Lukas
Lukas war derweil nach draußen gelaufen. Es stürmte bereits sehr stark, obwohl der eigentliche Sturm noch nicht zu erwarten war. Außerdem hatte es angefangen zu regnen. Schützend hielt Lukas sich den Arm vors Gesicht.
„Brody!" schrie er, doch der Wind riss ihm die Worte von den Lippen.
Wo konnte der verdammte Journalist bloß sein? Wahrscheinlich da, von wo man gut Fotos vom Sturm schießen konnte. Und da fiel Lukas nur ein Ort ein. Der Hubschrauberlandeplatz. Von dort hatte man einen guten Blick aufs Meer.
So schnell es der Sturm zuließ lief er zu einem der Jeeps. Dann trat er das Gaspedal durch. Doch wenige Meter später musste er eine Vollbremsung hinlegen, als er erkannte, dass er vergessen hatte das Tor zu öffnen.
Der Wagen kam auf dem nassen Untergrund ins Schleudern und Lukas brachte ihn gerade rechtzeitig unter Kontrolle, bevor er gegen das Tor krachen konnte.
Er fluchte ausgiebig und kramte im Handschuhfach nach der Fernbedienung, bis ihm einfiel, dass dieses Tor ja extra gesichert war, damit kein Unbefugter den park so ohne weiteres betreten konnte.
Also stieg er aus und gab ein paar Zahlen in das Tastenfeld neben dem Tor ein. Die großen Flügel öffneten sich lautlos.
Lukas sprintete zurück zum Wagen und fuhr, diesmal vorsichtiger, los. Der dichte Regen machte es ihm unmöglich den weg genau zu erkennen und der wind zerrte an dem Wagen, sodass Lukas einige Male dachte, er würde einfach davon geweht werden.
Endlich tat sich vor ihm der Landeplatz auf. Er ließ den Wagen mittendrauf stehen und stieg aus.
„Brody!" schrie er noch mal, doch der Wind war lauter. Hier, wo es keine Bäume mehr gab, die dem Wind die meiste Kraft nahmen, war er schutzlos den Elementen ausgesetzt. Lukas Hoffnung sank, den Journalisten noch lebend zu finden.
Aus den Augenwinkeln nahm er plötzlich eine Bewegung war. Er kniff die Augen zusammen und starrte angestrengt dorthin. Ja, dort war jemand.
Lukas stemmte sich gegen den Wind, der an seinen Kleidern und Haaren zerrte, und bewegte sich langsam auf die Gestalt zu.
„Brody!" schrie er noch mal und diesmal sah es so aus, als ob dieser ihn hören würde. Brody drehte sich um und hob die Arme, um auf sich aufmerksam zu machen.
In diesem Moment kam eine besonders starke Windböe und riss ihn einfach von den Füßen.
Lukas sah, wie der Journalist über die Klippen geweht wurde.
„Scheiße!" entfuhr es ihm und er versuchte noch schneller zu laufen. Kurz bevor er die Klippen erreichte, legte er sich platt auf den Boden und robbte das letzte Stück auf dem Bauch. Nicht, dass ihn das selbe Schicksal ereilte wie dem Journalisten.
Als Lukas nah am Abgrund war, warf er einen Blick in die Tiefe. Er hatte nicht erwartet Brody nocheinmal zu Gesicht zu bekommen, doch dieser baumelte hilflos unter ihm. Seine Finger hatten sich in einem Vorsprung verkeilt, doch aus eigener Kraft würde er es niemals schaffen.
Lukas robbte noch ein Stück weiter vor.
„Geben Sie mir Ihre Hand!" schrie er. Doch Brody schüttelte ängstlich den Kopf.
„Verdammt, wollen Sie hier verrecken! Nun machen Sie schon!"
Lukas streckte Brody den Arm entgegen. Dieser versuchte mit den Füßen irgendwo Halt zu finden, rutschte jedoch immer wieder ab. Der immer stärker werdende Wind machte die Sache auch nicht gerade einfacher.
Doch irgendwie schaffte Brody es wenigstens einen Fuß in der Felswand zu verkeilen. Dann löste er vorsichtig die rechte Hand und versuchte Lukas zu erreichen. Lukas rutschte noch ein Stück nach vorne und bekam Brodys Handgelenk zu packen. Brody, der sich schon in Sicherheit wähnte, ließ mit der anderen hand ebenfalls die Felskante los. Lukas keuchte auf, als er von Brodys Gewicht plötzlich nach vorne gerissen wurde.
„Verdammt", brüllte er. „Wollen Sie uns beide umbringen!"
Brody, der mittlerweile auch den Ernst der Lage erkannt hatte, krallte seine Finger wieder in die Felswand und Lukas atmete erleichtert auf. Dann zog er Brody langsam hoch. Mit Brodys Hilfe, der sich halb gezogen von Lukas, an der Felswand hochhangelte, schafften sie es endlich.
Das letzte Stück musste Lukas jedoch alleine machen, denn Brody war zu erschöpft. Und gerade, als er fast oben war, löste sich sein Fotoapparat von seiner Schulter und stürzte in die Tiefe. Es war sowieso ein Wunder, dass Brody ihn nicht schon eher verloren hatte.
Brody gab einen enttäuschten Schrei von sich, doch Lukas zog ihn erbarmungslos weiter.
Als Brody endlich neben Lukas lag mussten beide erst mal durchatmen. Doch viel Zeit blieb ihnen nicht. Der Sturm wurde schlimmer.
„Kommen Sie." Lukas zerrte Brody auf die Beine.
Er wollte gerade in Richtung Wagen gehen, als er sah, wie dieser, von einer Sturmböe hochgehoben, auf sie zugeflogen kam.
„Runter!" brüllte Lukas und zog den verdutzten Brody einfach mit sich. Keine Sekunde zu früh. Der Wagen wurde über sie hinweggeschleudert und stürzte die Klippen hinunter.
Wenig begeistert davon, den Weg nun zu Fuß zurücklegen zu müssen, zerrte Lukas Brody wieder hoch und schleifte ihn wortlos mit sich.
Mel
Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, bis Lukas wieder auftauchte. Im Schlepptau hatte er den völlig durchnässten und verdreckten Journalisten. Und Lukas sah keinen Deut besser aus.
Sie wurden sofort von Brodys Kollegen umringt und dieser berichtete stolz von seinem Abenteuer.
„Und wie er mich gerettet hat", schloss er seinen Bericht. „Das war filmreif!"
Lukas konnte sich der vielen Lobeshymnen kaum erwehren und man sah ihm an, dass ihm das Ganze ziemlich peinlich war. Schließlich hatte er nur seinen Job gemacht.
In dem ganzen Durcheinander bekam niemand mit, wie das Telefon plötzlich anfing zu klingeln. Niemand außer Don.
Luthien
Ich lief eine ganze Weile die Straße entlang bis meine Füße langsam schmerzten. Kein Wunder bei den Absätzen, dachte ich und seufzte. Als ich endlich stehen blieb, merkte ich erst mal wie stürmisch es geworden war und wahrscheinlich würde es auch noch anfangen zu regnen. Na toll, fluchte ich innerlich und beschloss umzukehren. Wie ich befürchtet hatte, fing es an stark zu regnen und der Wind wurde zu einem richtigen Sturm. Dann ertönte plötzlich ein Signal über die Lautsprecher, die überall auf der Insel verteilt waren und ich hörte Rays Stimme. Ich erschrak. Ein tropischer Sturm hatte Kurs auf die Insel genommen und alle wurden in die Bunker evakuiert. Klasse Luthien, ging mir durch den Kopf, und du rennst hier draußen rum.
Natürlich wollte ich mich beeilen und lief los. Leider kam ich nicht weit.
Da es sehr dunkel war, hatte ich einen kleinen Ast auf dem Weg übersehen, auf den ich genau mit meinem Absatz trat. Ich rutschte weg, knickte um und fiel in den Schlamm, denn der Weg war mittlerweile aufgeweicht. Vor Schmerz schrie ich kurz auf und tastete nach meinem Fuß. Die Berührung alleine rief schon einen stechenden Schmerz hervor und mir wurde klar, dass ich mir wahrscheinlich den Fuß verstaucht hatte.
Na klasse, das wird ja immer besser, dachte ich und überlegte fieberhaft, was ich jetzt tun sollte. Mir fiel etwas ein und ich suchte nach meiner kleinen Handtasche. Ich zog mein Handy heraus, aber musste erkennen, dass ich niemanden anrufen konnte. Die Verbindung war zu schlecht.
Mühsam stand ich auf. Mir wurde klar, dass ich es nie bis zum Besucherzentrum oder den Bunkern schaffen würde. Zum Glück fiel mir ein, dass es nicht weit von hier ein Gebäude gab, in dem Vorräte für das Pflanzenfressergehege gelagert wurden.
Dorthin machte ich mich auf den Weg und versuchte meinen Fuß so wenig wie möglich zu belasten. An der Tür des massiven Gebäudes tippte ich einen Code ein, der mir Zutritt gewehrte und ich war erst mal im Trockenen.
An der Wand fand ich den Lichtschalter und sah mich um. Glücklich fand ich ein Telefon an der Wand hängend und humpelte darauf zu.
Zuerst wählte ich die interne Nummer des Kontrollraumes, aber dort nahm keiner ab. Wahrscheinlich waren schon alle im Bunker, denn Ray hatte auch von dort aus Zugriff auf alle Systemprogramme, also versuchte ich es dort.
Es dauerte etwas, aber dann nahm jemand den Hörer ab und meldete sich.
„Gennaro, sind sie das?" Fragte ich etwas verblüfft. Im Hintergrund konnte ich hören, dass im Bunker wohl ganz schön was los war.
„Allerdings", antwortete er nur und ich konnte förmlich das Grinsen in seinem Gesicht hören.
„Geben sie mir Robert", verlangte ich. „Ich sitze in einem Wirtschaftsgebäude fest und hab mir den Fuß verstaucht."
„Oh, das tut mir Leid für sie, aber Robert ist gerade anderweitig beschäftigt."
Ich war nicht in der Laune mit ihm zu diskutieren und wurde aufbrausend.
„Das ist mir egal! Holen sie ihn her!"
Es knackte in der Leitung und wahrscheinlich blieb mir nicht mehr viel Zeit um Robert zu erreichen.
„Mir ist klar, dass sie sich nach ihrem Held sehnen, aber ich will lieber nicht in seine Nähe kommen… nachher greift er mich wieder an. Ich werd ihm aber später ihre Nachricht zukommen lassen. Bye bye, Luthien!"
„Später ist vielleicht zu spät, Gennaro! Ich will jetzt sofort mit Robert sprechen, sie Arsch!" Schrie ich ins Telefon, aber hörte nur noch wie er auflegte.
Wütend wählte ich noch mal die Nummer des Bunkers. Vielleicht ging ja jetzt jemand anderes dran. Als ich aber den Hörer ans Ohr hielt, war da gar nichts mehr. Die Telefone waren tot.
„Verdammte Scheiße", fluchte ich. „Wenn ich den in die Finger kriege…."
Da mir nichts Besseres einfiel, holte ich noch mal mein Handy aus der Tasche. Der Verbindungsbalken zeigte immer noch zu wenig an, um zu telefonieren, aber vielleicht reichte es ja für eine SMS.
Schnell tippte ich etwas ein und wählte Senden. Die Nachricht wurde tatsächlich verschickt und jetzt hoffte ich darauf, dass Mel auf ihr Handy achtete.
Mel
Im Bunker saß ich in eine Decke gewickelt auf einer der Couchen, als ich merkte wie meine Handtasche vibrierte. Ich zog mein Handy heraus und las die Nachricht. Sie war von Luthien.
„Mel, ich hoffe du liest das rechtzeitig. ich sitze im Wirtschaftsgebäude des Pflanzenfresserareals fest. mein fuß ist auch verstaucht, also schaff ich es nicht bis zu euch. sag Robert bescheid und wenn du Don siehst erwürg ihn von mir…"
Ich sprang auf und suchte Robert. Als ich ihn gefunden hatte, zog ich ihn beiseite und zeigte ihm Luthiens SMS.
„Ich mach mich sofort auf den Weg", teilte Robert mir mit und wollte sich schon auf den Weg machen, als Lukas dazu kam.
„Wohin?" Fragte er und sah dabei noch ziemlich fertig aus.
„Luthien sitzt im Wirtschaftsgebäude des Pflanzenfressergeheges fest. Ich werde sie abholen."
Robert
Lukas sah, dass Robert fest entschlossen war und wollte ihn am Arm zurückhalten.
„Du kannst da nicht mehr rausgehen, Robert. Der Sturm ist schon viel zu stark."
„Sag mir nicht, was ich tun soll, Lukas", gab Robert verärgert zurück und riss sich los.
Die beiden Männer wurden ziemlich laut, so dass alle Anwesenden ihnen zuhörten. Robert und Lukas war das aber egal.
„Das tue ich nicht, aber als ich da draußen war, war es schon ziemlich heftig und es wird von Minute zu Minute schlimmer!"
„Dann halte mich nicht weiter auf, Lukas!" Fuhr Robert ihn an. „Wenn Mel noch da draußen wäre, würdest du auch nicht lange überlegen."
Lukas sah Robert zweifelnd an.
„Aber du lässt dich zu sehr von deinen Gefühlen für Luthien beeinflussen. In dem Gebäude ist sie doch sicher, Robert."
„Darauf werde ich mich aber nicht verlassen", gab Robert noch zurück und griff nach seiner wetterfesten Jacke.
Plötzlich meldete sich Don zu Wort, der die ganze Szene schweigend beobachtet hatte.
„Ach ja", meinte er scheinheilig, „ das wollte ich ihnen auch noch mitteilen, Muldoon. Luthien hatte vorhin angerufen, aber sie waren ja anderweitig beschäftigt…"
Robert musste sich zusammenreißen, um Don nicht wieder anzugehen. Er dachte daran, dass er es eilig hatte.
„Für Luthien wäre ich niemals zu beschäftigt, Gennaro und wenn ihr etwas zustoßen sollte, weil sie ihren Anruf für sich behalten haben, mach ich sie fertig. Das verspreche ich ihnen", raunte Robert ihm zu und verschwand dann Richtung Ausgang.
Mel
Lukas und ich blieben verständnislos zurück. Dann wurden wir auch schon von allen Seiten mit Fragen bestürmt und mussten erklären, warum der Sicherheitschef unbedingt noch mal nach draußen wollte.
Luthien
Frustriert und hoffnungslos saß ich an die Wand gelehnt im Wirtschaftsgebäude. Von den anderen hatte ich nichts mehr gehört und so blieb mir nichts anderes übrig als abzuwarten.
So schloss ich die Augen und versuchte mich zu beruhigen, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde.
Ich erkannte Robert sofort und sprang auf. Ein Schmerz schoss in mein Bein, der mich aufstöhnen ließ.
„Luthien?" Rief Robert und so schnell ich konnte humpelte ich auf ihn zu.
Aufgeregt fiel ich ihm in die Arme und er zog mich erleichtert an sich. Nach einem kurzen Kuss trieb Robert mich zur Eile an.
„Tut mir Leid, dass ich das jetzt unterbrechen muss… glaub mir, es gäbe nichts, was ich jetzt lieber tun würde, als dich zu küssen, aber wir müssen zurück."
Ich nickte zitternd, denn ich fror in meinem dünnen Abendkleid und genau wie Robert war ich noch völlig durchnässt.
Sofort zog Robert seine wetterfeste Jacke aus und gab sie mir. Dank Robert war sie warm und ich fühlte mich etwas besser. Er hingegen stand jetzt nur noch in seinem Smoking vor mir und ich fand er sah unglaublich attraktiv aus. Schnell verdrängte ich meine Gedanken an ein warmes Bett zusammen mit Robert und ließ mir von ihm helfen zum Wagen zu humpeln. Der Wind war unerträglich und wir kamen kaum vorwärts. Der Regen peitschte einem hart ins Gesicht und ich war froh, als wir im Auto saßen.
„Das läuft ja wieder mal alles fantastisch. Ein tropischer Sturm und das gerade zur Eröffnung", bemerkte ich sarkastisch.
„Den Leuten geht es gut. Aber was ist mit deinem Fuß?" Robert klang besorgt und konzentrierte sich voll auf die aufgeweichte Straße. Jetzt im Graben zu landen wäre wirklich nicht ratsam.
„Ist wohl nur verstaucht, aber tut trotzdem höllisch weh. Ich wusste, ich würde mich irgendwann dafür hassen, dass ich diese Schuhe gekauft habe…"
„Mach nicht die Schuhe dafür verantwortlich, denn du siehst wirklich umwerfend aus… das wollte ich dir eigentlich schon viele eher gesagt haben."
„Im Moment denke ich nicht, dass ich umwerfend aussehe… sondern eher, als hätte ich ein Schlammbad hinter mir…" Ich seufzte, als ich mir mein Kleid ansah.
„Für mich siehst du immer bezaubernd aus… egal was du anhast."
Ich fühlte mich geschmeichelt.
„Danke, aber dir steht dein Smoking auch wieder unverschämt gut."
„Das erinnert mich an den Abend der Sylvestergala… und das du mich nächsten Morgen rausgeworfen hast."
„Glaub mir, heute Nacht würde ich dich nicht aus meinem Bett schmeißen", versicherte ich Robert und er ging darauf ein.
„Was ist denn das für ein Angebot, Dr. Parker?"
„Kein Angebot… eher eine Einladung…"
„Ich hab dich die letzten Nächte auch vermisst, Luthien", meinte Robert etwas schüchtern, aber bevor ich etwas erwidern konnte, stieg er auf die Bremse.
Ein umgestürzter Baum blockierte die Straße vor uns und Robert fluchte.
„Verdammt! Das heißt wohl, wir müssen den Wagen stehen lassen!"
Besorgt sah ich ihn an, als er ausstieg und er mir ebenfalls aus dem Wagen half. Der Sturm verhinderte fast, dass Robert die Tür wieder schloss und ich hielt mich an ihm fest, um nicht durch den Wind hinzufallen.
Robert zog mich mit sich und es war auch nicht mehr weit bis zum Bunker, aber irgendwann konnte ich nicht mehr. Der Schmerz in meinem Fuß brachte mich fast dazu ohnmächtig zu werden. Zum Glück hielt Robert mich fest, so dass ich nicht noch mal im Schlamm landete.
„Ich kann nicht mehr!" Schrie ich um den Sturm zu übertönen und Robert zögerte nicht.
„Dann werd ich dich eben tragen!"
Er hob mich auf seine Arme und trug mich das letzte Stück zum Bunker.
Als wir in der Tür standen, schienen uns schon alle erwartet zu haben.
Presse
Die Leute von der Presse zückten ihre Kameras und waren begeistert.
Was für ein Bild… Das würde Schlagzeilen machen. Der Sicherheitschef des Parks mit der Erbin von InGen auf den Armen, die er gerade vor einem Tornado gerettet hat.
Hier im Park waren wohl nur Helden angestellt.
Luthien
Von allen Seiten wurden wir mit Fragen bestürmt bis Lukas sich zu uns durchkämpfte und Robert half mich zu Dr. Harding zu bringen. Der kümmerte sich sofort um meinen Fuß und tatsächlich war der Knöchel verstaucht. Ein strammer Verband und Krücken waren die nächsten Wochen wohl für mich vorprogrammiert.
Robert besorgte mir eine Decke und dann brachte er mich zu einer Couch, auf der auch Mel saß. Sie war ebenfalls froh mich zu sehen.
„Danke, dass du meine SMS rechtzeitig gelesen hast. Ich hab ja angerufen, aber Don wollte mich nicht mit Robert sprechen lassen. Dieser Mistkerl! Wenn ich den in die Finger kriege!"
Langsam kehrte die Wut auf Don zurück und das übertrug sich auch auf Robert.
„Den übernehme ich", beschloss Robert und wollte ihn schon suchen, als John plötzlich auftauchte.
Er nahm Robert zur Seite und sprach mit ihm, aber wir konnten ebenfalls hören, worum es ging.
„Robert, ich wollte mich nur bei ihnen bedanken, dafür dass sie Luthien da rausgeholt haben. Sie bedeutet mir sehr viel, müssen sie wissen…"
„Ebenso wie mir, John", unterbrach ihn Robert, aber John bedeutete ihm, ihn ausreden zu lassen.
„Ist schon gut, Robert", fuhr John fort. „Sie müssen sich nicht vor mir rechtfertigen. Sie haben ihr eigenes Leben riskiert, um sie zu retten und ich denke, das zeigt, was sie für Luthien empfinden. Wenn sie glücklich mit ihnen ist, werde ich mich da nicht einmischen."
Ich merkte, dass nicht nur ich erleichtert aufatmete.
Dann kam John zu mir und erzählte mir etwas Ähnliches.
„Und jetzt da wir alle genug Zeit haben, könnt ihr mir ja auch noch den Rest erzählen", meinte John dann und bis auf ein paar Details taten wir das auch. Was John aber am wenigsten verstehen konnte, war der Streit zwischen Don und Robert und er konnte kaum glauben, dass Don meinen Anruf verschwiegen hatte.
Mel
Zwei Tage später waren die Aufräumarbeiten schon im vollen Gange. Zum Glück wurde nicht allzu viel beschädigt, denn das Zentrum des Sturmes hatte die Insel nur gestreift und keine wichtigen Teile verwüstet.
Auch die Gehege waren noch alle intakt.
Die traurige Nachricht war, dass der Park mehrere von den kleineren Dinosauriern verloren hatte. Sie hatte der Wind einfach davongefegt und gegen Bäume und Felswände geschmettert.
Auch einer der Flugsaurier war nicht mehr zu retten gewesen. Der Sturm hatte seine Schwingen zerfetzt.
Luthien, Robert, Lukas und ich hatten den letzten Tag dazu benutzt, um uns richtig auszuschlafen.
Jetzt saßen wir gemeinsam im Speisesaal und genehmigten uns ein ausgiebiges Frühstück, als Ray und Henry kamen, jeder mit einer Zeitung bewaffnet.
„Zieht euch das mal rein", grinste Ray und knallte Lukas und mir die Zeitung vor die Nase. Henrys Exemplar landete vor Luthien und Robert und sofort begannen wir zu lesen.
Mir war schon etwas mulmig, erwartete ich doch mein und Dons Gesicht zu erblicken. Statt dessen blickte ich in Roberts und Lukas Gesicht.
„Die Helden von Jurassic Park" lautete die Schlagzeile.
„Am Samstag, 12.01.2005, fand auf der kleinen unscheinbaren Isla Nubla eine Sensation statt. InGen, einer der größten und erfolgreichsten Konzerne des Landes, hatte ein paar ausgewählte Gäste zu einer inoffiziellen Eröffnungsfeier für den weltweit einzigartigen Jurassic Park geladen.
Jurassic Park ist nicht einfach irgendein Vergnügungspark. Nein, wer diesen Park besucht, der bekommt die wohl größten Attraktionen auf diesem Planeten zu Gesicht.
Einzigartige Tiere, wie sie nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Tiere, die eigentlich schon längst ausgestorben sind.
Dinosaurier!
Der Park ist wirklich nur weiterzuempfehlen. Die Organisation ist vortrefflich und kompetentes Sicherheitspersonal sorgt für die Sicherheit der Gäste. Wie kompetent, das durfte ich am eigenen Leib erfahren.
Die Eröffnungsfeier wurde durch einen tropischen Sturm getrübt. Dass uns allen nichts passiert ist, haben wir nur Robert Muldoon und Lukas Clough mit ihrem Sicherheitsteam zu verdanken.
Robert Muldoon, 38, ist der Parkaufseher und nur ihm ist e zu verdanken, dass Luthien Parker, 28 und Miteignerin von InGen, nichts passiert ist.
Miss Parker hatte sich vor dem Sturm in ein Lagerhaus geflüchtet und sich auf dem weg dorthin den Knöchel verstaucht. Wäre Muldoon nicht todesmutig in den Sturm hinausgegangen, wer weiß ob die Erbin von InGen den Sturm dort draußen überlebt hatte.
Aber auch ich selbst wurde Opfer des Sturmes. Leichtsinnigerweise wollte ich ein paar besondere Fotos schießen und wagte mich zu den Klippen. Doch ich hatte den Wind unterschätzt, denn dieser fegte mich einfach über die Klippen hinweg. Zum Glück bekam ich einen Felsvorsprung zu fassen, sonst wäre ich unten zerschellt.
Und der Himmel war gnädig mit mir und schickte mir Hilfe in Gestalt von Lukas Clough. Der sich trotz des Sturmes hinausgewagt hatte, um mich zu retten.
Doch beinahe wäre er selbst bei dem Versuch mich zu retten ums Leben gekommen. Denn gerade als er mich über den Rand der Klippen gezogen hatte, riss der Sturm seinen Jeep mit sich und schleuderte ihn uns entgegen. Nur haarscharf entgingen wir dem sicheren Tod.
Clough brachte mich schließlich sicher zurück in den Schutzbunker. Wäre er nicht gewesen, könnte ich diesen Artikel heute nicht mehr schreiben.
Wenn Sie also, liebe Leser, es in Erwägung ziehen diesen Park zu besuchen, dann zögern Sie nicht.
Ein Bericht von Ted Brody, freier Mitarbeiter der Morning Times"
Lukas und Robert machten große Augen, als sie den Artikel lasen.
„Meine Güte", knurrte Lukas. „Ich habe doch nur meinen Job gemacht."
„Na ja, für diesen Mann bist du eben ein Held. Immerhin hast du ihm das Leben gerettet", schmunzelte ich.
Robert grinste nur.
„Hast du das gelesen?" fragte er Luthien. „Ich habe mich todesmutig in den Sturm gestürzt! Und wäre ich nicht gewesen, hätte InGen jetzt keine Erbin mehr." Er grinste noch breiter.
„Pass auf, dass du nicht gleich platzt." Luthien verdrehte die Augen.
„Wieso?" gab Robert unschuldig zurück. „Endlich wird meine Arbeit mal so honoriert, wie es mir gebührt."
„Eigentlich hat er ja recht", meldete sich Lukas zu Wort. „Immerhin haben wir es auf die Titelseite geschafft."
„Gerade war es dir noch peinlich", zog ich ihn auf.
„Nein, nicht peinlich, nur neu. Robert, wir sind echte Helden, wie..."
„Batman und Robin?" schlug ich vor und Luthien musste lachen.
„Was gibt es da zu lachen?" wollte Robert wissen.
„Ich stell mir gerade vor, wie du in so nem schwarzen Fledermausdress herum läufst. So ein hautenges Dress ist schon sexy."
„Ich finde ja, Lukas würde in so einem rot-grünen engen teil reichlich merkwürdig aussehen. Aber er wäre bestimmt der Held der Schwulenszene. Ich fand ja schon immer das Robin irgendwie schwul aussah", fügte ich grinsend hinzu.
Robert und Lukas verdrehten die Augen.
„Komm", meinte Robert. „Lassen wir die Weiber mal alleine. Wer weiß auf welche Ideen sie sonst noch kommen."
Er stand auf und Lukas folgte ihm.
An der Tür zum Speisesaal drehte er sich nocheinmal um.
„Wir haben eine Welt zu retten!"
Unser schallendes Gelächter verfolgte die beiden nach draußen.
„Das wird Don aber gar nicht gefallen", meinte ich, als wir uns wieder etwas beruhigt hatten.
„Hör mir bloß auf mit dem", stöhnte Luthien. „Mit dem hab ich sowieso noch ein Hühnchen zu rupfen."
„Ja, es war wirklich unverantwortlich deinen Anruf zu verschweigen", stimmte ich ihr zu. „ich habe langsam das Gefühl, er will euch auseinander bringen. Aber was hat er dann davon?"
„Keine Ahnung. Schaffen wird es jedenfalls nicht."
„Sag mal", wechselte ich das Thema. „Für wann sind denn die ersten Besucher eingeplant?"
„In zwei Wochen. Bis dahin sollten die Aufräumarbeiten eigentlich beendet sein."
Luthien
Als ich zurück in meiner Wohnung war, klingelte das Telefon. Ich nahm ab und hörte mit wachsendem Entsetzen, was mir erzählt wurde.
Nachdem das Gespräch beendet war, zögerte ich keine Sekunde und packte schnell ein paar Sachen zusammen. Dann nahm ich meinen Trolley und ging wieder nach unten. Mel saß immer noch im Speisesaal und sie sah mich verwirrt an.
„Ich muss sofort für ein paar Tage nach New York. Kate und Michelle brauchen meine Hilfe.
Es gab ziemlichen Ärger mit John und ich wurde gebeten mich um Michelle zu kümmern", erklärte ich.
„Was ist mit deinem Fuß?"
„Vergiss den blöden Fuß... aber kannst du bitte Robert sagen, dass ich schnell weg musste? Ich melde mich, wenn ich Zeit dazu finde. Es ist wirklich wichtig, also bis dann."
Damit verschwand ich.
Mel
Ich war wirklich überrascht, aber konnte mir denken, dass es was Dringendes sein musste.
Ich wusste, dass Kate eine ehemalige Kommilitonin von Luthien war und dass die beiden immer noch Kontakt zueinander pflegten. Kate hatte zusammen mit Luthien Biologie studiert, bis sie John kennengelernt hatte. Ohne länger darüber nachzudenken, hatte sie ihn geheiratet und ihr Studium abgebrochen. Mittlerweile waren die beiden aber geschieden, denn er hatte sich wie ein Riesenarschloch benommen und Kate öfter misshandelt. Michelle war ihre jüngere Schwester, um die sich Kate nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern wie um eine eigene Tochter gekümmert hatte.
Ich dachte nach. Michelle musste wohl jetzt so um die fünfzehn oder sechzehn Jahre alt sein...
Don
Als Don bemerkte, dass Luthien überstürzt verreiste, ahnte er, dass irgendetwas vor sich ging.
Er hatte gute Kontakte, nicht nur innerhalb von InGen und so setzte er sich ans Telefon.
Es dauerte nicht lange, bis er rausbekam, dass Kate Watson, eine Freundin von Luthien, die in New York wohnte, einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte und versucht hatte sich umzubringen. Ihr Ex-Mann hatte sie scheinbar monatelang terrorisiert und sie hatte den Druck einfach nicht mehr ausgehalten. Jetzt hatte sie Luthien um Hilfe gebeten. Sie sollte sich um Kates kleine Schwester kümmern und noch ein paar andere Sachen organisieren.
Am nächsten Tag erfuhr Don von seinen Kontaktleuten, dass Luthien sich um einen Therapieplatz für Kate kümmerte und einen Anwalt angefordert hatte, um gegen John vorzugehen.
Als Don den Namen des Anwalts hörte, der unterwegs nach New York war, schlich sich ein fieses Grinsen auf sein Gesicht. Er hatte eine Idee und wenn er es richtig anstellte, würde er es vielleicht schaffen, Luthien und Robert doch noch auseinander zu bringen.
Jarod Clarkson aus der Familienrechtsabteilung war diesem Fall zugeteilt worden und Don wusste, dass dieser vor ein paar Jahren öfter mit Luthien ausgegangen war. Es war nie eine richtige Beziehung daraus geworden, obwohl Jarod offensichtlich darauf gehofft hatte. Nun waren die beiden nur noch befreundet, aber das weiß Robert ja nicht, überlegte Don. Ein paar gute Fotos würden ihr übriges tun und Don wusste, dass es irgendwo in den Akten von InGen noch Bilder von firmeninternen Feiern gab, die Luthien zusammen mit Jarod zeigten. Außerdem konnten diese Fotos einen leicht glauben lassen, dass die beiden ein Paar gewesen waren.
Was für ein glücklicher Zufall...
Don grinste und engagierte einen Fotografen in New York, der aktuelle Bilder von den beiden schießen sollte. Dann blieb ihm nichts weiter übrig, als auf die Ergebnisse zu warten.
Selbst wenn der Plan nicht ganz aufgehen sollte, würde es sicher ein Spaß werden, Roberts Gesicht zu sehen, wenn er die Bilder sah.
Nach zwei Tagen, bekam Don die ersten Fotoreihen und war begeistert. Die Bilder waren perfekt für seine Zwecke. Da waren Luthien und Jarod in einem Cafe zu sehen, wie sie sich zur Begrüßung umarmten und wie er mit zu ihr aufs Hotelzimmer ging.
Es war zwar nichts Eindeutiges dabei, aber jeder normale Mensch würde sich seinen Teil schon denken... zumal Don noch ein paar Bilder aus dem InGen Archiv mit in den Umschlag packte.
Dann kümmerte er sich darum, dass Robert alles schnellstmöglich erhalten würde.
Robert
Einen Tag später stand Robert auf dem Parkplatz und sprach mit einem der Arbeiter, als jemand der Sicherheitsleute ihm einen etwas größeren Umschlag überreichte. Robert schickte den Arbeiter weiter und dachte nach, als er den Umschlag betrachtete. Er machte sich mittlerweile Sorgen um Luthien, die nun schon fünf Tage weg war und sich nur kurz gemeldet hatte. Aber er war sich sicher, dass sie nur ihrer Freundin helfen wollte. Auf dem Umschlag war kein Absender, nur sein Name als Adressat und seufzend öffnete er ihn.
Natürlich hatte Robert keine Ahnung, dass Don ihn grinsend dabei aus sicherer Entfernung beobachtete.
Robert zog den Inhalt heraus und erkannte, dass es sich um Fotos handelte. Dann las er, was auf einem beigelegtem Zettel stand:
„Luthien, die ihrer Freundin hilft? Viele Grüße... und der Mann auf den Bildern, Jarod Clarkson, ist übrigens Anwalt..."
Robert begann die Bilder durchzusehen und konnte kaum glauben, was er sah. Da war Luthien in New York mit ihrem verstauchten Fuß und saß mit einem anderen Mann in einem Cafe. Ein anderes Foto zeigte, wie sich die beiden umarmten und weitere Bilder wie sie zusammen Luthiens Hotel betraten und er mit auf ihr Zimmer ging.
Robert spürte Eifersucht und Wut in sich aufsteigen, aber sah sich auch noch die letzten Fotos an. Er erkannte, dass es ältere Bilder waren, die von einer firmeninternen Party stammten.
Das ist es also, dachte Robert aufgebracht und enttäuscht… Luthien hatte schon einmal was mit diesem Kerl gehabt und jetzt hatte sie sich nur eine Ausrede einfallen lassen, um sich wieder mit ihm zu treffen.
Völlig außer sich stürmte Robert in den Wohnkomplex und rannte dabei beinahe Mel um, die ihn verwirrt ansah.
„Ist alles in Ordnung?" Rief sie ihm hinterher und erwartete kaum eine Antwort, bekam aber eine, die sie noch mehr verwirrte.
„Nein! Nichts ist in Ordnung!" Empörte sich Robert und wedelte dabei mit den Fotos.
„Wieso tut sie mir das an?" Und dann war Robert verschwunden.
