Hallo, Ihr Lieben, der Ball rollt und rollt, Deutschland ist immer noch dabei, und man darf ja gespannt sein, ob sich die "Klinsmänner" auch gegen Argentinien durchsetzen. Natalies Schweden haben sie ja vom Platz gefegt. Die Frage der Saison: "Spielst du noch, oder fährst du schon nach Hause?"

Vielen Dank für die tollen Reviews an Lina, Melina, Bine und Aleya! Eine Runde Ikea-Kekse für Euch!

Soundtrack: Agnetha Fältskog "Allting har förandrat sej" (Alles hat sich verändert) und Xavier Naidoo "20.000 Meilen"


Göteborg

Als er zum Wohnheim zurückkommt, hört er Will in der gemeinsamen Küche fluchen. Mit einem Netz versucht sein Mitbewohner, eine völlig verschüchterte Eule vom Kühlschrank herunter zu fangen.

„Der verdammte Vogel, seit einer halben Stunde versuche ich, den zu fangen."

„Lass mich mal" sagt Remus, scheucht Will aus der Küche und hält der Eule den Arm hin. Schuhuend gleitet sie vom Schrank herunter. Mit zitternden Fingern entfernt er das Pergament von ihrem Fuß. Eulenpost in einer Muggelexistenz ist ungewöhnlich, es muss wichtig sein.

Tatsächlich ist der Brief von Dumbledore. Er bittet Remus, nach London zu kommen, möglichst gleich, und Remus packt in Windeseile und macht sich pflichtbewusst auf den Weg zu dem Punkt, wo nach Dumbledores Angaben ein Portschlüssel für ihn hinterlegt ist.

oooOOOooo

Remus kehrt nicht nach Straßburg zurück, er schreibt sich von London her aus. Dumbledore bittet ihn um Mithilfe bei einem Einsatz gegen ein kriminelles Werwolfsrudel in Ungarn. Im ungarischen Ministerium ist man überfordert und dankbar für die Hilfe des Phönixordens. Der ungarische Minister ist ein alter Freund des Direktors. Der Einsatz in Ungarn dauert Wochen, und als Remus schließlich nach London zurückkehrt, ist es längst Herbst.

Er besucht kurz seine Familie und bleibt über den Vollmond, und dann werden in London die letzten Arithmantikklausuren geschrieben, und Remus wird wie durch Zauberei offiziell zugelassen. Eigentlich will er trotzdem nach Stockholm und die Prüfungen in den Januar schieben, aber sein Professor schickt ihm eine dringende Eule: "Nehmen Sie jetzt an den Prüfungen teil, Mr. Lupin, ich weiß nicht, ob man Ihnen nächstes Jahr noch Zugang zu den Examina gewährt, und dann wären Sie ganz ohne jeden Abschluss."

Remus hat zu viel in dieses Studium investiert, um das zu riskieren. Der Master Abschluss in Arithmantik ist seine einzige, wenn auch kleine Chance auf das bisschen bürgerliches Glück, welches er sich erträumt. Vielleicht werden die Zeiten für Werwölfe besser, irgendwann. Vielleicht wird sein Abschluß doch etwas wert sein in der magischen Gesellschaft. Remus weiß, dass er verdammt gut ist, und er will es allen beweisen.

Irgendwie schaffen es die Umstände also, ihn in London zu halten, und er kommt einfach nicht dazu, seine Abreise nach Schweden zu planen.

Doch schließlich sind die Klausuren geschrieben, und Ende November steht er vor dem schwedischen Zaubereiministerium, wohin ein Portschlüssel ihn gebracht hat, im Pass ein Sondervisum für Werwölfe. Es war schwer zu bekommen und hat zusätzlich Zeit gekostet. Ohne Dumbledores Hilfe und gute Beziehungen hätte er keine Chance gehabt.Schweden betreibt eine ähnlich rigide Werwolfs-Politik wie Großbritannien, denn Schweden hat ein massives Problem mit Werwölfen im Norden des Landes, wo sie in marodierenden Banden umherziehen, begünstigt durch die lange Polarnacht Die Muggel halten es eigentlich für Aberglaube, dennoch halten viele an Vollmond ihre Türen geschlossen.

oooOOOooo

Er nimmt den Zug von Stockholm nach Göteburg, denn es ist schwierig, in unbekannter Umgebung zu apparieren.

In der Manteltasche hat er den zerknitterten Zettel, auf den Svea die Adresse von Natalies in Göteborg gekritzelt hat. Eigentlich will Remus sich das Geld für das Taxi sparen, aber er hat den schwedischen Winter unterschätzt. Er ist bitterkalt und ein eisiger Wind fegt durch Göteborgs Straßen, und es ist früh dunkel.

Nach einer halben Stunde schon kapituliert er, er versteht die Straßenbahnpläne nicht und er mag sie nicht fragen, die Leute, die mit hochgestellten Mantelkragen und bunten Mützen an ihm vorbei eilen.

Das Taxi ist warm und die Fahrerin kennt die Utlandagatan 22.

Sie entlässt Remus in einem ziemlich noblen Vorort aus dem Wagen, und er steht unsicher vor dem dunkelroten holzvertäfelten Haus.

„Kan jag hjälper dej? (Kann ich dir helfen?)" fragt die Briefträgerin in der blauen Daunenjacke auf dem gelben Postrad, und Remus erstarrt, weil es Natalies Augen sind, die ihm da aus einem dreißig Jahre älteren Gesicht entgegen sehen.

„Ich suche Natalie" antwortet er, und dann denkt er, dass sie ihn vielleicht nicht versteht, und gleichzeitig überlegt er fieberhaft, ob das wirklich ihre Mutter sein kann. Das alles ist verwirrend.

„Jag söka Natalie" sagt er, und er hofft, dass er es richtig ausspricht. Er hat sich die wichtigsten Sätze herausgeschrieben und sie gelernt.

„Meine Tochter ist nicht hier" sagt Frau Johansson, jetzt auf Englisch, und nimmt Remus den letzten Zweifel über ihre Identität, dann mustert sie ihn und lädt ihn ein, mit herein zu kommen.

Remus ist gleichzeitig dankbar, dem grimmigen Ostwind zu entfliehen und verunsichert, denn er hat keine Ahnung, ob Natalies Mutter überhaupt etwas von seiner Existenz weiß. Sie schließt die Tür auf, stellt das Fahrrad in den Windfang und hängt die Jacke an die Garderobe. Remus stellt fest, dass sie genauso groß und kraftvoll wirkt wie ihre Tochter, und er fühlt sich schon ein bisschen wohler.

„Möchtest Du einen Tee, Remus?" fragt sie dann, als er ihr unsicher in die Küche gefolgt ist. „Du bist doch Remus, oder?"

Er nickt. „Woher…?"

Sie lacht. Ihr Lachen ist dunkel und kehlig, und er ist froh, dass es nicht wie Natalies klingt. „Nur ein Engländer würde in so einem dünnen Mantel hier herum laufen, im November. Außerdem hat Natalie mir Bilder gezeigt, auf denen du allerdings ein bisschen anders aussiehst. Aber an deine Augen habe ich mich erinnert, als ich deinen englischen Akzent gehört habe."

Sie hat recht, er sieht jetzt anders aus, hat die langen Haare abgeschnitten in Ungarn, es war nötig, und jetzt sind sie dunkelblond und haben die Sonne verloren, die das Zusammensein mit Natalie ihnen eingesträhnt hat mit Bergsteigen und Rafting.

„Sie hat auch erzählt, dass du lieber Tee als Kaffee magst."

Sie hebt mit einem Lächeln die Teekanne.

Remus lächelt zurück.

„Tut mir leid, dass du umsonst gekommen bist, Remus" sagt Frau Johansson, „Aber Natalie ist in Stockholm. Sie studiert jetzt wieder an der „Stockholms Universitet". Aber das hat sie dir sicher geschrieben. Weiß Natalie denn gar nicht, dass du kommst? Wolltest Du sie überraschen?"

Remus ist irritiert. „Sie hat mir…eine Weile nicht geschrieben" sagt er ausweichend, und bedankt sich dann artig für den Tee, den Natalies Mutter ihm einschenkt.

„Merkwürdig" sagt Frau Johansson, „ich weiß noch, wie sie Ende September hier in der Küche saß am Wochenende, und Briefe geschrieben hat, und ich weiß, dass sie dir auch geschrieben hat, denn ich habe die Briefe selbst zur Post gebracht für sie, und der nach Frankreich brauchte eine Extra-Briefmarke."

Remus ist wie vom Donner gerührt. Also hat Natalie ihm zurück geschrieben, und es ist erst ein paar Wochen her. Sein Herz schlägt schneller. Die Hoffnung, die in ihm aufkeimt, macht ihn schwindelig.

„Geht es dir nicht gut?" fragt ihre Mutter besorgt, und jetzt klingt sie fast wie Natalie, wenn sie sich Sorgen macht.

oooOOOooo

Es ist Sommer und Remus liegt neben Natalie im Gras. Sie liest in einem schwedischen Buch, Remus hat sein Buch zur Seite gelesen. Hegel ist schwierig und Remus ist müde. Gestern war Vollmond, und er hat ein Essen mit ein paar von Natalies Freunden absagen müssen. Es wird mit jedem Monat schwieriger, sich Entschuldigungen auszudenken.

Natalie ist nicht blind, sie sieht, dass er kaum geschlafen hat.

Remus?"

Hm" sagt er, und seine Augen sind geschlossen. Die Sonne blendet ihn noch.

Denkst du nicht, dass du mal zum Arzt gehen solltest?"

Er ist schlagartig hellwach. Sein Herz schlägt bis zum Hals. „Warum glaubst du, dass ich einen Arzt brauche?"

Du bist viel zu oft krank, für jemanden, der so fit ist wie du. Deine Kopfschmerzen – das ist doch nicht normal." Sie klingt besorgt.

Remus räuspert sich. „Es sind einfach nur Kopfschmerzen, das haben wir fast alle in der Familie ab und zu. Muss wohl erblich sein" lügt er. Er kann gut lügen, als Werwolf lernt man das schnell. Es ist ihm immer noch unangenehm, wenn es schon sein muss, verbiegt er lieber die Wahrheit. „Es ist nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest, Natalie, wirklich."

Sie ist einen Moment still. Doch dann beharrt sie.

Hast du es bei einem Arzt abklären lassen? Es kann harmlos sein, aber auch ein Symptom für eine gefährliche Krankheit." Sie sieht ihn an, und er kann jetzt ihrem bohrenden Blick nicht entfliehen, deswegen dreht er sich weg.

Es ist nichts, wirklich. Frag nicht mehr danach.
Willst Du schwimmen gehen?"

Er steht auf und zieht sie hoch. Alle Muskeln in seinem Körper schmerzen noch von der Verwandlung und es gibt wenig, was er jetzt weniger will als in den kalten See springen, aber den zweifelnden Blick ihrer blauen Augen auszuhalten gehört zu diesem Wenigen dazu.

Aber es zerrt an seinen Nerven. Er hasst es, sie zu belügen, jeden Monat mehr, aber er glaubt, dass er keine Wahl hat.

oooOOOooo

„Doch, ich war nur… ziemlich erkältet, letzte Woche" sagt Remus lahm.

Frau Johansson sieht ihn prüfend an. „Du bist wirklich blass" sagt sie. „Auf den Bildern, die Natalie mir gezeigt hat, hast du besser ausgesehen, Junge." Sie sieht zur Uhr. „Wie ist es, Oleg wird bald heim kommen, möchtest du mit uns essen?"

Remus murmelt etwas von „keine Umstände bereiten wollen", aber tatsächlich hat er ein Loch im Bauch vor Hunger, und er ist froh, dass Frau Johansson auf seiner Anwesenheit mit freundlicher Konsequenz besteht, auch wenn er sich wie ein Eindringling in Natalies Welt fühlt.

Der Gedanke daran, jetzt auch noch ihren Vater zu treffen, erzeugt ein flaues Gefühl in seinem Bauch, immerhin hat er Natalie seit über drei Monaten nicht mehr gesehen. Was würde sie denken, wenn sie ihn hier mit ihren Eltern sitzen sehen würde? Wäre es ihr recht?

Und weiß Natalies Mutter über die Art ihrer Beziehung bescheid? Er kennt die Bilder, die Natalie mit ihrer wassergeschützten Muggelkamera gemacht hat. Mehr als einmal hat sie andere gebeten, sie und Remus zusammen aufzunehmen. Auf mindestens zwei Bildern küsst sie ihn.

Remus denkt an Natalie, in ihren Trekkinghosen, nur ein Bikinitop unter der Schwimmweste, Wassertropfen, die auf ihrer nassen Haut in der Sonne glitzern. Ihr Jauchzen angesichts von Stromschnellen, die ihm ein kaltes Grausen über den Rücken gejagt haben, zuerst, an ihr Strahlen, wenn sie einen besonders schwierigen Aufstieg geschafft hatten oder einen besonders reißenden Wildbach hinunter gepaddelt sind.

Diese Gedanken haben ihn die ganze Zeit verfolgt, während er in Ungarn im Wald Unterstände baute, während der Kämpfe, während der Zeit bei seiner Familie und zum Teil während der Prüfungen.

Sie haben ihn ermutigt, er hat sich daran festgehalten, wenn es schwierig wurde, aber sie haben ihn auch deprimiert, wenn er es nicht schaffte zu verdrängen, dass sie nie auch nur einen seiner Briefe beantwortet hatte und er sie vielleicht nicht wieder sehen würde.

Jetzt weiß er, dass sie seine Briefe beantwortet hat, dass sie zumindest an ihn geschrieben hat, und es tut gut, wenn Hoffnung keimt, auch wenn er immer noch viele Zweifel hat.

Der Schlüssel in der Tür reißt ihn aus seinen Gedanken. Natalies Vater kommt. Oleg Johansson ist groß und breit gebaut, seine blonden Haare sind militärisch kurz geschoren. Den ehemaligen Soldaten sieht man ihm immer noch an. Er begrüßt seine Frau zärtlich, und als er erfährt, dass der Besuch in der Wohnküche ein Freund von Natalia ist, nickt er Remus zu und reicht ihm eine gigantische Hand. Sein Händedruck hat etwas von einem Schraubstock, und er fixiert Remus mit hellblauen Augen, die die Weite der Eiswüste Sibiriens widerspiegeln.

Beim Essen ist er schweigsam und stellt nur ab und zu eine Frage, die Remus dann versucht, so wahrhaftig und knapp zu beantworten wie möglich. Brigitta Johansson ist sehr an den Touren interessiert, die Remus und natalie in den Vogesen und auf der Vezere unternommen haben und sie achtet darauf, dass Remus erst dann aufhört, Hackfleischbällchen mit Preiselbeeren und Kartoffeln zu essen, als er versichert, dass er wirklich platzen wird, wenn er noch mehr isst.

Sie strahlt soviel Wärme aus wie Natalies Vater Misstrauen.

Remus bedankt sich für die Einladung zum Essen und sagt, dass er den Nachtzug nach Stockholm noch bekommt, wenn er jetzt geht.

Brigitta, die darauf besteht wie in Schweden üblich mit dem Vornamen angesprochen zu werden, bietet Remus an, über Nacht zu bleiben, Natalies Zimmer steht ja leer und sie würde gerne noch ein bisschen über die tollen Touren der beiden hören.

Doch Remus lehnt höflich aber entschieden ab. Er hat zwar keine Ahnung, wo er heute Nacht schlafen soll, aber lieber der Bahnhof von Göteborg als Olegs bohrender Blick für den Rest des Abends.

oooOOOooo

Es sind die ersten Tage mit Natalie in diesem Sommer, er kennt sie jetzt nicht mal eine Woche.

Sie waren baden im See, haben sich müde geliebt unter den Bäumen am Ufer und eine Weile über ihre Studienprojekte gesprochen. Remus findet es angemessen, eine persönliche Frage zu stellen.

Was machen deine Eltern denn heute beruflich?" fragt Remus, und Natalie legt ihren Kopf mit den nassen langen Haaren auf seinen nackten Bauch.

Meine Mutter arbeitet an einem Institut für Biologie, in der epidemiologischen Forschung. Und mein Vater hat eine Firma für Sicherheitstechnik gegründet, nachdem er an der technischen Uni seinen Abschluss nachgemacht hat. Und deine Eltern?"

Remus ist froh, dass er ihr die Wahrheit sagen kann. Luxus für ihn, der vor den Muggeln so viel geheim halten muss. „Mein Vater unterrichtet an der Uni in London, meine Mutter ist vor ein paar Jahren gestorben."

Natalie sagt, dass ihr das leid tut, und Remus sagt, dass es schon eine Weile her ist, und er gut damit klar kommt.

Ob er Geschwister habe, will Natalie wissen, und wieder muss er nicht lügen. Remus erzählt von seinem Bruder Angelus, der gerade angefangen hat, Biologie und Chemie zu studieren, und von seiner kleinen Schwester Lucy, die noch zur Schule geht. Sie ist das Nesthäkchen der Familie Lupin. Natalie hat einen älteren Bruder, er heißt Bengt und er „nervt tierisch". Sie lacht, und Remus stellt fest, dass er ihr Lachen mag.

oooOOOooo

Und dann kommt er doch noch, der Augenblick der Wahrheit. Oleg sagt, dass er den Gast zur Tür bringen wird, und Brigitta verabschiedet sich herzlich von Remus und bleibt im Haus.

Noch im Windfang klärt Oleg die Fronten. Mit einer blitzschnellen Bewegung hat er Remus an die Wand gedrängt und seine Pranke an Remus' Hals ist hart wie Stahl.

„Hör genau zu, was ich dir sage, Engländer" sagt er, und sein Englisch hat nicht Brigittas weichen, sondern einen harten, fremden Akzent. „Wenn ich deinetwegen noch einmal Tränen bei meiner Tochter sehe, wird dir das sehr, sehr Leid tun."

Remus zweifelt nicht einen Augenblick daran, dass der Russe seine Drohung absolut ernst meint. Aber er kann sich diese Behandlung nicht gefallen lassen, auch nicht von Natalies Vater.

Der Wolf ist noch ganz nah unter der Oberfläche, und wenn er sich bedroht fühlt, wird Remus ihn vielleicht nicht zurück drängen können.

Remus umfasst Olegs Hand mit der seinen und zieht sie langsam von seinem Hals weg. Natalies Vater ist stark, aber Remus hat Kräfte, die sich aus einer sehr dunklen Quelle speisen und denen eines normalen Mannes weit überlegen sind. Und er kann sie kontrollieren.

Er sieht das Erstaunen in Olegs Blick, der es nicht gewohnt ist, dass jemand stärker ist als er selbst.

„Es tut mir leid, Herr Johansson, wenn Natalie geweint hat. Aber ich versichere Ihnen, dass mir nichts ferner liegt, als ihr weh zu tun. Wenn Sie mich jetzt bitte loslassen würden. Ich möchte den letzten Zug nur ungern verpassen."

Remus hat es geschafft: Er hat Oleg Johansson die ganze Zeit in die Augen gesehen. Er hat die Wahrheit gesagt, und er spürt, dass der andere ihm glaubt.

Natalies Vater lässt ihn los und tritt einen Schritt zurück.

„Ich entschuldige mich" sagt der große Mann. „Vielleicht habe ich dich falsch eingeschätzt, junger Mann. Aber ich hoffe sehr, dass du meiner Kleinen keinen Kummer mehr machst. Sie stand völlig neben sich, als sie aus Frankreich zurückkam. Und ich habe noch andere Mittel als meine Fäuste, um meiner Überzeugung Nachdruck zu verleihen."

„Das bezweifle ich nicht" entgegnet Remus. „Aber vielleicht ist es Zeit, loszulassen, Mr. Johansson. Natalie ist über zwanzig, und bedauerlicherweise gehören auch Enttäuschungen zum Erwachsensein dazu. Aber wie ich schon sagte, ich hege nicht den Wunsch, Ihre Tochter zu verletzen. Ich liebe Natalie. Guten Abend."

Er geht aus dem Haus und zieht die Tür hinter sich zu.
Seine Knie zittern jetzt.
Merlin, Natalies Vater ist wirklich gruselig, für einen Muggel. Er ist sicher ein besorgter Vater, aber seine archaische Art, seine Familie zu schützen, ist doch gewöhnungsbedürftig.

Remus läuft ein paar Minuten durch die Dunkelheit und sein Gang festigt sich.

Hat er gerade wirklich Natalies Vater gesagt, dass er sie liebt?

Sein Herz rast.

Er sehnt sich nach ihr, kein Zweifel, er würde sich für sie zerreißen lassen, aber stimmt das, was ihm da über die Lippen gekommen ist, bevor er noch richtig darüber nachgedacht hat?

Er spürt in sich hinein, aber er findet keine wirkliche Antwort. Vielleicht hängt es auch von Natalie ab, von dem, was sie ihm sagen würde, ob er derartige Empfindungen überhaupt zulassen kann.

Er stellt fest, dass er selbst bereits derartige Verluste erlitten hat in seinem Leben, dass er Angst hat, noch eine Enttäuschung nicht überstehen zu können.

Er verflucht seine Feigheit.

Als sein Herz wieder in normalem Tempo schlägt, und seine Finger langsam blau werden, appariert er zurück nach Stockholm.


TBC