XX.

„Ja, ja, ich sehe es – ich bin ja nicht blind!" schrie Lando Calrissian. „Aber alle unsere Sensoren sind es! Totaler Ausfall, es ist absolut nichts zu erkennen. Was zum Teufel ist hier los?"

Er starrte hektisch auf die toten schwarzen Bildschirme der taktischen Anzeigen, die scheinbar alle gleichzeitig den Geist aufgegeben hatten, sobald sie den Hyperraum verlassen hatten. Dann sah er durch das Cockpitfenster hinaus auf die unförmige Halbkugel des Todessterns, die hinter dem lieblichen smaragdgrünen Bogen von Endor hing wie eine missgebildete stachelige Crellbeere, eine Beleidigung für das Auge des Betrachters und randvoll mit todbringenden Giften …

Aber es war unmöglich zu sagen, ob der Schutzschild noch aktiviert war oder nicht. Sie würden es erst sehen, wenn das erste ihrer Schiffe dagegen knallte. Buchstäblich knallte, denn überstehen würde es diesen Aufprall nicht …

Nien Nunb, sein Copilot, fiepste eine unverständliche, aber sehr naheliegende Frage, die von der gurgelnden Stimme Ackbars prompt auf Basic wiederholt wurde, als wäre der Calamari-Admiral ein vollautomatisches Übersetzungsmodul.

„Werden unsere Sensoren etwa von den Imperialen blockiert?"

„Wie sollen die das denn machen, wenn die gar nicht wissen, dass wir ..." Calrissian brach ab, als ihn blitzartig eine furchtbare Erkenntnis durchzuckte und er begriff, was genau hier los war.

Nien Nunb, der ebenfalls sofort geschaltet hatte, gab ein schrilles Kreischen von sich, das den Ersatz-Captain der Millenium Falcon fast von seinem Sitz fegte. Aber das stimmgewaltige Volumen des Sullustaners war nichts im Vergleich zu dem panikerfüllten Gebrüll, das gleich darauf aus dem Lautsprecher der Funkanlage drang.

„ACHTUNG! Vier Sternzerstörer direkt voraus … nein, sieben … nein, elf … nein, mehr … OH IHR GÖTTER!"

Das war auch Landos spontaner erster Gedanke, als er entdeckte, dass ein ziemlich großer Teil der imperialen Flotte, die doch angeblich überall unterwegs war, aber garantiert nicht hier im Endor-System, sich irgendwie trotzdem aus dem Schlagschatten dieses zauberhaften kleinen Mondes löste und jetzt auf sie zukam wie ein Schwarm Haie, die Blut gewittert hatten, zielstrebig, hungrig und völlig gnadenlos.

„Das ist eine Falle!" röhrte Ackbar.

Ein echter Schnellmerker, unser Flossenmann! dachte Lando zynisch. Laut sagte er: „Aber sie greifen uns gar nicht an."

Tatsächlich hatte der imperiale Haifisch-Verband aus unerfindlichen Gründen gerade abgebremst und hing nun einfach regungslos im Weltraum. Lando rechnete damit, dass sich gleich die Hangartore der Sternzerstörer öffnen würden, um unzählige TIE-Jäger auszuspucken, die auf sie zurasen und das Feuer eröffnen würden. Aber es geschah nichts. Absolut nichts.

„Worauf warten die noch?" flüsterte irgendjemand aus dem offenen Komkanal.

Es mochte derselbe Pilot sein, der eine Minute zuvor lautstark die Ankunft der Sternzerstörer gemeldet hatte, oder irgendein anderer, Lando konnte es beim besten Willen nicht sagen. Dank der ausgefallenen Sensoren war für ihn alles unsichtbar, was er nicht mit eigenen Augen aus den Fenstern der Millenium Falcon erspähen konnte. Die Falcon und all die anderen Schiffe der Allianz waren jetzt mehr oder weniger im Blindflug unterwegs, was in jeder Lage eine gruselige Erfahrung gewesen wäre, aber unter diesen Umständen eine echte Katastrophe war.

Ja, genau. Worauf warten die noch, dachte er fiebrig.

Er konnte fühlen, wie sich Schweißperlen auf seiner Stirn und in seinem Nacken bildeten, ein besonders unangenehmer Weckruf seines gestressten zentralen Nervensystems, der ihn normalerweise dazu veranlasst hätte, fluchtartig, aber so unauffällig wie möglich den Raum zu verlassen, indem er sich gerade aufhielt. Doch das war hier keine Option. Leider.

Dann flammte plötzlich ein unwahrscheinlich greller grüner Lichtblitz durch die Schwärze da draußen … und für ein paar schreckliche Sekunden sah Lando Calrissian gar nichts mehr...

Durch die Millenium Falcon lief ein heftiger Ruck als sie von einer unbegreiflich starken Druckwelle getroffen wurde wie von einer riesigen Faust. Lando umklammerte mechanisch die Armlehnen seines Sitzes und konnte es gerade noch vermeiden herausgeschleudert zu werden. Aber Nien Nunb neben ihm hatte offenbar weniger Glück, denn er landete mit einem deutlich hörbaren Plumps auf dem Boden, was ihn dazu veranlasste, erneut zu kreischen und dabei eine Tonhöhe zu erreichen, die vermutlich ein Wasserglas zum Zerspringen gebracht hätte, wenn eines da gewesen wäre.

Als Landos geblendete Augen sich wieder ein wenig von diesem brutalen Angriff auf seine Netzhäute erholt hatten – wären die Cockpitfenster nicht getönt gewesen, wäre er wirklich erblindet! –, sah er als erstes eine undefinierbare glitzernde Wolke, die langsam an der Falcon vorbeidriftete.

Noch während sein betäubter Verstand versuchte, dieses Phänomen geistig zu erfassen und einzuordnen (Metallsplitter?Sehr, sehr viele Metallsplitter?), erhob sich ein chaotisches Stimmengewirr über Funk. Alle schrien wild durcheinander, aber allmählich waren einzelne Sätze aus dem Wirrwarr herauszuhören.

„Was zum Henker war das? Ein Turbolaser?"

„Leute, ich bin nicht sicher, aber ich glaube, es hat gerade die Liberty erwischt."

Liberty, melden Sie sich! Schadensbericht. Sofort. Liberty?"

„Die ist futsch, Jungs. Ich kann die Trümmer sehen... "

„Ja, ich auch. Keine Rettungskapseln... Einer von den Sternzerstörern muss ihr eine volle Breitseite verpasst haben..."

„Das war kein Sternzerstörer! Das war der gottverdammte TODESSTERN!"

„Oh nein! Das Drecksding ist also doch einsatzbereit..."

„Oh Scheiße! Wir sind ja so was von am Arsch!"

Und diese etwas derb formulierte Analyse der Situation war absolut korrekt, wie Lando sofort erkannte. Und er war nicht der Einzige, der das erkannte …

„An alle Einheiten: Sofort Rückzugsmanöver einleiten! RÜCKZUG!" donnerte Admiral Ackbar.

Es waren seine letzten Worte und es war ein trauriger Epilog für diesen großen Strategen der Allianz. Denn es war natürlich schon zu spät – für die Flotte ganz allgemein und für den Flossenmann im besonderen ... Nur einen Sekundenbruchteil später schnitt der nächste grüne Laserstrahl durch das All wie das gigantische Photonenschwert einer besonders unbarmherzigen Gottheit … Und dieses Mal war es die Home One, die sich direkt im Sichtfeld der Falcon in ihre Bestandteile auflöste …

Lando Calrissian starrte auf die auseinanderstiebenden Überreste des Wracks, das gerade eben noch das Flaggschiff der Allianz gewesen war, und er konnte einfach nicht glauben, was er da sah. Nicht wirklich…

Doch ihm blieb keine Zeit für Besinnlichkeit oder für bittersüße philosophische Betrachtungen über die Tücken des Schicksals oder die allgemeine Ungerechtigkeit des Lebens oder sonst was. Denn schon im nächsten Moment wurde er unsanft aus seinem Schockzustand aufgerüttelt, als Wedge Antilles – oder jemand, der sich anhörte wie Wedge! – schrie: „TIE-Jäger auf zwölf Uhr und eine ganze Menge davon! Aufpassen, Millenium Falcon!"

Ja, jetzt kamen sie endlich, die imperialen Jäger, auf die Lando bisher vergebens gewartet hatte. Und wirklich eine Menge davon. Staffel auf Staffel fegte direkt auf ihn zu, ein Geschwader nach dem anderen. Es schien gar nicht mehr aufzuhören. Die Sternzerstörer warfen nun offensichtlich alles raus, was sie in ihren Bäuchen mit sich trugen, und es war auch vollkommen klar warum: Um die Rebellen an der Flucht zu hindern …

„Sie wollen uns einfach nur den Weg abschneiden, diese Mistkerle!"

Lando schlug mit der Faust auf die Instrumententafel vor sich, dass es nur so klirrte. Dann bellte er in sein Mikrophon hinein: „Achtung! Hier spricht General Calrissian. Die Imperialen versuchen uns in diesem Hexenkessel festzuhalten, damit sie uns fertigmachen können. Aber wir werden uns den Weg frei schießen und dabei so viele von denen mitnehmen wie wir nur können.

Fliegt so dicht an die Sternzerstörer ran wie möglich. Dann kann der Todesstern nicht mehr auf euch feuern, ohne dabei die eigenen Leute zu treffen. Das werden die nicht riskieren."

Hoffentlich, denn wissen kann man das bei diesen Bastarden nie, fügte er in Gedanken hinzu. Die sind zu allem fähig …

„Wir können hier nichts mehr ausrichten, Männer. Die Mission ist gescheitert. Es soll also niemand auf die hirnrissige Idee kommen, jetzt noch den Helden zu spielen. Gebt euch gegenseitig Deckung, räumt ab, was euch im Weg ist, und dann verschwindet so schnell ihr könnt. Bloß raus hier! Rette sich, wer kann. Und Gott steh euch bei!"

Er verzichtete bewusst auf das übliche theatralische „Möge die Macht mit euch sein". Es hätte zu weh getan, diesen Spruch jetzt anzubringen, wo der letzte Jedi aller Wahrscheinlichkeit nach schon tot war. Genauso tot wie seine Kameraden, die ihn nach Endor begleitet hatten … Han und Leia und all die anderen …

Einen Augenblick lang war es sehr, sehr still ...

Dann hallte ein kollektives Gröhlen durch den Äther, das eine Art Wutschrei und Jubelruf zugleich war, und jemand (eindeutig nicht Wedge!) röhrte aus vollem Hals: „Jetzt seid ihr dran, Imps! Wir grillen euch, ihr Schweinepriester!"

Und General Calrissian setzte trotz all dem Horror, den er gerade gesehen hatte und gleich noch sehen würde, ein blendendweißes zähnefletschendes Grinsen auf, das sein dunkles Gesicht spaltete wie ein Messerhieb. Er war stolz auf die Männer da draußen, seine Männer, so stolz. Die meisten von ihnen würden die nächsten Minuten nicht überleben, aber sie würden den Imperialen vorher trotzdem noch eine Lektion erteilen, eine blutige Lektion …

„Die werden nicht ungeschoren davonkommen..."

Nien Nunb, der sich natürlich längst wieder in seinen Sitz hineingehievt und klugerweise den Sicherheitsgurt um seine massige Taille herum festgezurrt hatte, antwortete nicht – er war viel zu beschäftigt damit, die Falcon über seine Steuerkonsole durch schwindelerregende Ausweichmanöver zu lenken. Inzwischen schwitzte er auch. Heftig.

„Ich übernehme wieder. Du schießt."

Lando hieb auf den Knopf, der die Steuerung auf seine Konsole zurück schaltete und riss die Falcon sofort in einem so steilen Winkel hoch, dass er glaubte, die Streben von Hans altem Schrotthaufen vor Anstrengung ächzen zu hören. Aber das war bestimmt nur Einbildung. Bestimmt!

TIE-Jäger wimmelten um sie herum wie aggressive Stechmücken. Sie waren überall und nirgendwo, kamen aber definitiv näher, rückten ihnen immer mehr auf die Pelle.

„Und sieh zu, dass du auch mal triffst, verdammt nochmal!"

Ein paar der aufdringlichsten TIEs explodierten plötzlich in spektakulären Feuerbällen. Gleich darauf sausten links und rechts von der Falcon X-Flügler vorbei – war es die rote Staffel oder die blaue, die ihnen gerade den Hals gerettet hatte?

Egal! Jetzt nahmen sie Kurs auf einen der imperialen Zerstörer, aus allen Rohren feuernd…

Lando zerrte sein Schiff in einer 180-Grad-Kehrtwende herum. Und schon folgte die Millenium Falcon den X-Flüglern wie ein echtes Falkenweibchen seinen Jungen …

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