Die nächsten Wochen verliefen friedlich und unspektakulär. Beide gingen ihren Jobs nach, trafen sich fast jeden Mittag zum Essen, verbrachten die Abende und Nächte zusammen. Meistens in Liz' Apartment. Daß Charles dort auch öfters auftauchte, war für niemanden ein Problem, im Gegenteil. Am Wochenende waren sie oft zu Gast bei Williams Eltern, was Liz sehr genoß. Sie war mit dieser Regelung im allgemeinen recht zufrieden, aber William hatte andere Vorstellungen. Er wollte endlich ein eigenes Heim für seine zukünftige Familie. Und sie hatten immer noch keinen Termin für die Hochzeit. Er wurde langsam ungeduldig.
Eines Tages holte William Liz in ihrem Laden ab und fuhr mit ihr kurzentschlossen zu einem Termin mit einem Immobilienmakler. Es wurde Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen.
Liz war wie immer ‚begeistert', wenn William einfach so über sie hinweg entschied. Vor allem, als sie sah, daß er schon einige Objekte zur näheren Ansicht ausgewählt hatte, ohne sie vorher zu fragen. Sie machte zwar vor dem Makler keine Szene und sah sich auch eines der Häuser mit William zusammen an, aber sie kochte innerlich. In tiefstem Schweigen fuhren sie zu Liz' Apartment zurück. An diesem Abend hatten sie ihren ersten größeren Streit.
„Was willst du eigentlich, Liz? Ich dachte, du wolltest mit mir zusammenziehen? Ich habe keine Lust, immer darauf zu achten, ob vielleicht Jane und Charles es irgendwo auf der Couch treiben, wenn ich zu dir komme!" Ärgerlich lief William im Wohnzimmer auf und ab.
„Und ich will nicht, daß du so etwas einfach über meinen Kopf hinweg entscheidest! Ja verdammt, ich will mit dir zusammenziehen. Aber warum können wir uns nicht einfach zusammensetzen, darüber reden, was wir eigentlich genau suchen und dann entsprechende Objekte ansehen? Warum hast du das heute einfach alleine entschieden?"
„Ich wollte dich überraschen."
„Das ist dir geglückt." Liz war nicht besänftigt.
„Warum kann ich es dir nie recht machen?" fauchte William.
Liz seufzte. Sie wollte nicht mit ihm streiten. „Warum fragst du mich nicht einfach das nächste mal, William."
Er fuhr sich genervt durch die dunklen Locken. „Warum bist du so stur? Warum kannst du nicht ein einziges verdammtes mal über deinen Schatten springen und sagen, ok William, das war eine gute Idee? Warum zum Teufel muß ich alles erst ERFRAGEN?"
„Du mußt nicht alles erst erfragen. Aber bei Dingen, die meine Zukunft betreffen, würde ich schon gerne gefragt werden."
William blieb vor ihr stehen. „Was war so schlimm daran, heute zu diesem Termin zu gehen, ohne vorher davon zu wissen? Dir mußte das Haus ja nicht gefallen, der Makler hätte sicher etwas anbieten können, was uns beiden mehr zusagt." Er sah sie nachdenklich an. „Ich habe das Gefühl, du willst gar nicht ernsthaft mit mir zusammenleben."
Liz unterdrückte ein ärgerliches Stöhnen. Nun fing das wieder an!
„William, hör zu. Ich will nicht mit dir streiten. Was ich jetzt sage, meine ich absolut ernst. Ich liebe dich, William Darcy, ich möchte mit dir zusammen leben, ich möchte dich heiraten und irgendwann einmal deine Kinder zur Welt bringen. Diese drei gravierenden Punkte meines zukünftigen Lebens sind mir wichtig. Zu wichtig, als daß ich dir die alleinige Entscheidung darüber überlassen kann.
Ich bitte dich nur darum, wichtige Entscheidungen – wie der Kauf eines Hauses zum Beispiel – nicht einfach alleine zu treffen. Ok, du hast heute kein Haus gekauft, vielleicht habe ich da ein bißchen überreagiert, aber ich kam mir einfach übergangen vor. Laß uns heute abend einfach vergessen, ja?"
William war noch nicht vollkommen besänftigt, gab aber nach. „Ok, laß uns nicht mehr streiten." Er verstand sie in dieser Hinsicht einfach nicht und war etwas verletzt. Aber nun gut, sie sollte ihren Willen haben, er würde das Thema nicht mehr forcieren.
In dieser Nacht schliefen sie zum ersten mal nicht miteinander, sondern jeder lag lange Zeit wach und grübelte vor sich hin.
Liz erwachte am nächsten Morgen als erste. William schlief auf seiner Seite, am äußersten Rand des Bettes und hatte ihr den Rücken zugewandt. Sie biß sich auf die Lippen. Sie hatte lange nachgedacht und war zu dem deprimierenden Schluß gekommen, daß sie nicht nur etwas, sondern sehr überreagiert hatte. Er war vor der Fahrt zum Makler voller Vorfreude gewesen, wollte sie überraschen und sie war beleidigt, weil er sie nicht vorher gefragt hatte. Alberne Gans, schimpfte sie sich selbst. Hatte er vielleicht recht? Scheute sie insgeheim davor zurück, mit ihm eine Familie zu gründen? Nein, sie hatte sich ja selbst schon dabei ertappt, wie sie in den Werbeblättchen von Maklern oder in den Zeitungen nach Häusern gestöbert hatte. Das Haus von gestern lag in der Innenstadt und hatte ihr wirklich nicht besonders zugesagt. Beim Preis hatte sie nach Luft geschnappt, aber William hatte mit keiner Wimper gezuckt. Es war einfach ein zu komisches Gefühl, nicht auf das Geld achten zu müssen, vielleicht war das ihr Problem, dachte sie. Aber was war daran schlimm? Sie würde William Darcy heiraten, einen der reichsten Junggesellen des Landes, an diesen Gedanken sollte sie sich besser bald gewöhnen.
Liz faßte sich ein Herz und kuschelte sich an Williams Rückseite, einen Arm um seinen Bauch gelegt. Er reagierte nicht, offenbar schlief er noch. Sie seufzte. „Du bist schon ganz schön mit mir gestraft, Darling," flüsterte sie. „Du legst mir die ganze Welt zu Füßen und ich bin auch noch undankbar. Ich glaube, ich habe dich wirklich nicht verdient."
„Das glaube ich langsam auch," kam die Antwort von einer tiefen Stimme und Liz quiekte vor Schreck auf. William drehte sich um und sie schlug ihm auf den Arm. „Du hast mich vielleicht erschreckt!" japste sie.
William lachte. „Geschieht dir recht. Warum redest du auch mit meinem Rücken?"
„Ich dachte, du schläfst." Sie war verlegen.
„Hey, komm her," sagte er leise und zog sie an sich. Eine Weile kuschelten sie gemütlich miteinander und jeder genoß die Nähe des anderen. „Ich würde dir so gern die ganze Welt zu Füßen legen, wenn du mich nur ließest, Liz."
„Es tut mir leid, wie ich gestern reagiert habe. Ich streite mich nicht gern mit dir."
„Dann laß es uns ganz schnell vergessen, einverstanden?" Ein langer, leidenschaftlicher Kuß enthob Liz einer Antwort und danach holten sie ausführlich das nach, was sie in der vergangenen Nacht verpaßt hatten.
Sie hatten beschlossen, gemeinsam eine Aufstellung zu machen, wie ihr neues Heim ungefähr aussehen und ausgestattet sein sollte. Sie waren sich erstaunlich einig. William, in West Vanc aufgewachsen, wollte gerne dort in der Gegend bleiben, auch wenn das bedeutete, daß ihr morgendlicher Weg zur Arbeit gleichzusetzen war mit ellenlangen Staus. Abends zurück dann das gleiche Spiel. Das heißt, für Liz wäre es ein Problem, da sie Ladenöffnungszeiten hatte während William ziemlich frei entscheiden konnte, wann er im Büro aufschlug.
An einem sonnigen Oktoberwochenende fuhren sie müßig durch einige der vornehmen, aber zentraleren Stadtviertel Vancouvers und beschlossen spontan, einen kleinen Spaziergang in einer recht nett aussehenden Gegend zu machen. Das Viertel bestand aus luxuriösen Anwesen mit viel Garten drumherum und großen Grundstücken.
Liz fühlte sich sofort wohl in dieser Gegend. Alte Alleen säumten die Straßen, es herrschte wenig Autoverkehr. Vor einem Grundstück, das zu verkaufen war, blieben sie stehen. Das Haus war von hier aus nicht zu sehen, hohe Hecken umgaben den großen Garten und nur ein breites Tor gewährte Zugang zu dem Anwesen. Auf dem „For Sale"-Schild war immerhin ein Foto des Hauses zu sehen. Liz und William schauten sich an und William notierte sich Namen und Telefonnummer des Maklers. „Wollen wir es uns nächste Woche ansehen?" fragte er. Liz nickte.
Sie gingen noch ein paar Minuten weiter, aber insgeheim hatten sie ihr Herz schon an ein Foto verloren.
In der folgenden Woche besichtigten sie das Haus. Es stand leer, da seine vorherigen Eigentümer bereits weggezogen waren und Liz und William liefen Hand in Hand durch die Räume. Es war einfach perfekt. Alles war vorhanden: von der großen Sonnenterrasse über einen Swimmingpool, genügend Autoabstellplatz, offener Kamin, Platz für eine Bibliothek, genügend Zimmer… und ein wunderbar großes Schlafzimmer mit viel Platz für das große Bett, sehr zu Williams Freude. Dazu kam, daß es von außen nicht einsehbar war und einen wunderschönen Garten hatte. Also war es abgemacht.
Es war das erste Mal, daß Liz persönlich mit einem Betrag jenseits von einer Million Dollar in Berührung kam. Es war weiterhin sehr schwer für sie, sich an diese neuen Lebensumstände zu gewöhnen. William warf sein Geld beileibe nicht zum Fenster raus, er hatte einfach nur ein bißchen mehr zur Verfügung als die meisten anderen Leute.
Der erste Meilenstein ihres zukünftigen, gemeinsamen Lebens war geschafft. William hatte Liz völlig freie Hand gegeben, ihr neues Heim einzurichten. Er hatte deutlich gemacht, daß er ihr jederzeit hilfreich zur Seite stehen würde, es aber vorzöge, nicht wegen jedem Gardinenstoff oder Sofakissen gefragt zu werden. Liz war etwas ratlos. Sie konnte nicht einfach losziehen und hier eine Couch, dort einen Schrank kaufen. Sie hatte immer noch Skrupel, Williams Geld auszugeben, auch wenn es für das gemeinsame Nest war.
Eines Abends, als sie Williams Eltern und Georgie ihr neues Heim zeigten, fragte William, wie weit sie denn mit dem Einrichten sei. Liz wurde rot und gestand, daß sie nicht so recht weiterkomme und etwas unsicher bei der Auswahl sei. Anne Darcy zog die Augenbrauen hoch.
„William, Sweetheart, du willst mir jetzt nicht ernsthaft mitteilen, daß du Liz diese Arbeit ganz alleine aufbürdest?" William sah sie erstaunt an. Bevor er antworten konnte, nahm Anne Liz am Arm. „Liebes, was hältst du davon, wenn ich meine Freundin Dianne anrufe. Sie ist eine der besten Innenarchitektinnen überhaupt und hat mir schon bei Pemberley geholfen. Ein solches Haus alleine auszustatten ist eine schwere und langwierige Aufgabe. Soll ich Dianne anrufen, was meinst du?"
Liz warf William einen fragenden Blick zu. Er wurde tatsächlich rot. „Hm. An Dianne habe ich gar nicht gedacht, Ma. Das ist eine gute Idee."
Anne nickte zufrieden. „Sehr schön. Dianne ist wirklich sehr gut. Ich mache so schnell wie möglich einen Termin aus, am besten ich rufe sie sofort an."
Anne Darcy war eine tatkräftige Frau und fünf Minuten später hatte sie einen Termin für Ende der Woche mit ihrer alten Freundin ausgemacht. Liz war erleichtert und bat Anne, ebenfalls an diesem Termin teilzunehmen.
Liz war sehr froh, eine Schwiegermutter wie Anne Darcy zu bekommen. Sie war ein echtes Vorbild für sie. Eine Frau, die ihr Leben im Griff hatte – einen anspruchsvollen Job, einen anspruchsvollen Ehemann, ein anspruchsvolles Gesellschaftsleben. Nur hatte sie den Vorteil gegenüber Liz, daß sie selbst schon aus einer reichen Familie stammte und von klein auf mit jeglichem Luxus und den gesellschaftlichen Spielregeln dieser Klasse in Berührung gekommen war. Sie war aber immer auf dem Boden geblieben, eine natürliche, herzliche Frau, die man einfach gernhaben mußte.
Anne Darcy wußte, daß sie ihre zukünftige Schwiegertochter ein wenig unter ihre Fittiche nehmen mußte und sie machte es gerne. Sie konnte sich den Zwiespalt ungefähr vorstellen, in dem Liz steckte und daß es einige Zeit dauern würde, bis sie sich an ihr ziemlich neues Leben gewöhnen würde. Das schätzte sie so an Liz: sie liebte William um seiner selbst und nicht das Vermögen, das hinter ihm steckte. Jede andere hätte bereits alles versucht, sein Geld mit vollen Händen auszugeben, während es Liz William weiterhin verbot, Kreditkarten für sie zu bestellen. Das gleiche galt für teure Geschenke. Liz' klappriges Auto war William ein Dorn im Auge, aber sie weigerte sich, ein neues auszusuchen auf seine Kosten. Sobald sie seinen Namen trug, könnte man darüber diskutieren, entschied sie.
Liz war froh, daß Anne sie zu dem Termin mit der Innenarchitektin begleitete. Dianne O'Connor war eine alte Schulfreundin Annes, deren Freundschaft lange Jahre überdauert hatte. Sie freute sich, Liz kennenzulernen und war sofort begeistert von dem Anwesen des zukünftigen Ehepaares. Sie sprühte vor Ideen, ohne Liz dabei zu überrumpeln und Liz hatte zum ersten Mal das Gefühl, daß dieses Heim wundervoll aussehen würde in Diannes fähigen Händen. Anne hatte ihr diskret zu verstehen gegeben, daß William sich nicht mit schlechter Qualität zufriedengeben würde und wenn er sagte, sie hätte freie Hand in ihren Entscheidungen, dann meinte er das auch so. In jeder Beziehung.
Dianne machte es ihr leicht. Beim Besichtigen des Hauses entlockte sie ihrer Klientin viele wichtige Informationen über deren persönlichen Geschmack, die sie später exakt in ihren Vorschlägen einbringen würde. Sie machte sich zahllose Notizen und hatte auch eine Kamera mitgebracht. Liz war über ihre Effizienz erstaunt – in, so wie es schien, müßigem Geplauder holte sie sich alle Informationen, die sie brauchte.
Sie machten am Ende einen weiteren Termin aus, diesmal würde sie auch noch einen Landschaftsarchitekten sowie einen Küchenexperten mitbringen.
Liz schwirrte der Kopf, nachdem Dianne gegangen war.
„Laß uns irgendwo einen Kaffee trinken, was hältst du davon? Ich habe hier um die Ecke einen Second Cup gesehen." schlug Anne vor.
„Ein Haus einzurichten kann einen ganz schön erschlagen, nicht wahr," sagte Anne, als sie kurze Zeit später gemütlich beim Kaffee saßen. „Daß mein Sohn tatsächlich vorgeschlagen hat, du sollst das alles alleine tun ist wieder typisch." Sie seufzte.
Liz lächelte verlegen. „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, eine Innenarchitektin zu engagieren. Und einen Landschaftsarchitekten! Einen Küchenexperten! Oh Anne, ich glaube, ich bin wirklich etwas überfordert mit dem ganzen. Ich bin das einfach nicht gewohnt."
Anne drückte beruhigend ihre Hand. „Du wirst dich daran gewöhnen, Liebes, keine Angst. Und du weißt, du kannst immer zu mir kommen, egal mit was." Sie lächelte ihre zukünftige Schwiegertochter liebevoll an. „Ich bin so froh, daß William dich hat, Liz. Du tust ihm so gut."
Liz wurde rot, aber Anne fuhr fort. „Schon damals, als du noch meine Studentin warst, habe ich immer gehofft, William würde einmal eine Frau wie dich heiraten. Ich kann es immer noch nicht fassen, daß er – wenn auch unbewußt – meinen Wunsch tatsächlich erfüllt."
Die beiden Frauen lachten.
„Aber wegen des Hauses mach dir keine Gedanken. Dianne ist wirklich gut. Sie hat das Talent, sich in ihre Kunden hineinzuversetzen und dann Vorschläge zu machen, die genau deren Geschmack treffen. Ich bin sehr gespannt, wie das Haus einmal aussehen wird."
„Ich auch. Ich bin ehrlich gesagt erleichtert, daß ich mich nicht darum kümmern muß."
Anne rührte gedankenverloren in ihrem Kaffee. „Wo ihr jetzt so konkret am Planen seid – habt ihr euch schon einen Termin für die Hochzeit ausgesucht?"
Liz schüttelte bloß den Kopf und Anne betrachtete sie aufmerksam. Nanu? Wenn es nach William gegangen wäre, wären sie schon längst verheiratet. Wollte Liz etwa doch nicht…?
„Als Williams Vater mich damals gefragt hatte, ob ich ihn heiraten wollte, habe ich ihn ausgelacht," begann sie zu erzählen. „Er war zwar ein reicher Erbe, aber nicht nur, daß er einen miserablen Ruf als Frauenheld hatte," Liz riß erstaunt die Augen auf, „nein, er war auch ein unglaublich arroganter, großkotziger Kerl. Ich wollte mit ihm nichts zu tun haben und das habe ich ihm auch mehrfach erklärt.
Aber William ließ nicht locker, eine offenbar weitverbreitete Charaktereigenschaft der Darcy'schen Männer, wie mir scheint. Immer wieder lud er mich zum Essen ein, zu einer Veranstaltung, zu einer Party. Ich lehnte jedes mal ab."
Liz unterbrach sie neugierig. „Er hat dir einen Heiratsantrag gemacht, ohne vorher einmal mit dir ausgegangen zu sein?"
Anne nickte lächelnd. „Ja. Als ich logischerweise ablehnte sagte er bloß, ‚na ja, wir werden ja sehen'." Liz lachte ungläubig.
„Eines Tages hatten wir Sommerfest an der Uni. William hatte sich offenbar vorgenommen, einen möglichst guten Eindruck auf mich zu machen. Er entdeckte mich in einer Gruppe Freundinnen und wich mir den restlichen Abend nicht mehr von der Seite. Er hielt sogar durch, als ich mir über eine Stunde lang einen Vortrag auf deutsch anhörte!" Liz kicherte.
„Wahrscheinlich hat sich da mein Widerstand schon etwas gelockert – wer tut sich das freiwillig an, ohne ein Wort zu verstehen? Und er war wirklich so ganz anders an diesem Abend. Ich muß gestehen, optisch hat er mir schon immer gut gefallen, diese dunklen Locken, die warmen, braunen Augen…" sie sah Liz rotwerden und lächelte. „Aber wem sag ich das, nicht wahr? Auf alle Fälle war er an diesem besagten Abend alles andere als großkotzig und arrogant. Wir sind im Anschluß an den Vortrag ein wenig spazierengegangen, haben uns wirklich gut unterhalten und gar nicht gemerkt, daß ein Unwetter aufgezogen war. Als es zu schütten anfing, waren wir mitten im Park unterwegs und bis wir zu Williams Auto gekommen waren, total durchnäßt.
An diesem Abend fuhr er mich, ganz Gentleman, nach hause und ich habe ihm gestattet, mich beim Abschied zu küssen.
Am nächsten Tag rief er an und bat um ein weiteres Treffen. Wir sahen uns tatsächlich danach fast jeden Tag, aber niemals machte er irgendwelche Versuche, mich zu verführen. Ich hatte Angst, wenn ich ihm einmal nachgeben würde, daß er das Interesse an mir verlor, daß ich nur ein Abenteuer sein würde, aber meine Angst war vollkommen unbegründet." Anne wurde nun tatsächlich ein bißchen rot. „Unsere erste gemeinsame Nacht war dann tatsächlich erst unsere Hochzeitsnacht."
Liz lächelte. „Das hört sich sehr romantisch an, Anne."
„Ich weiß, daß mein Sohn ein ‚Vorleben' hat, Liz," begann Anne vorsichtig. „Aber ich habe ihn noch nie so ausgeglichen und zufrieden gesehen wie im Moment. Er macht einen sehr glücklichen Eindruck. Ihm ist es sehr ernst mit euch beiden. Aber ich glaube, du bist noch nicht ganz so weit, hab ich recht?"
Liz zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Doch, schon. Ich kann mir ein Leben ohne William nur schlecht vorstellen. Wahrscheinlich habe ich einfach ein bißchen Angst, daß ich seine Erwartungen nicht erfüllen kann."
„Kann er denn deine Erwarungen erfüllen?" fragte Anne amüsiert.
Liz sah sie verblüfft an und grinste schließlich. „Voll und ganz, denke ich."
„Na also. Daß du seine erfüllst, ist offensichtlich. Was hältst du von Dezember? Dann hättet ihr anschließend Zeit für ausgiebige Flitterwochen…"
