12. Eingesperrt
Er betrachtete sie von oben, wie sie sich wie eine Ertrinkende an ihn klammerte. Ihre Schminke war vom vielen Weinen verschmiert und hatte dunkle Striemen auf ihrem feinen Gesicht hinterlassen. Ein paar Haarsträhnen klebten ihr nass im Gesicht, er strich sie ihr zaghaft zur Seite. Seine Hand wirkte so groß im Gegensatz zu ihrem Gesicht, insgesamt kam er sich ihr gegenüber in dem Augenblick groß vor. Sie hockte wie ein zusammengesunkenes Häufchen auf seinem Schoß und suchte Schutz an seiner bloßen, breiten Brust. Ihr warmer Atem streifte seine Haut und er bemerkte, dass seine Brustwarzen erhärtet waren. Nur gut, dass ihr das nicht aufgefallen war, denn sie hatte ihre Augen geschlossen. Er wollte nicht, dass es aussah, als würde er die Situation ausnutzen, denn das tat er nicht. Er konnte zwar nicht behaupten, dass ihm ihre Nähe missfiel, doch er kam sich hilflos vor. Denn er wusste immer noch nicht, warum sie so aufgelöst war. Seinen einen Arm hatte er um sie gelegt und drückte sie leicht an sich, während er mit der rechten Hand ihr leicht über den Kopf strich. Er streichelte sie. Allein der Gedanke ließ ihm einen Schauer über den Rücken laufen, dennoch war es die Wahrheit. Er hätte aufgehört, wenn sie nicht in einer solchen Verfassung wäre. Trotzdem kam er sich seltsam dabei vor, sie so zu berühren. Die Tatsache, dass ihre Berührungen ihm gefielen, war ebenfalls alles andere als beruhigend. Sie war schließlich die Prinzessin dieses Reiches und es absolut nicht gut, wenn er beginnen sollte sich zu ihr hingezogen zu fühlen!
Um sich von solchen Gedanken abzulenken, fragte er sie leise: „Willst du mir nicht erzählen, was passiert ist?" Erst reagierte sie nicht, nur an ihrem leichten Zittern und ihrem Atem erkannte er, dass sie nicht eingeschlafen war. Schließlich nickte sie leicht und erzählte ihm mit vom Heulen heiserer Stimme von der Bestrafung durch ihre Eltern. Draco hörte ihr aufmerksam zu, während er ihr immer wieder abwesend über den Rücken fuhr.
Als sie zu Ende erzählt hatte, hob sie den Kopf und sah ihn aus ihren nassen, braunen Augen verzweifelt an. Irgendwie hatte er das Bedürfnis ihr Gesicht zu berühren, so legte er vorsichtig seine große Hand an ihre Wange und strich ihr zärtlich eine Träne weg. „Hey, das ist doch kein Grund so zu weinen.", entgegnete er lächelnd, „man streitet sich eben hin und wieder mal mit seinen Eltern. Irgendwann werden sie dich um Vergebung bitten – auch dein Vater.", fügte er hinzu, als er sah, dass sie ihn verbessern wollte,
„ich find's übrigens gar nicht schlimm, dass du kürzere Haare hast, als die meisten Frauen. Dadurch bist du nicht nur einzigartig, du siehst auch hübsch so aus.", der Ansatz eines Lächelns schlich sich auf ihre Lippen,
„außerdem muss man immer die Vorteile sehen." „Und die wären?", fragte sie bitter. „Du wirst den Sheik lange nicht sehen – wahrscheinlich schicken sie ihn sogar vorerst wieder weg!", schlug er grinsend vor. Sie nickte, das könnte gut sein. „Du musst keinen Pflichten mehr nachkommen und kannst dich Tage lang entspannen.", zählte er weiter auf. „Und ich habe dich.", fügte sie grinsend hinzu. Er nickte grinsend.
„Und wenn du dich mit deinen Eltern auch zeitweise nicht verstehst, kann ich dir gerne Alexander und Mariah vorstellen.", schlug er lächelnd vor. Ihre Tränen verebbten und sie blickte ihn nachdenklich von her an. „Wieso nennst du deine Eltern eigentlich beim Vornamen? Weil sie noch so jung sind?", wollte sie neugierig wissen. „Das ist eine längere Geschichte.", meinte Draco irgendwie abweisend. „Wir haben alle Zeit der Welt.", grinste sie leicht sarkastisch.
„Ich müsste aber gleich irgendwann gehen, sie werden sich Sorgen um mich machen. Auch wenn ich ihnen schon zig Mal gesagt habe, dass ich kein kleines Kind mehr bin.", meinte er achselzuckend und grinste leicht. „Ich befürchte, das wird nicht gehen.", warf die Prinzessin ein. Der Blonde sah sie unverstehend an. „Ich habe dir doch erzählt, dass ich eingeschlossen worden bin. Alle Ausgänge sind versperrt. Sie werden dich nicht rauslassen!" „Ich glaube nicht, dass dein Vater mich mit dir in deine Gemächer einsperren möchte." „Er weiß nicht, dass du hier bist, soviel ist klar." „Also werden die Wachen mich doch rauslassen, wenn sie meine Stimme hören." Virginie schüttelte den Kopf. „Sie haben den Befehl keinen rein oder raus zu lassen, egal wen." Draco sah sie ungläubig an. „Dann klettere ich aus dem Fenster.", er deutete auf die großen, offenen Fenster in der Sandsteinwand. „Kannst du gerne versuchen, aber ich könnte mir vorstellen, dass du nicht weit kommst. So wie ich meinen Vater einschätze, wird er die Fenster magisch versperrt haben." „Das ist nicht dein Ernst!"
„Doch.", erwiderte sie, krabbelte jedoch von seinem Schoß um ihm die Möglichkeit zu geben, selber nachzugucken. Und genau wie sie vermutet hatte, wurde er weder durch den Eingang noch durch den Bediensteteneingang raus gelassen. Bei dem Versuch durch eines der Fenster zu klettern riss es ihn rücklings von den Beinen. „Draco.", rief sie entsetzt und rannte auf ihn zu. Er blinzelte und versuchte so die Sterne zu verscheuchen, die wild vor seinen Augen herum flackerten. Mit der Zeit verschwanden die kleinen Biester und er erblickte Virginies besorgtes Gesicht über ihm. „Mit geht es gut.", beantwortete er ihre ungestellte Frage und setzte sich langsam auf. Sein Kopf rumorte. Das war einfach nicht sein Tag: erst das Feuer und jetzt das.
Er sah an sich runter und stellte fest, dass das Laken, das er sich um die Hüfte geschwungen hatte, runter gerutscht war. Virginies folgte seinem Blick und errötete augenblicklich. Sie drehte sich schnell weg und ging auf ihr Bett zu, während Draco mit leicht erröteten Wangen aufstand und sich das Laken neu umwickelte. „Du hast nicht zufällig Kleidung für mich?", fragte er selbstsicher. Sie drehte sich langsam um und schüttelte den Kopf. „Nur mein Kouvo-Gewand, aber ich glaube nicht, dass es dir passt.", erwiderte sie. Er nickte, während er sich das Laken nun festhielt. „Ich könnte das Laken so zaubern, dass es nicht mehr rutscht ..." schlug sie vor und sah ihn abschätzend an. Er musterte sie fragend. Schließlich nickte er, er wusste nicht, wie lange er hier mit ihr eingesperrt sein würde, und es konnte immer mal passieren, dass er vergaß, was er trug und das Laken zu Boden glitt. Schon alleine um diese Situation zu vermeiden war es besser, wenn sie ihre Magie nutzte.
Virginie holte ihren hölzernen Zauberstab. Dann trat sie dicht an ihn ran, hielt mit einer Hand die übereinander liegenden Stoffe zusammen und tippte dann mit ihrem Zauberstab dagegen. Es leuchtete kurz grün, dann waren die Stoffe miteinander verschmolzen und sie ließ das Laken los. Mit einem weiteren Zauberstabschwenker war das Laken nur noch Knielang. Zufrieden nickte Virginie und legte ihren Zauberstab wieder weg.
„Wisst ihr eigentlich mittlerweile, wie das Feuer entstanden ist?", wollte Draco irgendwann wissen.
Fortsetzung folgt
