So, hier kommt das nächste Chappi...:o)
Robert
Sofort zog Robert ihre Hosenbeine hoch und untersuchte ihre Waden. Er fand etwas, dass er schon öfter gesehen hat.
„Sehen sie das?" Fragte er Dr. Harding.
„Das sind die Wunden eines Schlangenbisses. Ich hab so was schon oft in Afrika gesehen."
Robert wurde nervös. Er wusste, dass mit einem Schlangenbiss nicht zu spaßen war... und schon gar nicht, wenn Luthien solche Symptome zeigte.
„Was für eine Schlange?" Fragte Ray.
„Ich hab keine Ahnung", musste Dr. Harding zugeben. „ Mit Schlangenbissen kenne ich mich nicht aus."
„Tun sie was!" Verlangte John, aber es hörte sich mehr nach einem Flehen an.
Alle Augenpaare richteten sich auf Robert. Er war der einzige, der damit Erfahrung hatte.
„Okay", meinte er dann und begann Befehle in die Runde zu geben.
„Erst mal bringen wir sie hier raus. Wir legen sie ins Bett und binden das Bein ab. Dann verteilt das Gift sich langsamer. Aber lösen sie jede viertel Stunde die Abbindung, damit das Blut kurz zirkulieren kann... und wir brauchen Eis. Vielleicht kriegen wir so das Fieber runter...Haben wir Gegengifte?" Fragte er dann Dr. Harding.
Dieser nickte.
„Ja, aber es nützt uns nichts, wenn wir nicht wissen, um was für eine Schlange es sich handelt. Dafür brauchen wir einen Experten vom Festland."
„Ray, sie rufen das Festland und fragen im Krankenhaus nach einem Experten für Schlangenbisse", trug ihm Robert auf und Ray machte sich sofort auf den Weg.
Auf meinem Zimmer lag ich in meinem Bett und bemerkte, dass eine Menge Leute um mich rumstanden.
Dr. Harding sah Robert besorgt an.
„Hoffen wir, dass der Experte schnell hier ist."
Aber Robert sah das pessimistisch.
„Ich befürchte, dass wir nicht mehr so viel Zeit haben", sagte er leise.
Dann fiel ihm etwas ein und er holte ein Buch aus seiner Wohnung: Die Tier und Pflanzenwelt Costa Ricas.
„Ich hab hier auf der Insel eigentlich bisher nur eine Schlangenart gesehen. Leider weiß ich nicht, wie sie heißt, aber vielleicht finde ich das Tier in diesem Buch."
Er blätterte eine ganze Zeit lang und war sich dann aber ziemlich sicher, die richtige Schlange gefunden zu haben.
„Hier! Das ist sie! Eine Lanzenotter. Das Bild passt und es ist eine gefährliche Giftschlange!"
John trat vor Dr. Harding.
„Haben wir das Gegengift?"
Dr. Harding nickte.
„Na worauf warten sie dann noch? Holen sie es!"
Dr. Harding verschwand kurz und kam dann mit einem kleinen Fläschchen zurück. Alle sahen sich unschlüssig an.
„John", sagte nun Dr. Harding, „ wenn das nicht das richtige Gegengift ist, könnte sie das umbringen."
„Nun, ich denke, wir sind uns einig, dass dieser Experte nicht schnell genug hier sein kann. Nicht um sie zu retten. Wir müssen etwas tun... und in diesem Fall vertraue ich Robert."
Die meisten warfen John einen erstaunten Blick zu, beobachteten aber dann, wie Dr. Harding Luthien das Gegengift injizierte.
LuthienIch spürte eine ganze Zeit lang gar nichts mehr, aber dann konnte ich meine Augen öffnen und fand zurück in die Realität.
„Ein Glück! Ihr Fieber sinkt!" Hörte ich Dr. Harding sagen, dann schlief ich ein.
MelAls Luthien die Augen öffnete atmeten alle erleichtert auf.
„Sie braucht jetzt erst mal Ruhe", meinte Dr. Harding. „Ich werde bei ihr bleiben und sie im Auge behalten. Alle anderen muss ich bitten das Zimmer zu verlassen."
Ein wenig erleichtert verließen wir das Zimmer und gingen hinunter in den Speisesaal. Ein wenig mulmig war mir schon, denn Hammond hatte mich gesehen und fragte sich bestimmt schon die ganze Zeit, was ich hier zu suchen hatte. Die Sorge um Luthien hatte ihn noch kein Wort darüber verlieren lassen, aber das würde er wahrscheinlich schnell nachholen.
Hammond bedeutete uns allen Platz zu nehmen.
„So, und nun zu Ihnen." Er sah bei seinen Worten jeden einzelnen scharf an. „Dürfte ich erfahren, was hier eigentlich los ist?"
Jeder sah verlegen auf seine Hände und keiner traute sich den Anfang zu machen.
„Ich hatte vorhin den Eindruck, ich komme geradewegs in ein Tollhaus. Und Miss Anderson, welch unerwartete Überraschung Sie hier zu treffen." Er sah mich an und hatte das Gefühl unter seinem Blick zu schrumpfen.
„Äh... also... na ja... was soll ich sagen...", stammelte ich.
„Wenn ich das erklären dürfte, Sir?" kam mir Ray zu Hilfe. „Wir hielten es für sinnvoll einen Test durchzuführen, bevor wir den Park der Allgemeinheit zugänglich machen. Ob alles gut funktioniert, wie die Tiere auf einen Ahnungslosen wirken und so weiter. Wir haben Miss Anderson gebeten, diesen Test für uns durchzuführen. Sie sollte den Park ... äh...", er stockte.
„Bewerten", fiel Henry ein. „Sie sollte den Komfort unserer Appartements testen, die Route durch den Park bewerten. Na ja sie sollte uns einfach sagen, ob der Park besuchertauglich ist."
„Ich nehme an, Sie wussten davon", wandte Hammond sich unvermittelt an Don.
„Äh... natürlich, Sir, sonst... äh... hätte ich es doch niemals erlaubt."
„Und warum wusste ich nichts davon?"
„Ähm... nun ja... äh, wie soll ich sagen..." Don sah etwas hilflos drein und Ray kam ihm zur Hilfe.
„Die Idee kam ganz spontan und Sie waren nicht zu erreichen und als wir Sie benachrichtigen wollten kam dann der ganze Trouble mit dem Raptor und dem Rex und... oh oh", er verstummte, denn er hatte schon zu viel gesagt.
„Was ist mit dem Rex?" hakte Hammond auch sofort nach und schien mich für einen Moment vergessen zu haben.
Ein peinliches Schweigen entstand.
„Der Rex. Habe ich mich so unklar ausgedrückt?"
„Er ist tot", schaltete sich nun Robert ein.
„Ich hoffe, ich habe mich verhört."
„Nein. Sie lief vorhin aufgeregt am Zaun hin und her, was so gar nicht ihre Art ist. Also haben wir sie betäubt, um nachzusehen, was mit ihr ist. Sie hat die Dosis nicht vertrage, obwohl es eine sehr geringe Dosis war."
Hammond blieb eine Weile ziemlich schweigsam. Alle warteten gespannt, was er nun machen würde.
„Gut", meinte er dann schließlich. „Wir können es nicht mehr ändern. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf deswegen, Robert." Robert warf Don einen triumphierenden Blick zu. „Aber was bieten wir den Leuten nun als Hauptattraktion an? Ich hatte eigentlich vor, den Park nächste Woche eröffnen zu lassen."
Ein allgemeines Aufstöhnen erfüllte den Raum, damit hatte keiner gerechnet.
„Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte", meldete ich mich zaghaft zu Wort.
„Bitte, wenn Sie schon hier sind, dann seien Sie auch produktiv."
„Okay, wenn ich das richtig sehe, fehlt uns eine Hauptattraktion. Die Leute wollen einen Rex sehen. Das ist unmöglich, weil er tot ist. Aber was wäre, wenn die Leute einen Rex aufwachsen sehen würden? Sie könnte sozusagen dabei sein, wie er schlüpft, wie er größer wird und wie er letztendlich ein ausgewachsenes Tier wird. Wir könnten eine Patenschaft für ihn einführen. Und als Nebeneffekt würde die Leute wahrscheinlich immer wieder kommen, weil sie den Rex irgendwann als ausgewachsenes Tier erleben wollen.
Man könnte es als eine Art gläserne Kinderstube bezeichnen. Und glauben Sie mir, solange der Rex noch klein ist, schlagen die anderen Dinosaurier die Leute in ihren Bann. Meiner Meinung nach ist ein Brachiosaurus oder ein Diplodocus genauso beeindruckend."
Hammond hatte interessiert zugehört und schien nicht ganz abgeneigt zu sein.
„Und wie sollen wir dafür werben?"
„Wie wär's damit: ‚Tyrannosaurus Rex, erleben Sie mit wie aus einem harmlosen Ei der gefürchtetste Fleischfresser der Urzeit wird' Oder so ähnlich."
„Hm, das klingt interessant. Vor allem die Idee mit den Patenschaften gefällt mir."
Ich atmete erleichtert auf.
„Gut, wir müssen alles für die Eröffnung in die Wege leiten", richtete sich hammond nun an alle. „Ach so, bevor ich es vergesse, was war eigentlich vorhin mit Ihnen beiden los?"
„Nichts von Belang", antwortete Don, nachdem ich ihm kräftig auf den Fuß getreten war.
„Hm, ich hoffe Sie legen Ihre Zwistigkeiten so schnell wie möglich bei. Damit der Park gut funktioniert müssen alle hand in hand arbeiten. Ich hoffe Sie haben mich verstanden."
Don und Robert nickten widerstrebend. Aber ich glaubte nicht, dass sie so schnell aufgeben würden sich gegenseitig niederzumachen.
„Gut, dann wäre zwar nicht alles zu meiner Zufriedenheit geklärt", Hammond warf mir einen Seitenblick zu. „Aber ich hoffe doch soweit, dass wir die Eröffnung vorbereiten können. Also, an die Arbeit."
Don und ich gingen zu den Appartements. Ich wollte noch schnell nach Luthien sehen.
„Anscheinend hat er doch nicht alles mitbekommen, was ihr zwei Knallköpfe von euch gegeben habt", sagte ich zu Don.
„Sieht so aus, sonst wäre er nicht so ruhig geblieben", stimmte Don mir zu.
In dem Moment kam Robert um die Ecke, er wollte anscheinend auch zu Luthien.
„Ah, da kommt ja unser Möchtegernheld", legte Don schon wieder los. „Da konnten Sie sich bei John ja wieder gut einschleimen."
„Sie legen es wohl drauf an noch mal meine Faust zu spüren. Aber nur zu, ich werde sie Ihnen mit Vergnügen noch mal zeigen."
„Jetzt seid beide still", fuhr ich sie an. „Langsam reicht es!"
Ich schob Don in mein Appartement.
„Schlaf dich erst mal aus", meinte ich zu ihm in Gedanken an die leere Whiskyflasche. Dann zog ich die Tür zu.
„Und Sie kümmern sich erst mal um Luthien", wies ich Robert an und schob ihn in ihr Appartement.
Dann war ich alleine auf dem Flur und atmete erst mal auf. Langsam gingen mir die beiden richtig auf die Nerven. Ich konnte gar nicht glauben, dass sich zwei erwachsene Männer so anstellen konnten. Das war ganz klar ein Machtkampf, keiner der beiden wollte vor dem anderen klein beigeben. Ich vermutete, dass keiner der beiden, den eigentlichen Grund für ihre Feindseligkeiten kannte. Kopfschüttelnd ging ich in mein Appartement. Als ich aus dem Schlafzimmer lautes Schnarchen vernahm, musste ich dann doch lächeln. Auf Zehenspitzen schlich ich ins Schlafzimmer. Don lag lang ausgestreckt auf dem Bett. Daneben stand immer noch die leere Flasche.
Behutsam strich ich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn. Ich hatte ihn noch nie so betrunken gesehen, na ja, ich hatte aber auch noch nie so erlebt, wie er sich Robert gegenüber verhielt. Anscheinend war auf dieser verfluchten Insel alles möglich.
Da Don noch eine ganze Weile schlafen würde, verließ ich das Appartement, um mich bei Ray und Henry zu bedanken.
Ich fand die beiden im Kontrollraum, wo Ray vor einer Unmenge an Computern saß.
„Ah", grinste Ray, als er mich sah. „Welch seltener Gast in meinem Reich."
„Ich wollte mich bei eich beiden für vorhin bedanken. Ihr habt mir ganz schön aus der Klemme geholfen."
„Ach", winkte Henry ab. „Nicht der Rede wert. Aber was ist das eigentlich für eine Sache zwischen Robert und Mr. Gennaro? Die beiden verhalten sich wirklich merkwürdig."
„Ich würde es euch gerne sagen, aber ich kann nicht. Außerdem hab ich in den letzten tagen schon zuviel geredet."
„Warum hat er Robert als Exknacki beschimpft?" wollte nun auch Ray wissen.
„Ja genau, und was ist an der Sache dran, dass Robert und Luthien...", bestürmte mich Henry mit der nächsten Frage.
„Nein, bitte, ich will nicht noch mehr Schaden anrichten. Fragt Robert oder meinetwegen Don... halt nein, fragt Don besser nicht."
„Aber wie kommt Gennaro darauf, dass Robert ein Exknacki sein soll, das stimmt doch nicht."
„Ich fürchte doch... aber mehr sag ich nun wirklich nicht", fügte ich erschrocken hinzu.
Ray und Henry bestürmten mich weiter mit Fragen, erhielten aber keine Antworten.
Irgendwie schaffte ich es mich den beiden zu entziehen und lief nach draußen. Ich brauchte unbedingt frische Luft.
Es regnete zwar immer noch, aber das war mit im Moment egal.
Nach einer Weile blieb ich stehen und merkte, dass ich mitten im Park war. Ich drehte mich einmal im Kreis, um zu erkennen wo ich war. Aber der Regen fiel so dicht, dass ich kaum was sehen konnte.
Ich lief ein Stück in die Richtung, von der ich vermutete, dass ich aus ihr gekommen war. Nach einigen schritten blieb ich stehen und musste mir jedoch eingestehen, dass ich nicht mehr wusste wo ich war. Ich hatte mich hoffnungslos verlaufen.
Trotzdem lief ich weiter und stieß irgendwann auf einen hohen Elektrozaun, der mir den Weg versperrte.
„Verdammt", fluchte ich und wollte schon wieder umdrehen, als ich etwas bemerkte. Am Zaun blinkten die Lampen.
Zuerst maß ich dem keine Bedeutung bei, doch dann fiel mir ein, dass vorhin beim Rex-Gehege auch die Lampen geblinkt hatten.
Das konnte nur eins bedeuten, der Zaun stand nicht mehr unter Strom!
„Oh scheiße! Was mache ich denn jetzt?"
Ich konnte nur hoffen, dass dieses Gehege einem Pflanzenfresser gehörte...
Mittlerweile völlig durchnässt, ging ich den Weg wieder zurück. Wenn ich doch nur wüsste, was das für ein Gehege war.
Ich blieb auf dem Weg, in der Hoffnung irgendwann vertrautes Terrain zu sehen, doch der Regen machte meine Hoffnung zunichte. Mir fiel auch auf, dass auf diesem Weg kein Schienenstrang verlief, dieser Weg also nicht zur Parktour gehörte. Viel weiter half mir das aber nicht.
Die Angst, dass vor mir jederzeit ein Dinosaurier auftauchen könnte, wurde immer größer. Ich sah auch nirgends etwas, wo ich mich hätte verkriechen können, bis jemand von den Inselleuten auftauchen würde. Ich hoffte, dass Ray den kaputten Zaun auf seinen Überwachungscomputern schon entdeckt hatte.
Ein plötzliches Rascheln rechts neben mir im Gebüsch ließ mich inne halten. Ein leises Schauben ertönte und ich konnte einen Schrei gerade noch unterdrücken.
Das Knacken kam immer näher.
LuthienIm Kontrollraum hatte Ray derweilen alle Hände voll zu tun. Es hatte einen Blitzschlag gegeben und zwei Zäune waren ausgefallen. Als Ray dies bemerkte löste er sofort den Alarm aus.
Binnen weniger Minuten hatten sich alle im Kontrollraum eingefunden. Auch ich hatte mich von Dr. Harding nicht aufhalten lassen. Nur Mel und Don fehlten, doch das fiel in der allgemeinen Aufregung niemandem auf.
Ich sah stirnrunzelnd auf einen der Monitore.
„Bei dem einen handelt es sich um das Gehege mit den Triceratopsen und den Stegosauriern, das ist eigentlich nicht weiter tragisch. Das andere macht mir weit mehr Sorgen."
„Das ist das Gehege mit den Allosauriern", stimmte Henry mir zu.
„Verflucht, das ist nicht wirklich gut, wenn die durch den Park streifen", fluchte Robert und war schon auf dem Weg nach draußen.
„Wo sind eigentlich Mel und Don?" fragte ich, als ich mich vergeblich nach meiner Freundin umgesehen hatte.
„Vermutlich im Bett", grinste Robert. Doch keiner lachte.
„Ich suche sie", bot sich Henry an und war auch schon verschwunden.
Kurze Zeit später kam er mit einem etwas zerknittert aussehenden Donald zurück.
„Was ist denn hier los?" wollte er wissen.
Ray setzte ihn kurz ins Bild.
„Wo ist Mel?" fragte ich Henry.
„Keine Ahnung, ich habe sie nirgendwo gefunden. Sie war vorhin kurz hier, aber wo sie dann hingegangen ist weiß ich nicht."
„Verdammt", fuhr Ray dazwischen. „Ich glaube ich weiß wo sie ist und es wird euch nicht gefallen."
Alle sahen ihn an.
„Ich habe sie vorhin auf diesem Monitor gesehen", dabei deutete er auf einen Bildschirm, der den Eingangsbereich des Besucherzentrums zeigte. „Ich vermute sie ist nach draußen gegangen."
„Oh mein Gott", keuchte Don und wurde ganz weiß. „Sie wollen doch nicht sagen, sie ist da draußen mit einem Allosaurus?"
„Und mit Triceratopsen und Stegosauriern. Ja, genau das wollte ich sagen."
„Verdammt, so tut doch irgendeiner was!" Don war der Verzweiflung nah.
Robert hatte schon eine bissige Bemerkung auf den Lippen. Doch als er die Angst in Dons Augen sah, schluckte er sie runter.
„Kommen Sie", sagte er stattdessen. „Wir werden sie finden."
MelIch stand starr vor Schreck. Neben mir tauchte ein dunkler Umriss aus dem Dschungel auf. Noch ein Schritt, dann stand er vor mir auf dem Weg. Und er war riesig. Er war fast 5 Meter groß und bestimmt doppelt so lang. Er ging aufrecht, was eigentlich nur eins bedeuten konnte. Ein Jäger.
Er hatte einen großen Kopf, der auf einem kurzen aber muskulösen Hals saß. Die kurzen Ärmchen endeten in kräftigen Fingern mit kräftigen Krallen. Vor mir stand ein Allosaurus. Das wusste ich, weil ich am tag meiner Ankunft mehrere Bilder von verschiedenen Fleischfressern gesehen hatte, unter ihnen auch Allosaurus.
Er sah mich aus seinen kleinen Augen etwas verwirrt an, dann sog er die Luft ein. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich gesagt, dass ein boshafter Glanz sich in seine Augenstahl. Doch das war wahrscheinlich nur Einbildung gewesen.
Was sollte ich jetzt machen? Weglaufen kam nicht in Frage. Der Kerl sah zwar ziemlich schwerfällig und ungelenk aus, aber das musste ja nichts heißen. Außerdem brauchte er wahrscheinlich nur einen Schritt machen und ich würde als Dinosnack enden.
Er senkte den Kopf und witterte wieder. Wahrscheinlich war er etwas irritiert, dass seine Beute immer noch da stand und ihn nur aus großen Augen anstarrte.
Ich war so auf Allosaurus fixiert, dass ich das Stampfen hinter mir nicht hörte. Erst als der Allosaurier den Kopf hob und einen Schritt zurück machte, traute ich mich einen Blick über die Schulter zu werfen. Und sah in ein Gesicht, dass mit drei Riesigen Hörnern geschmückt war. Ein Triceratops. Und es war der, den ich gestreichelt hatte. Ich wusste zwar nicht, woran ich das erkannte, aber er war es, da war ich mir sicher.
Oh nein, fuhr es mir durch den Kopf. Wenn die beiden jetzt aufeinander losgehen, dann zermalmen die mich.
Doch da hatte ich die Rechnung ohne den Triceratops gemacht. Er kam auf mich zu und wich mir im letzten Moment mit einer Eleganz aus, die ich diesem Koloss gar nicht zugetraut hätte. Er musste doch mindestens 10 Tonnen wiegen.
Der Allosaurus hatte nun eine lohnendere Beute vor Augen und zögerte jetzt auch gar nicht mehr, sonder sprang den Triceratops mit einer erstaunlichen Behändigkeit an. Dumm nur, dass er in das Nackenschild des Pflanzenfressers beißen wollte.
Es gab ein lautes knacken und ich sah die Zähne des Allosauriers splittern. Der Triceratops nutze die Möglichkeit dem Allosaurier seine Hörner in den Bauch zu rammen. Mit einem lauten Schmerzensschrei, der mir fast das Trommelfell platzen ließ, wich der Jäger zurück. Der Triceratops setzte nach, verfehlte Allo jedoch knapp. Dieser sprang wieder auf Tops zu und hatte wieder das Nackenschild zwischen den Zähnen. Allo büßte weitere Zähne ein, schaffte es aber Tops mit seinen scharfen Krallen am Rücken zwei üble Wunden zuzufügen. Unbeeindruckt von dem Schmerz senkte Tops den Kopf und nahm Allo wieder auf die Hörner, diesmal so heftig, dass Allo ein paar Meter weit weg geschleudert wurde. Sein bauch war mittlerweile eine einzige klaffende Wunde und er verlor immer mehr Blut.
Nocheinmal sah es so aus, als ob Allo wieder zum Angriff ansetzen wollte, doch er überlegte es sich anders und trollte sich, schwer atmend davon.
Tops, wie ich den Triceratops in Gedanken nannte, dagegen drehte sich gemächlich um und sah mich an. Und irgendwie konnte ich spüren, dass er mich wiedererkannte. Wie so etwas möglich war, wollte ich gar nicht wissen, immerhin war er betäubt gewesen, als ich streicheln durfte. Das Tier war mir sowieso schon unheimlich genug.
Eigentlich rechnete ich damit, dass Tops ebenfalls verschwinde würde, doch das tat er nicht. Gemütlich pflückte er ein paar Blätter von einem Busch und begann zu kauen.
„Danke", flüsterte ich und traute mich einen Schritt auf ihn zuzumachen. Er kaute unbeeindruckt weiter.
Als ich nah genug heran war, konnte ich deutlich die Schrammen erkennen, die der Allosaurier mit seinen Zähnen auf dem Nackenschild hinterlassen hatte.
Ich ließ mich neben dem Busch nieder, der Tops als Mahlzeit diente und schloss die Augen. Erst jetzt übermannten mich die Schrecken der letzten Minuten. Ich hörte ein beruhigendes Schnauben neben mir und spürte eine leichte Berührung an der Wange. Ich öffnete die Augen und sah geradewegs in zwei dunkle Augen. Und irgendwie wusste ich, dass solange Tops hier war, mir nichts passieren würde.
