wieder sehen.", spannte der Diener die Geschichte weiter, „wovor würde ich dich denn retten? Vielleicht lohnt es sich ja." Er grinste sie frech und zugleich neugierig an. „Vor einem Frühstück mit dem Sheik.", berichtete sie. „Oh nein.", Draco schüttelte fest entschlossen den Kopf, „tut mir leid. Aber der ist mir eine Nummer zu groß. Außerdem habe ich dich heut schon zweimal gerettet, vergiss das nicht. Guten Appetit.", nach einer leichten Verbeugung drehte er sich um und entfernte sich mit schnellen Schritten von ihr. Virginies Augen verdunkelten sich. Mit hocherhobenem Kopf drehte sie sich ebenfalls um und schritt unter enormer Körperspannung vor ihren Leibwachen her zum Esszimmer.
‚Ich hasse ihn, ich hasse ihn, ich hasse ihn…', versuchte sie sich einzureden, obwohl sie wusste, dass der Versuch komplett misslingen würde, ‚noch nicht mal bedankt hat der Trottel sich … arggggh!'
„Ah, Prinzessin Virginie.", begrüßte der Sheik sie und seine gelben Zähne strahlten ihr entgegen. Sie unterdrückte den Ekel, als er ihre Hand mit seinen vom Essen fettigen Lippen küsste. „Verzeiht mir, dass ich schon angefangen habe, aber ich hatte Hunger.", erklärte er und setzte sich wieder auf seinen Stuhl. Sie nickte nur ergiebig. Wenigstens verlangte Mohammed nicht, dass sie mit ihm sprach. Es reichte ihm scheinbar vollkommen, wenn er reden konnte. Etwas dass ihr Bild von ihm nur noch bestätigte, er wollte keine gebildete Frau, die ihre eigenen Meinung und ihren eigenen Willen hatte. Er wollte lediglich eine weitere hübsche Frau, die alles tat, was er wollte, ohne sich ihm zu widersetzen. Doch das konnte er vergessen. Sie würde da nicht mitspielen.
„Entschuldigen Sie, Sheik, aber ich habe noch einen wichtigen Termin.", ohne zu zögern stand sie auf, nachdem sie eine winzige Mahlzeit zu sich genommen hatte, und ließ den verdutzten Gast alleine zurück. Angeekelt wischte sie sich ihre Hand an ihrem Kleid ab. ‚Ich muss unbedingt verhindern, dass ich mit diesem Schwein verheiratet werde.', dachte sie.
„Verflucht, was machst du hier!", unsanft packte Draco die zierliche Gestalt am Arm und zerrte sie in eine im Schatten liegende Öffnung der Arena. „Du hast mir geschworen, dass du nicht mehr herkommst, dass du nicht mehr „Kouvo" wirst.", sagte er mit leiser Stimme und drückte sie an den warmen Sandstein. „Lass mich los!", wehrte sie sich und augenblicklich gab er sie frei, „ich hab dir nur versprochen nicht mehr zum Training zu kommen.", erwiderte sie selbstbewusst, „und das habe ich auch nicht vor."
„Was machst du dann hier?", wollte der Blond wütend wissen. „Du hast mir versprochen mir das Reiten zu lehren.", entgegnete sie und ihre braunen Augen funkelten ihn zielsicher an. „Aber doch nicht jetzt.", sagte er genervt und blickte sich um. „Du hast mir überhaupt nichts zu sagen. Wenn du nicht mein Freund sein willst, bist du ein Untertan, und dann hast du zu tun, was ich sage.", fauchte sie mit ernster Miene. Seine silbernen Augen funkelten verachtend. „Was willst du? Soll ich mich vor dir verneigen, damit dich jeder erkennt, oder was?", machte er sich leise über sie lächerlich.
„Bring mir das Reiten bei.", sagte sie stur. „Ich habe im Gegenteil zu dir meine Pflichten.", erwiderte er eisern und seine Stimme zitterte vor Zorn. „Das ist mir egal.", meinte sie egoistisch. Daraufhin packte er ihre Handgelenke und drückte sie gegen das Gebäude. „Du tust mir weh.", quengelte sie und trat nach ihm. „Jetzt hör mir mal zu, du kleine verzogene Göre.", schnauzte er sie mit kalten Augen an und steckte ihre Tritte ohne mit der Wimper zu zucken ein, „in diesem Fall musst du dich nach mir richten. Denn du kannst nicht zu deinem Vater rennen und mich verpetzen, dass ich nicht auf dich höre. Weil er mit Sicherheit nicht gerne hören würde, dass seine Tochter in Jungenklamotten rum läuft und will, dass ich ihr das Reiten beibringe!" Ihre Augen verengten sich und ihre Ohren waren rot vor Zorn, doch sie sagte keinen Ton, denn sie wusste, dass er Recht hatte. Sie hörte auf sich zu wehren und stand still mit hängendem Kopf an der Mauer.
„Was ist denn jetzt schon wieder los? Leidest du unter Stimmungsschwankungen?", fragte er abschätzend und lockerte den Griff, „oder willst du mich mit der Mitleidnummer doch noch rumkriegen?" „Nein.", fauchte sie schwach. Er verdrehte die Augen. „Erst zickst du rum und jetzt lässt du den Kopf hängen. Was ist los mit dir?", wollte er wissen und strich ihr das dunkle Haar aus dem Gesicht, damit er ihren Gesichtsausdruck sehen konnte. „Gar nichts.", erwiderte sie stur und starrte auf den sandigen Boden. „Wie du meinst.", entgegnete er achselzuckend. „Wieso sollte ich dir was erzählen?", wollte sie wissen und sah ihn aus traurigen, braunen Augen an. „Weil ich dir zuhören würde?", schlug er vor. Sie schüttelte den Kopf und richtete ihren Blick wieder auf den Boden.
Draco setzte sich in den Sand. „Es geht also wieder darum, dass du mit mir befreundet sein willst?", vermutete er. Sie blickte weg. „Müssen Mädchen eigentlich immer so schwierig sein? Kannst du mir nicht einfach eine Antwort geben, damit ich wenigstens versuchen kann dich zu verstehen?", wollte er ruhig wissen. „Willst du das denn überhaupt?", fragte sie leise. Er nickte. „Komm, setz dich zu mir – in den Klamotten kannst du das ruhig machen.", grinste er. Sie funkelte ihn kurz an, bevor sie sich mit Abstand neben ihn setzte.
„Mit Alia bin ich schließlich auch befreundet.", flüsterte Virginie und sah stur geradeaus. „Alia ist ein Mädchen.", warf Draco ein. „Was hast das denn damit zu tun?", wollte sie genervt wissen, „ich soll schwierig sein? Was bist du denn dann?" „Wie sieht das denn aus, wenn ein einfacher Diener und Soldat mit der Prinzessin befreundet ist?", meinte er. „Es ist nicht verboten.", erklärte sie stur. „Für dich ist eine solche Freundschaft auch nicht gefährlich, für mich schon.", erklärte er. „Und das hier ist nicht gefährlich für dich?", fauchte sie. Er schüttelte grinsend den Kopf. „Ich darf doch mit einem Jungen im Schatten der Arena sitzen und mich streiten.", antwortete er süffisant grinsend. „Lustig.", entgegnete sie und zog eine Schnute. „Hey, du musst das verstehen.", versuchte er sie zu überzeugen. „Ich will es aber nicht.", meckerte sie und sah ihn endlich an,
„man kann mit jedem befreundet sein." „Auch mit dem Sheik?", wollte Draco unschuldig guckend wissen. Sie schlug ihn leicht mit der Hand auf den muskulösen Oberarm. „Du nimmst mich gar nicht ernst.", stellte sie erzürnt fest. „Du lässt mir auch keine Möglichkeit meine Gründe zu erklären.", sagte er zu seiner Verteidigung. „Weil sie belanglos sind.", sagte sie und fragte tonlos, „magst du mich denn gar nicht?" Irritiert sah er sie an. „Was soll das denn nun schon wieder?", wollte er sichtlich irritiert wissen, „ist das eine Fangfrage?" „Schon gut - das sagt alles.", erwiderte sie enttäuscht und wollte aufstehen. „Kouvo!", er packte sie am Handgelenk und zog sie wieder runter in den Sand. Wütende braune Augen blitzten ihn an. „Ich mag dich wirklich, aber das hat doch damit nichts zu tun.", sagte er leise und ließ sie los. „Ach nein? Da bin ich aber ganz anderer Meinung. Wenn man jemanden mag, geht die Beziehung, die man zu ihm hat, doch wohl über Bekanntschaft hinaus!", fuhr sie ihn aufgebracht an.
„Wer würde mir denn schon glauben, dass ich mit einer hübschen Prinzessin, wie dir, nur befreundet bin, ohne jegliche Hintergedanken?", wollte Draco wissen und blickte ihr ernst in die Augen. Die Röte schoss ihr ins Gesicht. „Niemand würde uns das glauben, Virginie. Sie würden denken, dass ich nur deinen Körper will. Und wenn du ihnen widersprechen würdest, würden sie denken, dass ich dich in meiner Gewalt hätte und du nur sagst, was ich dir erlaube. Unsere Freundschaft wäre nur von kurzer Zeit und wir würden beide nichts dadurch gewinnen, eher alles verlieren.", erklärte er und sah sie weiterhin an. Still saß sie da, starrte ihn ungläubig an und ließ sich seine Worte noch mal durch den Kopf gehen. ‚ „Wer würde mir denn schon glauben, dass ich mit einer hübschen Prinzessin wie dir nur befreundet bin, ohne jegliche Hintergedanken?" Niemand, er hat Recht.', dachte sie betrübt.
„Haben Kouvo und du denn eine Chance auf eine Freundschaft?", wollte sie wissen und blickte ihn hoffnungsvoll an. Er lächelte, sie würde niemals aufgeben. „Ja, das wäre möglich.", antwortete er, zog sie näher zu sich und legte kameradschaftlich einen Arm um ihre Schulter, „aber du musst aufpassen, dass Kouvo nicht zu oft erscheint." Sie nickte lächelnd.
„Hast du morgen Abend Zeit?", wollte er wissen, „Ja, warum?", fragte sie verwundert. „Wir könnten etwas reiten.", schlug er lächelnd vor. Virginie strahlte. „Gerne.", antwortete sie zaghaft. „Gut, dann treffen wir uns, wenn die Sonne im Nil verschwindet.", erklärte er und stand auf, bevor er sie hochzog, „geh jetzt." Sie nickte strahlend und lief los. „Falsche Richtung.", rief er ihr nach, als sie Richtung Haupteingang lief. Sie drehte sich noch einmal um, grinste ihn an und lief woanders hin. Schmunzelnd sah er ihr hinterher.
Fortsetzung folgt
