Kapitel 26

Der Januar ging vorbei und Liz konnte endlich langsam absehen, daß die Schwangerschaft bald zuende sein würde. Im Haus war alles bereit. Das Kinderzimmer war komplett eingerichtet und wartete auf seine neue Bewohnerin und Liz zählte die Tage bis zum errechneten Termin. Ihre Geduld ging langsam zu Ende und ihretwegen hätte das Kind ruhig früher kommen können. Ganz davon abgesehen daß sie sich schrecklich unförmig fühlte und ihr die Liegerei und die Bewachung seitens ihrer „Wärterinnen" eindeutig auf die Nerven ging.

Dazu kam noch etwas anderes, was sie beschäftigte. Sie sagte zwar nichts zu William, aber das Interesse von Laura Bailey an ihr kam ihr irgendwie seltsam vor. Liz fragte sich, was die Frau wirklich von ihr wollte. Oder von William…

Glücklicherweise hörten sie vorerst nichts von Laura Bailey, aber William wußte nur zu gut, daß sie ihn erstmal in Sicherheit wiegen wollte. Er hatte praktisch zwei Möglichkeiten: er beichtete Liz seinen Fehltritt selbst oder Laura würde ihm diese „Aufgabe" irgendwann einmal abnehmen. Er fragte sich immer wieder, was ihr das brachte. Berauschte sie sich an der Macht, die sie damit über ihn zu haben glaubte? Glaubte sie, sie würde ihn mit solchen Spielchen zurückerobern können? Wollte sie einfach aus Neid, Eifersucht und Zorn eine glückliche Ehe zerstören? Wahrscheinlich eine Mischung aus allen dreien, dachte er.

Er wußte tief im Innern, daß er Liz davon erzählen sollte. Und eher früher als später. Allerdings war seine Angst viel zu groß,daß sie ihn verlassen würde. Und wenn sie das nicht tat, wäre ihr Vertrauen in ihn zumindest auf längere Zeit erschüttert und würde möglicherweise auch über kurz oder lang zur Trennung führen. Nein, er brachte es einfach nicht fertig. Wenn es sein mußte, würde er mit seiner Familie wegziehen, weg aus Vancouver und damit aus Lauras Nähe.

Aber das war auch ein alberner Gedanke. Laura würde sie zwar nicht mehr besuchen können, aber sie konnte ihren giftigen Pfeil per Telefon, Brief oder Email abschicken… Wenn sie ihm schaden wollte, konnte sie das auch aus der Ferne tun, keine Frage.

Zunächst jedoch gab es wichtigere Dinge: Victoria Anne Darcy hatte es sich in den Kopf gesetzt, endlich zur Welt zu kommen. Ihre leidgeprüfte Mutter, die jetzt schon seit Dezember mehr oder weniger 24 Stunden am Tag gelegen hatte, vergoß Tränen der Freude und Erleichterung, als die Wehen endlich einsetzten. William und sie hatten auf der Couch gekuschelt und Fernsehen geschaut, als sie die ersten Schmerzen spürte. Sie war vollkommen ruhig und gab ihrem Mann Anweisungen, was nun zu tun war. William hingegen war ein Nervenbündel. Er wollte sie bereits beim ersten kleinen Zwicken ins Krankenhaus fahren und hatte schon ihre kleine Reisetasche ins Auto geschleppt, aber Liz hielt ihn zurück.

„Kein Grund zur Eile, Hon. Ich habe keine Lust, daß die mich wieder nach hause schicken, weil es noch so lange dauert. Im übrigen halte ich es für keine gute Idee, wenn du mich fährst. Ich werde Jane anrufen."

„Ich werde wohl meine eigene Frau ins Krankenhaus fahren können," schnaubte William verärgert, aber Liz grinste nur. „Du darfst natürlich mitfahren, Liebling. Aber sieh dich an. Du bist so nervös, daß deine Hände regelrecht zittern. Willst du uns gegen den nächsten Baum fahren? Nein, Jane weiß Bescheid, sie macht das. Zieh dich in der Zwischenzeit an, wenn du mitkommen willst."

William widersprach nicht und stellte fest, daß er schlecht in seiner alten, bequemen Jogginghose und seinem Lieblings Vancouver Canucks T-Shirt mitfahren konnte. Während er sich umziehen ging, rief Liz ihre Schwester an und Jane traf fünfzehn Minuten später ein.

William wunderte sich über die Ruhe, die seine Frau ausstrahlte, aber auch Jane war vollkommen ruhig und gelöst. Die beiden ließen sich viel Zeit und machten Scherze – hauptsächlich auf seine Kosten – und Liz fühlte sich offenbar sehr gut. Nur ab und zu atmete sie scharf ein, wenn eine weitere Wehe kam. William bemühte sich, seine Nervosität zu verbergen – schließlich hatte er eingewilligt, bei der Geburt dabeizusein. Er hoffte bloß, er würde sich nicht blamieren. Die Vorstellung, ohnmächtig aus dem Kreißsaal getragen zu werden, fand er nicht so angenehm.

Aber William hielt sich sehr tapfer. Im Krankenhaus angekommen, ließ er Liz keine Sekunde aus den Augen. Sie kam relativ schnell in den Kreißsaal und William blieb furchtlos an ihrer Seite. Er stand alles heldenhaft gemeinsam mit ihr durch und wurde auch nicht ohnmächtig.

Jane beschäftigte sich damit, die Darcys und Charles anzurufen, während Liz das große Glück hatte, eine schnelle Geburt zu erleben.

Anne, William senior, Georgie und Charles waren schon lange anwesend, als ein blasser, aber überglücklicher William erschöpft aus dem Kreißsaal kam und ihnen die Geburt seiner Tochter Victoria Anne Darcy bekanntgab.

Alle umarmten, küßten und drückten ihn fast gleichzeitig und schnatterten aufgeregt durcheinander, während Liz in ein Krankenzimmer verlegt wurde. Nach ein paar Minuten ging William wieder zu ihr – der Rest der Familie würde sie und das Neugeborene am nächsten Tag besuchen können. Auch William wurde es nur kurz gestattet, sie zu sehen.

Er betrat leise den Raum. Liz saß aufrecht im Bett und hielt ihre kleine Tochter im Arm. Sie lächelte ihn glücklich an. William weinte, als er dieses Bild sah. So viel Spannung fiel von ihm ab, so glücklich war er, daß alles gut gegangen war, daß sie endlich hier war, die kleine Victoria. Auch Liz hatte Tränen in den Augen. Sie klopfte leicht auf den Rand ihres Bettes und winkte William zu sich. Vorsichtig ließ er sich an ihrer Seite nieder, küßte Liz zärtlich auf die Stirn und betrachtete dann staunend das kleine Wesen, das friedlich in den Armen seiner Mutter schlief. Sie war so klein, so zerbrechlich! Ein Büschel dunkler Haare lugte vorwitzig aus der Decke hervor, ihre kleine Hand klammerte sich im Schlaf an den weichen Stoff.

„Sie hat die gleichen dunklen Locken wie ihr Daddy," flüsterte Liz und schaute den frischgebackenen Vater liebevoll an. William hatte einen Kloß im Hals. Er wußte nicht, was er sagen sollte, er war einfach nur überglücklich. Glücklich und erleichtert, daß Liz alles gut überstanden hatte. Er brachte nur ein Nicken zustande.

Die beiden hielten sich im Arm, betrachteten schweigend ihre Tochter und hätten vermutlich die restliche Nacht so verbracht, wenn nicht nach zehn Minuten eine Krankenschwester hereingekommen wäre und William mehr oder weniger rausgeschmissen hätte.

„Ihre Frau braucht jetzt Ruhe, Mr. Darcy, und sie sicherlich auch. Morgen früh können sie wiederkommen." Sie nahm Victoria an sich und trug sie auf die Kinderstation.

William erhob sich zögernd, aber Liz nickte. „Geh dich ausruhen, William. Du brauchst deine Kräfte noch, Hon." Sie lächelte und er beugte sich zu ihr hinunter, um sich mit einem Kuß zu verabschieden.

„Bis morgen, Liebling. Ich liebe dich."

„Ich liebe dich auch, William."

William war überrascht aber erfreut, daß seine Eltern und Georgie draußen auf ihn gewartet hatten.

„Schlaf heute nacht bei uns, Sohn," schlug Anne vor. „Vielleicht können wir dann morgen zusammen ins Krankenhaus fahren. Ich bin ja so gespannt, die kleine Victoria zu sehen!"

William willigte ein, froh darüber, heute nacht nicht alleine sein zu müssen. Allerdings stand ihm der Sinn nicht so sehr nach reden, wenngleich seine Mutter die ganze Fahrt über davon erzählte, wie aufregend es doch sei, Großmama zu werden.