Kapitel 25

William fuhr nach Kitsilano an den Strand, um ein bißchen frische Luft zu tanken und vor allem, um über seinen Fehltritt nachzudenken.

Es war geschehen, er konnte es nicht mehr rückgängig machen, egal wie sehr er es wollte. Er mußte damit leben und fertig werden. Punkt.

Liz durfte niemals davon erfahren. Er würde ihr die Angelegenheit verheimlichen, er sah keinen Grund, ihr seinen Seitensprung zu beichten. Er wußte, es war falsch, er schämte sich, er hatte ein schlechtes Gewissen, er fühlte sich mies. Er würde eine Zeit brauchen, um mit sich selbst ins Reine zu kommen. Aber er würde es Liz nicht gestehen. Niemals.

Er hatte, im nachhinein betrachtet, keinerlei Gefühle in die „Affäre" investiert. Er liebte Laura nicht, er hatte kein Verlangen, sie noch einmal zu sehen. Natürlich war es nicht gerade gentlemanlike, sie so zu benutzen, aber in diesem Augenblick hatte sich sein Gehirn verabschiedet und ein anderer Körperteil die Regierung übernommen. Und alles in Williams Körper hatte nach Erleichterung, nach Erlösung und Entspannung geschrien. Er hatte für einen kurzen Augenblick die Anspannung der letzten Wochen abbauen können und es hatte sich gut angefühlt. Nichts, was er wiederholen mußte, ganz gewiß nicht. Aber in diesem Augenblick hatte es ihm gutgetan. Mit den „Nachwirkungen" mußte er allerdings nun leben. Möglicherweise ein zu hoher Preis für ein paar Momente der Lust. Nein, Liz durfte es niemals erfahren.

William beschloß, die Sache so schnell wie möglich zu vergessen. Er hatte einen Fehler gemacht, ja, aber es konnte, wie gesagt, nicht mehr rückgängig gemacht werden. Er hoffte bloß, daß Laura es ebenfalls kapierte und ihn zukünftig in Ruhe lassen würde. Es gab nichts schlimmeres als eine rachsüchtige, nachtragende Frau, und das konnte er nun überhaupt nicht gebrauchen! Um nichts in der Welt wollte er seine Ehe mit Liz aufs Spiel setzen.

Als er wenige Stunden später an Liz' Bett saß, fühlte er sich zunächst etwas unwohl. Er hatte zuerst die Befürchtung gehabt, sie müsse ihm sofort ansehen, was er heute nacht getan hatte, aber Liz schien nichts zu spüren. Sie war müde und immer noch schmerzgepeinigt, wahrscheinlich wäre ihr nicht einmal aufgefallen, wenn er heute mit einem Vollbart hereinmarschiert gekommen wäre.

William konzentrierte sich ganz auf Liz' Wohlbefinden. Er las ihr jeden Wunsch von den Augen ab, las ihr vor, bis sie einschlief und verbrachte den kompletten Nachmittag dann, mit ihr fast sechs Stunden „Pride and Prejudice" auf DVD anzusehen. Er hoffte so sehr, sie bald nach hause holen zu können. Die Gefahr, daß er Laura im Krankenhaus über den Weg lief, war relativ hoch.

Eine Woche später bewahrheitete sich seine große Befürchtung allerdings auf erschreckendste Weise. William betrat etwas später als sonst Liz' Krankenzimmer und fuhr entsetzt zurück, als er Laura an ihrer Seite sitzen sah. Laura schaute ihn spöttisch an, was Liz nicht mitbekam, und erhob sich dann.

„War nett, sie kennenzulernen, Elizabeth," sagte sie honigsüß und lächelte William beim hinausgehen unverschämt an. „Wiedersehen, William."

„Was wollte sie denn hier?" fragte William und küßte seine Frau zärtlich. Offenbar hatte sie Liz nichts verraten, denn diese benahm sich genauso wie sonst auch. Sie zog William auf ihr Bett und kuschelte sich so gut es ging an ihn.

„Sie sagt, ihr währet mal vor Jahren zusammen gewesen und hättet euch letzte Woche hier zufällig getroffen. Ihre Mutter liegt ein paar Zimmer weiter und da wollte sie einen Höflichkeitsbesuch bei mir abstatten." Liz lachte. „Neugierde wäre das richtigere Wort, denke ich."

William runzelte die Stirn. „Ja, Neugierde trifft es wohl am ehesten," murmelte er.

„Erzähl mir von ihr," verlangte Liz, aber William schüttelte den Kopf.

„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Wir waren ein paar Monate zusammen, dann bin ich wegen meines Studiums nach Montreal gegangen und sie wollte nicht mit, also trennten wir uns. Ende der Beziehung."

Liz wurde ernst. „Ich glaube, sie hängt noch an dir."

„Das nützt ihr aber leider gar nichts, Mrs. Darcy," sagte William und erstickte jede weitere Diskussion mit einem langen, leidenschaftlichen Kuß.

Als William an diesem Abend nach hause fuhr, fühlte er sich gar nicht gut. Er grübelte darüber nach, ob Laura, wäre er später gekommen, Liz etwas erzählt hätte. Aus welchem Grund sollte sie sie aufsuchen? Pure, harmlose Neugierde, wer seine Ehefrau war? Ihm einfach nur einen kleinen Schrecken einjagen? Oder Liz darüber in Kenntnis setzen, was sie für einen verlogenen Mistkerl geheiratet hatte? Einen Mistkerl, der seine schwangere Frau betrogen hatte, während sie im Krankenhaus lag?

William seufzte niedergeschlagen. Er hatte sich die Suppe selbst eingebrockt, natürlich. Wäre es vielleicht doch am besten, er würde Liz alles gestehen? Aber was würde es bringen? Sie, die am Anfang ihrer Beziehung so große Schwierigkeiten mit dem Wissen um seine ehemaligen Freundinnen hatte, die sich so bemüht hatte, ihre Eifersucht, ihre Unsicherheit, ihre Ängste in den Griff zu bekommen und ihm nach langer Zeit endlich glaubte, daß ihm all diese Frauen komplett gleichgültig waren. Sie würde ihn hassen, oder vielmehr, sie wäre unendlich enttäuscht von ihm. Sie würde ihn möglicherweise sogar verlassen, er würde seine Tochter niemals kennenlernen, sie nicht aufwachsen sehen, nie mehr neben Liz einschlafen und mit ihr aufwachen… es würde ihn umbringen. Er konnte sich ein Leben ohne sie einfach nicht vorstellen. Der Gedanke, seine Tochter nicht sehen zu dürfen, machte ihn krank. Nein, er brachte den Mut einfach nicht auf, ihr die Wahrheit zu sagen.

Aber was wäre, wenn Laura ihn in Zukunft nicht in Ruhe lassen würde? Wenn sie es wäre, die Liz die Wahrheit sagte? Wenn sie versuchen würde, sich wieder in sein Leben zu drängen? Oder aber Liz würde es vielleicht zufällig erfahren. Vielleicht tratschte es Laura herum und sie erfuhr es durch jemand anderen? War Laura nicht sogar mit Caroline Bingley bekannt? Liebe Güte…

William verfluchte sein Schicksal. Warum hatte er nicht fünf Minuten früher an diesem Abend das Krankenhaus verlassen? Warum hatte er sich von Lauras verdammten Titten so verlocken lassen? Warum mußte er gleich mit ihr in die Kiste springen? Warum, warum…

Liz hatte die Ärzte regelrecht angefleht, sie endlich nachhause gehen zu lassen und diese hatten schließlich zugestimmt, nachdem William versichert hatte, daß er zwei Krankenschwestern engagiert hatte, die rund um die Uhr die Pflege seiner Frau sicherstellten und die ihnen vom Krankenhaus vermittelt worden waren. Die beiden Damen waren älteren Semesters und seeeehr resolut. Selbst William wagte ihnen gegenüber keinen Widerspruch.

Liz mußte weiterhin liegen, aber zuhause fiel ihr das wesentlich leichter. Sie hatte hoch und heilig versprechen müssen, daß sie den strengen Anweisungen ihrer „Wärterinnen", wie sie sie heimlich nannte, Folge leisten würde. William selbst verbrachte den größten Teil des Tages an ihrer Seite und kümmerte sich liebevoll um sie.

Er entspannte sich langsam wieder. Laura hatte seit ihrem Besuch an Liz' Krankenbett nichts mehr von sich hören lassen und William hatte Hoffnung, daß es wirklich nur Neugierde gewesen war und sie ihn in Ruhe lassen würde. Liz hatte keinerlei Verdacht geschöpft und auch wenn sein Gewissen immer noch sehr belastet war mit dieser Sache – ihr beider Leben ging weiter und er konzentrierte sich vollkommen auf die Zukunft. In weniger als zwei Monaten wären sie zu dritt.

Immer noch nicht ganz ausgeräumt war der Konflikt zwischen den beiden Williams – Vater und Sohn. William senior hatte zwar Verständnis, daß sein Sohn sich um seine Frau kümmern wollte, aber es gab nun einmal Dinge, die seine Anwesenheit im Büro erforderten. Liz überzeugte William davon, daß sein Vater recht hatte und er den so mühsam geflickten Graben nicht wieder einreißen sollte. So verbrachte William ein paar Stunden pro Tag in der Robson Street und das Verhältnis zwischen Vater und Sohn besserte sich ganz allmählich wieder.

Williams Hoffnungen, daß Laura wieder so schnell aus seinem Leben verschwand wie sie hineingekommen war, erfüllten sich allerdings nicht. Eines nachmittags im neuen Jahr kam er nach Hause und ihn traf fast der Schlag, als er sie mit Liz zusammen im Wohnzimmer antraf. Sie lächelte zuckersüß, als er ins Zimmer trat.

„Hallo William. Entschuldige bitte, daß ich mich nicht schon früher nach dem Befinden deiner Frau erkundigt habe!" Sie wandte sich an Liz. „Ich muß mich auch wieder auf den Weg machen. Auf Wiedersehen, Elizabeth. Alles Gute. Ich hoffe, sie halten mich nicht für aufdringlich, wenn ich Anfang März einmal vorbeischaue und sie und ihre kleine Tochter besuche!"

Liz hatte keine Zeit für eine Antwort, da William Laura höflich, aber bestimmt aus dem Zimmer geleitete.

„Was willst du hier, Laura?" fragte er, nachdem er sie endlich vor der Haustür hatte.

„Deine reizende Frau besuchen, was dachtest du? Sie fühlt sich ziemlich allein, weißt du und freut sich über Gesellschaft. Ich denke, wir könnten gute Freundinnen werden."

„Ich möchte nicht, daß du Liz weiter besuchst."

„Ach nein? Warum? Hast du Angst, ich verrate ihr unser kleines Geheimnis?"

William biß die Zähne zusammen. Wie er solche Spielchen haßte! Aber er hatte es sich selbst zuzuschreiben…

„Geh jetzt."

Laura lächelte spöttisch und küßte ihn zart auf die Wange. „Wiedersehen, William. Bis bald!"

William betrat zögernd das Haus.

„Was wollte sie denn wieder hier?" fragte er Liz, die ihn nur fragend ansah.

„Keine Ahnung. Sie will anscheinend mit mir Freundschaft schließen oder so. Ich hatte sie nicht gebeten, mich hier zu besuchen, aber ich kann sie schlecht abweisen, oder?" Sie zögerte. „Obwohl ich sagen muß, daß ich nicht sonderlich wild darauf bin, mit einer deiner Ex-Beziehungen Freundschaft zu schließen."

„Du mußt mit ihr keinen Umgang pflegen, Liebling."

„Ich habe sie auch nicht dazu ermutigt. William, ich habe den Verdacht, sie sucht nach einer Möglichkeit, wieder in dein Leben zu kommen."

Los Darcy, sag es ihr jetzt! Du alter, elender Feigling!

William sagte nichts. Er setzte sich an Liz' Seite, zog sie an sich und nahm sie fest in die Arme. „Ich möchte das genauso wenig, Liz. Wie unsensibel von ihr, hier aufzukreuzen!"

Aber William wußte ziemlich sicher, daß das nicht der letzte Auftritt von Laura Bailey gewesen war und es machte ihm schwer zu schaffen.