Luthien
Mel war beim Abendessen ungewöhnlich gut gelaunt, was ich aber auch verstehen konnte, nachdem sie uns von ihrer letzten Unterhaltung mit Don erzählt hatte. Ray und Henry, die vorher ja noch nichts von dem Zwischenfall gewusst hatten, hörten aufmerksam zu.
„Mann", seufzte Ray dann, „hier geht's ja zu wie in einer Seifenoper. Ist man mal ein paar Stunden nicht dabei, weiß man nicht mehr, was eigentlich vor sich geht…"
Henry grinste zustimmend.
„Na ja", fuhr Mel dann fort, „ich hab nur noch nicht erwähnt, dass ich jetzt arbeitslos bin. Ich hab Don gesagt, dass ich kündige, weil ich nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten kann und will!"
Alle Augen richteten sich mitleidig auf Mel.
„Du musst doch nicht kündigen!" Meldete ich mich zu Wort. „Beantrage einfach bei mir, deine Versetzung auf die Insel… Ich denke, es wäre ganz gut einen Anwalt hier zu haben, wie sich ja gezeigt hat und wenn du nichts anderes zu tun hat, kannst du dich ja mit um die Besucher kümmern… Überleg es dir… Oder wir finden einen Weg Don rauszuschmeißen…"
Ray grinste plötzlich.
„Man könnte glatt sagen, dass John recht damit hat, wenn er gegen Affären und weiteres am Arbeitsplatz ist. Allerdings haben wir ja noch unser zweites Traumpaar, das das Gegenteil beweißt…"
Jeder wusste, dass Ray damit Robert und mich meinte.
Robert warf mir einen kurzen Blick zu und ich wich ihm aus. Daraufhin stand er genervt auf und verließ wortlos den Saal.
„Oder auch nicht…"Meinte Ray nun verwundert. „In was für ein Fettnäpfchen bin ich denn jetzt schon wieder getreten?"
„Laß gut sein, Ray… ist nicht deine Schuld." Beruhigte ich ihn und dann stand ich mit Mel ebenfalls auf.
Draußen setzten wir uns auf eine Bank.
„Sag mal, wie voll wird der Park eigentlich?" Fragte Mel dann.
„Also Morgen kommen nur ein paar Investoren, Leute von der Presse und einige ausgewählte Wissenschaftler. Zum Beispiel der Paläontologe Dr. Grant. Den kennst du doch, oder?"
„Na klar. Ich hab sogar ein Buch von ihm…"Mel wirkte ganz aufgeregt.
„Ja, ich bin ziemlich gespannt, was er von den Dinos hält. Morgen Abend ist also erst mal die inoffizielle offizielle Eröffnung und Übermorgen dürfen diese Auserwählten dann die erste Landcruiser Tour mitmachen. In zwei Wochen können dann die ersten normalen Besucher kommen, wenn sie sich dafür interessieren und die Presse uns positive Publicity verschafft."
„Und wie viele lasst ihr dann immer in den Park?"
„Aus Sicherheitsgründen haben wir uns auf nicht mehr als fünfzig Leute geeinigt, die an einer Tour teilnehmen dürfen."
„Hm." Nickte Mel. Sie schien wohl zu überlegen, ob sie sich wirklich auf die Insel versetzen lassen sollte, lenkte dann aber ab.
„Sag mal, Luthien, was ist eigentlich mit Robert und dir los? Ihr solltet mal miteinander reden…"
Ich war nicht wirklich in der Laune darüber zu sprechen.
„Vergiss Robert! Im Moment hab ich andere Sorgen wie zum Beispiel die Eröffnungsgala…"
Mel gab aber nicht nach.
„Das glaube ich dir ehrlich gesagt nicht, aber wenn du meinst…"
Endlich war der Abend der Eröffnungsgala gekommen. Ich trug ein langes fliederfarbenes Chiffonkleid, da ich es nicht immer mochte zu solchen Anlässen schwarz zu tragen. Mel hatte sich von mir ein blaues Abendkleid geliehen und die Herren trugen alle Anzüge, wobei die Anzüge der Mitarbeiter das JP Logo trugen.
Es waren Leute von der Presse hier, die meisten der Investoren und auch einige ausgewählte Wissenschaftler.
Als John seine Rede hielt, hörten ihm alle begeistert zu...wie immer. Nur ich konnte den Abend nicht genießen, weil ich die ganze Zeit nur an Robert dachte. Ich sah mich im großen Saal des Besucherzentrums um, aber konnte ihn nirgendwo entdecken. Es war nur ganz kurz gewesen, dass ich ihn gesehen hatte und wir gingen uns immer noch aus dem Weg.
Als John fertig war und der inoffizielle Teil des Abends begann, gesellte sich Mel zu mir.
„Hey, was ist los mit dir?" Fragte sie mich.
„Du siehst ziemlich deprimiert aus. Du denkst an Robert, oder?"
Ich nickte und nippte an meinem Sekt.
„Ja, aber er ist im Moment nicht hier und trotzdem kann ich den Abend nicht genießen. Es macht mir einfach keinen Spaß. Ich glaube, ich werde so schnell wie möglich abhauen."
„Blödsinn", meinte Mel. „Du solltest dich wenigstens ein bisschen amüsieren. Komm mit."
Und dann brachte sie mich dazu mit irgendwelchen Kerlen zu tanzen und mir ihre langweiligen Geschichten anzuhören. Es war reine Höflichkeit, dass ich nicht einfach davon lief und stattdessen pflichtbewusst lächelte.
Mir fiel natürlich nicht auf, dass Robert mich dabei beobachtete und fürchterlich eifersüchtig wurde. Er dachte, das Ganze würde mir Spaß machen und ich würde vorsätzlich mit anderen Männern flirten.
Robert
Irgendwann konnte er es nicht mehr mit ansehen und flüchtete praktisch nach draußen.
Liam, der alles beobachtet hatte, sah seine Chance kommen und ging seinem Vater hinterher.
Er fand ihn frustriert mit einem Glas Whisky in der Hand auf der Terrasse sitzend.
„Dad, kann ich mal mit dir reden?"
Überrascht drehte Robert sich um.
„Was willst du Liam? Ich bin beschäftigt..."
„Blödsinn, Dad! Ich muss das jetzt mit dir klären! Ich weiß, dass ich viel falsch gemacht habe und du hast allen Grund sauer auf mich zu sein, aber du solltest das nicht an Luthien auslassen. Sie kann nichts dafür, Dad."
Robert sah seinen Sohn verärgert an.
„Und was willst du mir damit sagen? Luthien ist das wohl egal, denn sie scheint sich da drinnen sehr gut mit anderen Männern zu amüsieren."
„Nein, Dad", verteidigte Liam sie, „das ist nicht wahr. Und soll ich dir noch was sagen: Sie liebt dich und du liebst sie auch."
Jetzt wurde Robert nachdenklich.
„Woher willst du das wissen, Liam? Seit wann bist du Beziehungsexperte?"
Liam musste schmunzeln.
„Seit ich euch zusammen gesehen habe. Ich bin doch nicht blind. Jedem Idiot fällt auf, wie ihr euch anseht..."
„Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun?" Robert konnte es kaum glauben, dass er seinen Sohn um Rat fragte.
„Nun Dad, du solltest da reingehen und sie vor den anderen langweiligen Kerlen retten..."
„Das meinst du also?"
Schmunzelnd sah Robert seinen Sohn an.
„Ja Dad, das meine ich."
„Also wie könnte ich meinem Sohn widersprechen..."
Jetzt musste auch Liam grinsen und ging zusammen mit seinem Vater zurück.
Luthien
Gerade stand ich wieder mit Mel und einigen Investoren zusammen, die mich mit ihrem ständigen Gerede über Börsenkurse nervten, als ich Roberts Stimme hinter mir vernahm.
„Erlauben sie?" Fragte er charmant in die Runde. „Ich würde ihnen Dr. Parker gerne kurz entführen."
Er bot mir seinen Arm an und ehe ich darüber nachgedacht hatte, hakte ich mich bei ihm ein. Dann zog er mich sanft mit sich nach draußen.
Überrascht blickte ich kurz zurück über meine Schulter und Mel zwinkerte mir ermutigend zu.
Auf der Terrasse sah ich Robert erwartungsvoll an.
„Was zum Teufel machst du da drinnen?" Fragte er gereizt.
„Wonach sieht es denn für dich aus?"
„Na ja", erklärte er, „für mich sieht es so aus, als hättest du Spaß daran mit den anderen Kerlen zu flirten."
„Spaß?" Ich konnte den Sarkasmus in meiner Stimme nicht verbergen. „Du merkst wohl gar nichts, oder? Ich wäre schon vor einer Stunde gegangen, aber Mel hat mich dazu überredet, mich etwas abzulenken, damit ich nicht ständig an dich denken muss…"
„Oh." Robert fiel dazu wohl nichts ein. „Und? Hat es funktioniert?"
„Was glaubst du denn?"
Er antwortete nur mit einem Schulterzucken.
„Natürlich nicht, du Trottel." Ich musste darüber schmunzeln, dass Robert auf einmal so kleinlaut war.
„Dann wolltest du also nicht…?" Er suchte noch nach der passenden Formulierung, aber ich kam ihm zuvor.
„Nein, ich wollte mich nicht anderen Kerlen an den Hals werfen, um dich zu vergessen."
„Du musst also ständig an mich denken? Also ehrlich gesagt, mir geht es genauso. Ich muss nämlich immerzu an dich denken", gab er leise zu.
„Das ist schön. Dann haben wir ja etwas gemeinsam…"
Ich trat vor ihn und er ließ den Kopf hängen.
„Weißt du, es tut mir ehrlich Leid, was ich zu dir gesagt habe, Luthien… und das du wegen mir jetzt Ärger mit Gennaro hast."
Ich seufzte.
„Mir tut es auch Leid, Robert. Ich hab auch ein paar nicht so nette Dinge gesagt… und die Sache mit Gennaro…ich glaube, das hängt eher damit zusammen, dass er verletzt ist wegen der Sache mit Mel."
„Und das hat er sich ja wohl selbst zu zuschreiben."
„Robert…" Ermahnte ich ihn und er grinste. Abwehrend hob er seine Hände.
„Schon gut. Ich sag nichts mehr."
„Genau. Halt deinen Mund", befahl ich und dann grinsend, „und küss mich lieber…"
„Ist das eine Anweisung meiner Chefin?" Er zog mich in seine Arme.
„Allerdings…" Und dann küsste er mich zärtlich.
Nach einiger Zeit, meinte Robert dann, wir sollten mal langsam wieder reingehen.
„Oh warum denn?" Jammerte ich. „Ich war ehrlich gesagt froh darüber, dass du mich vor den langweiligen Gesprächen gerettet hast…"
„Also eigentlich hast du das ja Liam zu verdanken…" Gab er dann zu und ich sah ihn überrascht an.
„Liam?"
„Na ja, er hat mir ins Gewissen geredet und mir praktisch den Rat gegeben, mich wieder mit dir zu versöhnen…"
„Vielleicht solltest du öfter auf deinen Sohn hören", stichelte ich grinsend und er seufzte.
„Wahrscheinlich hast du recht…ich sollte mich wohl bei ihm bedanken."
„Und ich wohl auch…" Meinte ich schmunzelnd, als wir zurückgingen.
John
Was wir beide nicht bemerkt hatten, war, dass John uns unbeabsichtigt bei unserer Unterhaltung beobachtet hatte, als er nur kurz etwas frische Luft schnappen wollte.
Jetzt verstand er gar nichts mehr. Seine Nichte zusammen mit Robert… Was ging hier eigentlich vor?
Ihm fiel nur eine ein, die ihm das beantworten konnte: Melanie.
Sie war Luthiens beste Freundin und wusste wahrscheinlich über alles Bescheid.
Schnell ging er zurück in den Saal und suchte Mel. Als er sie fand, zog er sie in eine ruhige Ecke.
„Kann ich mal kurz mit ihnen reden, Melanie?"
Mel
Ich nickte und ahnte schlimmes.
„Natürlich, John. Was kann ich für Sie tun?"
„Nun… als erstes würde mich mal interessieren seit wann Luthien und Robert sich so, sagen wir mal, eng miteinander beschäftigen."
Ich lächelte nervös.
„Was meinen Sie denn mit eng, John?"
„Ich hab die beiden gerade unabsichtlich dabei beobachtet, wie sie sich geküsst haben… und es sah so aus, als wäre das nicht das erste Mal gewesen…" Antwortete John etwas ärgerlich und ich ließ den Kopf hängen.
Oh man, dachte ich, warum immer ich? Und dabei war der Abend bis dahin doch so schön gewesen… Ich seufzte.
„Also John, wissen Sie... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll...", stammelte ich überrascht.
„Na gut", unterbrach mich John, „wenn Sie nichts sagen können oder wollen, sollten wir vielleicht mal Donald danach fragen..."
Bevor ich protestieren konnte, zog mich John mit sich zu Don. Ihm stellte er dann die gleiche Frage.
„Na ja, John, ich weiß nicht, ob ich dazu was sagen sollte..."
Aber ich erkannte an dem hinterhältigen Funkeln in seinen Augen, dass Don nur auf diese Gelegenheit gewartet hatte. Wahrscheinlich würde er sie nutzen, um John alles zu erzählen und die anderen schlecht dastehen zu lassen… einschließlich mir, dachte ich.
Ich musste etwas tun und zwar schnell.
„Äh, John", sagte ich, bevor Don richtig antworten konnte. „Wäre es nicht besser, Sie würden Luthien selbst danach fragen? Sie wäre bestimmt nicht begeistert, wenn sie erfährt, dass Sie es über Dritte erfahren haben."
„Wahrscheinlich haben Sie recht. Ihr beide könnt es mir ja bestimmt nicht so gut erklären wie Luthien selbst."
„Dann können Sie gleich mit ihr sprechen, dort vorne steht sie ja", meinte ich erleichtert.
„Das ist eine gute Idee. Danke, Melanie." John entfernte sich und steuerte auf Luthien zu, die gerade mit Robert den Saal betreten hatte.
„Was?" fragte ich, als ich merkte, dass Don mich wütend ansah. „Hab ich dir deinen Auftritt vermasselt?"
„So was kannst du ja gut, anderen in den Rücken fallen", erwiderte er zähneknirschend. Anscheinend war er auf Konfrontation aus und wenn er die wollte, dann sollte er sie bekommen.
„Und ich dachte, du hättest gestern was begriffen."
„Und was hätte das sein sollen? Dass du mich nur benutzt hast und bei der nächst besten Gelegenheit zu einem anderen ins Bett gestiegen bist."
„Pah, als ob du besser wärst! Du hast doch angefangen mit mir ins Bett zu gehen, jetzt tu mal nicht so als hätte ich dich gezwungen." Langsam redete ich mich in Rage, doch Don war auch nicht besser.
„Ja", meinte er. „Und ich wünschte ich hätte es nie getan!"
„Ha, du brauchst dich doch nicht zu beklagen! Wer hat denn hier wen enttäuscht?"
„Ach ja? Wenn ich gewusst hätte, dass du bei der nächsten Gelegenheit zu deinem schmierigen James Bond Verschnitt läufst..."
„Hey", fuhr ich auf. „Red nicht so über Lukas! Soll ich dir mal was sagen? Eigentlich bin ich froh, dass das ganze so gelaufen ist. Denn so ist dein wahres Wesen zum Vorschein gekommen. Jetzt weiß ich auch warum du Anwalt geworden bist! Du kannst nicht verlieren und hast so die Gelegenheit andere fertig zu machen."
Wir merkten gar nicht, dass wir immer lauter wurden.
„Sag mir nicht, wie ich meinen Beruf zu machen habe!" Don funkelte mich böse an.
„Das will ich ganz sicher nicht, aber ich würde dir gerne sagen, was du im Bett hättest besser machen können. Da warst du so mies, mieser geht gar nicht mehr." Meine Worte taten ihm weh, das sah ich als er kurz zusammenzuckte, doch das sollten sie auch.
Die Band hatte aufgehört zu spielen, doch das bekamen wir schon nicht mehr mit.
„Meinst du etwa dein Gorilla ist besser? Der kann es doch nur mit nem Dinosaurier..."
Das war eindeutig zu viel. „Lukas ist mehr Mann als du", gab ich zurück. „Er weiß wenigstens wie man eine Frau behandelt. Ich wünschte ich hätte ihn vor dir kennengelernt, dann wäre ich schon längst glücklich. Du bist so ein hinterhältiges Arschloch!"
„Nenn mich nocheinmal so." Don packte mich brutal am Arm.
„Hinterhältiges Arschloch!" grinste ich, riss mich von ihm los und boxte ihm ziemlich derbe in den Bauch.
„Du miese kleine Schlampe." Zornesrot im Gesicht kam er auf mich zugestürzt und wollte mich wieder packen, doch ich wich ihm geschickt aus.
Mittlerweile war es totenstill im Festsaal. Nur die Fotografen von der Presse waren eifrig dabei ihr Kameras zu malträtieren, das würde eine gute Story abgeben. Skandal auf der Eröffnungsgala. Doch davon bekamen wir nichts mit.
„Ich sag ja, du bist ein Schwein. Wenn du könntest würdest du mir doch glatt eine verpassen, so wie du es bei Robert getan hast!" attackierte ich Don weiter.
„Weißt du was, du hättest es auch nicht besser verdient als dieser Indiana Jones für Arme!" feuerte Don zurück.
„Oh ja, ich vergaß. Donald Gennaro ist der tollste Mann auf erden, ach was sag ich, im Universum. Der Herzensbrecher schlecht hin. Die armen Frauen, die mit dir mal im Bett landen tun mir jetzt schon leid!"
Don wollte mich schon wieder packen, doch er wurde von zwei Sicherheitsleuten zurückgehalten. Erst jetzt merkte ich, dass Lukas hinter mir stand und das alle unseren Streit mitbekommen hatten.
„Mist", entfuhr es mir und ich flüchtete aus dem Saal.
„Wir sind noch nicht fertig miteinander", hörte ich Don hinter mir her brüllen, dann war ich draußen.
Draußen atmete ich erst mal tief durch. Mein Herz raste und ich war immer noch total aufgewühlt. Wütend, dass ich mich von ihm hatte provozieren lassen kickte ich einen Stein mit voller Wucht weg. Kurz danach schrie ich vor Schmerz auf, ich hatte vergessen, dass ich offene Schuhe trug.
„Verdammte Scheiße!" fluchte ich.
Eine Hand legte sich sanft auf meine Schulter.
„Alles in Ordnung?" hörte ich Lukas beruhigende Stimme.
„Ja... nein... warum musste ich mich auch so provozieren lassen..."
„Er hat es darauf angelegt", sagte Lukas und drehte mich zu sich um. „Du hast ihm die Tour bei John vermasselt und jetzt hat er sich revanchiert."
„Ja und morgen weiß es ganz Amerika. Aber woher weißt du das?"
„Ihr wart ja nicht zu überhören", schmunzelte er.
„Gott ist mir das peinlich. Das gibt ja echt gute Publicity für den Park..." Peinlich berührt sah ich zu Boden.
„Mach dir darüber keine Sorgen. Wir sorgen schon dafür, dass davon nichts an die Öffentlichkeit kommt. Was mich eigentlich viel mehr interessiert... Hast du das gerade ernst gemeint?" fragte er und das schelmische Aufblitzen in seinen Augen, was ich so mochte, war wieder da.
„Äh, was meinst du?"
„Dass du mit mir glücklich wärst und dass ich ein ganzer Mann bin..."
„Ach das... ja... ich erinnere mich...", stammelte ich und spürte wie mir die Röte ins Gesicht schoss. „Ich denke das war schon ernst gemeint."
„Aber du kannst doch gar nicht beurteilen, ob ich ein ganzer Mann bin..." Lukas Grinsen wurde immer breiter.
„Falsch, ich kann es noch nicht beurteilen..."
„Willst du es denn beurteilen können?" Er zog mich näher an sich.
„Wenn du mich lässt..."
Lukas beugte sich vor und küsste mich sanft.
„Hm", meinte ich, als er sich von mir löste. „Das war gut."
„Na das hoffe ich doch", lachte er. „Ich hab noch mehr davon auf Lager..." Er küsste mich wieder, doch diesmal leidenschaftlicher.
„Wenn das mal kein Happy End ist", vernahmen wir eine uns wohl bekannte Stimme.
Don war hinter uns aus dem Schatten getreten.
„Du kannst es nicht lassen, oder? Du kannst es nicht haben, wenn andere glücklich sind", fuhr ich wieder auf.
„Laß ihn", sagte Lukas leise und drehte sich langsam zu Don um.
„Warum gehen Sie nicht woanders spielen und lassen uns in Ruhe?"
„Also ich an Ihrer Stelle würde mir das mit ihr noch mal überlegen."
„Was ich mache, geht Sie einen feuchten Dreck an!" Drohend baute Lukas sich vor Don auf. Er war einen Kopf größer und um einiges kräftiger als der Anwalt. Doch das hielt Don nicht davon ab weiter zu sticheln.
„Jetzt markieren Sie hier nicht den Helden, Sie sind doch auch nur ein Lückenbüßer, weil sie Muldoon nicht haben kann."
„Wissen Sie eigentlich was Sie da reden", gab Lukas verächtlich zurück. „Das kann sich ja keiner anhören. Sie sind wirklich irre, man sollte Sie irgendwo einliefern lassen."
„Wie reden Sie mit mir?" fuhr Don auf und ballte die Fäuste.
„Ich rede mit Ihnen wie ich will, Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich auch nur einen Funken Respekt vor Ihnen habe! Und jetzt verschwinden Sie von hier."
„Sie haben mir hier gar nichts zu sagen, Clough. Sie sind doch nur ein kleiner mieser Handlanger von Muldoon und erledigen die Drecksarbeit für ihn."
Ich sah, wie Lukas seine Muskeln anspannte. Don wollte es wirklich herausfordern. Hoffentlich beging Lukas nicht den Fehler zuerst anzugreifen.
„Meinen Sie ich durchschaue Sie nicht? Sie wollen mich doch nur provozieren, damit ich Ihnen zuerst eine verpasse."
„Und warum tun Sie es dann nicht? Ich sehe Ihnen doch an, dass Sie das nur zu gerne tun würden."
„Ich schlage niemanden, der mir unterlegen ist", gab Lukas zurück. Und dabei war sein Ton so selbstsicher, dass Don der Kragen platzte.
„Wir werden ja sehen, wer hier wem unterlegen ist." Sprachs und rammte Lukas seinen Ellenbogen in den Bauch.
Lukas wankte keuchend einen Schritt nach hinten. Don setzte nach und schlug ihm die Faust unters Kinn.
Es dauerte eine Weile, bis ich fähig war mich wieder zu bewegen. Lukas hatte sich derweil von seiner Überraschung erholt und wehrte sich schlagkräftig. Allerdings war er immer darauf bedacht nie seinerseits anzugreifen, sondern er beschränkte sich darauf sich zu verteidigen.
Irgendetwas musste ich tun. Über kurz oder lang würde Lukas Don übel zugerichtet haben, auch wenn er sich nur verteidigte.
Schnell lief ich zurück in den Saal.
„Robert! Luthien!"
Die beiden sahen mich erstaunt an, als ich völlig außer Atem bei ihnen ankam.
„Don... Lukas... draußen… Schlägerei", keuchte ich und rang nach Luft.
Luthien
„Nicht schon wieder!" Entfuhr es mir genervt.
Robert reagierte sofort. Er bedeutete zwei der Sicherheitsleute ihm zu folgen und lief nach draußen. Dabei verhielt er sich so diskret wie möglich um kein Aufsehen zu erregen.
Zusammen mit Mel, die immer noch außer Atem war, stahl ich mich ebenfalls aus dem Saal.
„Das läuft ja wieder mal fantastisch", bemerkte ich sarkastisch.
„So schlimm ist es diesmal nicht… hoffentlich…", gab sie zurück, aber ich sah sie verärgert an.
„Das sagst du! Was war das eigentlich gerade für ein Auftritt von dir und Don? Musstet ihr eure privaten Details dem ganzen Saal mitteilen?"
Aber bevor Mel etwas erwidern konnte, erreichten wir den Ort des Geschehens. Die beiden Sicherheitsmänner hielten jeweils Don und Lukas fest, wobei letzterer sich kaum wehrte.
Lukas legte gerade seine Hand auf Roberts Schulter, der nach vorne gebeugt zwischen den beiden Kampfhähnen stand. Seine Nase blutete schon wieder und diesmal musste sein Anzug dran glauben.
Liam, der auch plötzlich auftauchte, sah mich mit einem Schulterzucken an und brachte seinem Vater ein Küchentuch.
Ich stellte mich zu Robert und nahm mir dann Gennaro vor.
„Was fällt ihnen ein Don? Jetzt haben sie Robert schon wieder geschlagen und…"
Robert aber deutete auf Lukas und der unterbrach mich auch prompt.
„Ähm.. also diesmal ist es meine Schuld. Ich wollte bestimmt nicht Robert treffen, aber er ist dazwischen gegangen und na ja, da ist es passiert…"
„Was ist passiert?" Hörten wir plötzlich Johns Stimme hinter uns und drehten uns erschrocken um.
John
John hatte sich nach der Szene zwischen Mel und Don zurückgehalten und war nicht zu Luthien gestürmt um sie zur Rede zu stellen. Als aber dann Robert mit zwei Sicherheitsleuten diskret nach draußen verschwunden war und Mel und Luthien ihm folgten, war John sich sicher, dass wieder irgendetwas vor sich ging und diesmal wollte er rausfinden was.
Er folgte ihnen also nach draußen und fand eine merkwürdige Szene. Robert, der seinen Anzug vollblutete und Don und Lukas, die von Sicherheitsleuten festgehalten wurden.
Luthien
„Ich will jetzt wirklich wissen, was hier vor sich geht!" Rief John erregt und Don wollte schon loslegen, als Robert ihm zuvorkam.
„Nur eine kleine Auseinandersetzung, John. Die beiden Herren haben wohl schon etwas zu viel getrunken und ich bin dazwischen gegangen…"
Don und Lukas wollten schon protestieren, aber John ließ niemanden zu Wort kommen.
„Na gut, Robert. Aber dann erklären sie mir mal bitte, warum ich sie und meine Nichte vorhin dabei beobachten konnte, wie sie sich ziemlich eingehend miteinander beschäftigt haben."
Alle sahen ihn fragend an.
„Na, sie haben sie doch geküsst, oder?" Fügte John verärgert hinzu.
Robert sah mich erschrocken an und ich wusste ebenfalls nicht, wie ich reagieren sollte.
„Davor wollte ich dich eigentlich noch gewarnt haben", flüsterte Mel mir zu. „Dass John euch gesehen hat…"
„Danke für die rechtzeitige Warnung", gab ich seufzend zurück.
„Gern geschehen." Meinte sie ebenfalls seufzend.
„John, ich…" Fing Robert an, brach aber dann ab.
„Mein Privatleben bleibt privat, John." Erklärte ich nun und das verärgerte ihn noch mehr.
„Das sehe ich aber anders! Unsere Firmenpolitik ist gegen Affären am Arbeitsplatz und das weißt du, Luthien! Wir haben ja an Mel und Don eben gesehen, wozu so etwas führt…"
„Luthien ist für mich nicht nur eine Affäre, John", warf Robert ein, wurde aber ignoriert.
„Vielleicht sollten wir die Firmenpolitik in Bezug auf diesen Punkt ändern", schlug ich ebenfalls ärgerlich vor und John wurde jetzt bestimmend.
„Das hast du nicht zu entscheiden! Noch leite ich InGen, Luthien!" Fuhr er auf und jeder merkte, wie ernst es ihm war. „Und wenn man sieht, was hier auf der Insel vor sich geht, ist das wohl auch gut so!"
„Natürlich", ereiferte ich mich, „jeder weiß hier besser, was zu tun ist, als ich… und das Beste ist: Jeder macht es auch! Ich hab keine Lust mehr auf den Scheiß! Wenn die Leute von der Presse, alles schreiben, was hier wirklich abgeht, können wir den Park lieber sofort wieder schließen…"
Ich drehte mich um. Robert wollte mich zurückhalten, aber ich schlug seine Hand weg. Dann lief ich einfach drauf los.
„Du kannst jetzt nicht einfach abhauen, Luthien!" Rief John mir hinter her und ich blickte nur kurz zurück: „Sag du mir nicht, was ich kann und was ich nicht kann…!"
Wahrscheinlich war es dumm, einfach abzuhauen, aber das interessierte mich im Moment wenig. Ich hatte ja auch keine Ahnung, dass es gerade heute Nacht gefährlich werden würde sich draußen aufzuhalten.
Alles was mir auffiel war, dass es etwas stürmisch wurde und die Wolken am Himmel schnell am Mond vorbeizogen.
John
John wandte sich wieder den anderen zu, als Luthien weg war.
„Okay, dann will ich eben von ihnen erfahren, was hier vor sich geht! Und diesmal die Wahrheit… und alles!"
Robert reagierte schon mal nicht, denn er sah weiter in die Richtung, in der Luthien verschwunden war. Sie kannte sich zwar auf der Insel gut aus, aber trotzdem war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie nachts alleine rumlief.
Kontrollraum
Im Kontrollraum brach in der Zwischenzeit Hektik aus. Der Wetterdienst hatte einen tropischen Sturm gemeldet, der wahrscheinlich auch die Isla Nublar erreichen würde. Es wurde also nötig, die Leute auf der Insel zu warnen und wohl auch in die unterirdischen Sicherheitsbunker zu evakuieren. Diese waren sehr gut und komfortabel ausgestattet, so dass dies kein Problem sein würde, aber im Moment war niemand zuständig Alarm zu geben, da alle Verantwortlichen auf der Gala waren.
So entschied der Wachhabende erst mal jemanden auszuschicken, der Ray Arnold suchen sollte.
Kurze Zeit später kam Ray in den Kontrollraum und erkannte den Ernst der Lage.
„Holen sie mir den Sicherheitschef her", befahl er einem der Leute, die sich im Kontrollraum aufhielten und der machte sich auf den Weg um Robert Muldoon zu suchen.
Es dauerte einige Zeit, bis er ihn draußen zusammen mit einigen anderen Leuten, darunter auch John Hammond fand.
All seinen Mut zusammen nehmend sprach er Robert an.
„Mr. Arnold braucht sie im Kontrollraum, Sir."
Robert sah den Mann an und konnte sich denken, dass es was Schlimmeres sein musste, denn sonst wäre Ray nicht im Kontrollraum und würde ihn nicht suchen lassen.
„Worum geht's?" Fragte er noch und war schon auf dem Sprung.
„Ein tropischer Sturm hat Kurs auf die Insel genommen…"
Mel
Aufeinmal redeten alle wild durcheinander.
„Was soll das heißen, tropischer Sturm?"
„Was passiert denn jetzt mit uns?"
„Sind wir in Gefahr?"
„Ruhe!" übertönte Robert das Durcheinander.
„Lukas, kümmere du dich darum, dass unsere Gäste alle sicher in die Bunker kommen. Ich gehe in den Kontrollraum zu Ray. Vielleicht haben wir ja Glück und kommen noch mal davon. Das er Kurs auf die Insel genommen hat, heißt nicht, dass er auch wirklich hier ankommt."
Lukas scheuchte uns alle in den Saal, dabei kam ich unfreiwillig in Dons Nähe.
„Mein Gott hast du ne Fahne", meinte ich leise zu ihm als ich den Alkohol roch.
„Wie soll man euch auch anders ertragen können", gab er zurück.
Ich verkniff mir einen Kommentar. Jetzt wunderte es mich auch nicht mehr, dass er einfach so auf Lukas losgegangen war.
Im Saal angekommen erhob Lukas die Stimme und erklärte den Anwesenden den Ernst der Lage.
„Sie brauchen sich aber keine Sorgen zu machen", meinte er, als wildes Stimmengemurmel aufkam. „Wir haben hier erstklassige Sicherheitsbunker. Und dort werden meine Leute Sie jetzt hinführen." Er gab der Sicherheitscrew einen Wink.
Auf den Weg in den Bunker schaffte ich es zu Lukas vorzudringen.
„Was passiert denn jetzt?"
„Wir gehen in den Bunker und warten den Sturm ab. Keine Sorge, uns kann da unten wirklich nichts passieren."
Plötzlich kam einer der Journalisten zu Lukas gerannt.
„Mr. Clough, mein Kollege ist verschwunden."
„Wie verschwunden?"
„Ich glaub, er wollte noch mal raus. Wollte Fotos machen."
„Dieser Idiot", fluchte Lukas und ich sah ihn erstaunt an. Ich hatte ihn noch nie fluchen gehört und ich hatte ihn noch nie richtig wütend erlebt, aber jetzt war er es.
„Weiß er eigentlich wie gefährlich es da draußen ist? Auch wenn der Sturm uns noch nicht erreicht hat, seine Vorläufer sind genauso schlimm!"
„Ich wollte ihn ja abhalten", verteidigte sich der Journalist. „Aber er hat nicht gehört, meinte das wäre die beste Story seines Lebens."
„Dann kann er nur hoffen, dass es nicht die letzte Story seines Lebens ist..." knurrte Lukas und rief einen seiner Leute zu sich.
„Mike, kümmer du dich darum, dass die Leute alle sicher in den Bunker kommen. Ich muss noch mal nach draußen."
„Wie heißt er?" wandte er sich wieder an den Journalisten.
„Ted Brody."
„Okay, dann werde ich ihn mal holen."
„Lukas, warte!" rief ich und wollte hinter ihm her. Doch Mike hielt mich am Arm fest.
„Es wäre besser, wenn Sie hier bleiben, Miss Anderson."
„Aber ihm kann da draußen wer weiß was passieren!"
„Schon, aber meinen Sie es wird für ihn besser, wenn Sie da auch noch rumlaufen? Es reicht schon, dass einer nicht hören wollte." Mit sanfter Gewalt zwang er mich weiter zu gehen. Im Stillen belegte ich den Sicherheitsmann mit den schlimmsten Schimpfwörtern, die ich kannte, doch eigentlich wusste ich, dass er recht hatte.
Der Bunker war geräumig, hier gab es alles, was man brauchte um im Notfall überleben zu können.
Alle liefen wie wild durcheinander und als Robert endlich auftauchte wurde er von allen Seiten mit Fragen bestürmt.
„Es hat sich nichts geändert. Der Sturm hält weiter Kurs auf die Insel", informierte er uns.
„Und was heißt das?" fragte einer der Presseleute.
„Abwarten."
Er sah sich suchend um, dann kam er zu mir.
„Wo ist Lukas?"
„Draußen, einen Journalisten einfangen", erklärte ich ihm.
Robert seufzte vielsagend.
„Und wo ist Luthien?"
Ich sah mich suchend um. Erst jetzt viel mir auf, dass sie nicht bei uns im Bunker war.
„Mach dir keine Sorgen", versuchte Robert mich und sich zu beruhigen.
„Sie kennt sich hier aus und weiß wie sie hierher kommt."
„Und wenn sie im Park herumirrt?"
„So wie du damals?" grinste er. „Nein, das glaub ich nicht. Sie weiß wie gefährlich so ein Sturm sein kann."
„Könnt ihr mir mal erklären, was hier eigentlich vor sich geht?" mischte sich John ein. „Ich habe das Gefühl, dass ihr mir irgendetwas verschweigt! Was ist denn nun zum Beispiel mit Ihnen und Luthien?"
„John, bitte nicht jetzt. Sie sehen doch, dass wir alle Hände voll zu tun haben", wehrte Robert ab und ging zu einem Sicherheitsmann.
Als John mich daraufhin fragend ansah, hob ich abwehrend die Hände. „Fragen Sie mich bloß nicht."
Seufzend wandte John sich ab. Was war nur aufeinmal mit allen los? Lange würde er sich diese Ausflüchte nicht mehr bieten lassen.
