So schnell ging es dann doch nicht mit dem Hochzeitstermin. Bis das Haus bezugsfertig war, vergingen noch einige Wochen, aber das Endergebnis konnte sich in der Tat sehen lassen. William hatte sich schließlich dazu bequemt, sich die Vorschläge ebenfalls anzusehen und stimmte in allen Dingen bereitwillig zu. Nur das Bett war ihm definitiv zu klein und er hatte keinerlei Scheu, das Dianne mitzuteilen, die im Gegenzug nicht mit der Wimper zuckte. Sein Arbeitszimmer hatte er sich selbst nach seinen Vorstellungen eingerichtet, aber ansonsten wurde alles so ausgeführt wie geplant. Nur die (geplanten) Kinderzimmer wurden nicht möbliert – jeder hoffte, aber keiner wußte, ob Liz je schwanger werden würde und es erschien allen als ein schlechtes Omen, den Dingen vorzugreifen.
Das Haus war, als es endlich komplett fertig war, ein Traum. In der ersten Dezemberwoche gaben sie eine kleine Einweihungsfeier für die engsten Freunde und Verwandten und dort wurde auch der Hochzeitstermin bekanntgegeben: Der 14. Februar.
Zu Beginn gestaltete sich das Zusammenleben der beiden, nun ja, interessant. So harmonisch und aufregend ihr Liebesleben auch war, die ersten Tage im gemeinsamen Haus entpuppten sich als mehr aufregend denn harmonisch.
William war in vielen Dingen recht verwöhnt, wie Liz bald feststellte. So war er natürlich auch von klein auf an Hauspersonal gewöhnt. Jemand machte sein Bett, räumte hinter ihm her, kümmerte sich um seine Wäsche. Es war nicht so, daß Anne ihren Kindern keine Ordnung beigebracht hätte, aber je älter William wurde, desto weniger Zeit er hatte, und um so mehr verließ er sich auf seine Angestellten. Er war zwar immerhin in der Lage, den größten Teil seiner Schmutzwäsche in einen Wäschekorb zu stecken und hinterließ auch das Bad nicht wie ein Schlachtfeld, zumindest meistens, aber man merkte doch, daß er im Haushalt nie etwas hatte tun müssen. Liz haßte es, hinter ihm herzuräumen.
Das größte Problem jedoch war erstaunlicherweise das Essen. Im Darcy'schen Haushalt waren schon immer Köchinnen beschäftigt gewesen, während Liz froh war, wenn Jane sich darum kümmerte. Man konnte nicht gerade behaupten, daß Liz eine leidenschaftliche Köchin war. William wiederum hatte keine Lust, jeden Abend auswärts zu essen oder sich etwas liefern zu lassen. Manchmal kam er spät nach hause und alles, was ihn dann erwartete, waren ein paar Sandwiches oder ein Salat. Dazu kam erschwerend, daß weder er noch Liz Zeit und Lust hatten, größere Mengen an Lebensmitteln einkaufen zu gehen. Sie hatten einmal den Fehler gemacht, gemeinsam einzukaufen und diese zwei Stunden hätten fast zu ihrer Trennung geführt.
So ging es jedenfalls nicht weiter. William traf eine Entscheidung. Er wartete einen günstigen Zeitpunkt ab und fragte Liz, ob sie etwas dagegen hätte, wenn sie eine Haushälterin engagierten. Die sich um die Einkäufe kümmerte, für sie kochte, das Haus in Ordnung hielt. Liz hatte nicht das geringste dagegen, sehr zu Williams Überraschung. Er war fest entschlossen gewesen, sich in dieser Sache durchzusetzen und um so erfreuter, daß sie es ihm so leichtmachte. Nur wenige Tage später hielt Mrs. Sherwood Einzug, eine Empfehlung von Mrs. Reynolds, der Haushälterin in Pemberley. Einmal die Woche brachte sie, so war es vereinbart, ein junges Mädchen aus ihrer Nachbarschaft mit, das sich mit Bügeln und Putzen ein Taschengeld dazuverdiente.
Mrs. Sherwood war eine sehr kompetente, herzliche Dame Mitte vierzig, die ohne große Umstände sofort unumschränkte Herrin der Küche wurde. Sie kam morgens, kurz bevor Liz zum Buchladen aufbrach und besprach mit ihr den Tagesablauf. Ihre Kochkünste stellten selbst einen verwöhnten William Darcy zufrieden und als sie bereits nach kurzer Zeit herausfand, was für eine Naschkatze er war, fand sie mit ihren raffinierten Desserts sofort einen direkten Weg in sein Herz. Liz und William mochten sie sehr und waren sehr, sehr froh über die Entscheidung, sie einzustellen.
William Darcy senior hatte darauf bestanden, daß sie endlich die Reise nach Europa unternehmen würden und dafür die erste Januarwoche ausgesucht. William junior wollte Liz unter allen Umständen mitnehmen, aber sein Vater wollte davon nichts wissen. Es entspann sich ein lautstarker Streit zwischen den beiden Darcys und am Ende gab William junior resigniert nach. Sein Dad hatte ihn überzeugt, daß er kaum Zeit für Liz haben würde und sie nicht das geringste davon hatte, wenn er sie vor Ort vernachlässigte. Sie würden selbst keine Zeit für Sightseeing und ähnliches haben und je härter sie arbeiteten, um so schneller konnten sie wieder nach hause. William war nicht glücklich darüber, aber er fügte sich schließlich, zumal Liz seinem Dad zustimmte.
So verbrachten sie die Weihnachtsfeiertage in West Vanc, auch Jane und Charles waren an einem Tag eingeladen und quasi als kleinen Ersatz für die Zeit, die William ohne Liz durch Europa reisen würde, machten die beiden Paare anschließend ein paar Tage Ferien in Whistler, wo sie bis über Neujahr blieben. Charles besaß dort ein komfortables Apartment und Platz genug für vier Leute.
Liz stellte in diesen Tagen überrascht fest, daß sie ziemlich eifersüchtig war, als sie die amouröse Vergangenheit ihres Verlobten zum ersten Mal während ihrer Beziehung einholte. William und Charles waren beide passionierte Snowboarder, die natürlich nicht widerstehen konnten, in einem Gebiet wie Whistler zumindest an einem Tag einmal die Hänge hinunterzudüsen. Jane und Liz zogen es vor, den Schnee spazierenderweise zu erkunden und waren auch gar nicht böse, einen ganzen Tag für sich zu haben. Es gab schließlich so viel zu bequatschen…
Sie machten mit den Männern aus, sich spätestens abends bei einer Art Apres-Ski Party in einem der angesagtesten Resorts des Ortes zu treffen und anschließend essen zu gehen.
Beide Paare genossen ihren Tag, die Herren auf ihren Brettern unter strahlendblauem Himmel und die Damen beim Bummeln, Shoppen, Kaffeetrinken und reden, reden, reden.
Als Liz und Jane später in besagtem Hotel eintrafen, war die Party schon in vollem Gange. Charles war nirgends zu sehen, aber Liz' Blick fiel sofort auf William, der mit einem Cocktail in der Hand lässig an einer Säule lehnte und in ein Gespräch mit einer blondgelockten Göttin vertieft war. Nun war es an sich kein Verbrechen, mit einer anderen Frau zu reden, aber es war die Art und Weise, wie sie miteinander sprachen, die Liz mißfiel. Die beiden kannten sich, das bemerkte sie sofort. William sah mehr als relaxt aus, ihr Gespräch war intensiv, er lachte mit ihr, ließ es zu, daß sie ihn auf eine höchst vertrauliche Art berührte und störte sich kein bißchen daran, daß seine Verlobte jeden Augenblick hier aufkreuzen mußte. Merkte er denn nicht, wie diese Frau ihn anmachte? Liz kochte und wollte am liebsten sofort wieder gehen, aber Jane hielt sie zurück. Sie schüttelte energisch den Kopf und zog Liz zu William hin. Auf seine Reaktion waren beide gespannt.
William lächelte, als er Liz entdeckte, stellte seinen Cocktail ab, nahm sie in die Arme und küßte sie lange, so als hätte er sie wochenlang nicht gesehen. Jane beobachtete derweil die Reaktion der Blondine und wurde nicht enttäuscht. Der Dame entglitten jegliche Gesichtszüge und als William ihr Liz als die zukünftige Mrs. Darcy vorstellte, konnte sie ihren Unmut nur schwer verbergen. Nur wenige Augenblicke später verabschiedete sie sich. Liz war für den Moment besänftigt, aber das sollte noch nicht alles gewesen sein für heute.
Als sie später die Toiletten aufsuchte, wurde sie Ohrenzeugin eines weiteren Gespräches, das sie zunächst ignorierte, dann aber hellhörig wurde, als der Name William Darcy fiel.
„…ja, und stell dir vor, Donna hat gesagt, die Rothaarige wäre seine Verlobte! Wer soll denn das glauben, William und verlobt! Die Ärmste, sie wird sich noch wundern…"
„hihi…und Donna war sich schon so sicher, daß sie heute nacht sein Bett wärmen darf."
„Nein, für heute hat er wohl schon vorgesorgt. Aber vielleicht ergibt sich ja in den nächsten Tagen noch eine Chance, wer weiß. Er ist ja nicht gerade dafür bekannt, daß…"
Die Frauen verließen den Waschraum und lästerten draußen weiter. Aber Liz wollte auch gar nichts mehr hören. Tränen der Wut und der Scham liefen ihr über die Wangen und ihre Gedanken liefen Amok. Gab es hier überhaupt eine Frau, mit der ihr Verlobter noch nicht im Bett gewesen war? Sie mußte umgehend von hier verschwinden. Unter keinen Umständen würde sie wieder nach draußen gehen, beobachtet und begutachtet von allen weiblichen Gästen. Sie konnte schon die mitleidigen und spöttischen Blicke sehen, die ihr nachgeworfen wurden. Du, William Darcys Verlobte? Hahaha!
Verzweifelt versuchte sie, sich wieder zu fangen um dann heimlich zu gehen. Als sie gerade vorsichtig die Kabinentür öffnete, trat Jane in den Waschraum, erleichtert, ihre Schwester gefunden zu haben und besorgt über deren miserables Aussehen.
„Lizzy, hier bist du! Was ist los, fühlst du dich nicht gut?"
Das reichte, um Liz wieder zum Weinen zu bringen. Sie erzählte Jane von dem Gespräch, das sie mitgehört hatte.
Jane tat ihr bestes, die Schwester zu beruhigen.
„Lizzy, laß die Weiber doch reden. Daß William kein Mönch war, bevor er dich kennenlernte, ist für dich kein Geheimnis. Aber sieh dir doch nur an, wie er dich behandelt. Wie eine Göttin. Er stellt dich ALLEN voller Stolz als seine zukünftige Ehefrau vor, er hat nur Blicke für dich. Die Ladies sind alle nur unglaublich neidisch, du weißt doch, wie diese Hyänen sind."
Liz gab Jane zwar im Prinzip recht, aber nichts in der Welt hätte sie dazu gebracht, wieder in den Saal zu gehen. Aber sie wollte William auch nicht alleine zurücklassen. Unter den Hyänen.
„Ach Jane, zu wissen, daß er kein Mönch war und es dann zu leibhaftig von anderen zu hören ist ein großer Unterschied. Ich will nicht wieder da hinein, ich kann es nicht ertragen, von allen angestarrt zu werden."
„Warum sollten sie dich denn anstarren. Du glaubst doch nicht etwa, er kennt alle Frauen da drin, oder?"
Liz lächelte gequält. „Ich hoffe nicht."
„Komm, ich hab ein bißchen Puder, und ruckzuck siehst du wieder präsentabel aus. Dann gehen wir wieder rein und du zeigst den Schlampen, daß hier die zukünftige Mrs. Darcy kommt. Und daß lieber niemand einen Zweifel daran hegt."
Liz kicherte über die Entschlossenheit und ungewohnt deftige Sprache ihrer Schwester. Sie entfernte die verräterischen Spuren ihrer Tränen und mit stolz hochgerecktem Kinn ging sie wieder in den Saal zurück, wo sie von einem besorgten William in Empfang genommen wurde.
Der Abend wurde dann doch noch recht amüsant. Liz begegnete den neugierigen Blicken der Damen, die William offenbar kannten (wie genau wollte sie gar nicht wissen) mit freundlichem Selbstbewußtsein. Wurde William angesprochen, gab er höflich Antwort, verwies aber jede zu forsche Dame unmißverständlich in ihre Schranken. Er tanzte – wenn überhaupt – ausschließlich mit Liz oder Jane und am Ende des Abends sollte jeder Anwesenden (Liz eingeschlossen) klar genug sein, daß William Darcy endgültig vom Heiratsmarkt verschwunden war.
Liz verfolgte das Thema vorerst auch nicht mehr. Sein Verhalten heute ihr gegenüber hatte ihr ziemlich eindeutig gezeigt, woran sie bei ihm war. Seine ‚Verflossenen' bedeuteten keine Gefahr für sie, das hatte ihr der Abend klar gemacht. Sie nahm sich vor, in Zukunft über diesen Dingen zu stehen und etwas selbstsicherer zu werden. Der Eifersucht keine Chance mehr geben.
Die Ferientage gingen natürlich viel zu schnell vorbei und schon war es an der Zeit für William, wieder einen Koffer zu packen. Diesmal für mehrere Wochen Europa. Ohne Liz.
Kathy Johnson hatte ihr freundlicherweise eine Übersicht mit allen Terminen, Hotels, Flugdaten und Aufenthaltsorten zur Verfügung gestellt. Mindestens drei Wochen würden die beiden Darcys quer durch Europa unterwegs sein. Hotels würden überprüft, mögliche Neuerwerbungen angesehen, Verhandlungen geführt, Verträge geprüft, Finanzen überwacht werden… viel Arbeit, die in den drei Wochen vor ihnen lag. Liz hatte es für vernünftig gehalten, nicht mitzukommen. Sie würde William nur von seiner Arbeit ablenken und sein Dad hatte recht, es ergab keinen Sinn, wenn er sowieso kaum Zeit für sie hatte. Liz würde sich in den kommenden Wochen mit Planungen für die Hochzeit abgeben, die Hauseinrichtung vervollkommnen, sich um ihren Laden kümmern, Anne besuchen… es gab genug zu tun.
Was William anbetraf, so waren sie einmal mehr aufs Telefon angewiesen, was durch die Zeitverschiebung etwas beschwerlich war. William hatte ein regelrechtes Gespür für den unpassendsten Zeitpunkt seiner Anrufe. Vor seiner Abreise hatte er Liz ein neues Mobiltelefon geschenkt und ihr eingeschärft, es ständig und überall mitzuführen. Der erste Anruf erreichte sie aus London, sie war in West Vanc zu Besuch und gerade dabei, mit Anne und Georgie Kaffee zu trinken und – mal wieder – über die Hochzeit zu reden. William machte sich bei seinen Anrufen oft einen Spaß daraus, Liz in größte Verlegenheit zu bringen, indem er ihr sehr bildhaft beschrieb, was er gerne mit ihr anstellen würde, wäre sie nur bei ihm. Da Liz dann meist in Gesellschaft war, konnte sie keine passenden Antworten geben und alle wunderten sich über ihr seltsames Verhalten und ihr deutliches Erröten.
Eines Tages jedoch drehte Liz den Spieß um.
William saß mit seinem Vater und einigen hochrangigen Managern in einer Konferenz, als sein Mobiltelefon klingelte.
„Hi Darling, ich hoffe, ich störe nicht," tönte Liz' Stimme leise und verführerisch an sein Ohr. „Hast du fünf Minuten Zeit für mich, es ist wirklich dringend."
„Oh, einen Moment bitte." Er stand auf und entschuldigte sich kurz bei seinen Geschäftspartnern. Sein Vater sah ihn fragend an, aber William war schon auf dem Weg nach draußen.
„Darling, was ist los?" fragte er besorgt, als er draußen auf dem Flur stand. „Ist was passiert?"
„Oh ja, William. Ich kann nicht einschlafen."
William traute seinen Ohren nicht. „Du kannst nicht einschlafen und rufst mich deshalb an?"
„Ja. Ich brauche deine Hilfe."
„Liz, Liebes, wir haben gerade eine wichtige Konferenz und…"
„William, ich liege hier in unserem riesigen, leider sehr einsamen Bett und finde ohne dich einfach keinen Schlaf. Jetzt habe ich extra schon den schwarzen Spitzenbody angezogen, weißt du, der unten offen ist, und stelle mir vor, du bist bei mir, oder vielmehr in mir, aber…"
William grinste und schüttelte den Kopf. Das konnte einfach nicht wahr sein!
„Oh, das ist in der Tat ein schwerwiegendes Problem. Weißt du was, ich gehe auf mein Zimmer und dann werden wir sehen, wie ich dir weiterhelfen kann."
Fünfzehn Minuten später, Liz war auf der anderen Seite der Welt gerade befriedigt eingeschlafen – soweit das alleine ging – betrat William wieder den Konferenzraum. Er entschuldigte sich nur kurz und nahm wieder Platz, unter den mehr als mißtrauischen Augen seines Vaters. Dieser wunderte sich nur, warum sein Sohn plötzlich keine Krawatte mehr trug.
