Kapitel 21

Zwei Tage später drohte der Haussegen bei den Darcys wieder einmal schief zu hängen – und wieder wegen eines Bildes in der Zeitung. Genauergesagt, wegen zwei Bildern. Jemand hatte offenbar die Verlobungsparty für interessant genug befunden, um einen Artikel darüber zu schreiben und Fotos davon zu veröffentlichen. Natürlich suchte man sich erfahrungsgemäß immer die explosivsten heraus und wieder einmal traf es die Darcys.

Liz war zu sehen, wie Daniel Bishop ihr behutsam eine Haarsträhne feststeckte und sie dabei verliebt anlächelte – William war beim Tanzen mit besagter Blondine abgelichtet worden, in sehr intimer Art und Weise. Beim näheren Hinsehen hätte man entdecken können, daß keinerlei Aktion von William aus ging und daß Liz eher irritiert aussah.

Aber natürlich sah niemand genauer hin und so konnten sich wieder alle die Mäuler zerreissen. Der sensationslüsterne Text des Artikels tat sein übriges, um der geneigten Leserschaft weiszumachen, daß die Ehe der Darcys offensichtlich einmal mehr in Scherben lag.

William hatte die Zeitung – natürlich – zuerst gelesen. Er las die Zeitung immer zuerst. Als er den Artikel und die Bilder sah, schloß er die Augen und seufzte. „Liz, wer ist der Kerl, der da an deinen Haaren herumspielt?" fragte er müde und warf ihr die Zeitung hin.

Liz verstand kein Wort und warf neugierig einen Blick auf die Fotos. Glücklicherweise kam ja auch William nicht ungeschoren davon. Wie konnte er es wagen! Sie warf ihrem Mann einen unheilvollen Blick zu.

„Das verrate ich dir wenn du mir sagst, wer die Frau ist, die sich so vehement an deinen Unterleib preßt."

„Eine alte Bekannte."

„Ein alter Bekannter." konterte Liz.

Sie fragte sich ernsthaft, wer gerade diesen Moment abgepaßt hatte, um dieses Foto von ihr zu schießen. Sie glaubte langsam nicht mehr an Zufälle.

William seufzte. Er hatte kein schlechtes Gewissen, weil er mit Louise getanzt hatte. Ja, er hatte mal was mit ihr gehabt, kurz bevor er Liz kennengelernt hatte, aber das bedeutete doch noch lange nicht, daß er nicht mit ihr sprechen oder mit ihr tanzen durfte. Er wollte ja schließlich nichts mehr von ihr. Aber kein Kerl hatte die Haare seiner Frau anzufassen, verdammt!

William kannte Liz mittlerweile gut genug um zu wissen, daß er mit dieser Einstellung nicht durchkommen würde. Und Louise hatte sich wirklich nicht gerade diskret verhalten. Er konnte Liz keinen Vorwurf machen, wenn sie darüber wütend war. Aber war sie überhaupt wütend auf ihn? Sie schien noch nicht einmal deswegen streiten zu wollen…

„William, ich habe dich bei der Party bereits mit dieser Frau gesehen. Da ich dir vertraue, habe ich nichts erwähnt. Und diesen Mann habe ich dort kennengelernt. Wir haben uns unterhalten, als du mit deinem Freund gesprochen hast, mehr nicht. Er hat nicht an meinen Haaren herumgespielt, er hat eine losgelöste Strähne festgesteckt." Liz seufzte nun auch. Sie hätte gerne gewußt, ob es tatsächlich jemanden gab, der absichtlich solche gewollt „kompromittierenden" Bilder und Artikel veröffentlichte. So als wollte jemand einen Keil in ihre Ehe treiben. Sie hoffte bloß, Daniel Bishop würde sich nicht als „Stalker" entpuppen, so wie Jane befürchtete. Bisher hatte sie nichts von ihm gehört, Gott sei Dank.

Sie erzählte William von ihrem Verdacht und er mußte zugeben, daß es sich nicht unlogisch anhörte. Wer würde mit einer Kamera vor dem Krankenhaus lauern und darauf warten, daß Liz herauskam? In Begleitung eines anderen Mannes?

Liz stand auf und ging zu William hinüber. Sie stellte sich hinter ihn, legte ihre Arme um seinen Hals und küßte ihn auf die Wange. „William, wir dürfen nicht zulassen, daß jemand versucht, unsere Ehe zu torpedieren. Und außerdem liebe ich den Vater meines ungeborenen Kindes. Sogar sehr."

William zog sie auf seinen Schoß und legte die Hände auf ihren umfangreichen Bauch. „Ich werde die Sache im Auge behalten, Liebes. Wer immer versucht, uns auseinander zu bringen, hat nicht mehr allzuviel zu lachen, nachdem ich ihn in den Fingern hatte. Verlaß dich drauf."

Er versenkte sein Gesicht in den Ausschnitt ihres Morgenmantels und liebkoste den Ansatz ihrer Brüste mit seinen Lippen. Kurze Zeit später tauchte sein Gesicht wieder auf. „Und übrigens, ich liebe dich auch."

Ihr liebevolles Geplänkel wurde vom Klingeln des Telefons unterbrochen – der erste Anruf von vielen besorgten Familienmitgliedern, die heute morgen ebenfalls die Zeitung gelesen hatten.

Liz und William taten ihr bestes, sich von diesen Intrigen nicht beeindrucken zu lassen, aber natürlich wurde viel getratscht und es kam ihnen einiges davon zu Ohren. Die Gerüchte wurden immer wilder, an erster Stelle stand die Spekulation, ob William wirklich der Vater von Liz' Baby war, dicht gefolgt von: William Darcy hat sein wildes Leben offenbar auch nach der Eheschließlung nicht aufgegeben.

Schlimm genug, daß in der Zeitung immer wieder solche Behauptungen auftauchten, auch wenn Liz und William übereingekommen waren, die Artikel einfach zu ignorieren. Ein kleiner Stich blieb trotzdem immer zurück.

William versuchte herauszufinden, wer für die Artikel und Fotos zuständig war, kam aber nicht sonderlich weit, da es sich um verschiedene Mitarbeiter handelte. Er spielte mit dem Gedanken, sich diese Art von „Berichterstattung" zu verbitten, kam aber schnell davon ab. Es würde erst recht die Aufmerksamkeit auf ihn und seine Familie lenken und man könnte glauben, daß doch etwas wahres dran sei, wenn er sich so vehement dagegen zur Wehr setzte. Einfach ignorieren, das schien das beste zu sein. Zumal die Artikel zu raffiniert und schwammig formuliert waren, um mit Erfolg dagegen vorzugehen.

Der verregnete Sommer war in einen regnerischen und kühlen Herbst übergegangen und im November glaubten die Vancouveraner, sie würden die Sonne niemals wiedersehen. Jeder Tag war gleich: grau, neblig, regnerisch, kalt. Williams Stimmung war – ausgelöst durch gravierende Schwierigkeiten bei Darcy Hotels – im Moment nicht gerade die beste. Bei zwei Luxusresorts auf Kuba war es zu Unstimmigkeiten gekommen. Zwei Geschäftsführer standen unter dem Verdacht, Gelder veruntreut und Steuern hinterzogen zu haben und William Darcy senior spannte seinen Sohn gnadenlos Tag und Nacht in die Arbeit mit ein. William hatte vorgeschlagen, sich kurzfristig von den Häusern zu trennen, da es schon seit langem damit Ärger gab, aber sein Vater hatte offenbar andere Pläne. Er zögerte, eine endgültige Entscheidung zu treffen und die beiden Männer gerieten sich immer öfter in die Haare deswegen. Darcy senior wollte seinen Sohn nach Kuba schicken, aber der weigerte sich rundheraus. Er würde seine Frau bis zur Geburt des Kindes nicht alleine lassen, hatte er entschieden und ließ sich durch nichts umstimmen, mochte sein Vater drohen wie er wollte. Die Nerven zwischen den beiden lagen sozusagen blank.

An einem besonders kalten und düsteren Novembertag leistete Liz ihrem Mann in dessen Arbeitszimmer Gesellschaft, der vor sich hinbrummend am Computer saß und bislang vergeblich versuchte, Licht ins Dunkel der Angelegenheit zu bringen.

Liz schüttelte den Kopf über seine schlechte Laune.

„Hon, Millionen würden dich beneiden, bei diesem grausigen Wetter nach Kuba fahren zu dürfen."

William sah erstaunt auf. „Du willst, daß ich fahre, Liz?"

„Nein, aber es würde vielleicht endlich Frieden zwischen dir und deinem Vater bringen. Eure Streitereien gehen uns allen sehr auf den Wecker."

William seufzte. „Ich weiß. Aber er ist so stur! Ich möchte dich nicht alleine lassen, Liebling. Ich könnte es nicht ertragen momentan," fügte er leise hinzu. Minnie schlich sich heran, sprang auf Williams Schoß und er streichelte das kleine Fellbündel abwesend. Minnie schnurrte erfreut – normalerweise brauchte es einige Versuche, bis William sie auf seinem Schoß sitzen ließ.

Liz blickte gedankenverloren vor sich hin. Sie saß auf der Couch am Fenster, warm in eine Decke eingepackt mit einem heißen Kakao und unternahm einen mehr oder weniger erfolgreichen Versuch, ein Babyjäckchen zu stricken. Jane wollte ihr heute mittag noch Gesellschaft leisten und Liz freute sich darauf. Williams Laune in letzter Zeit war dermaßen am Nullpunkt, daß sie sich über etwas freundlichere Gesichter freute.

„Wie lange würde die Reise denn dauern?" fragte sie nach einiger Zeit.

„Ich käme wahrscheinlich erst kurz vor Weihnachten wieder zurück," sagte er, scheuchte die Katze wieder von sich und wandte sich seinem Computer zu. „Keine Chance, Liz, ich fahre nicht nach Kuba. Mein Vater soll meinetwegen platzen deswegen, aber ich bin entschlossen."

Liz stand mühsam auf, um zu sehen, ob die Post schon gekommen war, blieb aber vorher kurz hinter William stehen, der immer noch mit steinernem Gesichtsausdruck die unerfreulichen Berichte aus Kuba las. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und er lehnte sich seufzend zurück, nahm seine Lesebrille ab und rieb sich müde die Augen.

„Entschuldige, Liebling. Ich bin ein ganz schöner Miesepeter momentan, nicht wahr?" murmelte er und legte seine warmen Hände auf ihre.

„Ja," grinste Liz. „Aber du bist immerhin mein Miesepeter."

William zog sie auf seinen Schoß und streichelte ihren Bauch.

„Es tut mir leid, aber ich kann nicht immer nach seiner Pfeife tanzen. Er kann sich nicht immer durchsetzen, nur weil er mein Vater ist. Die Idee, die Häuser auf Kuba zu behalten, ist allein vom kaufmännischen Standpunkt her irrsinnig, und die anderen Probleme haben wir schon seit so langer Zeit. Ich möchte mich damit in Zukunft nicht mehr belasten und verkaufen, aber Dad sieht das leider nicht so."

Er seufzte und brachte ein müdes Lächeln zustande. „Laß uns nicht mehr drüber reden, Hon. Hast du dir überhaupt schon Gedanken darüber gemacht, wie unsere Tochter heißen soll?" wechselte er das Thema und lächelte liebevoll, als er die Tritte der Kleinen im Bauch ihrer Mutter spürte, so als hätte sie ihn gehört.

Liz kuschelte sich an ihn, so weit es ging. „Nein, hab ich nicht," murmelte sie. Die Auswahl an Namen erschlägt einen ja geradezu. Ich glaube, ich möchte einen alten, edlen, vornehmen, englischen Namen, so was wie…wie…"

„Victoria Anne?" schlug William vor.

„Victoria Anne?"

William nickte.

Liz überlegte einen Moment. Victoria Anne. Victoria Anne Darcy. Das hörte sich sehr vornehm an, in der Tat!

Damit war es abgemacht. Natürlich würde jeder die Kleine „Vicky" nennen, aber Liz fand den Namen schön und war einverstanden. William konnte es kaum glauben, daß seine Frau einen seiner Vorschläge auf Anhieb guthieß und ihm nicht widersprach, sagte aber vorsichtshalber nichts dazu.