Auf zum Endspurt... hier ist das letzte Kapitel!
Brachiosaurus
Der riesige Brachiosaurus weidete gerade einen Baum ab, der ganz in der Nähe des Zaunes stand. Weiter traute sich das Tier auch nicht vor, denn es hatte die Macht des Zaunes einmal kennengelernt, wie eine große Narbe an seinem Schwanz bewies. Seitdem betrachtete er ihn als Feind, dem nicht beizukommen war.
Mit seinem Maul riss er weitere Zweige ab und dabei trudelten ein paar Blätter zu Boden. Eine leichte Brise kam auf, erfasste sie und trug sie gegen den Zaun. Aber anstatt zischend zu verbrennen, fielen sie langsam zu Boden.
Aus den Augenwinkeln hatte der Saurier das Geschehen verfolgt. Zwar war sein Gehirn nicht so weit entwickelt, dass er direkt eins und eins zusammenzählen konnte, aber sein tierischer Instinkt nahm eine Veränderung wahr. Etwas war so, wie es sonst nicht war.
Er schwenkte seinen langen Hals zum Zaun hin und verhielt kurz davor. Er schob ihn weiter vor, bis ihn nur noch Millimeter von einem Stromschlag trennten.
Und jetzt spürte er es ganz deutlich. Etwas fehlte, was sonst da war. Jetzt war seine Neugier geweckt. Er wagte sich noch weiter vor, bis seine Schnauze den Zaun sachte berührte. Und nichts passierte. Der Saurier hob seinen Kopf und starrte den Zaun an.
Bislang hatte er gelernt, dass der Zaun Schmerzen bedeutete, große Schmerzen, deswegen hatte er ihn aus Furcht davor gemieden. Doch jetzt gab es keine Schmerzen.
Diese Erkenntnis bewegte ihn dazu seinen mächtigen Schwanz zu heben und gegen den Zaun schlagen zu lassen.
Die Konstruktion erbebte unter dem Schlag, doch nichts passierte.
Der Saurier schöpfte neuen Mut, endlich konnte er seinen Feind besiegen. Er ließ seinen Schwanz so lange gegen den Zaun donnern, bis dieser schließlich nachgab und zusammenbrach. Gemächlich trampelte das riesige Tier die letzten Überreste einfach nieder und verschwand im Wald eine breite Bresche hinter sich herziehend.
Den anderen Tieren war das Gebaren des Brachiosaurus nicht entgangen und schon bald folgten sie ihm in die neu gewonnene Freiheit.
Liam
Als Liam endlich bemerkte, was er angerichtet hatte, war es zu spät.
„Laß uns verschwinden", sagte er zu Michelle.
„Aber warum denn?"
„Die Pflanzenfresser sind langweilig."
Etwas widerwillig ließ sie sich von ihm an der Hand nehmen. Schnell liefen beide zurück zum Besucherzentrum.
Mel
„Warte mal kurz", meinte ich etwas außer Atem zu Lukas.
„Nicht jetzt, ich bin gleich soweit." Vorwurfsvoll sah er mich an.
„Dann musst du halt einhalten. Hörst du das denn nicht?"
„Was?" fragte er unwillig.
„Das Donnern und Krachen."
Seufzend rollte er sich von mir runter und lauschte ebenfalls.
„Du hast recht", meinte er dann verwundert. „Was kann das nur sein?"
Wir lauschten beide in den Wald hinein.
„Lukas", sagte ich nach einer Weile und meine Stimme zitterte leicht. „Es kommt auf uns zu."
In diesem Moment wurden die Bäume vor uns einfach niedergemäht und ein großer dunkler lebender Berg wuchs vor uns in den Himmel empor.
Ein riesiger Fuß erschien über uns und drohte uns zu zermalmen.
Lukas reagierte geistesgegenwärtig und brachte uns beide mit einem Hechtsprung in Sicherheit. Keine zwei Meter neben uns donnerte der Fuß auf den Boden und hinterließ einen großen Krater.
„Schau, das ist ein Brachiosaurus", wisperte Lukas.
Mein Blick folgte seiner ausgestreckten Hans nach oben. Ich sah einen endlos langen Hals, der auf einem riesigen, massigen Körper saß.
„Wie kommt der denn hierher?"
„Das wüsste ich auch gerne, wir sind noch ein paar Meilen von seinem Gehege entfernt." Lukas war ratlos.
„Was macht er jetzt?" wollte ich wissen, denn der Saurier war stehen geblieben.
Sein langer Hals neigte sich nach unten und er zupfte an den Farngewächsen, die uns umgaben.
„Fressen", antwortete Lukas und beobachtete fasziniert das große Tier.
„Dein Hemd etwa?"
Lukas sah mich verständnislos an, doch ich deutete wortlos auf den Dino. Dieser hatte einen Stofffetzen im Maul und kaute genüsslich drauf herum.
„Oh nein", stöhnte Lukas.
„Vielleicht mag er es ja nicht und spuckt es wieder aus", grinste ich. Doch ich hatte unrecht. Das Hemd verschwand Stück für Stück im Maul des Riesen.
„Das war's dann wohl."
„Ja", brummte Lukas. „Hauptsache er tut sich nicht an unseren anderen Sachen gütlich oder was würdest du sagen, wenn wir so zurück müssten?"
Da wir beide uns in der Eile nicht hatten anziehen können, erübrigte sich eine Antwort.
„Und was machen wir jetzt?"
„Abwarten", kam die kurze Antwort.
Es dauerte lange, bis der Dino weiterzog und wir zu unseren Sachen konnten.
„Na toll", sagte ich und hielt mein T-Shirt hoch. Der Dino hatte es sich nicht nehmen lassen ordentlich darauf herumzutrampeln.
Schnell zogen wir uns an und liefen zurück zum Besucherzentrum.
Was würde Luthien nur dazu sagen? Fuhr es mir durch den Kopf. Sie müsste ja schon längst wieder zurück sein. Konnte nicht einmal alles so laufen wie geplant?
Luthien
Als ich wieder auf der Insel und im Kontrollraum war, beglückwünschten mich alle Anwesenden zu meinem Interview, bis plötzlich Chaos ausbrach.
„Oh nein! Was soll denn das!" rief Ray plötzlich und alle starrten auf den Monitor.
Es wurde angezeigt, dass der Zaun des Pflanzenfressergeheges ausgeschaltet war und die ersten Tiere verließen ihr Gehege und wanderten durch den Park.
„Scheiße!" fluchte Ray und griff zum Telefon.
Kurze Zeit später kam Robert in den Kontrollraum gestürzt… und er würdigte mich keines Blickes. Was mir im Moment aber egal war, denn die Pflanzenfresser ruinierten gerade meinen Park.
Dr. Harding kam ebenfalls dazu.
„Wir müssen da raus und sie wieder einfangen", schlug er vor, aber Robert sah ihn ungläubig an.
„Da haben wir keine Chance. Wie und womit sollen wir denn die ganzen Tiere betäuben? Uns bleibt nur eines übrig: Wir müssen sie zurück treiben."
„Und wie sollen wir einen Brachiosaurier dazu bringen, dass er dahin geht, wo wir ihn haben wollen?" Das konnte Dr. Harding sich nicht vorstellen und ich ehrlich gesagt auch nicht.
„Die Tiere reagieren empfindlich auf die Elektroschockstangen. Wir müssen nur das Leittier zurücktreiben, dann werden die anderen ihm folgen…"
„Toller Plan", murmelte Harding, stimmte aber zu und half Robert die Sicherheitsleute zusammen zu rufen.
„Verdammt, wo ist eigentlich Lukas?" fragte Robert dann und wie auf Kommando kamen plötzlich Mel und Lukas in den Kontrollraum gestürzt.
„Die Pflanzenfresser…", keuchte er völlig außer Atmen.
„… sind ausgebrochen", vervollständigte Robert seinen Satz. „Das wissen wir schon. Wie seht ihr überhaupt aus?"
Mel und Lukas Kleidung war verdreckt, als ob sie sich auf dem Boden gewälzt hätten und außerdem trug Lukas kein Hemd mehr.
„Ein Brachiosaurier hat mein Hemd gefressen", erklärte Lukas, weil er unsere fragenden Blicke interpretierte.
„Und wie hat der Brachiosaurier es ihnen ausgezogen?" fragte ich dann und konnte mir schon irgendwie zusammenreimen, was Mel und er im Park gemacht hatten.
Die anderen hatten wohl ähnliche Gedanken und Ray schmunzelte sogar.
Robert sah Lukas nur verärgert an, der meinen Kommentar überging.
„Was machen wir jetzt?" fragte er dann Robert.
„Wir ziehen uns erst mal an", kommentierte er Lukas Aufzug, „und dann treiben wir die Tiere zurück…"
Das Zurücktreiben der Tiere verlief zum Glück reibungslos und nach ein paar Stunden kamen Robert, Lukas und Harding zurück in den Kontrollraum.
„Der Strom wurde manuell deaktiviert, Ray. Verdammt wenn ich den in die Finger kriege, der das zu verantworten hat!" Fluchte Robert. Er war nassgeschwitzt und seine Kleidung war dreckig. Die anderen sahen ebenfalls erschöpft aus.
„Kannst du die Videobänder überprüfen?" fragte er dann Ray.
„Ich mach mich sofort an die Arbeit", meinte dieser und setzte sich an den Computer.
Da ich Robert aus dem Weg gehen wollte, verließ ich den Kontrollraum und suchte Mel.
Nach dem ganzen Chaos war ich froh, dass ich mich mal wieder mit ihr unterhalten konnte, aber sie sprach natürlich wieder nur ein Thema an…
„Du hast mit Robert gesprochen?" fragte sie mich und ich nickte nur widerwillig.
„Und?"
„Nichts und… er verhält sich mal wieder wie ein totaler Idiot. Aber ich bin auch nicht besser", gab ich seufzend zu. „Ich hab ihm schließlich mit Kündigung gedroht, bevor ich zum Interview gefahren bin…"
„Du hast was?"
„Ja… er hat mich wieder mal tierisch aufgeregt. Weißt du Mel, manchmal glaube ich, dass das zwischen uns nie funktionieren wird…"
„Ach Luthien, du darfst das nicht so negativ sehen", versuchte Mel mich aufzumuntern.
„Ich sehe das nur realistisch, Mel…"
„Wann warst du eigentlich das letzte Mal so richtig verliebt? Vielleicht solltest du diesmal den ersten Schritt tun…"
Ich winkte ab.
„Da fragst du mich was… Aber wer behauptet denn, dass ich in Robert verliebt bin?"
Mel schmunzelte.
„Ich behaupte das. Das ist doch offensichtlich… nach allem, was du ihm verziehen hast…"
„Weißt du etwa mehr als ich?"
„Wie meinst du das?" fragte sie zurück und ich ahnte etwas.
„Hast du vielleicht auch mit Robert gesprochen? Und jetzt sag nicht: Nein. Denn das würde ich dir nicht glauben."
„Ja, hab ich", gab sie widerwillig zu. „Und ich sag dir das nur ungern, aber Robert ist kurz davor eure Beziehung aufzugeben."
„Welche Beziehung?" seufzte ich.
„Na jedenfalls nicht die zwischen Chef und Angestelltem."
Ich stand auf.
„Und was hast du jetzt vor?" fragte Mel.
„Ich werde in mein schönes, neues, unglaublich großes „Ich-bin-hier-der-Chef Büro" gehen und mein Paper weiterschreiben. Paperveröffentlichungen sind für Wissenschaftler extrem wichtig…"
„Du weißt, dass ich das nicht meinte." Mel sah mich tadelnd an. „Was ist mit dir und Robert?"
„Keine Ahnung", seufzte ich. „Aber diesmal werde ich nicht nachgeben… Hältst du mich eigentlich für bekloppt wegen der Geschichte mit Robert?"
Mel sah mich nur an und blieb mir eine Antwort schuldig.
„Falsche Antwort!" meinte ich empört.
„Aber ich hab doch gar nichts gesagt", verteidigte sich Mel.
„Eben…"
Mein neues Büro war hell eingerichtet. Alles war in hellen beigen und dunklen Brauntönen gehalten. Es gab sogar eine geräumige Sitzecke und einen Durchgang zum Konferenzzimmer.
Angestrengt starrte ich auf meinen Flachbildschirm und überlegte, was ich schreiben sollte.
Mir fiel aber nichts Vernünftiges ein, da meine Gedanken immer wieder abschweiften.
Also griff ich mir einen Stapel Papiere, die Auskunft über die Buchungen und zukünftigen Besucher gaben.
Dann klopfte jemand an die Tür.
„Ja bitte", antwortete ich und Robert stand in der Tür. Er hatte sich umgezogen und wohl auch geduscht und rasiert.
„Darf ich?" fragte er und ich nickte. Jetzt würde es wohl zum Showdown kommen, dachte ich im Stillen und entweder einer von uns gibt nach oder…
Er setzte sich mir gegenüber und ich kam mir wirklich vor wie ein Chef, der seinem Angestellten gegenüber saß.
Ihm war es ebenfalls sichtlich unangenehm und er räusperte sich.
„Also ich werde nicht auf Knien vor dir rutschen, Luthien… du weißt, dass das nicht meine Art ist. Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe und… verdammt, ich kann dir nicht so gegenüber sitzen."
Robert stand auf und ich musste ein Grinsen unterdrücken.
„Du kannst mich nicht feuern", wich er plötzlich vom Thema ab und verärgert stand ich ebenfalls auf.
„Sag du mir nicht, was ich tun kann und was nicht!" ging ich ihn an und stellte mich herausfordernd vor ihn.
„Sieh es realistisch, Luthien: Du findest keinen besseren…" Er meinte das völlig ernst und ich wusste auch, dass er Recht hatte, wollte es aber nicht zugeben.
„Laß das mal meine Sorge sein! Du vergisst wohl, dass es in dieser Firma eine Hierarchie gibt und in der stehe ich über dir!"
Ich stand ganz dicht vor ihm und spürte wieder diese Spannung zwischen uns aufkommen. Ich konnte diesem Mann einfach nicht widerstehen und sein nächster Kommentar trug auch nicht dazu bei.
„Weißt du", murmelte er und kam immer näher, „ich kann mich noch gut an Gelegenheiten erinnern bei denen du mich mit Vergnügen über dich gelassen hast… und das war keine Frage der Hierarchie…"
Ehe ich reagieren konnte, zog Robert mich in seine Arme und küsste mich leidenschaftlich.
Anscheinend hatte er sich auch nicht unter Kontrolle.
Anstatt ihm einfach eine Ohrfeige zu verpassen, ging ich auch noch darauf ein. Wahrscheinlich hatte Mel Recht und ich verliebte mich gerade wirklich unsterblich in ihn.
Robert zog mich zu meiner großen dunkelbraunen Sitzecke und auf die Couch. Ich hoffte nur, dass jetzt nicht noch jemand zu mir kam, um etwas mit mir besprechen zu wollen.
Als wir erschöpft nebeneinander auf der Couch lagen und Robert mich im Arm hielt, dachte ich, damit wäre alles geklärt, aber das stimmte nicht. Wir zogen uns wieder an und ich merkte, dass er noch irgendetwas sagen wollte.
„Was ist?" fragte ich ihn und er sah mich zurückhaltend an.
„Ich habe vorhin gesagt, dass ich nicht auf Knien vor dir rutschen würde… aber das war gelogen…"
„Du meinst, du würdest es doch tun?" fragte ich zaghaft.
„Würde es denn helfen? Würdest du mir dann verzeihen?"
„Oh Robert…", begann ich, aber er unterbrach mich.
„Weißt du Luthien, ich würde alles für dich tun. Sag mir nur was…"
„Robert…", versuchte ich wieder. Er ließ sich aber nicht davon abbringen weiterzureden.
„Es tut mir leid. Ich bin manchmal so ein Idiot und…"
„Robert, ich liebe dich!" Ehe ich darüber nachgedacht hatte, war es schon raus und jetzt war er sprachlos.
„Was?" fragte er und ich nickte.
„Du musst dich nicht bei mir entschuldigen… und ich liebe dich!"
Erwartungsvoll sah ich ihn an und er zog mich stürmisch an sich.
„Ich liebe dich auch", gab er dann leise zu und küsste mich zärtlich.
Lange hielt er mich im Arm und versuchte in Worte zu fassen, was ich ihm bedeutete. Ich war gerührt und fühlte mich geborgen. Vielleicht würde jetzt alles gut werden und…
Plötzlich wurde meine Bürotür aufgerissen und Ray kam rein.
Er stockte, als er uns sah, aber lieferte dann eine Erklärung für sein aufgeregtes Auftauchen.
„Ich hab rausgefunden, wer den Zaun deaktiviert hat… aber es wird euch sicher nicht gefallen…"
„Wer?" fragte Robert angespannt.
„Es war Liam."
„Was?" entfuhr es mir erschüttert und Robert stürmte an Ray vorbei nach draußen.
„Wenn ich den erwische", knurrte Robert und ich sah Ray an.
Ein Blick genügte und wir entschlossen uns ihm zu folgen um Schlimmeres zu verhindern.
„Nicht Robert…!" rief ich ihm hinter her, aber er reagierte nicht darauf.
Er wollte nicht auf mich hören und ignorierte mich.
Mel
Nachdem Luthien sich zu ihrem Büro aufgemacht hatte, ging ich in Lukas Appartement, um mich zu erholen.
Die letzten Stunden waren ganz schön anstrengend gewesen und ich freute mich schon auf mein Bett.
Zum Glück war alles reibungslos verlaufen. Doch der Verursacher des Stromausfalls sollte sich warm anziehen, auf ihn würde noch einiges zukommen.
Im Wohnzimmer traf ich Lukas, frisch geduscht und umgezogen.
„Hast du dich wieder von dem Schock erholt?" fragte er und zog mich in die Arme.
„Na ja, etwas weniger Aufregung wäre echt nicht schlecht. Und langsam hab ich Schnauze von Dinos voll. Jedes Mal, wenn ich mich im Park aufhalte läuft mir plötzlich so ein Vieh über den Weg."
„Der Brachiosaurus schuldet uns noch etwas", grinste Lukas plötzlich.
„Du meinst wohl eher, den, der ihn frei gelassen hat."
Es klopfte zaghaft an der Tür. Lukas öffnete seufzend und sah Liam vor sich stehen.
„Liam." Erstaunt sah Lukas ihn an. „Was machst du denn hier?"
Liam gab keine Antwort, sondern quetschte sich an ihm vorbei in die Wohnung. Er war leichenblass und sah verängstigt aus.
„Meine Güte Liam, was ist denn los?" fragte ich ihn.
„Ich glaube ich habe was ganz schlimmes getan."
„Und was?"
Stockend fing er an zu berichten, wie er den Zaun deaktiviert hatte.
„Was hast du dir dabei gedacht?" fuhr ich auf, als er geendet hatte.
„Er wollte doch nur seine Freundin beeindrucken", kam Lukas ihm mit der Antwort zuvor. „Allerdings hättest du dir wirklich etwas ungefährlicheres ausdenken können", tadelte er ihn dann auch sofort.
„Aber ich wusste doch nicht, dass gleich der ganze Zaun deaktiviert wird. Ich wollte doch nur das Tor ausschalten", verteidigte sich der Junge.
„Und wozu?"
„Hm... na ja... ich hatte Michelle versprochen, dass sie die Dinos von ganz nah sehen kann."
„Du wolltest mit ihr ins Gehege? Du bist ja verrückt!" fuhr ich ihn an.
Liam zuckte nur mit den Schultern.
Er sah Lukas und mich abwechselnd an.
„Ähm... könnte ich vielleicht ne Weile hier bleiben?"
„Warum denn das jetzt?" verwundert sah ich ihn an.
„Mein Dad wird bestimmt schon Wind davon bekommen haben, ich meine, dass ich es war. Und ich möchte ihm nicht unbedingt über den Weg laufen."
„Du willst dich also hier verstecken. Glaubst du nicht, dass Robert dich irgendwann hier finden wird?" gab ich zu Bedenken.
„Sorry Liam", sagte Lukas. „Das kann ich nicht machen. Erstens habe ich von Robert sowieso noch einen Anschiss zu erwarten und zweitens bin ich seiner Meinung, was dich angeht. Es war unvernünftig, unüberlegt und zudem saugefährlich was du gemacht hast. Mel und ich hätten drauf gehen können!"
„Wieso?"
„Weil wir im Park waren und der Brachiosaurus uns beinahe in den Boden gestampft hätte", erklärte ich seufzend. Natürlich verschwieg ich ihm, wobei der Saurier uns überrascht hatte.
Liam wurde noch blasser.
„Das... das wollte ich nicht, wirklich", beteuerte er.
„Das mag ja sein, trotzdem werde ich jetzt deinem Vater Bescheid geben." Lukas griff zu einem seiner Telefone.
Robert
Im Kontrollraum saßen Ray, Robert und Luthien zusammen und überlegten, wo sie Liam finden konnten.
Nachdem Robert wütend aus Luthiens Büro gestürzt war, hatte er das ganze Gelände abgesucht, doch von Liam war keine Spur zu finden.
Rays Telefon klingelte.
„Hier, für dich", er reichte Robert das Telefon, nachdem er eine Weile gelauscht hatte.
„Ja?" sprach Robert unwirsch in den Hörer.
„Hier ist Lukas. Dein Sohn ist bei mir."
„Was? Warum ist er bei dir?"
„Hat wohl Angst, dir zu begegnen und wollte sich hier verstecken."
„Der kann sich auf was gefasst machen, halte ihn bloß fest, ich bin sofort da! Und Lukas?"
„Ja?"
„Mit dir hab ich auch noch ein Wörtchen zu reden."
Robert knallte den Hörer auf die Gabel du sprang auf.
„Jetzt kann das Bürschchen was erleben!"
Auf dem Weg zu Lukas rannte er fast Don über den Haufen.
„Was ist denn hier los?"
„Ach halten Sie doch Ihre Klappe", fuhr Robert ihn an und schob ihn einfach zur Seite.
Zuerst sah Don Robert etwas verwirrt nach, doch dann stahl sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen. Anscheinend war für Robert etwas mächtig schief gelaufen.
Mel
Es dauerte nicht lange, da flog die Tür auf und Robert stürzte herein. Er machte sich noch nicht einmal die Mühe anzuklopfen.
Als er Liam erblickte, fing er sofort an zu toben.
„Wie konntest du nur so etwas machen?" brüllte er. „Du hast dich und alle anderen hier in Gefahr gebracht!"
„Aber es waren doch nur Pflanzenfresser", gab Liam trotzig zurück. Vor seinem Vater wollte er nicht so einfach klein beigeben.
„Auch die sind gefährlich genug um einen Menschen zu töten. Wie konntest du nur so dumm sein?"
„Würdest du dich mehr um mich kümmern, wäre das gar nicht passiert. Aber dir bin ich doch egal. Auch wenn du letztens etwas anderes gesagt hast."
„Lenk nicht ab", gab Robert wütend zurück. „Eins verspreche ich dir. Das wird Konsequenzen haben. Das Beste wäre, ich schicke dich mit dem nächsten Schiff zurück."
„Und wo soll ich hin?"
„Das ist mir so was von egal. Irgendwohin, wo du mir keinen Ärger mehr machen kannst."
Liam sah seinen Vater ungläubig an. Robert meinte es ganz und gar ernst, dass sah er ihm an und traute ihm auch zu, dass er ihn einfach auf das nächste Schiff verfrachten würde, ganz gleich wohin es ihn bringen würde.
„Ich bin immer noch dein Sohn", sagte er leise. „Du kannst mich nicht einfach abschieben."
„Oh doch, ich kann."
„Robert", beschwörend trat ich auf ihn zu. „Das kannst du nicht machen. Er ist immerhin dein Sohn und du liebst ihn, dass weiß ich."
„Sag du mir nicht, was ich machen kann und was nicht", fuhr er mich an und erschrocken trat ich einen Schritt zurück. Oh man, wo war denn nur Luthien?
„Du verschwindest von hier", wandte er sich dann unnachgiebig an Liam. „Ich hab genug von deinen Scherereien. Morgen kommt ein Frachter an und wenn der ablegt, befindest du dich an Bord."
Liam starrte ihn sprachlos an. Er hatte eigentlich gedacht, er wäre seinem Vater näher gekommen und er hatte sogar so etwas wie Respekt vor ihm gehabt. Doch jetzt wollte Robert ihn einfach so loswerden.
„Liam wird nirgendwo hingehen", ertönte Luthiens Stimme.
Na endlich, dachte ich. Hoffentlich bringt sie Robert zur Vernunft.
Luthien
„Würdet ihr Robert und mich bitte kurz allein lassen?" fragte ich ruhig und die anderen waren wohl heilfroh, als sie förmlich aus der Wohnung flüchteten.
Robert sah mich nur wütend an.
„Und?" meinte ich. „Hast du rausgefunden, warum Liam den Zaun deaktiviert hat?"
„Nein", gab Robert nun zähneknirschend zu.
„Es war wegen Michelle!" hörte ich plötzlich Mels Stimme aus dem Flur rufen und ich musste grinsen. Wahrscheinlich standen sie alle vor der Tür und lauschten.
„Verschwindet!" rief Robert ihnen zu und wir wechselten ins Nebenzimmer.
„Wir sollten Liam bestrafen", schlug ich vor. „Aber du solltest ihn nicht gleich wegschicken…"
Robert sah mich ungläubig an.
„Das ist nicht dein Ernst, oder? Der Junge macht ständig Probleme und…"
„Ja, aber er ist immer noch dein Sohn. Außerdem wenn es danach geht, hätte ich dich auch schon längst rausschmeißen müssen…"
Robert warf mir einen bösen Blick zu, den ich ignorierte.
„Er wollte ein Mädchen beeindrucken", fuhr ich fort, „und wenn es um so etwas geht, neigt ihr Männer dazu immer die größten Dummheiten zu machen."
Nach einer längeren Diskussion gab Robert nach. Liam durfte bleiben, aber sollte eine gehörige Strafe erhalten.
Ich hatte mir ausgedacht, dass er im Park helfen sollte. Wie bei einer Art Praktikum…
„Na gut", meinte Robert dann, „aber wenn er noch mal Mist baut, fliegt er von der Insel."
Ich grinste nur.
„Und jetzt werd ich mir mal Lukas vorknöpfen. Seine Arbeitsmoral lässt ja wohl zu wünschen übrig… geht während seiner Arbeitszeit mit Mel im Park spazieren und treibt wer weiß was…"
Wieder grinste ich nur.
„Sei nicht zu hart zu ihm…"
Und dann beschloß ich eine Runde mit Mel zu quatschen.
„Hast du dir schon überlegt, ob du auf der Insel arbeiten willst?" fragte ich sie, als wir beide mit einem Milchshake draußen saßen.
„Ehrlich gesagt, bin ich mir noch nicht so sicher… aber wenn Donald endlich abhaut und nicht ständig Dinos ausbrechen, könnte ich es mir vorstellen…"
Mel grinste und ich seufzte.
„Ja ja, ich weiß… ich hab's mir ehrlich gesagt auch einfacher vorgestellt…"
„Hoffentlich klappt alles bei der Parkeröffnung."
„Ja, das hoffe ich auch, besonders, weil wieder die Presse dabei ist. Mit dem Sturm ist ja noch mal alles gut gegangen."
Mel
Wir tranken schweigend unseren Milchshake und ich ließ mir Luthiens Angebot nocheinmal durch den Kopf gehen.
„Sag mal, mal angenommen ich nehme dein Angebot an, was müsste ich dann hier machen?"
„Uns fehlen noch Leute, die die Gäste betreuen und es ist immer gut einen Juristen in der Nähe zu haben", grinste sie mich an.
„Und ich könnte bei Lukas bleiben", führte ich den wichtigsten Grund an.
„Hauptsache, ihr treibt Robert nicht wieder in den Wahnsinn", lachte sie.
„Apropos Robert, ob er Lukas jetzt wohl zusammenstaucht?"
„Wahrscheinlich."
„Na ja, zum Glück ist Lukas nicht so zart besaitet. Er wird es überleben."
Die Parkeröffnung lief zum Glück problemlos ab. Die Dinos spielten mit, indem sie ausnahmsweise in ihren Gehegen blieben und selbst der fehlende Rex und die fehlenden Raptoren schmälerten den großen Erfolg des Parks nicht.
Im Gegenteil. Der Baby-Rex machte alles wett. Und am Ende des ersten Tages hatten wir schon zig Anträge für eine Patenschaft auf dem Tisch liegen.
Aber die wahrscheinlich beste Nachricht für mich an diesem Tage war, dass Don endlich die Insel verlassen hatte.
Anscheinend hatte er eingesehen, dass es endgültig zwischen uns vorbei war und vielleicht war er ja auch wieder zur Vernunft gekommen und hatte begriffen, dass sein dämlicher Feldzug gegen Robert zu nichts führte.
Am Ende des Tages lag ich erschöpft in Lukas Armen und wollte einfach nur noch schlafen.
Plötzlich fiel mir ein, dass ich Lukas ja noch gar nicht erzählt hatte, dass ich auf der Insel bleiben würde.
„Lukas?"
„Hm."
„Was würdest du davon halten, wenn ich auf der Insel bleiben würde?"
„Eine ganze Menge."
„Ach ja?"
„Ja, denn dann brauche ich mir keine Gedanken darüber zu machen, wie ich die Zeit ohne dich verbringen soll." Er stützte seinen Kopf auf seinen Arm und grinste mich an, dann zog er mich an sich und küsste mich.
„Weißt du was ich jetzt gerne machen würde?" fragte er mich, nachdem wir uns voneinander gelöst hatten.
„Ich kann es mir denken. Aber nur unter einer Bedingung. Wir bleiben im Bett. Ich will nicht wieder von einem Dino erwischt werden."
„Damit kann ich leben." Zärtlich lächelte er mich an und zog die Decke über unsere Köpfe.
Luthien
„Bist du sicher, dass das gut geht?"
Zusammen mit Robert stand ich im Besucherzentrum und sah nach draußen. Dort beobachteten wir Liam, der mit Michelle noch ein paar Dinge erledigte bevor die nächste Besuchergruppe ankommen sollte.
„Ich finde, es scheint ihm gut zu tun, dass er eine Aufgabe hat", grinste ich.
„Wenn du meinst", erwiderte er gedehnt. „Dann kann ich wohl eh nichts dagegen machen…"
„Na ja, immerhin sind in letzter Zeit keine Dinos ausgebrochen, oder?"
„Und das bleibt auch hoffentlich so", seufzte Robert.
„Fertig?" fragte ich ihn und stieß ihn in die Seite.
„Einen Moment noch…"
Er drehte sich zu mir, zog mich an sich und küßte mich.
Ich seufzte zufrieden und dann machten wir uns auf den Weg um die nächste Besuchergruppe in Empfang zu nehmen…
Ende
