Halfmoonglasses: Wir freuen uns, daß es wenigstens dir gefällt...:o) Hoffen, daß das auch so bleibt...;o)

Luthien

Am Besucherzentrum kümmerte sich Ray erst mal darum, dass Mel eine Keycard und einen Besucherausweis bekam. Außerdem versorgten wir sie mit dem Nötigsten. Kleidung aus unserem Jurassic Park Souvenirshop, Zahnbürste, Handtücher, Jurassic Park Duschgel, Shampoo und so weiter.

Irgendwie lief Mel jetzt rum wie eine lebende Werbetafel für den Park, denn alles aus dem Shop trug das Parklogo.

Danach liefen wir über den Parkplatz zu unserem Wohngebäude. Es war schon dunkel, aber an den Wegen und in Nähe der Gebäude erhellten in den Boden eingelassene Lampen die Szenerie.

Der Tag war relativ aufregend gewesen.

Der Wachtposten ließ uns durch das Tor und ich folgte dem Weg bis zur gläsernen Eingangstür.

Wir traten ein und die Tür schloss sich sofort automatisch hinter uns. Auf dem Weg zum Speisesaal hörten wir das Einrasten des elektronischen Sicherheitsschlosses.

Als wir beim Abendessen saßen, sah Mel merkwürdig auf das Stück Fleisch auf ihrem Teller.

„Sag mal, hier gibt's aber keine Dino-Steaks, oder?"

Ich musste lachen.

„Nein, um Gottes Willen! John würde so etwas nie zulassen. Die Tiere sind viel zu wertvoll. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was es kostet auch nur eine neue Art zu klonen…"

„Abgesehen davon wäre es wohl auch nicht sehr gesund, oder Dr. Parker?"

Erschrocken drehte ich mich um. Gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, dass Muldoon sich zu uns setzte.

„Nicht gesund?" Fragte Mel etwas verwirrt.

„Nun ja", erklärte ich, „ wir haben die Tiere genetisch verändert. Zum Beispiel Gene eingefügt, um sie patentieren zu lassen. Einige Gene zerstört, um die Tiere von unserer Versorgung abhängig zu machen."

„Das verstehe ich nicht ganz…"

„Ich auch nicht, Dr. Parker. Aber sie können uns Laien das ja bestimmt erklären."

Muldoon grinste, aber ich warf ihm einen finsteren Blick zu. Ich wusste, dass ihn die wissenschaftliche Seite eigentlich gar nicht interessierte.

„Wir haben Gene zerstört, so dass die Proteine, für die sie kodieren, nicht exprimiert oder fehlerhaft gefaltet werden. Dann sind die Proteine defekt und werden sofort wieder abgebaut ohne ihre eigentliche Funktion ausgeübt zu haben. Unsere Dinosaurier können die Aminosäure Lysin nicht synthetisieren, weil ein dafür spezifisches Protein fehlt. Das heißt wir müssen die Tiere selbst mit Lysin versorgen. Andernfalls fallen sie nach zwei Tagen ins Koma und sterben."

„Und wozu das Ganze?" Mel war wirklich daran interessiert so viel wie möglich über den Park und die Tiere zu erfahren, obwohl sie erst ein paar Stunden hier war.

„Das soll verhindern, dass die Tiere überleben, sollten sie je aus der Sicherheitszone entkommen", sprang Muldoon für mich ein.

„Und ihr habt sie patentieren lassen? Das hört sich für mich irgendwie nicht richtig an. Immerhin sind es Lebewesen…"

Ich sah Muldoon an, aber diese Frage wollte er nicht für mich beantworten.

„Es sind gentechnisch produzierte Lebewesen und die kann man patentieren lassen. Das ist ganz legal. Natürlich sind es Lebewesen, aber ohne uns würden sie ja gar nicht mehr existieren."

„Und wie echt sind die? Ich meine, sind das so richtig echte Dinosaurier? Oder habt ihr da sonst noch was verändert?"

„Tja", ich seufzte, „das ist ne gute Frage. Wir hatten nie einen kompletten DNA Strang, also mussten wir die Lücken immer nach bestem Wissen auffüllen. Wir haben dafür Vogel-DNA

Verwendet. Ich meine, es hat ja noch nie jemand echte Dinos gesehen, aber sie wirken schon ziemlich echt. Allerdings haben wir die Vergangenheit nicht neu erschaffen. Das kann niemand. Wir haben nur unsere Version dieser Vergangenheit geschaffen… und wie gesagt, wir haben die Tiere genetisch verändert. Einen Code zu vervollständigen ist wissenschaftliches Raten. Man überlegt, wie man die Lücken am besten auffüllen kann. Es ist zwar wissenschaftlich, aber bleibt eben trotzdem Raten…"

„Und wann kann ich die anderen Tiere sehen?" Mel wirkte total aufgeregt.

„Ray hat das Programm für die Landcruiser Tour nicht vor dem Wochenende komplett überarbeitet…"

Mel machte ein enttäuschtes Gesicht.

„Aber Morgen kannst du mit mir ins Labor. Dann zeig ich dir meine Arbeit, okay?"

„Und was ist mit den Raptoren? Ray hat erwähnt, dass sie einen eigenen Pferch haben, den man auch so sehen kann…"

Oh nein, dachte ich, dass sie das Thema gerade vor Muldoon ansprechen musste…

„Nun ja, ich weiß nicht, ob du sie sehen darfst… Das musst du schon unseren Sicherheitschef hier fragen… er ist der Herr des Raptorengeheges."

Jetzt grinste ich Muldoon an und er seufzte.

„ Natürlich können sie sie sehen. Dr. Parker kann ihnen ja zeigen, wo sich das Gehege befindet."

„Und warum sind sie in einem eigenen kleinen Gehege und nicht auf der Tour zu sehen."

Mir war das unangenehm, aber Muldoon antwortete ehrlich:

„Wir befürchten, dass sie ausbrechen könnten, wenn sie nicht ständig überwacht werden."

„Sind die denn so gefährlich?"

Muldoon lachte ungläubig.

„Gefährlich? Sollten die Raptoren je entkommen, wäre das sogar schlimmer, als wenn der Rex hier rumschleichen würde. Die Raptoren sind hinterhältige Biester, die immer jagen. Auch wenn sie nicht hungrig sind, sie würden trotzdem alles und jeden töten, wenn sie nur die Gelegenheit dazu haben. Sie sind klein, das heißt, sie kommen überall rein, können fantastisch springen und sehr gut sehen. Im Gegensatz zum Rex, dessen Wahrnehmung nur auf Bewegung reagiert."

„Oh", meinte Mel nun etwas eingeschüchtert.

„Toll", meinte ich zu Muldoon, „ wenn sie das unseren Besuchern erzählen, werden die schreiend von der Insel flüchten und nie wieder kommen wollen."

„Ich bin sowieso der Meinung, dass wir nur Leute auf die Insel lassen sollten, die sich Notfalls selbst verteidigen können", konterte er.

Mel unterbrach uns.

„Aber wieso habt ihr dann so gefährliche Tiere gezüchtet?"

Auch Muldoon sah mich jetzt neugierig an.

„Ehrlich gesagt wissen wir meistens nicht, was für Tiere wir züchten, ehe sie nicht aus den Eiern schlüpfen. Als wir bei den Raptoren gemerkt haben, was für eine Spezies das war, wollten wir sie eigentlich vernichten lassen, aber John war dagegen… Wie gesagt, jedes einzelne Tier ist wertvoll…"

„Sie haben mir nie erzählt, dass sie gegen die Raptoren waren", meinte Muldoon dann überrascht.

Die Stimmung wirkte irgendwie leicht gedrückt und ich wollte, dass wir von diesem Thema wegkommen.

„Sie müssen ja auch nicht alles wissen…"

Dann machten wir uns auf den Weg zu unseren Wohnungen. Mel bekam ein Apartment, das schräg gegenüber von Muldoons Wohnung lag. Tatsächlich beneidete ich sie nicht darum, so nah bei unserem Sicherheitschef zu wohnen… oder doch?

Eigentlich hatte ich mir, nach dem was auf der Gala passiert war, auch vorgenommen ihm aus dem Weg zu gehen. Leider mit wenig Erfolg. Kein Wunder auf einer Insel...

Da wir auf der gleichen Etage unser Apartment hatten, folgten wir ihm durchs Treppenhaus.

Im zweiten Stock traten wir durch die Tür und befanden uns in einer Art Durchgang, der durch große Glastüren die beiden Balkonseiten verband. Außerdem führte je eine Tür rechts und links zum West und Ostflügel des Gebäudes.

Wir wünschten uns nur kurz eine gute Nacht und dann ging ich durch die rechte Tür, um zu meinem Apartment zu kommen.

Muldoon und Mel nahmen die linke Tür, da ihre Apartments sich am anderen Ende des Flures befanden.

Am nächsten Tag nahm ich Mel mit ins Labor. Ich erklärte ihr meine Arbeit und erzählte ihr von den Restriktionen, Proteinen, den Gensequenzierern und wie wir die DNA extrahierten.

Allerdings schien sie wenig begeistert davon, denn außer einem zwischendurch eingestreutem: Ach so oder aha! War von ihr nicht viel zu hören.

„Sag mal, hast du nicht mehr mit den Tieren zu tun?" Fragte sie dann irgendwann und ich musste eingestehen, dass ich den ganzen Tag fast nur im Labor verbrachte.

„Sorry, aber das hier ist meine Arbeit… Unsere Tierärzte oder Muldoon haben mehr im Park und mit den Tieren zu tun."

Plötzlich sah mich Mel mit einem engelhaftem Lächeln an.

„Du? Könntest du nicht Muldoon fragen, ob er mir mal den Park zeigt und mich mit nimmt zu den Tieren?"

Eigentlich wollte ich sofort sagen: Auf keinen Fall! Aber andererseits konnte ich mir vorstellen, dass meine Arbeit für Mel wirklich langweilig war. Also musste ich wohl über meinen Schatten springen.

„Na gut, Mel. Du kannst ja jetzt schon mal zum Abendessen gehen und ich frag ihn heute Abend, wenn ich hier fertig bin. Wenn wir uns dann Morgen beim Frühstück treffen, sag ich dir Bescheid."

„Na gut." Freudig stand Mel auf und verließ das Labor. Ich hatte das Gefühl, dass sie erleichtert war endlich gehen zu dürfen.

Etwas später am Abend stand ich dann vor Muldoons Tür. Parkaufseher Robert Muldoon verkündete ein Schild an der Seite und ich klopfte.

„Es ist offen." Hörte ich seine Stimme und das elektronische Türschloss war noch nicht aktiviert, also trat ich ein.

Robert stand an der Bar und mixte sich einen Drink. Whisky on the rocks. Er bot mir auch was an, aber ich lehnte ab.

„Nun, Dr. Parker, was kann ich für sie tun?" Fragte er dann, als er ins Wohnzimmer kam.

Ich reagierte erst nicht, weil ich mich umsah. Auch er hatte nicht viel an der Einrichtung verändert, aber mir war ein Bild aufgefallen, das einen sehr jungen Robert Muldoon mit einem erlegten Löwen zeigte. Er sah sehr stolz aus. Wahrscheinlich seine erste richtige Trophäe.

„Äh ja", antwortete ich dann, „ Robert, ich wollte sie etwas fragen."

„Oh, sie nennen mich beim Vornamen? Das kann nur eins bedeuten: Entweder, sie haben endlich eingesehen, dass sie mir nicht widerstehen können oder sie bitten mich um einen Gefallen…"

Ich verdrehte die Augen.

„Ja genau. Letzteres. Ich wollte sie fragen, ob sie Melanie Morgen vielleicht mitnehmen könnten, wenn sie im Park zu tun haben. Haben sie doch, oder?"

„Ja, allerdings. Dr. Harding will, dass ich ihm Morgen einen Triceratops betäube. Das Tier hat sich, als wir weg waren, verletzt. Er will sehen, ob die Wunde so heilt oder ob wir eingreifen müssen... Warum soll ich mich noch mal um ihre Freundin kümmern?"

„Sie findet meine Arbeit langweilig", gab ich zähneknirschend zu.

„Ach wirklich? Kann ich gar nicht verstehen."

Ich hatte keine Lust auf Diskussionen und war langsam genervt.

„Also was ist nun? Nehmen sie sie mit? Ich wäre ihnen wirklich sehr dankbar."

„Natürlich, ihnen tue ich doch gerne einen Gefallen. Sagen sie ihr, ich warte um neun auf sie am Raptorpferch...Nur dankbar?"

„Ja, was denn sonst?"

„Nun", meinte er grinsend, „ich dachte, dafür hab ich eine Art Belohnung verdient."

„Und über was für eine Belohnung reden wir da?" Irgendwie musste ich auch grinsen, ärgerte mich aber noch im gleichen Moment darüber, dass ich auf sein Spielchen einging.

„Ich denke, Dr. Parker, wir könnten uns da auf etwas einigen..."

„Falls sie da an die Gala denken, würde ich sagen... Wieso rede ich überhaupt mit ihnen darüber? Das ist... sexuelle Belästigung. Ich sollte einfach gehen..."

„Tun sie's."

Aber ich ging nicht. Ich wartete ab und Robert kam langsam auf mich zu.

Dicht vor mir blieb er stehen. Ich konnte sein After-Shave riechen und der Duft erinnerte mich an den Abend der Gala.

„Da sie immer noch hier sind, gehe ich davon aus, dass es ihnen nichts ausmacht..."

Langsam beugte er sich zu mir und küsste mich zaghaft, wohl um zu sehen, wie ich darauf reagierte.

Verdammt Luthien, dachte ich, reiß dich zusammen... so unwiderstehlich ist er auch nicht...

Aber stattdessen umarmte ich ihn und erwiderte seinen Kuss.

„Ich dachte, so etwas würde nie wieder zwischen uns passieren", meinte er dann.

„Oder hab ich das falsch verstanden?"

„Vielleicht hab ich mich geirrt", antwortete ich zwischen unseren Küssen.

„Ja, höchstwahrscheinlich..."

Irgendwie schafften wir es in sein Schlafzimmer und seine Berührungen jagten mir wohlige Schauer über meinen Rücken. Ich konnte an nichts mehr anderes denken, als an ihn und wie sehr ich ihn begehrte... und wie immer bekam ich, was ich wollte.

Als ich mitten in der Nacht in Roberts Bett wach wurde, konnte ich kaum glauben, dass es schon wieder passiert war. Ich hatte mich schon wieder hinreißen lassen und diesmal hatte ich keine Ausrede, wie meinen Alkoholgenuss am Abend der Gala.

Leise suchte ich meine Sachen zusammen und schlich mich aus der Wohnung.

Robert

Am nächsten Morgen wachte Robert alleine auf. Luthien war verschwunden und er konnte sich denken warum. Wahrscheinlich würde sie wieder so tun, als wenn zwischen ihnen nie etwas passiert wäre und das ärgerte ihn.

Luthien

Beim Frühstück am nächsten Morgen sah ich mich nervös um. Ich wollte Robert auf keinen Fall begegnen. Mel sah mich stirnrunzelnd an.

„Du siehst ja ganz schön müde aus. Hast du schlecht geschlafen?"

„Ja, irgendwie", antwortete ich abwesend.

„Und? Hast du mit Muldoon gesprochen? Kann ich mit in den Park?"

Sie riss mich aus meinen Gedanken.

„Ach so. Ja. Er wartet um neun auf dich am Raptorgehege."

Wir standen auf und wollten uns auf den Weg machen.

„Wo der Weg zum Gehege ist, weißt du ja. Den Weg, den ich dir gestern gezeigt hab."

„Kommst du nicht mit?" Mel sah mich entgeistert an.

„Äh, also nein. Ich hab keine Zeit mehr, dich da jetzt hinzubringen."

„Aber du hast doch gesagt, dass du noch eine halbe Stunde hast, bevor du ins Labor musst!"

Sie warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, als ich draußen Richtung Labor gehen wollte und sie alleine den kleinen Pfad zum Raptorgehege einschlagen sollte.

„Na ja, also ehrlich gesagt, möchte ich Muldoon heut nicht über den Weg laufen", gab ich kleinlaut zu.

„Und wieso willst du ihn nicht sehen? Ich hab eher gedacht, zwischen euch würde was laufen..."

„Ich hab nicht gesagt, dass ich ihn nicht sehen will", unterbrach ich sie.

„Ich will mich nur nicht mit ihm auseinandersetzen müssen, okay? Tut mir leid, dass ich nicht mitgehe, aber..."

„Schon gut. Ich bin dir nicht böse. Aber vielleicht möchtest du mir ja erzählen, was zwischen euch vorgefallen ist."

„Du hast Recht. Du bist meine beste Freundin. Vielleicht kannst du mir ja weiterhelfen..."

Also erzählte ich Mel die ganze Geschichte und als ich fertig war, wurde es schon für uns beide Zeit weiterzugehen.

„Sag mir nachher mal, was du davon hältst", verabschiedete ich mich.

„Klar. Da fällt mir schon so einiges ein!"

Sie drehte sich um und wollte schon gehen, aber mir fiel noch etwas ein.

„Ach ja, Mel?" Rief ich über meine Schulter.

„Ich hab ganz vergessen, dir zu sagen, dass Donald am Wochenende herkommt. Da müssen wir uns auch noch was einfallen lassen..."

Mel

Donald? Oh je, den hatte ich ja ganz vergessen bei meiner Flugzeugaktion. Jetzt war er bestimmt stinksauer. Aber ein paar Tage blieben uns ja noch, bevor er auf die Insel kommt. Zeit genug.

„Ah, Mel, ich darf Sie doch Mel nennen, oder?" vernahm ich Muldoons Stimme.

„Sie tun es ja schon."

„Ich muss schon sagen, unsere Promotionartikel stehen Ihnen", grinste er.

„Danke, ich komme mir schon vor wie eine wandelnde Litfasssäule. Wann geht es los?"

„Ein bisschen Geduld brauchen Sie noch. Wir müssen noch auf Dr. Harding warten."

„Aha, und wozu?"

„Er hat mich gebeten, ihm einen Triceratops zu betäuben."

„Triceratops? Cool. Das sind doch diese Riesenviecher mit den drei Hörnern im Gesicht, oder?"

„Ja, so könnte man sie auch beschreiben." Muldoon musste schmunzeln. Mel benahm sich wie ein Kleinkind, das zum ersten Mal in den Zoo durfte.

Ein Mann kam auf uns zu.

„Ich bin Dr. Harding", stellte er sich mir vor. „Und Sie müssen unser blinder Passagier sein."

„Äh, ja." Etwas verlegen sah ich ihn an. Anscheinend wussten schon alle hier von meiner kleinen Aktion. „Melanie Anderson."

„Miss Anderson, so, so. Sie wollen mir heute also über die Schulter sehen?"

„Na ja, eigentlich wollte ich einen Dino sehen."

„Dann können Sie sich glücklich schätzen. So nah wie Sie wird ein Besucher nie wieder an einen Dino herankommen. Lassen Sie uns losfahren, Robert", wandte er sich an Muldoon.

Wir stiegen in einen bereitstehenden Jeep und Muldoon fuhr los.

Es ging zunächst den Weg zurück, den wir gestern hergekommen waren. Irgendwann bogen wir auf einen kleinen versteckt liegenden Weg ab und näherten uns dem großen Areal der Pflanzenfresser.

Muldoon hielt den Jeep an. Dr. Harding stieg aus und öffnete ein Tor, das in der Umzäunung eingelassen war. Muldoon fuhr hindurch und wartete, bis der Doktor das Tor geschlossen hatte und wieder neben ihm Platz genommen hatte, dann fuhr er weiter.

„Wo befindet sich das verletzte Tier?"

„Dort drüben." Harding deutete auf eine Baumgruppe, bei der eine Gruppe von fünf Triceratopsen graste.

„Okay, dann werden wir uns mal anschleichen."

Muldoon fuhr einen großen Bogen, um sich der Baumgruppe von hinten zu nähern. Auf dem Weg dahin gerieten wir mitten in eine Herde Stegosaurier. Die Tiere schienen keine Angst vor dem Jeep zu haben, sondern setzten ihren Weg gemütlich fort. Muldoon hatte den Wagen angehalten, um die Saurier ungehindert passieren zu lassen.

Das gab mir die Chance diese Tiere ganz aus der Nähe zu sehen. Ich drückte mir die Nase an der Scheibe platt, um ja nichts zu verpassen. Genau neben unserem Jeep lief ein besonders großes Exemplar vorbei.

Die großen Platten, die sich in zwei Reihen über seinen Rücken zogen, waren beeindruckend und sahen wie große Sonnensegel aus. Ein wenig beängstigend wirkte der gewaltige Schwanz auf mich, an deren Ende vier große Stacheln saßen. Da wollte ich nicht in der Nähe sein, wenn der Stego mit seinem Schwanz einmal ausholen sollte.

Die Tiere passierten den Jeep und wir konnten unseren Weg fortsetzen.

Ein paar Meter von der Baumgruppe entfernt hielt Muldoon an.

„Wenn wir jetzt aussteigen", wandte er sich an mich. „Dann halten Sie sich hinter mir. Und keinen Ton."

„Okay."

Ein bisschen mulmig war mir schon zumute, als wir ausstiegen. Hier handelte es sich schließlich nicht um niedliche Schoßtierchen, sondern um Tiere, von denen einige so groß wie ein Hochhaus waren.

Muldoon nahm ein großes Gewehr von der Ladefläche und gab Harding einen Arztkoffer, dann bedeutete er mir und Harding ihm zu folgen.

Wir versteckten uns hinter einem der Bäume und lugten vorsichtig drum herum.

„Wow", entfuhr es mir. Direkt vor mir standen die Triceratopse. Sie waren gewaltig. Auf der Stirn saßen zwei große geschwungene Hörner und drittes, etwas kleineres, auf der Nase. Aber am beeindruckendsten war der große Nackenschild, der zum Schutz vor Angriffen diente.

„Welcher ist es?" wisperte Muldoon.

„Der ganz linke."

„Okay."

Muldoon legte sich flach ins Gras und robbte ein Stück nach vorne. Er legte das Gewehr an, visierte den bezeichneten Triceratops an und drückte ab.

Der Knall war ohrenbetäubend. Die Triceratopsherde fuhr erschrocken herum und stürmte davon. Mir fiel auf, dass sie für ihre Größe und ihr Gewicht ziemlich schnell waren.

Der getroffene Triceratops wollte sich seinen Kameraden anschließen, kam aber nicht weit.

Das Betäubungsmittel wirkte schnell, er strauchelte und fiel schwer zu Boden.

Zunächst sah es so aus, als würde die Herde kehrt machen, um ihren Kameraden zu schützen, aber dann siegte doch die Angst und sie liefen davon.

Muldoon machte uns ein Zeichen und wir näherten uns dem betäubten Tier.

Als ich vor ihm stand, sah ich nur einen riesigen Fleischberg vor mir.

Der Doktor machte sich an der Wunde zu schaffen und Muldoon kam zu mir.

„Kommen Sie, nutzen sie die Zeit, um ihn sich richtig anzusehen. Ich bin in der Nähe, es kann also nichts passieren."

Ich ging um den Tops herum, als ich an seinem Kopf angelangt war, blieb ich stehen.

„Darf ich ihn anfassen?"

Muldoon nickte mir zu und ich streckte vorsichtig die Hand aus und berührte das gewaltige Nackenschild. Es fühlte sich an, als würde ich einen Stein anfassen, einen Stein, der mit Leder überzogen war.

Respektvoll betrachtete ich die riesigen Hörner. Die, im Verhältnis zu seiner Größe, winzigen Augen waren geschlossen. Das Maul erinnerte mich vage an einen zu groß geratenen Vogelschnabel.

„Wir müssen zurück, der Doktor ist fertig und ich weiß nicht, wie lange er noch schläft", riss mich Muldoon aus meiner Faszination.

Ich warf nocheinmal einen letzten Blick auf den Triceratops, dann folgte ich Muldoon zurück zum Jeep. Auf der Rückfahrt wurden wir nicht behelligt und schon bald waren wir wieder auf dem Weg zurück zum Besucherzentrum.

„Die Wunde wird von alleine heilen, sie ist nicht schlimm", informierte mich Harding mit etwas Verspätung.

„Hmm."

„Was ist mit Ihnen? Sie sagen ja gar nichts mehr", spöttelte Muldoon.

„Ich bin ganz einfach sprachlos. Das war der reine Wahnsinn!"

Als wir am Besucherzentrum ankamen, parkte Muldoon den Wagen und wir stiegen aus.

„Ich danke Ihnen, dass Sie mich mitgenommen haben", sagte ich zu Dr. Harding. „Das war echt toll. Wenn sie mal etwas Zeit haben, würde ich Sie gerne über den Triceratops ausfragen."

„Aber gerne!" Harding strahlte übers ganze Gesicht. „So dankbares Publikum hab ich selten. Kommen Sie doch einfach nach dem Abendessen in mein Büro."

„Oh ja, gerne."

Harding verabschiedete sich von uns und auch ich machte mich auf dem Weg zu meinem Appartement.

Das muss ich unbedingt Luthien erzählen, dachte ich.

Ich betrat mein Appartement und erstarrte. Vor mir stand ein ziemlich wütender Donald.

„Donald? Du?"

So wütend wie er aussah, wünschte ich mich zu den Stegosauriern zurück, die waren wenigstens friedlich.

„Ich dachte, Du würdest erst am Wochenende kommen."

„Was tust du überhaupt hier?" fuhr er mich an. „Du kannst dich doch nicht einfach auf die Insel schleichen!"

„Ich wäre ja wohl kaum hier, wenn ich es nicht gekonnt hätte."

Donald sagte nichts, aber sein Blick ließ mich verstummen. Anscheinend war er im Moment nicht zu Scherzen aufgelegt.

„Du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich mir für Sorgen gemacht habe, als du morgens nicht zum Frühstück erschienen bist. Deine Sachen waren alle noch im Zimmer, ich dachte dir wäre etwas zugestoßen!"

„Tut mir leid, aber ich konnte dir doch nichts sagen. Woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?"

„Captain Wolfe war so freundlich. Du weißt, dass wir in Teufelsküche kommen, wenn Hammond davon erfährt."

„Uns wird schon irgendwas einfallen."

„Das hoffe ich, aber halte mich da raus."

„Klaro. Übrigens, ich hab gerade einen Triceratops gesehen...", fing ich an und konnte mich dann nicht mehr bremsen. Das gerade Erlebte sprudelte nur so aus mir raus. Als ich geendet hatte, hatten sich Donalds Gesichtszüge eindeutig entspannt und er lächelte sogar wieder.

„Na gut, du hast gewonnen."

„Du bist nicht mehr böse?" Hoffnungsvoll sah ich ihn an.

„Nein, trotzdem ist es nicht in Ordnung, dass du hier bist..."

„Ja, ja", unterbrach ich ihn. „Jetzt komm schon her. Bis zum Abendessen ist noch etwas Zeit."

Grinsend zog er mich in die Arme. „Ich wüsste auch schon, wie wir die Zeit nutzen können..."