Mel
Ich zerbrach mir den Kopf. Wer tut hier was? Dachte ich. Dann war ich mir aber sicher, dass Robert mit „sie" nur Luthien oder seine Ex-Frau meinen konnte.
Als aber Don mit einem breiten Grinsen im Gesicht ebenfalls ins Gebäude kam, wurde mir klar, dass er irgendetwas damit zu tun hatte. Ich kannte diesen fiesen Gesichtsausdruck mittlerweile nur zu gut und nahm mir vor, herauszufinden, was Don getan hatte, um Robert und Luthien auseinander zu bringen. Ich war nun davon überzeugt, dass Robert Luthien gemeint hatte und scheinbar richtig wütend auf sie war.
Luthien
Es war schon spät abends, als ich mit Michelle auf der Isla Nublar ankam. Wir hatten uns in den letzten Tagen näher kennen gelernt und kamen gut miteinander aus. Natürlich hatte sie die ganze Situation um ihre Schwester ziemlich mitgenommen und daher brachte ich sie erst mal in meine Wohnung. Ich erklärte ihr, dass sie ruhig mein Bett haben könnte und sie zog sich auch sofort um, um schlafen zu gehen. Von den Dinos hatte sie noch nichts mitbekommen und ich nahm mir vor, ihr Morgen die Insel zu zeigen. Dann verabschiedete ich mich, denn ich wollte noch bei Robert vorbeischauen.
Ich hatte ja auch keine Ahnung, was mich dort erwartete. Ansonsten hätte ich es mir wahrscheinlich noch mal überlegt.
Als Robert mir die Tür öffnete, bekam ich weder eine Umarmung noch den erwarteten Kuss, sondern er drehte sich um und ließ mir die Tür offen stehen.
Seufzend folgte ich ihm und setzte mich ihm gegenüber. Irgendetwas stimmte hier nicht.
„Was ist los?" Fragte ich direkt und Robert sah mich herausfordernd an.
„Hast du dich gut amüsiert in New York?"
„Amüsiert? Ich finde es ehrlich gesagt nicht amüsant, wenn ich einer Freundin einen Therapieplatz besorgen und mich um deren kleine Schwester kümmern muss, weil ihr Ex-Mann sie dermaßen terrorisiert, dass sie Selbstmord begehen will…", gab ich gereizt zurück.
„Blödsinn!" Fuhr Robert mich plötzlich an. „Da hast du dir ja eine nette Geschichte ausgedacht, aber diese Bilder hier, zeigen eindeutig etwas anderes, das du in New York gemacht hast!"
Damit warf er einen Stapel Fotos auf den Tisch, die ich ungläubig betrachtete. Irgendjemand hatte mich in New York verfolgt und fotografiert… zusammen mit Jarod. Und alte Bilder aus den InGen Archiven waren auch dabei. Wie sollte ich Robert nur verständlich machen, dass ich nur mal mit Jarod ausgegangen war? Und dass ich an Jarod als Mann nicht interessiert war?
„Woher hast du die?" Fragte ich stattdessen.
„Das spielt doch keine Rolle! Jarod, richtig? Und auch noch Anwalt…!" Robert schnaubte verächtlich.
Entrüstet sah ich ihn an.
„Robert, du glaubst doch nicht im ernst, dass ich mir so eine Geschichte ausdenke, nur um mich in New York mit einem anderen Mann zu treffen! Als wenn ich das nötig hätte…"
„Ach hör doch auf! Erst meldest du dich die ganze Zeit nicht und dann tauchen diese Bilder auf… das ist ja wohl mehr als eindeutig!"
Robert schien wirklich zu glauben, ich würde ihn betrügen.
„Du unterstellst mir also, ich würde dich betrügen, ja?"
„Ja genau! Und die Beweise dafür liegen hier auf dem Tisch!"
„Das ist doch nicht wahr, oder? Heißt das, du vertraust mir immer noch nicht!"
Langsam wurde ich auch ärgerlich.
„Wie sollte ich auch?" Erwiderte er.
„Weißt du was, Robert? Das ist doch totaler Schwachsinn! Ich habe Michelle mit hierher gebracht und sie schläft gerade in meinem Bett. Frag sie doch einfach Morgen nach den letzten Tagen. Sie wird dir bestätigen, dass Jarod sich nur darum gekümmert hat gegen Kates Ex vorzugehen… und dass sie bei den ganzen Treffen mit anwesend war. Das zeigen deine tollen Bilder nämlich nicht! Aber wahrscheinlich wirst du ihr ja auch nicht glauben…"
Jetzt wurde Robert plötzlich ruhiger. Scheinbar hatte er nicht damit gerechnet, dass ich eine Zeugin hatte.
Ich stand auf, denn ich war sehr von Robert enttäuscht und hatte keine Lust mehr auf diese Diskussion.
„Ich kann dich echt nicht verstehen, Robert. Wieso vertraust du mir nicht? Ich würde dich nie betrügen und diese Bilder, von wem sie auch immer kommen, sollen uns nur auseinander bringen… und das Schlimmste ist, dass du diesen Mist auch noch glaubst… und zwar mehr als mir!"
Damit verließ ich die Wohnung und machte es mir auf meiner Couch bequem. Ich nahm mir vor, am nächsten Tag erst mal mit Mel zu sprechen. Vielleicht wusste sie ja, was hier vor sich ging.
Robert
Robert blieb alleine in seiner Wohnung zurück und war sich gar nicht mehr so sicher, ob er Luthien nicht unrecht getan hatte. Er verfluchte sich selbst dafür, als er darüber nachdachte. Sie hatte ihn nicht betrogen und er hatte mal wieder alles versaut.
Mel
Die Tage, die Luthien in New York war, hatten Lukas und ich genutzt, um endlich mal etwas mehr Zeit miteinander zu verbringen. Grinsend hatte Robert ihm einige Tage frei gegeben. Auch Don hatte sich nicht mehr gemuckt und so kam es, dass eine geradezu himmlische Ruhe auf der Insel herrschte.
Aber diese Ruhe schien vorbei, als Luthien wieder zurück kam und Robert wieder mal sauer war.
Den Grund erfuhr ich schon am nächsten Tag.
Irgendjemand hatte Robert Bilder von Luthien und Jarod, einem alten Freund zukommen lassen, und jetzt hatte Robert natürlich den Verdacht, die beiden hätten was miteinander.
„Wer macht so etwas?" fragte ich Luthien.
„Wenn ich das wüsste. Aber ich verstehe Robert auch nicht. Ständig tut er mir weh und immer wenn ich denke, dass es richtig schön werden kann, macht er wieder alles kaputt. Und dabei waren diese Fotos noch nichtmal eindeutig!" Sie stand auf. „Ich muss ins Labor. Die Eröffnung ist ja schon bald und ich muss mich um den Baby-Rex kümmern."
Sie verließ den Speisesaal und ich sah ihr nachdenklich nach. Nach einer Weile stand ich auf und ging zu Roberts Appartement.
Er öffnete auf mein Klopfen hin und sah mich erstaunt an.
„Darf ich?"
„Sicher." Er ließ mich ein und auf dem Couchtisch sah ich eine angefangene Whiskyflasche stehen. Langsam wurde mir klar, was mit „Übermäßigem Alkoholgenuss" in seiner Akte gemeint war.
„Luthien hat mir von deiner kleinen Unterstellung erzählt", begann ich dann auch sofort.
„War ja klar", knurrte er und goss sich sein Glas voll.
„Meinst du, der wird dir helfen?"
„Bist du hier, um mir ne Moralpredigt zu halten?"
„Nein, eigentlich wollte ich die Fotos sehen."
„Die liegen da auf dem Tisch", sagte er und kippte den Inhalt des Glases in sich hinein.
Ich sah sie mir an und konnte wirklich nichts eindeutiges feststellen. Aber irgendjemand musste genau gewusst haben, wie Robert die Fotos interpretieren würde.
„War das alles oder war noch etwas dabei?"
Robert zog ein zerknittertes Blatt Papier aus seiner Hosentasche und reichte es mir.
„Luthien, die ihrer Freundin hilft? Viele Grüße... und der Mann auf den Bildern, Jarod Clarkson, ist übrigens Anwalt...", las ich.
„Ist mit Computer geschrieben, schade."
„Wieso?" wollte Robert wissen.
„Vielleicht hätte man dann rausfinden können, von wem der Brief stammt. Oder hast du eine Ahnung, wer dir das geschickt haben könnte?"
Robert zuckte nur mit den Schultern.
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass Luthien dich betrügen würde?" fragte ich vorsichtig.
„Nachdem sie mich gestern zur Sau gemacht hat? Nein. Ich bin so ein verdammtes Arschloch!"
„Milde ausgedrückt", fügte ich hinzu und fing mir einen bösen Blick ein. „Nein, mal im Ernst. Du solltest erst denken, bevor du deine Klappe aufreißt. Mittlerweile solltest du sie besser kennen."
„Ich weiß", seufzte er. „Ich hab mal wieder alles versaut."
„Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung", meinte ich philosophisch und handelte mir erneut einen bösen Blick ein. „Darf ich den mitnehmen?"
„Bitte, ich brauche ihn sowieso nicht mehr."
Ich steckte den Brief in meine Tasche und stand auf.
„Sieh zu, dass du das wieder hinkriegst."
„was willst du eigentlich damit?" überging er meinen Kommentar.
„Rausfinden, von wem er stammt."
„Na dann viel Glück."
Im Rausgehen hörte ich wieder das Klirren der Flasche. Hoffentlich trat er Luthien nicht in diesem Zustand unter die Augen.
Draußen begegnete ich Liam.
„Hi Mel!" begrüßte er mich. „Weißt du, wo mein Dad ist?"
„In seinem Appartement, aber er befindet sich in keinem guten Zustand."
„Laß mich raten, er hat wieder mal Whisky getrunken und der Grund dafür ist Luthien."
„Genau."
„Dann lass ich ihn wohl besser in Ruhe."
„Luthien hat übrigens jemanden aus New York mitgebracht."
„Ach ja? Und wen?"
„Die kleine Schwester einer Freundin. Michelle heißt sie und müsste dein Alter sein."
„Aha. Ich mag keine Mädchen."
„Soso. Und was ist mit mir und Luthien?"
„Das ist was anderes, ihr seid ja schon alt."
„Na hör mal, so alt sind wir nun auch wieder nicht", gab ich empört zurück.
„Aber ihr seid nicht mehr so albern und nervig, wie die Mädchen in meinem Alter. Mit euch kann man sich wenigstens richtig unterhalten und ihr fangt nicht bei jedem Wort an zu kichern."
„Hast wohl schon deine Erfahrungen gemacht?"
„Allerdings. Deswegen, ich will diese Michelle gar nicht kennenlernen."
„Wird dir aber nichts anderes über bleiben..."
„Wir sind auf einer Insel, bla, bla, bla, ich weiß, ich weiß." Genervt verdrehte er die Augen.
Der Junge gefiel mir von Tag zu Tag besser. Ich hätte mich noch gerne weiter mit ihm unterhalten, aber ich hatte noch etwas zu erledigen. Das sagte ich ihm auch und etwas enttäuscht verabschiedete er sich.
Ich hatte gehofft Lukas in seinem Appartement anzutreffen. Na ja, eigentlich war es gar nicht mehr sein Appartement, sonders so gut wie meins. Er war sowieso kaum da und ich hatte es mir nicht nehmen lassen, es etwas umzugestalten, zumindest sah es jetzt bewohnt aus. Ich glaube ihm war es noch gar nicht aufgefallen.
Er saß an seinem Schreibtisch und drehte sich um, als er mich hörte.
„Da ist ja mein süßes Bond-Girl", strahlte er, zog mich in seine Arme und küsste mich lang und sanft.
Seit Don ihn bei unserem Streit als James Bond bezeichnet hatte, konnte Lukas es nicht lassen mich scherzhaft als sein Bond-Girl zu bezeichnen.
Und ich konnte ihm einfach nicht wiederstehen, obwohl ich so gut wie gar nichts über ihn wusste. Das einzige, was ich wusste war, dass er hier auf der Insel im Sicherheitsteam arbeitete, aber woher er kam und was er vorher gemacht hatte, davon hatte er noch nie etwas erzählt.
„Du könntest mit behilflich sein", sagte ich, als ich mich von ihm losmachen konnte. „Kann man eigentlich erkennen, von wem das geschrieben wurde?" Ich zog den Brief aus der Tasche und reichte ihn Lukas.
„Er ist mit Computer geschrieben." Er runzelte die Stirn. „Das wird schwierig, aber man kann herauskriegen, mit was für einem Drucker gedruckt wurde und was für Papier verwendet wurde. Was hat es denn damit auf sich?"
Ich setzte ihn schnell ins Bild.
„Das soll wohl ein übler Scherz sein", fuhr er auf.
„Ich fürchte nicht. Aber was immer der Unbekannte damit bezwecken wollte, er hat jedenfalls erreicht, dass die beiden sich wieder streiten. Kannst du jetzt rausfinden woher der stammt oder nicht?"
„Na ja...", druckste er und fühlte sich nicht ganz wohl in seiner Haut. Wenn er Mel jetzt bei dieser Geschichte half, würde sie mehr über seine Vergangenheit erfahren, als ihm lieb war. Bislang hatte ihre Fragen diesbezüglich gut umgehen können. Doch irgendwann würde sie es erfahren, wenn nicht von ihm, dann von einem anderen. Nicht das seine Vergangenheit schlimm wäre, aber er sprach nicht gerne darüber. Seinen letzten Job hatte nicht ganz ehrenvoll beenden müssen.
„Was jetzt? Ja oder nein?"
„Ja...", sagte er gedehnt und sah mich unschlüssig an. „Bevor ich dir helfe, sollte ich dir aber erst mal etwas erzählen."
„Aha? Und was?" Es überraschte mich ein wenig, dass er plötzlich so unsicher wirkte.
„Es hat was mit meiner Vergangenheit zu tun..."
„Du hast doch nicht etwa auch ne geschieden Frau oder hast im Knast gesessen?" Mir schwante schon Böses, doch er beruhigte mich schnell.
„Nein, nein. Es ist eigentlich nichts schlimmes, ich rede nur nicht gerne darüber. Es hat etwas mit meinem Job zu tun, den ich gemacht habe, bevor ich auf die Insel kam."
Jetzt hatte er mich neugierig gemacht. Endlich erzählte er etwas über sich. Ich setzte mich auf die Couch und sah ihn erwartungsvoll an.
„Ich war beim FBI." Er sagte das so, als wäre es das Schlimmste auf der Welt gewesen.
„Und was ist daran so schlimm?" fragte ich dann auch.
„Eigentlich nichts", gab er zu. „Nur, dass ich unehrenhaft entlassen wurde."
„Aha? Und wieso?"
„Darüber möchte ich eigentlich nicht sprechen", wich er mir aus.
„Du weißt, dass ich es rausfinden kann... Also sag es mir besser gleich."
„Na schön", seufzte er und setzte sich neben mich. „Eigentlich hatte ich meinen Job immer gut erledigt, bis auf ein Mal. Wegen einer kleinen Unachtsamkeit ist mir vor ein paar Jahren ein gefährlicher Serienkiller entwischt und hat drei weitere Menschen umgebracht. Daraufhin hat man mich vor eine Untersuchungskommission gestellt. Die haben zwar festgestellt, dass dieser Fehler jedem anderen auch unterlaufen wäre, aber die Öffentlichkeit war schon zu sehr an dem Fall interessiert, sodass sie einen Schuldigen brauchten. Sie haben mir zwar eine großzügige Abfindung bezahlt, mich aber mit der Option entlassen, dass ich nie wieder eine Stelle dort bekommen werde."
„Du hast dich also als Sündenbock geopfert?"
„Was sollte ich machen? Man ließ mir damals keine andere Wahl. Deswegen spreche ich nicht so gerne darüber und versuche das ganze zu vergessen."
„War dir deswegen auch der ganze Presserummel wegen dem Sturm so unangenehm?"
Lukas nickte.
„Kann ich verstehen. Dein Gesicht ging damals bestimmt durch alle Zeitungen."
„Das kannst du wohl laut sagen. Deswegen war ich auch froh, als ich den Job hier auf der Insel bekommen habe."
„Und wie kannst du mir helfen?" wechselte ich das Thema, denn ich spürte, dass ihn die ganze Sache immer noch quälte.
„Ich habe noch ein paar alte Freunde beim FBI, die mir die Stange gehalten haben. Einem von ihnen könnten wir den Brief zuschicken. Der kann ihn analysieren und uns vielleicht weiter helfen."
„Das wäre klasse."
„Mel?"
„Ja?"
„Du gehst jetzt nicht zur Tür raus und kommst nicht mehr wieder?"
„Warum sollte ich das tun?"
„Na ja..."
„Weil du damals entlassen worden bist?"
Er hob die Schultern.
„Du glaubst das wirklich? Dass ich wegen so was gleich gehe?"
„Immerhin sind wegen mir drei Menschen umgekommen."
„Hey, jetzt aber mal langsam. Du hast sie doch nicht umgebracht. Und der Killer wäre jedem anderen auch entwischt, das hast du selber gesagt. Also kannst du dir das doch nicht zum Vorwurf machen. Und ich mache es dir ganz sicher nicht zum Vorwurf."
„Wirklich?"
„Wirklich."
Erleichtert zog er mich in seine Arme und küsste mich.
„Was hältst du davon, wenn wir ins Schlafzimmer gehen", murmelte ich. „Die Couch ist so unbequem."
„Gute Idee."
Luthien
Als ich aus dem Labor kam, lief mir Liam über den Weg und ich ergriff die Gelegenheit.
„Hi Liam! Hast du kurz Zeit?"
„Klar", gab er zurück. „Was gibt's?"
„Ich hab jemanden aus New York mitgebracht und wollte dich fragen..."
„Schon klar", unterbrach er mich und ich sah ihn erstaunt an. „Michelle, nicht wahr? Danke, aber ich hab kein Interesse."
„Woher weißt du davon?" Fragte ich irritiert.
„Mel hat mir alles erzählt, als ich eigentlich zu meinem Dad wollte."
„Aha. Und warst du bei deinem Vater?"
Er sah mich selbstsicher an.
„Nein. Mel hat mir nämlich auch erzählt, dass ihr euch gestritten habt. Was hat mein Vater diesmal angestellt?"
„Ich habe ehrlich gesagt keine Lust darüber zu reden", wies ich ihn ab.
„Aber eigentlich wollte ich dich fragen, ob du dich nicht ein bisschen mit Michelle beschäftigen könntest? Ich bin im Moment etwas im Stress und kann mich nicht die ganze Zeit um sie kümmern. Sie hat es im Augenblick echt nicht leicht und dafür wäre ich dir wirklich dankbar."
Es wirkte und er gab nach.
„Na gut... aber wenn sie mir auf die Nerven geht, soll sich jemand anderes um sie kümmern."
„Danke, Liam. Du findest sie im Kontrollraum bei Ray." Und damit machte ich mich wieder auf den Weg, aber Liam hielt mich zurück.
Er grinste.
„Wenn ich das tue, versöhnst du dich dann wieder mit meinem Dad?"
Unfreiwillig musste ich lachen. Ich mochte den Jungen wirklich. Wahrscheinlich weil er mich so an seinen Vater erinnerte.
„Auf Erpressung reagiere ich grundsätzlich nicht..."
Auf dem Weg zu Roberts Apartment kam mir Mel entgegen.
„Ähm, wo willst du hin?" Fragte sie mich in einem seltsamen Ton und ich sah sie skeptisch an.
„Zu Robert. Dr. Harding braucht seine Hilfe und er lässt sich nicht blicken. Wieso?"
Mel zögerte.
„Ich glaube, Robert ist im Moment nicht wirklich in der Lage Dr. Harding zu helfen."
„Was? Wieso nicht?"
„Glaub mir einfach, Luthien. Es wäre besser, wenn du ihn erst mal in Ruhe lässt..."
„Auf keinen Fall", empörte ich mich. „Er arbeitet schließlich noch für mich."
Mel gab aber nicht auf. Sie wollte mich unbedingt von Robert fernhalten.
„Bitte Luthien... vertrau mir... es wäre besser für euch, wenn du jetzt nicht zu ihm gehst."
Ich wehrte aber ab.
„Blödsinn! In einer Woche kommen die ersten Besucher und der Park hier funktioniert nur, wenn jeder seinen Job macht."
Damit ließ ich sie stehen und sie sah mir verzweifelt hinterher.
Als Robert die Tür öffnete, schnappte ich empört nach Luft. Er sah unmöglich aus. Unrasiert und auf dem Tisch stand eine leere Flasche Whisky. Ich konnte es kaum glauben und er versuchte sich zusammen zu reißen.
„Oh, Luthien... ich..."
Weiter kam er nicht, denn ich fuhr ihn an.
„Mein Gott, wie siehst du denn aus? Was soll das? Dr. Harding braucht deine Hilfe und du trinkst dir einen?"
„Können wir vielleicht darüber reden? Das ist doch nur..."
„Vergiss es!" Wehrte ich ab. „Du bist ja total betrunken..."
Ich wollte schon wieder gehen, aber er ließ nicht locker.
„Aber Luthien, es ist doch nichts... Laß uns doch darüber reden..."
„Auf keinen Fall", gab ich zurück. „Ich diskutiere nicht mit betrunkenen Angestellten."
Mir wurde klar, dass ich ihn damit nur verletzen wollte und es wirkte.
„Mehr bin ich also nicht mehr für dich? Nur ein Angestellter?"
Das hatte ihn wohl wirklich getroffen und eigentlich hatte ich eine solche Unterhaltung vermeiden wollen.
„Alles andere scheint ja nicht zu funktionieren", meinte ich hart. „Also nimm jetzt eine kalte Dusche und mach deinen Job oder..."
„Oder was?" Fragte er herausfordernd.
„Oder ich muss dich rausschmeißen", antwortete ich leise.
Robert schien auf einen Schlag nüchtern zu werden.
„Luthien, dass würdest du doch nicht tun..." Aber sicher war er sich nicht wirklich.
„Natürlich würde ich", log ich. „Es hängt zu viel vom Erfolg des Parks ab. Es geht hier nicht nur um uns... sondern um InGen..."
Ich ließ Robert damit stehen und ahnte nicht, dass meine harten Worte ihn zur Vernunft gebracht hatten.
Im Gegenteil. Ich war sauer. Stinksauer. Und ging zurück ins Labor, um noch einige Dinge zu erledigen. Morgen früh hatte ich ein Fernsehinterview bei „Guten Morgen, San Diego" und daher hatte ich noch viel zu tun.
John schickte mich dorthin, weil er solche Auftritte hasste, aber mir gefiel es auch nicht besser. In letzter Zeit kam ich kaum noch dazu im Labor an meinen Projekten weiterzuarbeiten.
Liam
Liam besuchte in der Zwischenzeit den Kontrollraum und fand dort Ray und Michelle vor einem Computerbildschirm. Die beiden spielten Tetris gegeneinander und Liam gesellte sich zu ihnen.
Michelle gefiel ihm auf den ersten Blick. Sie sah sehr nett aus und ganz normal. Nicht übermäßig geschminkt oder nach dem neuesten Schrei gekleidet. Sie trug einfach nur Jeans und ein beiges Top.
Liam sah den beiden zu und ließ sich dazu hinreißen Michelle anzufeuern, da sie gegen Ray keine Chance hatte.
Als er gewonnen hatte, grinste Ray.
„Das hättet ihr wohl gerne... aber so leicht bin ich nicht zu schlagen."
Michelle seufzte und sah Liam an.
„Danke für deine Unterstützung, aber Ray ist wirklich zu gut."
„Wenn ihr beiden Lust habt, kommt doch Morgen früh hier vorbei. Luthien gibt ein Interview. Das könnten wir uns ansehen. Oh man, das gefällt ihr gar nicht, dass sie bei den Typen um sechs auf der Matte stehen soll... Na ja, jetzt muss ich leider hier weitermachen. Also macht's gut..."
Damit machte sich Ray wieder an die Arbeit und Liam wandte sich an Michelle.
„Hast du Lust mitzukommen? Ich wollte mir den Babyrex anschauen. Der ist echt klasse!"
Michelle nickte begeistert.
„Gerne. Ich hab sowieso noch nicht so viel von der Insel gesehen. Dass es hier echte Dinos gibt, konnte ich kaum glauben."
Die beiden verließen den Kontrollraum und Liam nahm Michelle mit.
„Ja", meinte er. „Ich auch nicht. Aber die haben das hier echt geschafft... und Luthien ist sehr nett. Also mach dir keine Sorgen..."
„Wie bist du eigentlich hierher gekommen?" Wollte Michelle wissen.
„Mein Dad arbeitet hier. Er ist der Parkaufseher und Sicherheitschef..."
„Cool. Und dann bist du einfach hergekommen oder wie?"
„Na ja, eigentlich nicht. Ich hab bei meiner Mutter gelebt, aber die will mich wohl loswerden, so wie es im Moment aussieht und hat mich deswegen zu meinem Dad geschickt..."
„Und Luthien hat das einfach so erlaubt?"
Liam druckste etwas rum, denn er war sich nicht sicher, ob er Michelle alles erzählen sollte... tat es dann aber doch.
„Ehrlich gesagt hatte ich noch den Vorteil, dass mein Vater und Luthien zusammen sind... meistens jedenfalls..."
Michelle sah ihn verwirrt an.
„Die beiden haben was miteinander? Meistens?"
Liam seufzte.
„Weißt du, dass ist so: Für ein paar Tage läuft bei denen alles gut und harmonisch und dann gibt's wieder mal tierischen Streit. So wie im Moment... und meistens ist mein Dad Schuld... Ich hoffe aber immer, dass sie sich wieder versöhnen, denn ich mag Luthien und ich bin mir sicher, dass mein Vater sich in sie verliebt hat... auch wenn er es nicht zugeben will..."
Michelle nickte.
„Ich verstehe. Deswegen war Luthien auch nicht so gut drauf wie sonst... Wow!" Rief sie dann plötzlich, als sie den Rex sah.
„Das ist ja echt abgefahren!"
Luthien
Etwas müde saß ich meinem Interviewer gegenüber, aber meine Nervosität machte alles wieder wett.
Er stellte mir zum Park, dazu wie wir die Dinosaurier geklont hatten und wie viele und was für Tiere wir hatten.
Ich ahnte nicht, dass fast alle auf der Isla Nublar sich zum kollektiven fernsehen im Kontrollraum bei Ray versammelt hatten.
Mein Gegenüber fragte mich etwas dazu, wie die Tiere sich verhielten. Was die einen fraßen und wann die anderen schliefen und so weiter...
Am liebsten hätte ich geantwortet, dass ich die Dinos nur mache und nicht den ganzen Tag beobachte, aber ich riss mich zusammen und antwortete, so gut ich konnte.
Robert, der dass Interview ebenfalls sah, knurrte vor sich hin.
Na toll, dachte er, da fragen sie ja die Richtige. Luthien sieht ihre Tiere doch fast nur, wenn sie noch in ihren Reagenzgläsern rumschwimmen...
„Und wie ist es um die Sicherheit des Parks bestellt? Bislang wurden sie von der Presse ja nur gelobt..." Wurde ich dann gefragt und ich erklärte unsere verschiedenen Vorsichtsmaßnahmen.
„Allerdings gibt es auch Gerüchte, dass sie einige Angestellte auf der Insel beschäftigen, die einen zweifelhaften Ruf haben..." Der Moderator wollte mich wohl aus der Reserve locken und ich konnte mir schon denken, welche Angestellten er meinte.
Eine Diskussion darüber wollte ich aber gar nicht erst aufkommen lassen und blockte ab.
„Na ja, ich glaube nicht, dass wir hier sind um über InGen's Personalpolitik zu diskutieren, oder?" Ich lächelte entwaffnend. „Und außerdem kann ich ihnen versichern, dass ich ausnahmslos jedem meiner Angestellten hundertprozentig vertraue..."
Es wirkte und das Thema war erledigt.
Mel
Als diese Personalfrage aufkam, beobachtete ich Roberts Reaktion und er schien erstaunt, aber auch beruhigt durch dass, was Luthien antwortete.
Ich hoffe, du hast gut zugehört, Robert, dachte ich im Stillen. Zumindest war er nicht mehr betrunken und ging seinem Job nach und ich hoffte, dass ihm klar wurde, was Luthien für ihn empfand. Aber vielleicht sollte ich ihm doch noch mal ins Gewissen reden, überlegte ich mir dann. Jetzt, wo er nicht mehr stockbesoffen ist...
Luthien
Ich war ziemlich erleichtert, als das Interview gelaufen war und ich mich wieder zur Insel fliegen ließ. Jetzt musste ich nur noch irgendwie die Sache mit Robert regeln... aber nachgeben wollte ich nicht. Er hatte sich wie ein ziemlicher Idiot verhalten und ich fand, dass eine Entschuldigung angebracht war...
Mel
Ich hielt Robert zurück, als er den Raum verlassen wollte.
„Warte mal kurz, ja?"
„Was gibt es denn noch?"
„Ich möchte noch mal mit dir reden."
„Na gut", seufzte er. „Laß uns raus gehen."
„Hast du dir schon überlegt, wie das mit Luthien und dir weiter gehen soll?" fragte ich ihn, als wir draußen waren.
„Ach Mel, was gibt es da noch zu überlegen? Ich hab es versaut. Und diesmal so dermaßen, dass sie mir sowieso nicht mehr verzeihen wird."
Ich sah ihn verständnislos an.
„Sie war gestern noch mal bei mir", erklärte er.
„Oh nein", entfuhr es mir.
„Ja genau, das kannst du laut sagen. Und weißt du was? Sie hat mir ganz deutlich zu verstehen gegeben, was ich für sie bin. Ein Angestellter, mehr nicht. Also, was hat es da noch für einen Sinn zu überlegen wie es weiter gehen soll?"
„Sie hat es bestimmt nicht so gemeint."
„Bist du dir da ganz sicher?"
Ich blieb ihm die Antwort schuldig, denn langsam wusste auch ich nicht mehr, was ich von der ganzen Situation halten sollte.
„Und wenn du dich bei ihr entschuldigst?" schlug ich Robert vor.
„Das ist nett, dass du uns helfen willst, aber ich glaube die Sache ist endgültig gelaufen."
„Das ist jetzt nicht dein Ernst?" entsetzt sah ich ihn an. „Du kannst doch nicht so einfach aufgeben."
„Doch. Ich hab keine Lust mich ewig zu entschuldigen."
„Wenn du auch immer Mist baust..."
„Nein Mel, versuch es gar nicht erst."
„Du bist doch komplett durchgeknallt", schimpfte ich. „Kannst du n nicht einmal deinen Stolz und deinen Dickschädel vergessen und für das kämpfen, was du willst."
„Es funktioniert aber nicht. Das siehst du doch selbst." Langsam wurde Robert ärgerlich. „Außerdem, was mischt du dich da überhaupt ein?"
„Weil ich nicht will, dass meiner Freundin weh getan wird."
„Ach ja? Sie soll sich mal an die eigene Nase packen", fuhr er aufgebracht fort. „Sie ist nämlich nicht die einzige, der wehgetan wurde. Oder als was würdest du das bezeichnen, wenn jemand zu dir sagt, dass es nicht um die Beziehung, sondern nur um die Firma geht?"
Wütend drehte er sich um und ließ mich stehen. Ich sah ihm ungläubig nach. Hoffentlich musste jetzt nicht die nächste Flasche dran glauben.
Plötzlich wurde ich von hinten stürmisch umarmt und von den Füßen gerissen.
„Was stehst du denn hier rum wie eine Ölgötze?" fragte Lukas fröhlich und wirbelte mich herum.
„Mein Gott Lukas, hast du mich erschreckt! Musst du nicht arbeiten?"
„Doch", er zwinkerte mir zu. „Aber ich mache gerade einen Rundgang durch den Park und habe gerade beschlossen, dass du mich begleitest."
„So so, dass hast du einfach so beschlossen?"
„Ja, und ich kenne ein paar Stellen, die die Kameras nicht einsehen können", grinste er und zog mich einfach mit sich.
Liam
Als Mel und Lukas im Park verschwunden waren traten Liam und Michelle hinter einem Baum hervor.
„Da siehst du es selbst", meinte Liam. „Ich komme mir langsam vor wie in einem Irrenhaus. Mel und Lukas benehmen sich wie zwei verliebte Teenager und Dad und Luthien streiten sich ständig."
„Ich weiß gar nicht was du hast?" gab Michelle zurück. „Ich finde die beiden ganz süß." Sie deutete in die Richtung, in die Mel und Lukas verschwunden waren.
„Weiber!" Liam verdrehte die Augen.
„Ach, ihr Kerle habt doch keine Ahnung!" Michelle knuffte ihn in die Seite.
„Das sagst du", gab Liam selbstbewusst zurück. „Dabei wissen wir genau, was Frauen wollen."
„Ach ja? Was will ich denn gerade?"
„Hm, lass mal sehen." Er umrundete sie und bestaunte dabei heimlich ihre gute Figur. „Du willst jetzt die richtigen Dinos sehen."
„Das war ja wohl nicht schwer. Wer will das nicht?"
„Aber du hast das Glück, dass du mich kennst. Ich kann sie dir nämlich zeigen und ich kann dich ganz nah ran bringen..." Er lächelte geheimnisvoll.
„Ehrlich?"
„Komm mit." Er nahm ihre Hand und lief mit ihr in den Park hinein.
Mel
Lukas führte mich immer tiefer in den Park hinein.
„Oh je, hier finde ich ja nie wieder alleine raus."
„Das brauchst du auch nicht, ich bin ja bei dir."
„Solltest du nicht eigentlich gucken, ob im Park alles in Ordnung ist?"
„Das tue ich doch. Aber es gibt da eine Stelle, die muss ich mir noch genauer ansehen..."
Plötzlich zog er mich vom Weg und bahnte sich einen Weg durch die hohen Farngewächse.
Irgendwann blieb er stehen und sah sich um.
„Ah ja, hier ist es."
„Was ist hier?"
„Hier kann uns keiner sehen", verkündete er strahlend.
Oh nein, er hatte doch nicht etwas vor... doch er hatte, ich sah es in seinen Augen.
„Hier? Du bist verrückt!"
„Ja, nach dir. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich es nach gestern lange ohne dich aushalte?"
„Aber hier? Können uns die Dinos denn nicht sehen?"
„Wieso? Hast du Angst vor Zuschauern?" neckte er mich.
„Nein, aber..." Er unterbrach mich, indem er mich sanft küsste und dabei begann mich nacheinander von meinen Sachen zu befreien.
„Du bist verrückt", murmelte ich und überließ mich ganz seinen sanften Händen.
Liam
Liam führte Michelle zum Pflanzenfressergehege.
„Sieh mal, da sind die Stegosaurier", erklärte Liam ihr. Michelle war sichtlich beeindruckt.
„Hattest du nicht gesagt, du könntest mich ganz nah ran bringen?" meinte sie, um ihn aus der Reserve zu locken. Sie vermutete immer noch, dass er sich bloß wichtig machen und sie beeindrucken wollte.
„Aber sicher, komm mit."
Liam ging zu einem Tor, was in den Zaun eingelassen war.
„Willst du klettern?" fragte Michelle spöttisch. „Also ich habe keine Lust gegrillt zu werden." Sie deutete auf das Warnschild.
„Das wirst du auch nicht", gab Liam großspurig zurück. „Ich weiß wie man es öffnet."
Michelle sah ihn skeptisch an. „Das glaube ich dir nicht."
„Warte es einfach ab", meinte er leicht gekränkt und ging zu einer kleinen Schalttafel. „Hier lässt sich der Strom manuell abstellen", erklärte er.
„Und du hast natürlich die Kombination, weil du einer der wichtigsten Leute auf der Insel bist", zog sie ihn weiter auf.
„Ja, ich hab die Kombination", schnaubte er wütend.
„Komm Liam, du brauchst mich nicht zu beeindrucken." Michelle wollte ihn vor der peinlichen Situation bewahren, dass er nicht auf Anhieb die richtige Kombination fand.
„Als ob ich das nötig hätte", sagte er und warf ihr einen beleidigten Blick zu.
„Bitte, dann tu was du nicht lassen kannst."
Wortlos wandte Liam sich dem Tastenfeld zu und gab eine Reihe von Zahlen ein. Ein leises Summen ertönte und die nun blinkenden Lampen waren das Zeichen, dass der Strom abgestellt war.
Was Liam nicht bemerkte war, dass er den Strom für das gesamte Gehege abgestellt hatte.
