Kapitel 3 – Mandanten-Schweigepflicht

Hermione kam nicht umhin, sich ein wenig nervös zu fühlen, als sie an diesem sonnigen Montagmorgen auf dem Weg zum Gewahrsamszentrum des Ministeriums war.

Dies würde ihr erster Mandant werden, den sie ganz alleine vertreten würde. Noch immer dachte sie, dass Kingsley Shacklebolt wegen des Falls überreagierte. Als sie die Treppen hinaufging, die in den Konferenzraum führten, erinnerte sie sich an das Treffen mit ihrem Abteilungsleiter am vergangenen Freitag.

„Hermione." Kingsley lächelte freundlich, als sie in sein Büro schritt. „Wieder ein Job gut abgehandelt! Ich habe in deinen Beurteilungen nur großartige Dinge gelesen. Deine Vorgesetzten sind voll des Lobes für dich."

„Danke, Kingsley." Hermione erwiderte das Lächeln des Chefs der Rechtsabteilung des Ministeriums, während sie dem Zauberer gegenüber Platz nahm. „Ich bin gerade damit fertig geworden, alle Dokumentationen zu den Fällen zu den Akten zu legen, an denen ich in den letzten paar Monaten gearbeitet habe. Um ehrlich zu sein, geht mir die Arbeit aus. Hast du irgendetwas Spannendes für mich zu tun?"

Sie bemerkte, dass sich zwischen den Brauen des Zauberers eine kleine Falte bildete, während er einen unbehaglichen Blick auf eine Akte an der Seite seines Schreibtischs warf. Gedankenvoll erwiderte er ihren Blick, „Wann hast du das letzte Mal Urlaub genommen, Hermione? Du hast hart gearbeitet, seit du hier angefangen hast. Meinst du nicht, du könntest ein wenig Urlaub brauchen?"

„Oh, mir geht es gut", antwortete Hermione höflich. Sie fühlte sich nicht, als brauche sie Ferien. Und nebenbei sparte sie ihre Urlaubstage auf, um sie für ihre Reise nach Australien verwenden zu können, sobald sie einen Weg finden konnte, die Erinnerungen ihrer Eltern wiederherzustellen. „Mir wird leicht langweilig. Arbeiten macht mich glücklich." Sie lächelte lieb, während sie auf den Ordner auf Kingsleys Schreibtisch deutete. „Ist das etwas, womit ich dir helfen kann? Ich bin gerade zu allen Schandtaten bereit."

Das Stirnrunzeln des Zauberers vertiefte sich, als er ihrem Blick zu dem Ordner folgte. Langsam holte er ihn vor sich und dachte für einen langen Moment darüber nach. Als er ihr die Akte schließlich zuschob, sah sie ihren eigenen Namen auf einem Aufkleber auf dem Umschlag der Akte. „Was ist das? Du hattest vor, mir das zu geben?", fragte sie ungläubig.

„Ja", antwortete Kingsley seufzend. „Eigentlich kommt dies von den Leuten über mir. Und sie wollten, dass dies dein erster eigenständiger Auftrag wird."

Aufgeregt japste Hermione, als sie die Information hörte. „Mein erster eigener Fall! Weißt du, wie lange ich darauf gewartet habe, dass das passiert, Kingsley! Vielen Dank!" Sie konnte ihre Aufregung nicht unter Kontrolle halten und sprang von ihrem Stuhl auf, rannte um den Schreibtisch des Zauberers und umarmte ihn glücklich. „Vielen Dank!", sagte sie wieder. „Du hast keine Ahnung, wie aufgeregt ich gerade bin!"

„Du würdest mir nicht danken, wenn du die Akte öffnetest." Kingsley erwiderte sanft ihre Umarmung und sprach mit ruhiger Stimme.

Von seinen Worten leicht verwirrt, setzte Hermione sich wieder hin und begann, die Akte vor sich durchzusehen. Wenige Augenblicke später sah sie Kingsley wieder neugierig an. „Dies ist doch ein alter Fall? Warum schauen wir ihn wieder an?"

Der Zauberer zuckte mit den Achseln, während er von hinter seinem Schreibtisch aufstand. Er schritt wieder in seinem Büro auf und ab. „Ich weiß wirklich nicht, warum sie ihn wiedereröffnen, Hermione, genau wie ich nicht weiß, weshalb sie speziell darum gebeten haben, dass du an dem Fall arbeitest. Ich entschuldige mich dafür, dass ich ihn dir vorenthalten habe. Aber ich dachte, ich könne einen Weg finden, um sie dazu zu bringen, ihn jemand anderem zuzuweisen, indem ich ihnen zum Beispiel sagte, du seist nicht verfügbar."

„Warum möchtest du nicht, dass ich daran arbeite?" Hermiones Augen weiteten sich überrascht.

„Ich ahne andere Motive, weshalb sie diesen Fall wieder eröffnen", antwortete Kingsley. „Und ich möchte nicht erleben, dass meine klügste Mitarbeiterin in einen politischen Krieg verstrickt wird. Du kannst immer noch deinen Urlaubsantrag stellen, wenn du möchtest." Er unterbrach sein Auf- und Abgehen und sah Hermione fragend an.

Hermione ignorierte seinen Vorschlag und begann, die ersten paar Seiten der Akte durchzulesen. „Es ist bereits vier Wochen her, seit der Fall eröffnet wurde. Ich dachte, zwei Wochen seien die maximale Wartezeit für unsere Mandanten. Was würde mit ihm passieren, wenn ich diesen Fall nicht übernehme?" Sie schaute zu ihrem Abteilungsleiter auf.

„Wenn du mir heute sagst, dass du in Urlaub gehst, werde ich sofort Mitteilung machen, dass sie jemand anderen finden müssen. Es mag ein paar Tage länger dauern, aber ich bin sicher, wir können vor dem Prozess jemanden finden. Ich werde mein Bestes tun, um jemanden zu finden, der erfahren und kompetent ist, sodass er immer noch eine Chance haben wird", antwortete Kingsley deutlich.

„Immer noch eine Chance haben?" Hermione hob die Stimme. „Aber er ist unschuldig. Wir alle wissen das. Das Aurorenbüro hat seinen Fall bereits durchgenommen!"

„Das ist der Grund, weshalb ich sagte, dass es für sie andere Gründe gibt, um dies wieder auszugraben." Schweigend ging Kingsley zum Bücherregal und zog ein Stück Pergament heraus. „Hier ist das Formular für den Urlaubsantrag. Fülle es aus, und ich zeichne es ab."

„Nein!", antwortete Hermione sofort. „Ich nehme keinen Urlaub. Ich übernehme diesen Fall!"

Schnell nahm sie die Akte an sich und ging zur Tür. Unmittelbar bevor sie aus seinen Büro trat, hörte sie Kingsleys tiefe Stimme, die ihr nachrief. „Hermione", sagte er. „Sei vorsichtig."

Hermione runzelte die Stirn, als sie sich Kingsleys Warnung ins Gedächtnis rief, wischte die Erinnerung aber schnell beiseite und betrat den Konferenzraum. Sie nahm am Tisch Platz und zog einen Ordner aus ihrer ledernen Aktentasche. Eine Zeile kleiner Druckbuchstaben war säuberlich auf den Umschlag aufgedruckt: Severus Snape.

Hermione hatte ihren ehemaligen Tränkemeister seit dem Kriegsende nicht mehr gesehen. Sie erinnerte sich daran, dass sie ihn mit Harry im St. Mungo besucht hatte. Ron war an diesem Tag nicht mitgekommen. Obwohl sie bereits die Wahrheit hinter Severus Snapes Handeln erfahren hatten, schaffte der Gedanke, seinen ehemaligen Professor zu sehen, es immer noch, Ron Bauchschmerzen zu verursachen, unmittelbar bevor sie zum Krankenhaus aufbrachen. Hermione erinnerte sich, wie der Professor sie mit seinen tiefdunklen Augen ernsthaft angesehen hatte. Nachdem sie ein paar Worte mit ihm gewechselt und sichergestellt hatte, dass der ehemalige Schulleiter nicht ihren besten Freund aus dem Fenster hexen würde, hatte Hermione sich entschuldigt und Harry mit dem Zauberer alleine gelassen. Auf dem Weg vom Krankenhaus zurück erzählte Harry ihr, dass er sich mit Snape ausgesöhnt, aber auch zugestimmt hatte, den Zauberer während seiner Rekonvaleszenz in Ruhe zu lassen. Nach diesem Tag Hermione sah Professor nicht wieder. Auch wenn sie gelegentlich an ihn dachte und sich fragte, welche Art Mensch er wirklich war, kam ihr nie die Idee, ihn zu besuchen. Eines war sicher: Nach all diesen Jahren konnte sie sich in Professor Snapes Gesellschaft nie ganz entspannt fühlen.

Sie holte tief Luft und setzte sich gerade hin, als die Tür in der gegenüberliegenden Wand sich langsam öffnete. Ihre Augen weiteten sich, als sie ihren Mandanten langsam den Raum betreten sah. Es fühlte sich seltsam an, ihn ohne seinen schwarzen Markenzeichen-Umhang zu sehen. In eine gestreifte Uniform gekleidet sah Severus Snape irgendwie älter aus, als Hermione erwartet hatte.

Bei der Tür erstarrte er, als seine schwarzen Augen ihren Blick trafen. Sie vermutete, dass niemand ihn über sein zugeteiltes Verteidigungsteam informiert hatte, daher war sie von seiner Reaktion nicht überrascht. Wahrscheinlich hätte er nie erwartet, dass seine Schülerin von vor nur drei Jahren seinen Fall bearbeiten würde. In dem Versuch, die Spannung zu mildern, begrüßte Hermione ihn mit einem kleinen Lächeln. „Guten Morgen, Professor Snape."

Einige Moment lang starrte er sie mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck weiter an. Endlich fragte er mit sehr angespannter Stimme: „Was machen Sie hier?"

Hermione zuckte leicht mit den Schultern und deutete auf den Stuhl an der gegenüberliegenden Seite des Tischs. „Ich bin hier, um meine Arbeit zu machen, Professor."

Er nahm ihr gegenüber Platz, ohne seinen einschüchternden Blick von ihr zu nehmen. „Um Ihre Arbeit zu machen …" Er beobachtete sie weiter intensiv, während sie die Akte vor sich öffnete. „Was genau ist denn Ihre Arbeit, Miss Granger?"

„Oh …, tut mir leid, Professor. Ich entschuldige mich dafür, dass ich mich nicht korrekt vorgestellt habe", antwortete sie höflich. „Ich bin Ihr zugeteilter Verteidiger … für Ihren anstehenden Prozess."

Er kniff die Augen zusammen und erwog ihre Antwort. Zurückgelehnt auf seinem Stuhl begann er, sich mit seinen blassen, langen Fingern über das Kinn zu streichen. „Darf ich fragen, wo Ihr Vorgesetzter ist?"

„Vorgesetzter?" Sie hob eine Augenbraue in seine Richtung.

„Und natürlich der Rest Ihres Teams", fügte er kühl hinzu.

„Sie sehen es vor sich." Ihr Lächeln wurde weicher, als sie ihn anschaute. „Ich bin beauftragt, den Fall zu leiten. Nun …" Sie bewegte sich ein wenig auf ihrem Sitz. „Die Wahrheit ist … wir sind ein wenig knapp an Personal. Die Abteilung hat während des Krieges etliche Anwälte verloren. Es wird kein Team geben. Daher schätze ich, ich kann nicht wirklich sagen, dass ich es ‚leite', nicht wahr?" Sie lächelte ihn unbehaglich an. „Aber machen Sie sich keine Sorgen, Professor. Sie haben speziell mich mit dem Fall beauftragt. Wenn die damit klarkommen …"

„Sie haben speziell Sie damit beauftragt?" Mit gefurchten Brauen fiel er ihr mitten im Satz ins Wort.

„Nun, ja." Sie hielt den Drang zurück, ihm gegenüber die Augen zu verdrehen. „Und ich entschuldige mich für die Verzögerung. Kingsley hat überreagiert und den Fall eine Weile zurückgehalten, ehe er mich über den Auftrag informierte."

„Und Sie haben sich das nicht noch einmal gut überlegt, ehe Sie den Fall angenommen haben?", sagte er düster.

„Was gibt es da nachzudenken?" Sie runzelte die Stirn. „Wir alle kennen die Wahrheit. Es ist nur eine Frage, sie vor dem Zaubergamot zu präsentieren. Das ist nicht so kompliziert …" Als sie ausgesprochen hatte, begann sie, die Papiere vor sich zu sortieren und hoffte, bald mit ihrer Anfangsbefragung beginnen zu können.

„Nicht so kompliziert?" Er beugte sich zu ihr vor und lächelte höhnisch. „Sie dummes Mädchen. Dies ist eine Falle! Verstehen Sie nicht? Wer immer Sie für den Fall wollte, hat etwas anderes im Sinn. Ich brauche Sie bei diesem Fall nicht!"

„Das ist wirklich schade, Professor." Sie warf dem Mann, der sie anstarrte, ein falsches Lächeln zu. „Ich habe den Fall übernommen, und ich werde ihn durchziehen. Wenn wir jetzt einfach anfangen könnten, wir sind nämlich bereits im Hintertreffen …"

„Der Titel Professor ist kaum mehr passend." Er lehnte sich leicht zurück und sah mit einem durchdringenden Blick auf sie herab. „Besonders jetzt, da sie kein Wort der Empfehlung von mir hören werden …"

„Sie sind nicht in der Position, einen solchen Vorschlag zu machen." Hermione spürte, wie ihr die Geduld ausging. „Fein, Mr. Snape. Lassen Sie es mich Ihnen klarmachen. Ich bin Ihr Strafverteidiger, und wenn Sie ihren Namen vor dem Zaubergamot in zwei Wochen reinwaschen wollen, werden Sie anfangen, mit mir zu arbeiten."

„Aber Sie sind kein Anwalt", sagte er betont.

„Ich werde … einer …, nachdem ich die erforderlichen Stunden Erfahrung gesammelt habe", antwortete sie. „Aber das ist nicht der Punkt. Ich bin hier, um Ihren Fall zu verteidigen und …"

„Sie sind nicht qualifiziert", schnarrte er.

„Sie …" Sie biss sich auf die Unterlippe und kniff die Augen vor dem Zauberer vor sich zusammen. Warum musste er ihr das Leben so schwer machen? Mit einem tiefen Atemzug versuchte sie, ihren Ärger im Zaum zu halten. „Ich bin nicht verpflichtet, Ihnen irgendwelche Nachweise über meine Qualifikation vorzulegen. Ich bin nicht hier, um meine Erfahrung zu diskutieren. Sie müssen diese Anschuldigungen durchsehen und mir helfen, einen Plan auszuarbeiten."

„Ich brauche Sie nicht, um irgendwelche Pläne auszuarbeiten, Miss Granger", sagte er kalt, dann stand er abrupt von seinem Platz auf. „Wache!", rief er zur Tür hin. „Dieses Treffen ist beendet! Bitte begleiten Sie Miss Granger hinaus."

Hermione konnte spüren, wie sie vor Wut zitterte. Wie konnte er es wagen … wie konnte er es wagen, sie zu behandeln, als sei sie eine Erstklässlerin in seinem Unterricht, als sei sie diejenige, die inhaftiert war und nicht er! Ehe sie reagieren konnte, beugte er sich plötzlich über den Tisch und sah ihr direkt in die Augen. Langsam spie er Wort für Wort einen Satz aus: „Sie. Werden. Von. Diesem. Fall. Wegbleiben."

Nicht länger in der Lage, ihren Ärger zurückzuhalten, knallte Hermione die Akte vor sich zu und stand auf. Sie starrte direkt in Snapes tiefdunkle Augen zurück und sagte mit großer Entschlossenheit: „Ich werde an dem Fall arbeiten, egal, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Es liegt an Ihnen, ob Sie mit mir kooperieren möchten. Aber ich sage Ihnen dieses, Severus Snape: In zwei Wochen", sie schob die Akte zu ihm, „werde ich Ihre Unschuld vor dem Zaubergamot beweisen, selbst wenn ich Sie für den Rest meines Lebens hassen muss!"

Damit nahm sie ihre Aktentasche und rief zur Tür: „Wache! Das Treffen ist beendet! Bitte begleiten Sie Mr. Snape zurück in sein Zimmer. Ich komme morgen früh um halb neun zurück."

Ohne einen Blick zurück machte sie zwei lange Schritte zur Tür, die in den Eingangsbereich führte. Gerade, als sie nach der Tür griff, hielt sie jedoch inne und dachte einen kurzen Moment nach. Sie senkte den Kopf, atmete mehrmals tief ein und versuchte ihr Bestes, ihren Ärger unter Kontrolle zu halten. Einen Augenblick später griff sie in ihre Handtasche drehte sich zu ihm herum und sah ihn wieder an. Langsam schritt sie zum Tisch zurück und stellte eine kleine Schachtel vor ihn. „Ich habe Ihnen ein wenig Tee mitgebracht. Ich dachte, hier stellen sie derartige Dinge nicht zur Verfügung."

Sie sah nicht wieder zu ihm auf, als sie zum zweiten Mal aus dem Konferenzraum ging. Sie war sicher, wenn sie ein wenig länger bliebe, würde er einen weiteren bissigen Kommentar machen. Und wenn das passierte, war sie nicht sicher, ob sie ihre Hand davon abhalten konnte, nach ihrem Zauberstab zu greifen und ihn bis zur Besinnungslosigkeit zu verhexen.

Severus sah ruhig zu, wie Hermione durch den Flur verschwand. Er schloss die Augen und stieß ein Seufzen aus. Als er in den Raum gegangen war und sie am Tisch sitzend vorgefunden hatte, war er völlig überrumpelt gewesen. Die ganze Zeit schon war ihm klar gewesen, dass dies ein politischer Fall war. Dass sie involviert wurde, war das Letzte, von dem er wünschte, dass es passierte. Seine Alarmglocken hatten noch lauter geschrillt, als sie ihm gesagt hatte, sie sei speziell mit seinem Fall beauftragt worden. Seine Besorgnis um ihre Sicherheit überlagerte sein rationales Denken. Was genau dachte er sich! Missbilligend schüttelte er den Kopf. Er kannte sie. Er hätte wissen müssen, wie die Gryffindor auf eine Herausforderung reagierte. Ihr zu sagen, sie solle wegbleiben, war damit gleichzusetzen, sie weiter in den Fall hineinzustoßen. War es zu spät? Gab es irgendetwas, das er tun konnte, um die Lage zu retten?

Langsam nahm Severus die Akte an sich, die sie ihm in die Hand gedrückt hatte, und ergriff die kleine Schachtel Tee auf dem Tisch, ehe er der Wache in seine kleine Wohnung folgte.

Hermione kehrte an diesem Abend mit schrecklichen Kopfschmerzen in ihre Wohnung zurück. Nachdem sie aus dem fruchtlosen Treffen mit Snape hinausgestürmt war, hatte sie den Rest des Tages damit zugebracht, all die Anklagepunkte durchzulesen, die gegen ihn erhoben wurden. Sie begann ihre eigenen Nachforschungen, aber ihr wurde schnell klar, wie entmutigend die Aufgabe werden würde. Obwohl ihnen jede Begründung fehlte, umfassten die Anklagepunkte ein weites Feld von Themen über einen langen Zeitraum. Aus ihrer Erfahrung bei der Arbeit in einem Verteidigungsteam hatte sie gelernt, dass ihre Mandanten normalerweise die beste Quelle für die benötigte Information zur Verteidigung eines Falles waren. Es wäre für sie viel einfacher, ihre Argumente zu formulieren, wenn ihr Mandant tatsächlich kooperierte.

Die junge Hexe warf ihre Handtasche auf das Sofa und schleuderte die Schuhe von den Füßen, dann ging sie direkt in die Küche. Sie war zu müde, um zu kochen, und hoffte, dass sich noch einige Reste im Kühlschrank befanden. Als sie an ihrem Arbeitszimmer vorbeiging, erregte das warme Leuchten ihre Aufmerksamkeit, das das Notizbuch auf ihrem Schreibtisch ausstrahlte. Sie runzelte die Stirn und vergaß schnell ihre Reste. T hatte selten zuvor Gespräche initiiert. Es war noch früh, weit vor der Zeit für ihre abendlichen Unterhaltungen. Warum schrieb er ihr um diese Uhrzeit?

Neugierig öffnete sie das Notizbuch und fand einige kurze Sätze vor, die auf sie warteten:

Dachte einfach, ich schreibe Ihnen zur Abwechslung einmal zuerst. Es ist fast Weihnachten. Haben Sie irgendwelche Pläne für die Feiertage?"

Hermione spürte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte. Weshalb fragte er? Dachte er daran, sie darum zu bitten, mit ihm auszugehen? Endlich? Mit zitternder Hand nahm sie ihre Feder und schrieb zurück:

Ich hatte noch keine Chance, viel über die Feiertage nachzudenken. Meine Eltern sind nicht da, und ich hatte nicht vor, mir freizunehmen. Es war viel los auf der Arbeit. Warum fragen Sie? Was ist mit Ihnen? Haben Sie irgendwelche Pläne? Ich wollte Sie fragen …"

Mitten im Satz stoppte ihre Feder, während sie darüber nachsann, was sie als Nächstes sagen sollte. Es war ulkig, dass sie über diesen Moment schon so lange nachgedacht hatte. Aber wenn der Zeitpunkt tatsächlich kam, wollten die Worte einfach nicht kommen … Einige Augenblicke später fasste sie einen Entschluss. Sie holte tief Luft und schrieb weiter:

Es ist Jahre her, seit wir angefangen haben, einander zu schreiben. Ich würde Sie nie dazu drängen, wenn Sie kein Interesse haben. Aber ich schätze, wenn ich die Frage nicht stelle, werde ich es eines Tages vielleicht bereuen, dass ich nicht gefragt habe … Möchten Sie sich irgendwann mit mir treffen? Vielleicht über die Feiertage?"

Sie blätterte um und sah zu, wie die Worte verschwanden. Und dann saß sie da und wartete. Die nächsten paar Minuten waren schmerzlich lang, während sie die Augen auf die leere Seite vor sich gerichtet hielt. Und schließlich begannen kleine, ordentliche Buchstaben Zeile für Zeile zu erscheinen.

Ich weiß es zu schätzen, dass Sie fragen, Miss Granger. Es ist jedoch keine gute Zeit, um sich zu treffen, zumindest nicht jetzt. Der Grund, weshalb ich gefragt habe, ist, weil Weihnachten eine festliche Zeit in vielen schönen Städten überall in Europa ist. Ich habe nie gehört, dass Sie Reisen außerhalb von Britannien erwähnt haben. Ich kann Ihnen garantieren, dass Sie die Szenerie sehr genießen würden, wenn Sie einige Wochen damit verbrächten, durch diese erstaunlichen Orte zu reisen."

Hermione las den Absatz mehrere Male, dann stieß sie ein enttäuschtes Seufzen aus. Das letzte bisschen Hoffnung, das ihr verblieb, war, dass es aussah, als habe er ihrer Bitte nicht viel Aufmerksamkeit gewidmet. Vielleicht würde er vergessen, dass sie dieses Mal gefragt hatte, und sie konnte zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal fragen. So gut sie konnte, versuchte sie, ihre Enttäuschung zu verbergen, und schrieb ihm eine schnelle Nachricht zurück:

Ich bin sicher, die Szenerie ist atemberaubend. Ich werde das im Hinterkopf behalten und Sie um einige Empfehlungen bitten, wenn ich das nächste Mal vorhabe, eine Auslandsreise zu machen. Genau jetzt kann ich jedoch nirgendwohin reisen. Ich habe gerade einen schwierigen Fall bekommen. Mein Mandant ist, gelinde gesagt, nicht kooperativ. Ich werde in den nächsten paar Wochen besonders hart arbeiten müssen."

Sie schloss das Notizbuch und ließ die Worte mit dem Leuchten zwischen den Seiten verschwinden. Kurz darauf beschloss sie, dass es das Beste sei, den Abend ereignisarm zu gestalten, und ging in die Küche, um einen Bissen zu essen. Es mochte eine gute Sache sein, dass sie ihren mysteriösen Kontakt nicht treffen würde. Schließlich konnte sie sich nicht von dem Gedanken daran, dass sie Severus Snape verteidigte, bei einem Treffen mit dem einen Mann ablenken lassen, der seit so langer Zeit ihre Fantasien beherrschte.

Als sie später an diesem Abend in ihr Arbeitszimmer zurückkam, war sie überrascht, das warme Leuchten erneut zu sehen. Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem Lächeln, als sie realisierte, dass er ihr noch eine Antwort geschickt hatte! Dies musste eines der Handvoll Male sein, dass er so gesprächig war. Schnell öffnete sie das Notizbuch und konnte ein Lachen nicht zurückhalten, als sie seine kurzen Fragen las:

Wer ist der elende Bastard? Ist er Ihre Zeit wirklich wert?"

An ihrem Schreibtisch sitzend dachte Hermione einen langen Moment nach, ehe sie ihm eine Antwort schickte, die sie als passend erachtete. Ihr war jedoch nicht klar, dass ihre kurze Nachricht ihn in Kürze eine ganze Nacht Schlafs kosten würde.

Ich muss die Schweigepflicht gegenüber meinem Mandanten wahren. Auch wenn ich glaube, dass er den Titel eines elenden Bastards sehr verdient, kann ich Ihnen daher nicht sagen, wer er ist. Eines muss ich Ihnen über diesen Fall jedoch mitteilen, und das wäre die Tatsache, dass ich an seine Unschuld glaube, und deshalb sorge ich mich um ihn und werde tun, was immer ich kann, um seine Freiheit und seine Rechte wiederherzustellen."