Kapitel 34

Elizabeth fragte am nächsten Morgen Mrs. Mayers, ob sie auf Vicky aufpassen könnte, wenn sie sich mit William traf.

„Natürlich, Liebes. Nehmen sie sich alle Zeit der Welt."

„Danke." Liz rührte gedankenverloren in ihrem Kaffee. „Möglicherweise sind sie uns bald los, Mrs. Mayers."

„Das fände ich persönlich zwar sehr schade, aber noch mehr würde mich freuen, wenn sie zu ihrem Mann zurückkehren und wieder glücklich sind. Nicht, daß ich sie loswerden will,"lächelte sie und drückte Vicky liebevoll an sich. Dann schaute sie Liz aufmerksam an. „Glauben sie, daß sie für eine Rückkehr bereit sind, Elizabeth?"

Liz zuckte mit den Schultern. „Das will ich morgen herausfinden. Ich habe William zwar verziehen, aber ich kann seinen Seitensprung einfach nicht vergessen. Ich weiß nicht, ob ich es ertragen kann, wieder mit ihm..." sie brach ab und schluckte hart. „Nun ja, ein gemeinsames Bett mit ihm zu teilen."

„Tun sie nichts gegen ihre Überzeugung," riet ihre Vermieterin und Freundin. „Es ist jedoch schon einmal positiv, daß sie ihm immer noch zärtliche Gefühle entgegenbringen. Ich bin sicher, es renkt sich alles wieder ein. Und wenn ihr kleiner Sohn erstmal da ist..."

Liz nickte nachdenklich. Ob es jemals wieder so wie früher werden würde?

Am nächsten Morgen klingelte es gegen zehn Uhr an Elizabeths Tür und eine aufgelöste Mrs. Mayers stand vor ihr.

„Es tut mir so leid, Miss Elizabeth, ich kann nicht auf Vicky aufpassen. Meine Schwester rief gerade an, ihre Tochter hatte einen Unfall und ich muß sofort zu ihr..." Die ältere Dame war ganz aufgewühlt. „Jamie holt mich gerade ab, ich muß gehen...entschuldigen sie, ja?"

Bevor Liz auch nur ein Wort sagen konnte, war sie bereits wieder verschwunden. Sie konnte noch nicht einmal fragen, wie schwer die Verletzung ihrer Nichte war.

Hm. Was konnte sie tun? Vicky mitnehmen kam nicht in Frage. Kurzentschlossen rief sie Jane an, aber die war nicht zuhause. Anne war natürlich auch kein Thema, genausowenig wie die Nachbarinnen. Mist! Wenn sie sich nicht beeilte, käme sie zu spät. Sollte sie William anrufen und den Termin verschieben? Nein, sie wollte es hinter sich bringen. Außerdem würde er natürlich sagen, daß sie die Kleine mitbringen sollte, aber das wollte sie nicht. Daß sie ihm schon so lange seine Tochter vorenthielt, war schlimm genug. Wenn Vicky jetzt mitkam, würde die Sache viel zu emotional werden.

Schließlich hatte sie eine Idee, die ihr zwar auch etwas gegen den Strich ging, aber es war ihre einzige Möglichkeit. Seufzend zog sie Victoria an und fuhr mit ihr nach Downtown Vancouver, zu Charlottes Buchladen.

Selbstverständlich waren die Straßen verstopft und die Zeit lief ihr unerbittlich davon. Als der Kundenparkplatz vor dem Buchladen prompt frei war und sie ihren Audi dort abstellte, stahl sich ein wehmütiges Lächeln über ihr Gesicht, als sie an Williams Porsche dachte, der dort vor Jahren für soviel Ärger gesorgt hatte. Was war seitdem alles geschehen... aber jetzt war keine Zeit für Nostalgie, sie brauchte einen Unterschlupf für ihre Tochter, oder sie hatte ein Problem.

Liz betrat den Laden mit Vicky auf dem Arm. Es waren keine Kunden anwesend, aber auch von Charlotte war nichts zu sehen.

„Hallo!" rief eine Stimme von der Balustrade und ein Kopf erschien am oberen Treppengeländer. George Wickham winkte ihr fröhlich zu und stand wenige Augenblicke später neben ihr.

„Guten Morgen, Mrs. Darcy!" begrüßte er sie freundlich und wandte sich dann Vicky zu. „Und noch eine attraktive, junge Lady, die mir den frühen Morgen versüßt!" Vicky gluckste, als er ihren Fuß kitzelte. „Was darf ich für sie tun, Ma'am?"

Liz lächelte dem wortgewandten Mitarbeiter ihrer Freundin zu. Es sollte ja Frauen geben, die solche Schmeichler mochten – ob er Charlotte praktisch in sein Bett gequatscht hatte...? „Hallo George. Ist Charlotte nicht da?"

„Nein, tut mir leid. Sie hat heute vormittag einen Termin. Ich erwarte sie gegen zwei heute mittag. Kann ich ihnen irgendwie weiterhelfen?" George machte weiterhin Faxen mit Vicky, die darauf natürlich abfuhr.

Liz seufzte vernehmlich. „So ein Mist!" George schaute sie fragend an.

„Ach, ich hatte gehofft, ich könnte Vicky für ein paar Stunden hier in Charlottes Obhut lassen, ich habe einen Termin und meiner Nachbarin, die sie hüten wollte, kam etwas dazwischen." Sie dachte angestrengt nach und schaute auf die Uhr.

George taxierte die junge Frau und stellte insgeheim einige Überlegungen an. Mrs. Darcy hatte keine Kinderfrau, keine Bedienstete, die auf die Tochter aufpassen konnte? Sie gab die Kleine zur Nachbarin? George konnte es kaum glauben. Sollte Darcy über nacht verarmt sein? Oder so geizig, daß er sich kein Personal leisten wollte? Wickham konnte sich das nicht vorstellen. Die Darcys hatten immer im Luxus gelebt und William war ganz gewiß keine Ausnahme. Es wäre interessant gewesen zu erfahren, was hinter der Geschichte steckte. Mrs. Darcy hatte einen Termin, von dem ihr Mann nichts wußte und nichts wissen durfte war auch noch eine Option. Hm... Was ließ sich damit nur anfangen? Eine vage Idee formte sich in seinem Kopf...

„Wenn sie möchten, lassen sie die Kleine doch einfach bei mir! Es ist nicht so viel los, und ich kann gut auf sie aufpassen. Sie würde mich nicht im geringsten stören."

Liz runzelte die Stirn. Sie kannte den Mann nicht, aber so gesehen war er ja kein Fremder. Er war Charlottes Mitarbeiter, er war nett und schien mit Kindern umgehen zu können. Sie würde ja auch nicht lange wegbleiben, nicht wahr?

Zögernd stimmte sie zu. „Das würde mir sehr helfen, George. Ich beeile mich und bin hoffentlich in ein, zwei Stunden wieder hier." Sie reichte ihm Vicky, die sich auf seinem Arm sofort wohlzufühlen schien. „Macht es ihnen auch wirklich nichts aus?" George schüttelte den Kopf, lächelte das Mädchen an und Vicky giggelte erfreut zurück.

„Vielen Dank!" sagte Liz noch einmal, gab Vicky einen Kuß und eilte dann nach draußen, George noch einmal zuwinkend. Wickham lächelte freundlich und schaute mit dem Kind auf dem Arm dem schwarzen Audi nach, der die Georgia Street hinabdüste.

„So, meine Süße," sagte er, als er wieder im Laden stand, „da bin ich mal gespannt, was du deinem großkotzigen Daddy so wert bist."

Mit nur zehnminütiger Verspätung kam Liz schließlich an. Von außen sah das Haus aus wie immer, alles war gepflegt und ordentlich. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Was hatte sie erwartet? Daß er alles verkommen ließ?

Natürlich hätte sie auch ihren Schlüssel benutzen können, aber sie klingelte. Nur wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür und William stand vor ihr. Gekleidet in schwarzen Jeans und weißem Hemd, sehr sexy am Kragen offenstehend, Lesebrille auf der Nase, ein Dokument in der Hand. Und immer noch trug er diesen gräßlichen Vollbart.

„Hallo, Liz," sagte er ruhig und ließ sie eintreten.

„Guten Morgen, William." Liz schaute sich um und auch im Innern des Hauses war alles unverändert. Die Wohnung war aufgeräumt, die Möbel waren die gleichen. Es war, als wäre sie nie weggewesen.

„Entschuldige, ich war gerade im Arbeitszimmer." William lief in sein Büro, um das Dokument auf den Schreibtisch zu legen und Liz folgte ihm zur Tür. Zu ihrem Erstaunen lag Bettzeug auf der großen Couch.

William sah ihren fragenden Blick und lächelte wehmütig.

„Ich schlafe hier, seit du ausgezogen bist," erklärte er. „Das Bett im Schlafzimmer ist mir zu groß und zu leer. Ohne dich." fügte er leise hinzu und wandte den Blick ab. Liz wußte darauf nichts zu sagen. „Komm, laß uns ins Wohnzimmer gehen," schlug William schließlich vor.

Liz nahm in ihrem Lieblingssessel platz und William setzte sich ihr gegenüber. Sie waren beide äußerst nervös und fühlten sich, als würden sie mit rohen Eiern jonglieren müssen.

„Wie geht es dir, Liz? Und Vicky?"

„Danke, gut. Und dir? Du siehst so...nun ja, verändert aus." Sie rümpfte die Nase, als sie seinen Bart begutachtete.

„Erspart mir das Rasieren."

„Wirst du den Bart behalten?"

„Wieso nicht? Hast du ein Problem damit?"

„Mir gefällt er nicht."

„Mir schon."

„Er macht dich zehn Jahre älter."

„Stört mich nicht."

Liz funkelte ihn an, sagte aber nichts mehr dazu.

Toll. Sie wollten über ihre Ehe reden und als erstes gerieten sie in Streit über diesen dämlichen Bart, dachte William. Aber er war nicht in der Stimmung, um jeden Preis nachzugeben. Er hatte immer noch den fremden Mann vor Augen, der mit seiner Tochter durch den Garten lief und es machte ihn wild. William zwang sich zur Ruhe.

„Ok, laß uns nicht streiten," sagte er schließlich und holte tief Luft. „Hast du...bist du mittlerweile zu einer Entscheidung gekommen? Entschuldige, wenn ich so direkt frage, aber ich bin nun mal kein Freund von Geplänkel. Laß uns sachlich miteinander reden."

Liz hätte sich denken können, daß er keine Zeit verlieren und ganz direkt fragen würde, aber trotzdem erwischte er sie irgendwie auf dem falschen Fuß.

„Nun ja...ich bin mir nicht so sicher...ich weiß nicht, ob..." sie druckste ein bißchen herum und William verlor die Nerven.

„Elizabeth. Du hast mich vor fast acht Monaten verlassen mit dem Wunsch, über unsere Ehe nachzudenken und herauszufinden, ob du mir vergeben kannst oder lieber die Scheidung willst. Als definitiv schuldige Partei habe ich deiner Bitte entsprochen und dich die ganze Zeit über in Ruhe gelassen. Ich habe keinen Kontakt aufgenommen, auch wenn es mir innerlich das Herz zerrissen hat, vor allem auch, weil ich meine Tochter nicht sehen durfte. Es ist untertrieben wenn ich sage, es war keine besonders schöne Zeit. Aber ich habe mein Versprechen gehalten. Als du vor zwei Tagen anriefst und sagtest, daß du mit mir reden willst, habe ich selbstverständlich angenommen, daß du zu einer Entscheidung gelangt bist. Überflüssig zu sagen, daß die letzten zwei Tage ziemlich schlimm für mich waren. Liz, ganz ehrlich, ich bin ziemlich am Ende mit meiner Geduld und meiner Kraft und ich möchte von dir endlich eine klare Aussage. Eine weitere Ungewißheit ertrage ich nicht." Er holte tief Luft und sah seine Frau bekümmert, aber entschlossen an. „Und bitte sei ehrlich. Wenn du in der Zwischenzeit eine neue Beziehung eingegangen bist und die Scheidung willst – ich werde dir keine Schwierigkeiten machen. Vicky ist offenbar ganz angetan von deinem neuen Freund." Der letzte Satz war kaum hörbar.

Liz' Gesichtsausdruck hatte sich, während er sprach, von „schlechtem Gewissen" zu „überaus großem Erstaunen" verändert. „Was meinst du mit „mein neuer Freund", William?" fragte sie verständnislos.

Er seufzte und rieb sich müde die Augen. Warum stritt sie das jetzt ab? Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. „Als wir uns letzte Woche zufällig getroffen haben, hatte ich vorgehabt, dich zu besuchen um mit dir über alles zu reden. Jane hat mir deine Adresse gegeben." Liz fuhr empört auf. „Nein, bitte mach ihr keine Vorwürfe, ich habe sie mit Engelszungen und Bingleys Hilfe dazu überredet. Ich bin also zur angegebenen Adresse gefahren und habe einen fremden Mann gesehen, der im Garten mit Vicky gespielt hat." Immer noch zog sich sein Herz zusammen bei der Vorstellung, daß dieser Kerl seiner Tochter näherstand als er selbst. „Er hat sie geküßt, ihr habt miteinander gelacht und überhaupt sah es aus, als hättet ihr intimeren Umgang." William warf einen Blick auf ihren Bauch. „Bitte sag mir nur eins: Ist es sein Kind?"

Der erstaunte Ausdruck auf Elizabeths Gesicht verwandelte sich in Ärger und Ungläubigkeit. Das meinte er nicht ernst, oder?

„Du willst mich allen Ernstes beschuldigen, ein Verhältnis zu haben? Ein Kind von einem anderen Mann zu bekommen?" Liz schüttelte fassungslos den Kopf. „Du stellst einfach Behauptungen auf, ohne die Hintergründe zu erfragen? Du ziehst Schlüsse aus einer völlig harmlosen Szene, die du gar nicht beurteilen kannst? Ich kann es nicht glauben, William." Sie redete sich in Rage. „Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie oft ich während unserer Ehe Grund zur Annahme hatte, daß du dich mit anderen Frauen abgibst? Nur anhand von „optischen Eindrücken"? Glaubst du, es war für mich angenehm zu sehen, wie dich fremde – und bekannte! – Frauen schamlos anbaggern und du ihnen noch nicht einmal Einhalt gebietest? Ich habe dir aber immer vertraut, hatte immer das Gefühl, die einzige für dich zu sein. Das du mich trotzdem betrogen hast, hat mich über alle Maßen verletzt, aber ich habe dir verziehen, auch wenn ich es sicher niemals ganz vergessen kann. Und jetzt siehst du einen Mann, der mit deiner Tochter spielt und gehst davon aus, ich hätte ein Verhältnis mit ihm und er wäre der Vater meines Kindes… Du bist so ein verdammter, selbstgerechter Macho." Liz schüttelte den Kopf, immer noch schockiert.

„Ach ja? Und wer ist der Kerl?"

„Es geht dich zwar nichts an, aber er ist der Sohn meiner Vermieterin."

Sie starrten sich schweigend an, keiner wollte nachgeben und jeder fühlte sich im Recht und vom anderen gekränkt.

William stand schließlich auf und ging ans Fenster. Es lief gar nicht gut zwischen ihnen, und er wußte, er hatte mit seiner verdammten Eifersucht und seinem verletzten Stolz einen recht großen Anteil daran. Michael Armitage, der Anwalt, hatte natürlich recht gehabt. Bevor er Liz eifersüchtige Vorwürfe machte, hätte er sie sachlich fragen sollen. Ihr zu unterstellen, daß das Kind nicht von ihm war, war allerunterste Schublade und seine Worte taten ihm bereits leid. Die Chance, daß sie und Vicky zu ihm zurückkehrten, schrumpfte von Minute zu Minute – er mußte einlenken, so schwer es ihm auch fiel. Aber Elizabeth kam ihm zuvor.

„Vielleicht ist es doch keine so gute Idee, wieder hier einzuziehen," sagte sie, sehr zu seinem Entsetzen. „Ich kann nicht mit dir zusammenleben, wenn du mir nicht vertraust und solange du Zweifel hast, daß du der Vater unseres Kindes bist…"

„Liz, bitte," sagte er leise und wandte sich ihr zu. „Ich habe keinen Zweifel. Bitte entschuldige, aber ich habe einfach überreagiert. Ich war so schockiert, als ich Vicky auf dem Arm eines fremden Mannes sah und ihr saht alle so glücklich aus… so harmonisch…" er schüttelte den Kopf, „ich war unglaublich eifersüchtig, verletzt, gekränkt, fühlte mich ausgeschlossen. So sollte mein Familienleben aussehen, mit dir, mit Vicky. Ich hatte Vicky bis dahin noch nicht laufen sehen, es hat mir fast das Herz gebrochen. Weißt du, was es für ein Gefühl ist, wenn du nach so langer Zeit deine Tochter wiedersiehst und dann ist da ein anderer, den sie offensichtlich sogar mag... in diesem Alter sind Väter anscheinend beliebig austauschbar. Ich könnte nicht ertragen, wenn sie sich von mir entfremden würde, mich irgendwann nicht mehr erkennt." Liz konnte seinen Kummer ziemlich gut nachvollziehen und fühlte sich elend. Sie wußte, wie sehr er an Vicky und auch an ihr selbst hing und acht Monate waren eine verdammt lange Zeit. Sie war in der Zwischenzeit schwanger geworden und auch davon war er ausgeschlossen gewesen. Jetzt alle Worte und Reaktionen auf die Goldwaage zu legen war ungerecht, denn das William mehr als frustriert und unglücklich war, war leicht nachzuvollziehen.

Aber was sollte sie tun? Aus Mitleid wieder zurückkommen war verkehrt. Gar keine Entscheidung zu treffen war grausam. Die Scheidung zu verlangen war übereilt – Liz war ziemlich sicher, daß sie das auch auf gar keinen Fall wollte. Sie wußte, daß sie William noch immer liebte, es stellte sich bloß die Frage, wie sie in Zukunft miteinander leben sollten. Vielleicht wie Bruder und Schwester mit getrennten Schlafzimmern? Das würde er nicht mitmachen. Nicht William! Wenn sie zurückkehrte, dann als seine „vollwertige" Ehefrau. Im gemeinsamen Schlafzimmer, keine Frage. Warum gab es keine einfache Lösung…

Schweigend standen sie sich gegenüber – keiner wollte den ersten Schritt tun. Schließlich faßte sich William ein Herz.

„Ich wollte dir einen Vorschlag machen, aber ich bin mir nicht sicher, ob das für dich in Frage kommt. Was hältst du davon, wenn du sozusagen auf Probe wieder hier einziehst? Du könntest in einem der Gästezimmer schlafen und hättest Zeit genug zu entscheiden, ob du es noch einmal mit mir versuchen willst. Ohne Verpflichtung und ohne Druck. Deine Wohnung kannst du ja solange behalten, falls du eine Rückzugsmöglichkeit brauchst oder mich nicht mehr sehen kannst." Er lächelte gequält. „Was hältst du davon?"

„Das ist ein sehr fairer und großzügiger Vorschlag, William. Du hättest ganz bestimmt kein Problem damit? Ich meine," sie zögerte etwas, „mit getrennten Zimmern?"

„Elizabeth, ich würde alles tun, um unsere Ehe zu retten."

Sie schaute ihn an. Mit dieser Lösung würde sie gut leben können, sie hätte nie gedacht, daß er die gleiche Idee hatte. Sie wären sich nahe und trotzdem hätte sie ihren Freiraum. „Ok, dann ist es abgemacht. Ich werde alles für das kommende Wochenende vorbereiten, wenn es dir recht ist?"

William nickte und lächelte erleichtert. „Natürlich. Darf ich dich am Samstag abholen?"

„Ja."

Sie standen sich – verlegen schweigend – einige Momente gegenüber. William hätte nichts lieber getan als sie in die Arme zu nehmen, aber Körperkontakt war absolut tabu. Solange er nicht von ihr ausging. Er war gespannt, wie lange er das aushielt – sie wieder hier im Haus und doch so fern von ihm...

„Ich muß gehen," sagte Liz schließlich. „Vicky abholen."

Er nickte, dann fiel ihm etwas ein. „Warte. Es kam Post für dich, offenbar ist was durch die Maschen der Adressumleitung geschlüpft. Es waren keine wichtig aussehenden Umschläge dabei, sonst hätte ich es dir irgendwie zukommen lassen... Sekunde, ich bin sofort wieder da."

Liz nickte und holte ihr Mobiltelefon heraus. Sie würde in der Buchhandlung anrufen und sicherstellen, daß George mit Vicky da wäre – nicht, daß er sie zur Mittagszeit mit nach draußen genommen hatte oder so. Zu ihrer Überraschung ging Charlotte ans Telefon.

William hörte Liz mit jemandem sprechen.

„...sagte, du bist erst gegen zwei zurück. Wie? Ja, mir geht es sehr gut, danke. Charlotte, kann ich George kurz sprechen?" Eine längere Pause entstand und Liz erstarrte. „Was meinst du, er ist nicht da? Du hast ihn noch gar nicht gesehen heute und er hat einfach den Laden abgeschlossen und ist gegangen?" Liz Unruhe steigerte sich eine leichte Panik. „Hat er wenigstens eine Nachricht hinterlassen? Hast du seine Telefonnummer?" Wieder eine Pause – offensichtlich war Charlotte etwas überrascht, warum Liz so aufgeregt war. „Charlotte, er hat Vicky bei sich! Vielleicht hat er einfach nur Mittagspause gemacht und sie mitgenommen..." Aber das glaubte sie selbst nicht so recht. Warum sollte er aber mit Vicky verschwinden? War sie krank geworden? Hatte er sie vielleicht zu einem Arzt gebracht oder in ein Krankenhaus? Wieso hatte er keine Nachricht hinterlassen? William war langsam nähergetreten und spürte, wie sich ein ungutes Gefühl in ihm breitmachte. Liz merkte, wie sie ihre Kräfte verließen und William nahm ihr das Telefon aus der Hand.

„Charlotte, hier ist William. Was genau ist passiert?"

„William, ich weiß es selbst nicht genau. Offenbar hat Liz Vicky heute morgen in der Obhut meines Mitarbeiters gelassen und er ist wohl mit ihr weggegangen. Ich weiß nicht, wo er hin ist, er hat nichts hinterlassen und ich bin auch eben erst gekommen. Bitte beunruhigt euch nicht, es ist sicher ganz harmlos."

„Wieso sollte dein Mitarbeiter den Laden schließen, bevor du da bist? Liebe Güte, vielleicht mußte er mit dem Kind zu einem Arzt..." William schloß die Augen. Wenn seiner Kleinen was passiert war...nicht auszudenken. Er riß sich zusammen. „Charlotte, hat dein Mitarbeiter ein Mobiltelefon? Hast du die Nummer?"

Charlotte nannte sie ihm und William schrieb sie hastig auf. Er bedankte sich bei Charlotte, bat sie, ihn zu informieren sobald sie etwas neues hörte und legte auf.

Liz saß mit geschlossenen Augen und schmerzverzerrtem, sehr bleichem Gesicht auf der Couch und hatte die Hände fest auf ihren Bauch gepreßt. William erschrak und setzte sich neben sie.

„Liebes, ist dir nicht gut? Hast du Schmerzen?"

Sie schaute ihn an. „Es geht schon wieder. War nur so ein komisches Stechen, aber es ist wieder vorüber. Oh William, wieso hat er Vicky mitgenommen? Wieso hat er den Laden abgeschlossen und ist gegangen, bevor Charlotte zurückkam? Es muß etwas mit Vicky passiert sein, glaubst du nicht auch? Laß uns die Krankenhäuser anrufen, dann..."

„Charlotte hat mir seine Mobiltelefonnummer gegeben. Ich versuche erst mal, ihn selbst zu erreichen. Vielleicht klärt sich dann alles auf, bevor wir alles rebellisch machen."

William wählte die Nummer und bereits nach dem ersten Klingeln wurde abgenommen.

„George Wickham."

William wurde leichenblaß und eine eisige Hand griff nach seinem Herzen, nach seiner Seele. „Wickham," murmelte er fassungslos und am anderen Ende ertönte ein fröhliches Lachen. „Darcy! Ich hatte mich schon gefragt, wann du endlich anrufen würdest."