Kapitel 28

„Was gibt es?" fragte er unfreundlich. Laura lachte leise.

„Was soll es denn geben? Ich wollte dir gratulieren. Wie alt ist das Kind jetzt...drei Monate? Was ist es überhaupt?"

William mußte sich sehr zusammenreißen, um das Telefon nicht in hohem Bogen in den Pool zu werfen. Er zählte leise bis fünf und holte tief Luft.

„Danke. Gibt es sonst noch etwas, ich habe nicht viel Zeit."

„Ach William, warum bist du denn so unfreundlich? Ich würde dich gerne mal wieder sehen."

William schloß die Augen. „Das geht nicht."

„Ach nein? Hm. Ich denke, du hast nichts dagegen, wenn ich deiner Frau einmal einen Besuch abstatte. Ich möchte mir zu gerne das Baby anschauen."

„Wir möchten das nicht."

Wir? Ich bin sicher, deine ahnungslose Gattin würde sich sehr über meinen Besuch freuen. Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen – es gibt viel zu erzählen."

William machte sich keine Illusionen darüber, was sie mit „viel zu erzählen" meinte.

„Moment," sagte er ins Telefon, stand auf, bat seine Mutter, kurz auf Vicky aufzupassen und ging ein Stück in den Garten, um ungestört zu sein. Er wand sich innerlich, als er den sowohl fragenden als auch verwunderten Blick seiner Mutter bemerkte. Sie nahm Vicky jedoch kommentarlos an sich und sah ihrem Sohn nachdenklich hinterher, der in Richtung Grillplatz verschwand.

Er mußte Zeit gewinnen. Es kam gar nicht in Frage, daß Laura ihn erfolgreich erpreßte.

„Hör zu. Du wirst mich und meine Familie zufrieden lassen, Laura. Ich lasse mich nicht von dir erpressen. Ich werde dich nicht treffen und du wirst mich auch nicht mehr anrufen."

Laura kicherte. „Ooch William, glaube nicht, daß du mir so einfach davonkommst. Deine Frau weiß von nichts. Sie würde dich umgehend verlassen und das Kind mitnehmen, wenn sie wüßte, daß du sie betrogen hast, das kannst du mir glauben."

Bevor William etwas sagen konnte, fuhr sie fort. „Ernsthaft, William. Wir haben bei meinen Besuchen über dieses Thema gesprochen – ich habe sie sehr geschickt ausgehorcht. Sie ist sehr eifersüchtig, deine süße Liz, aber auch sehr entschlossen. Diese Frau liebt dich zwar abgöttisch, aber sie verzeiht keinen Fehltritt."

William wußte instinktiv, daß sie recht hatte. Aber er würde sich nicht erpressen lassen, niemals.

„Wie gesagt, Laura, laß mich und meine Familie in Ruhe. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen."

„Denk darüber nach, William. Du hast es schon einmal getan, und wir hatten eine Menge Spaß. Ich verlange ja noch nicht einmal, daß du dich von Liz trennst. Ich gebe mich ja schon mit ein paar Besuchen von dir zufrieden."

„Niemals, Laura."

Bevor sie noch etwas dazu sagen konnte, unterbrach er die Verbindung. Mit einer Mischung aus Wut, Frust und Hilflosigkeit ließ er sich auf einem der großen Steine hinter dem Grillplatz nieder. Was konnte er bloß tun, ohne daß Liz darunter leiden mußte? Wie konnte er seine Familie beschützen?

William ging im Geiste seine Möglichkeiten durch. Er konnte nachgeben und Laura ab und zu besuchen. Liz würde zwar nichts davon erfahren, aber er würde ihr nie wieder in die Augen sehen können. Nein, niemals. Laura hätte ihn immer in der Hand, egal wie häufig er sie besuchen würde. Und wer wußte, was ihr noch so alles einfallen würde. Schnell könnte sie Gefallen daran finden, ihre „Zuneigung" auch auf seine Geldbörse auszudehnen. William überlegte. Sollte er ihr vielleicht Geld anbieten? Ihr Schweigen erkaufen? Das wäre zumindest eine Möglichkeit. Sicher wäre sie käuflich, es kam nur auf den richtigen Betrag an. Damit könnte sie sich Männer kaufen, so viele sie wollte, dachte er wütend. Trotzdem bliebe es immer noch Erpressung.

Was gab es noch? Er konnte Liz davon erzählen, daß Laura ihm nachstellte. Würde er dabei seinen Fehltritt beichten müssen? Hm. Es wäre ein sehr, sehr schmaler Grat, auf dem er wandeln würde. „Liz, ich brauche deine Hilfe. Kannst du dich an Laura erinnern? Die ich zufällig im Krankenhaus getroffen habe? Was soll ich bloß tun, seitdem läßt sie mich nicht mehr in Ruhe, belästigt mich... will mich wieder zurückhaben..."

Wie würde Liz reagieren? Sie würde zunächst keinen Verdacht schöpfen, daß da mehr dahintersteckte. Nur eine weitere Unglückliche, die sich unsterblich in William verliebt hatte. Ziemlich lästig, aber so etwas kam vor. Wahrscheinlich würde sie aber irgendwann mit Laura reden wollen und spätestens dabei käme es heraus... „...und hat William dir auch gesagt, daß er schon einmal bei mir schwach geworden war? Heiligabend? Kannst du ruhig glauben." Liz würde es erst wahrscheinlich nicht glauben wollen, sich dann aber doch letztlich überzeugen lassen. Richtige Beweise hatte Laura nicht, aber aus welchem Grund sollte sie so etwas behaupten. Zumindest ein Stachel des Zweifels würde bestehen bleiben. William wußte, er würde Liz nicht anlügen können. Er würde die Wahrheit sagen, wenn sie explizit danach fragte. Außerdem wollte er sich nicht hinter seiner Frau verstecken. Das Problem mußte er ganz alleine lösen.

Dann gab es natürlich noch die einzig ehrliche Möglichkeit – Liz alles zu beichten. „Weißt du noch, Heiligabend? Es ging dir schlecht, du warst kaum wach, hattest Schmerzen, dir war schlecht, du hattest Angst – die Ärzte hatten schon überlegt, ob sie die Geburt einleiten sollten, so elend ging es dir... tja...Heiligabend, als ich Laura zufällig getroffen hatte und noch keine Stunde später mit ihr im Bett gelandet bin... Keine Angst, Liebes, das war ein einmaliger Ausrutscher, kommt nicht wieder vor...ich liebe sie nicht, es steckt auch nichts weiter dahinter...aber ich war so frustriert, hatte solche Angst um dich, war so alleine...da ist es halt passiert... verzeihst du mir?" Er hätte den letzten Satz noch nicht beendet, da hätte Liz bereits ihren Koffer gepackt und wäre mit Vicky ausgezogen und aus seinem Leben verschwunden. Ohne sich auch nur noch einmal umzudrehen. Er saß ganz schön in der Tinte.

William blinzelte in die Sonne und wünschte sich weit, weit weg von hier. Wie sollte er am besten vorgehen? Liz und Vicky einpacken und auf eine einsame Insel ziehen, wo sie niemand erreichen konnte, niemand finden würde? Ohne Verbindung mit der Außenwelt. Ja, das würde ihm gefallen. Liz im knappen Bikini, den er ihr langsam ausziehen würde, ihr gebräunter Körper unter der Sonne, sie würden sich jede Nacht bis zur Besinnungslosigkeit unter dem Sternenzelt lieben... Bevor er sich weiteren angenehmen Tagträumen hingeben konnte, riß er sich zusammen. Er hatte wichtigere Probleme zu lösen und vor Laura davonlaufen würde er ganz sicher nicht.

Hm. Nachgeben kam nicht in Frage, Liz alles zu erzählen ebenfalls nicht. Dafür schämte er sich. Er verschwieg ihr etwas mit Absicht, er hatte sie immerhin mit einer anderen Frau betrogen. Aber er hatte solche Angst, daß sie ihn verlassen würde. Und diese Angst war mehr als berechtigt, das wußte er.

Es war nicht einfach, aber er faßte einen vorläufigen Entschluß. Fürs erste würde er nichts unternehmen. Sollte Laura sich noch einmal melden, würde er es mit Geld versuchen. Sicher würden sie ein paar hunderttausend Dollar überzeugen.

Sollte sie ihm zuvorkommen und Liz alles erzählen, würde er sehen müssen, wie er aus der Sache wieder herauskam. Er war davon überzeugt, dass Laura noch nicht so bald schwere Geschütze auffahren würde. Es war ja offenbar so viel lustiger, ihn erst ein bißchen zappeln und im ungewissen zu lassen, bis sie ihre nächsten Schritte plante.

Auf alle Fälle würde er Stärke und Gleichgültigkeit demonstrieren, ihr drohen, sie wegen Erpressung anzuzeigen, wenn sie ihn nicht in Ruhe ließ. Ja, das könnte möglicherweise gelingen. Wenn er sie davon überzeugen konnte, daß sie ihm nichts anhaben könnte, wenn er den Spieß einfach herumdrehte...

William war ein wenig getröstet und fühlte sich schon besser. Er hatte ernsthaft über seine Möglichkeiten nachgedacht und war mittlerweile überzeugt, daß er aus der ganzen Geschichte ohne große Blessuren herauskommen würde. In etwas besserer Stimmung packte er sein Telefon ein und machte sich auf den Weg zurück zur Terrasse, wo Liz mittlerweile Platz genommen hatte.

Sein Herz machte einen kleinen Satz, als er das Bild genoß, daß sich ihm bot. Seine Frau, die langen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, ganz lässig in Jeans, weißem T-Shirt und schwarzer Lederjacke, saß auf einer gepolsterten Gartenbank und hielt ihre gemeinsame Tochter im Arm, die vergnügt giggelte und ständig versuchte, nach ihrem langen, roten Strähnen zu greifen. Anne sah den beiden lächelnd zu und sagte etwas zu Liz, die darüber lachte und zustimmend nickte.

Nein, Laura Bailey', dachte William entschlossen, ‚du wirst mir mein Familienleben nicht kaputt machen!'

Alle drei Frauen, Victoria inklusive, so wie es schien, strahlten ihn an, als er die Terrasse betrat. William grinste, ließ sich neben Liz nieder und küßte sie zur Begrüßung. Am liebsten hätte er nicht mehr damit aufgehört. Er sehnte sich danach, sie in seinen Armen zu halten, sie hemmungslos die ganze Nacht durch zu lieben, morgens mit ihr aufzuwachen. Ganz ohne Störungen. Zum ersten Mal fand er die Idee, Vicky für eine Nacht bei ihrer Großmutter zu lassen, sehr verlockend.