Kapitel 9 – Im Rosengarten
Es war Mittwochnachmittag, zwei Tage vor dem neuen Jahrtausend. In der Stadt Malvern waren die Muggel damit beschäftigt, Vorbereitungen für die Feier des Neuen Jahres zu treffen, und achteten nicht besonders auf eine Seitenstraße in der Nähe des Bahnhofs. Niemand dachte sich viel dabei, als ein Mann und eine Frau nach einem leisen Knall an der Straßenecke erschienen.
Für Hermione war es nicht schwierig gewesen, einen internationalen Portschlüssel zu beantragen. Die Dame in der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit zeigte sich ziemlich geschockt, als Hermione am Montag nach Weihnachten mit einem Antrag auf einen Portschlüssel aufgetaucht war, um ihre Eltern in Australien zu besuchen.
„Merlin! Sie müssen so traurig sein, dass Sie es verpasst haben, Weihnachten mit ihnen zu verbringen." Die Hexe mittleren Alters hinter dem Schalter schüttelte den Kopf, als sie die Dokumente durchlas, die Hermione eingereicht hatte. „Sie haben Glück, dass Sie nicht meine Tochter sind. Meine jüngste Tochter ist etwa in Ihrem Alter. Sie und alle ihre drei älteren Brüder wissen, dass Weihnachten Familienzeit ist. Nichts von der Arbeit kann dabei dazwischenkommen! Hier … Sie werden den Portschlüssel in ein paar Tagen erhalten. Sie sollten die Zeitverschiebung bedenken. Unser Tag ist dort Nacht." Als die Hexe Hermione ihre Reiseunterlagen aushändigte, lächelte sie freundlich und sagte: „Vielleicht wollen Sie am frühen Morgen abreisen, damit Sie rechtzeitig zum Abendessen dort sind!"
Eine kleine Topfpflanze diente als Transportmittel. Innerhalb von Sekunden ließen Hermione und Severus die schneebedeckte Straßenecke in London hinter sich und erreichten einen Bahnhof, der in der milden, sommerlichen Nachmittagssonne lag.
Laut ihrer Karte befand sich das Haus der Grangers nur einen kurzen Spaziergang weit vom Bahnhof entfernt. Da sie in einem fremden Land nicht riskieren wollten, irgendwelche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, beschlossen Severus und Hermione, zu Fuß durch das Viertel zu gehen und ihr Ziel auf Muggelart zu finden Während sie die Straßen der ruhigen Gegend entlangspazierten, sah Severus neugierig zu der jungen Hexe, die neben ihm ging. Sie war ungewöhnlich still, hatte die Brauen zusammengezogen, und ihre Unterlippe war leicht gerötet, weil sie dauernd darauf herumkaute. Severus hatte diese nervöse Angewohnheit von ihr schon vor langer Zeit bemerkt. Er hob eine Braue, sagte aber kein Wort.
Hermione brauchte nicht nach der Hausnummer zu schauen. Sobald sie um die Ecke bog und den Rosengarten vor einem hellgelben Haus am Ende der Straße sah, wusste sie, dass sie ihre Eltern gefunden hatte.
Ihre Mutter liebte Rosen, und solange Hermione zurückdenken konnte, hatte sie immer den schönsten Rosengarten in der Nachbarschaft gepflegt. Der Rosengarten an der Straße sah beinahe genauso aus wie der, den ihre Mutter an ihrem Haus in London gehabt hatte. Mehrere rote, weiße und gelbe Rosensträucher standen ordentlich entlang des weißen Lattenzaunes um das Haus. Als ihr Tränen in die Augen stiegen, drehte Hermione sich abrupt herum und setzte an, schnell davonzugehen.
Von ihrem Richtungswechsel leicht verwirrt, schloss ihr Reisebegleiter mit einigen langen Schritten zu ihr auf. „Dies ist doch die Haverbrack Avenue?", fragte der dunkelhaarige Zauberer. „Sie sagten, dass Sie sie durch eine Muggelagentur auffinden konnten. Ich dachte, Sie seien sich bezüglich der Adresse recht sicher."
„Nein." Schnell schüttelte sie den Kopf, konnte es aber nicht über sich bringen, wieder zu ihm aufzusehen. „Ich kann dies nicht tun, Severus. Ich kann ihnen nicht gegenübertreten. Sie würden es nicht verstehen. Sie werden meine Erklärungen nicht anhören. Sie werden nicht zulassen, dass Sie ihnen helfen. Und selbst wenn Sie es mit Gewalt tun, und sie ihre Erinnerungen wiedererlangen, werden sie mir nie verzeihen."
„Was soll dieser ganze Unsinn?" Severus trat schnell einen Schritt vor Hermione und stellte sich ihr in den Weg. Er sah sie durchdringend an und sagte: „Natürlich werden sie zuhören. Sie werden mich die Prozedur durchführen lassen. Und ich werde es nicht mit Gewalt tun müssen. Sie werden sich an alles erinnern, bevor sie Britannien verlassen haben. Und nachdem Sie den Grund erklärt haben, warum Sie die Gedächtniszauber auf sie werfen mussten, werden sie es Ihnen nicht zum Vorwurf machen."
„Wie können Sie das sich so einfach anhören lassen?" Durch ihre Tränen sah sie zu ihm auf. „Wie können Sie so sicher sein? Sie kennen sie nicht einmal!" Schnell senkte sie den Kopf und versuchte, um ihn herumzugehen. Severus hinderte sie am Weitergehen, indem er sie an den Schultern festhielt. Mit einem tiefen Atemzug begann er: „Hören Sie mir zu, Hermione: Sie sind ein freundlicher, verständnisvoller und mitfühlender Mensch. Sie können nicht ernsthaft von mir erwarten zu glauben, dass Sie einfach so ein Mensch geworden sind, indem Sie ihr halbes Leben in der Bibliothek verbracht haben. Sie sind die Tochter Ihrer Eltern. Ich habe keinen Grund zu bezweifeln, dass sie so aufgeschlossen und nachsichtig wie Sie sein können."
Hermione lächelte schwach, während ihr ein paar Tränen die Wangen hinunterrannen. Severus wischte sie mit seinen langen, blassen Fingern weg und seufzte: „Ich habe keine Lust aufzuzeigen, wie lächerlich es für eine Gryffindor ist, davor wegzurennen, ihre Eltern zu sehen. Gehen Sie vor. Wir müssen einen Plan umsetzen."
Als sie sich wieder in Richtung des Hauses ihrer Eltern umdrehte, konnte sie seine Hand spüren, die sanft in ihrem Kreuz lag. Die ungewöhnlich freundliche Geste bot ihr viel notwendige Unterstützung. Sie fühlte sich ein wenig ruhiger, als sie die Wärme spürte, die von seiner Handfläche ausstrahlte.
Die wenigen letzten Minuten ihrer Reise fühlten sich für Hermione unglaublich lang an. Als ihre Finger endlich die Klingel berührten, zitterten ihre Hände. Sie sog scharf die Luft ein, als das Lächeln ihrer Mutter sie an der Tür begrüßte.
„Guten Tag." Die Frau, die Hermione ihr ganzes Leben lang als Mum gekannt hatte, sah die Besucher an der Tür neugierig an. „Kann ich Ihnen helfen?"
„Äh … Mrs. Wilkins." Hermione schluckte, während sie darum kämpfte, sich gelassen anzuhören. „Mein Name ist Hermione … Hermione Granger, und …" Sie konnte nicht fortfahren, während sie die Reaktion ihrer Mutter auf ihre Selbstvorstellung beobachtete. Die ältere Frau starrte sie weiter verständnislos an. Sie spürte, wie ihr wieder die Tränen in die Augen stiegen und taumelte rückwärts, wurde aber sofort von Severus' Arm von hinten aufgefangen.
„Guten Tag, Mrs. Wilkins." Der Zauberer trat einen kleinen Schritt vor und schob sich zwischen Hermione und ihre Mutter. „Bitte verzeihen Sie meiner Kollegin. Sie ist neu in der Botschaft und ist ziemlich … unerfahren. Mein Name ist Severus Snape. Miss Granger und ich sind von der Britischen Botschaft. Wir sind hier, um Ihnen und Ihrem Mann einige Neuigkeiten von zuhause zu überbringen."
Mit einem leichten Stirnrunzeln bei seinen Worten drehte Hermiones Mutter sich um und rief: „Wendell, kannst du eine Minute herkommen? Jemand von der Botschaft besucht uns."
Hermione konnte ihr Herz zum Hals klopfen fühlen, als ihr Vater im Haus auftauchte.
„Was ist, Monica? Ich dachte, ich habe einen vertrauten Akzent gehört." Ein Mann mit zurückweichendem Haaransatz begrüßte die Besucher mit einem kleinen Lächeln. „Von der Botschaft? Hallo. Was können wir für Sie tun?"
Hermione war dankbar, dass sie Severus neben sich hatte, weil sie vor ihren eigenen Eltern völlig um Worte verlegen war. Der Zauberer fuhr fort und erzählte mit seiner kühlen, glatten Stimme ihre erfundene Geschichte, und schnell überzeugte er das ältere Paar, dass es das Beste sei, ihr Gespräch betreffend die „Neuigkeiten" zu einer daheim in England lange verloren geglaubten Verwandten im Haus zu führen.
„Danke." Im Wohnzimmer des Paares setzte Severus sich neben Hermione und begann zu erklären: „Der Grund, weshalb wir heute hier sind, ist, weil wir Nachrichten über Ihre Tochter haben. Sie …"
„Unsere Tochter!" Von Hermiones Mutter kam ein Japsen, und sie schlug sich schnell mit der Hand auf den Mund. Schockiert weiteten sich ihre Augen, während sie ihren Mann ansah.
„Sie müssen sich irren." Hermiones Vater betrachtete die Besucher stirnrunzelnd und lächelte sie unbehaglich an. „Wir haben keine Kinder."
Aus dem Augenwinkel konnte Severus sehen, dass Hermione mit gefurchten Brauen seinen Blick erwiderte. Er spürte, wie ihre Hand langsam nach seinem Arm griff und ein wenig an seinem Ärmel zupfte. Ohne sie anzusehen, legte er ruhig seine Hand auf ihre und drückte sie sanft.
„Bitte erlauben Sie mir eine Erklärung, Mr. Wilkins", begann Severus geduldig. „Es war eine komplizierte Situation. Ich bin sicher, Sie werden es verstehen, nachdem wir Ihnen alles genau erklärt haben. Aber lassen Sie mich damit beginnen: Sie haben tatsächlich eine Tochter. Zu Ihrer Sicherheit wurde Ihr Gedächtnis verändert."
„Was ist das? Kommen Sie aus einem Sciencefictionfilm? Gedächtnisveränderung?" Hermiones Vater zog beschützend seine Frau in die Arme. „Ich weiß nicht, wovon Sie reden …" Aber er konnte nicht anders, als zu verstummen, als denke er über seine Aussage noch einmal nach.
Mit zusammengekniffenen Augen sah Severus das Muggelpaar vor sich an und sagte: „Ich erwarte nicht, dass Sie blindlings alles glauben, was ich Ihnen erzähle. Aber wenn Sie sorgfältig darüber nachdenken, wissen Sie, dass ich die Wahrheit sage. Haben Sie nicht kleine Dinge bemerkt, an die Sie sich nicht erinnern können, oder Lücken zwischen den Jahren, die Sie anscheinend vergessen haben, oder sogar seltsame Träume, die immer wieder kommen? Diese Dinge sind Nebenwirkungen der Gedächtnisveränderung. Ihre Tochter musste Ihre Erinnerungen verändern, weil sie keine bessere Möglichkeit finden konnte, für Ihre Sicherheit zu sorgen. Da die Gefahr nun vorbei ist, ist es Zeit, dass Sie sie wieder zurückbekommen."
Das ältere Paar tauschte einen Blick aus, und beider Stirnrunzeln vertiefte sich.
„Vor Kurzem hatte ich Ihrer Tochter gerade erläutert, dass Sie so unvoreingenommen und versöhnlich wie sie sein würden. Auch wenn sie sehr besorgt war, hat sie auf mich gehört", kam Severus' Samtstimme. „Alles, worum ich Sie bitte, ist, dass Sie mir erlauben, Ihnen durch diesen schmerzfreien Vorgang zu helfen. Ich versichere Ihnen, Sie werden froh sein, Ihre außergewöhnliche Tochter wiederzuhaben …"
Einige Stunden später bewunderte Severus den Sternenhimmel in Jean Grangers Garten. Die Schönheit der Rosen war hinter dem schwarzen Vorhang der Sommernacht verschwunden, und nur ihr süßer Duft umgab den dunkelhaarigen Zauberer und bewies ihre Anwesenheit.
Sein Gespräch mit den Grangers war fast genauso verlaufen, wie Severus erwartet hatte. Seine Erläuterungen faszinierten sie, und sie waren willens, ihn seine Theorie demonstrieren zu lassen. Sobald er die Erinnerungen für Hermiones Mutter gelöst hatte, brachte die Frau die Aufgabe, ihren Mann zu überzeugen, für Severus zum Abschluss.
„Jonathan Granger, du hörst mir jetzt zu." Die fast hysterische Frau eilte zu ihrem Mann, als sie sich endlich von einer engen Umarmung mit ihrer Tochter losgerissen hatte. „Er hat recht. Unsere Tochter ist genau hier vor dir. Lass Professor Snape dir helfen. Wie konnten wir das vergessen! Hermione war immer die Freude unseres Lebens! Vom Tag ihrer Geburt an war sie Daddys kleines Mädchen! Erinnerst du dich an die Schaukel, die du in unserem Garten für sie gebaut hast? Bis dahin hatte ich nie geglaubt, dass du so gut mit Säge und Bohrer umgehen kannst. Und erinnerst du dich an unser kleines Ritual, jeden Sonntag einen Spaziergang durch die Nachbarschaft zu machen? Dabei hast du ihr das Radfahren beigebracht …"
Severus war nicht überrascht, als Jonathan Granger ihm mit einem warmen Händedruck dankte, nachdem er mit einigen Schwenks seines Zauberstabs dessen versteckte Erinnerungen zugänglich gemacht hatte. Er war nicht einmal überrascht, als Jean Granger ihn dankbar umarmte, als sei allein er für ihre Familienzusammenführung verantwortlich. Er war jedoch gänzlich überrascht, als Hermione die Arme um ihn schlang, nachdem ihre Eltern ihm nacheinander gedankt hatten.
„Danke, Severus", flüsterte sie ihm ins Ohr, dann drückte sie ihm einen schnellen Kuss auf die Wange.
Verwirrt von der liebevollen Geste der jungen Hexe sah Severus neugierig zu, als Hermione von ihm weg zu ihren Eltern rannte und verzweifelt versuchte, ihr Erröten zu verbergen.
Es war eine Weile her, seit er die winzige Chance gehabt hatte, sie in den Armen zu halten. Aber als Severus allein in dem stillen Garten stand, fühlte es sich an, als verweile die sanfte Berührung ihrer warmen Lippen noch immer auf seiner Wange. Eine Sternschnuppe glitt in der Ferne über den Himmel. Severus schloss die Augen und stieß ein Seufzen aus. Sybill Trelawney hätte darauf bestanden, dass dies eine perfekte Gelegenheit war, sich etwas zu wünschen. So sehr er es hasste, mit irgendetwas übereinzustimmen, was die selbsternannte Seherin sagen würde, so hoffte Severus dieses eine Mal, dass die Hexe recht hatte. Zum ersten Mal seit vielen Jahren wollte Severus wissen, was in der Zukunft passieren würde. Er sehnte den Tag herbei, an dem er sich nicht mehr seiner schrecklichen Vergangenheit, seiner ungewollten Verbindung zu Dunkler Magie und der erstickenden Politik in der Welt, die er Heimat nannte, wegen sorgen musste. Wenn er einen Wunsch frei hätte, würde er sich eine Zukunft mit der einen Hexe wünschen, die ihn immer verstanden und akzeptiert hatte, obwohl sie ihn die meiste Zeit für jemand anderen gehalten hatte.
„Da sind Sie ja." Hermiones Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „Was machen Sie hier? Mum ist mit dem Nachtisch beinahe fertig. Sie werden ihren Reispudding lieben."
„Ihre Mutter besteht darauf, dass ich hier bei Ihnen bleiben soll, statt mir anderweitig eine Unterkunft zu suchen. Sie scheint nicht zu realisieren, dass ich mich als Eindringling im Haus fühle. Ich dachte, es sei besser, Ihnen einige Zeit alleine mit Ihren Eltern zu lassen", antwortete Severus ausdruckslos.
„Tut mir leid wegen meiner Eltern", sagte Hermione entschuldigend, als sie zu ihm ging. „Ist ihre Gastfreundschaft ein wenig überwältigend? Ich hoffe, Sie können das verstehen. Sie können es nicht fassen, wie viel sie vergessen hatten, und wie schnell Sie ihnen geholfen haben, sich an alles zu erinnern. Ich glaube, sie mögen Sie wirklich."
Mit einem Stirnrunzeln antwortete Severus der Hexe kühl: „Ich hoffe, Sie beschuldigen mich nicht, dass ich in den Köpfen Ihrer Eltern ein Durcheinander verursacht habe."
„Warum sollten Sie das sagen?" Hermiones Augen weiteten sich. „Es gibt nichts, dessen ich Sie beschuldige!"
„Wie sonst können Sie Ihre Feststellung erklären?" Severus schüttelte den Kopf und sagte ruhig: „Es ist sehr sonderbar, dass Leute mich mögen."
„Das denken Sie", lachte sie erleichtert. „Sie sind eigentlich sehr sympathisch. Es ist nur, dass Sie aus irgendeinem Grund immer diese einschüchternde Fassade aufrichten. Aber sobald man Sie kennenlernt, ist es nicht schwierig, Ihre Slytherinmaske zu durchschauen."
„Sie hören sich an, als kennten Sie mich gut." Severus konnte seine Augen nicht von der jungen Hexe neben sich abwenden und war dankbar, dass die dunkler werdende Nacht den in seinem Blick verborgenen Gefühlen gute Tarnung bot.
„Wenn Sie mich das vor einem Monat gefragt hätten, hätte ich das nicht gesagt." Sie lächelte in die Ferne und wandte sich dann zu ihm um. „Aber nachdem ich mit Ihnen in den letzten paar Wochen jeden Tag gearbeitet und geredet habe, nachdem ich weiß, was Sie in der Vergangenheit alles getan haben, und angesichts dessen, was Sie jetzt, genau hier für mich tun", sagte sie und holte tief Luft. „Ich glaube, ich kenne Sie sehr gut."
Severus wurde still, während er über ihre Worte nachdachte. Einen Moment später sagte er: „Vielleicht … Aber ich muss sagen … Ich muss ein Geständnis ma…"
„Hermione, Liebes, bist du im Garten?", rief Jonathan Granger genau in dem Moment aus dem Küchenfenster, als das Wort „Geständnis" von Severus' Lippen kam. „Deine Mutter hat deinen Lieblingsreispudding fertig. Meinst du, Severus würde sich uns gerne anschließen?"
„Wir kommen, Dad!", antwortete Hermione glücklich und lächelte dann den Zauberer neben sich an. „Ich schätze, Sie werden Ihr Geständnis wann anders ablegen müssen. Kommen Sie, das wollen sie nicht verpassen."
Severus versagte die Stimme, als er ihre zarten Finger um seine eigenen geschlungen fühlte. Wortlos folgte er ihr zum Haus. Sie hat recht, dachte er, während sich seine Finger um ihre schlangen, das Geständnis konnte warten.
Severus erwachte in einem vom morgendlichen Sonnenlicht durchfluteten Raum. Er folgte dem köstlichen, sahnigen Duft von Kaffee und ging den stillen Flur entlang in die Küche, in der er Jonathan Granger vorfand, der am Küchentisch saß und die Zeitung las.
„Guten Morgen, Severus." Der ältere Mann sah von seiner Zeitung auf und begrüßte den Zauberer freundlich. „Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich Sie mit dem Vornamen anspreche. Jeannie insistiert, dass wir respektvoll sein und Sie Professor Snape nennen sollten. Aber ich dachte, wir können etwas weniger formell sein, nach dem, was wir erlebt haben, meinen Sie nicht auch?"
Severus neigte vorsichtig den Kopf und grüßte den Mann wortlos. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass der ältere Granger auf eine Gelegenheit gewartet hatte, um mit ihm zu reden.
„Die Damen sind vor etwa einer Stunde auf den Markt gegangen. Es würde mich nicht überraschen, wenn sie große Pläne für ein spezielles Neujahrsfest hätten." Jonathan Granger erhob sich vom Küchentisch und schenkte Severus eine Tasse Kaffee ein. „Zucker? Milch?", fragte er.
„Schwarz ist prima." Severus nahm die Tasse von Jonathan entgegen und antwortete ruhig: „Danke."
Severus konnte spüren, dass Jonathan ihn beobachtete, während er mit der Kaffeetasse in den Händen zum Küchenfenster hinüberging.
„Möchten Sie mit mir einen Spaziergang durch den Garten machen?" Der ältere Mann ergriff seine eigene Tasse, öffnete die Tür zum Garten und wartete auf Severus. „Die Morgenluft im Rosengarten ist sehr angenehm."
Severus ging ruhig neben Jonathan her und wartete geduldig darauf, dass sein Gastgeber die Fragen stellte, die ihn offensichtlich beschäftigten. Severus war durchaus bereit, dem Muggel die magischen Theorien hinter der Prozedur zu erklären, die er am Vortag bei ihm und seiner Frau angewendet hatte.
Nach einer langen Schweigepause holte der ältere Mann tief Atem und fragte: „Also …, Severus, welche Pläne haben Sie mit meiner Tochter?"
Mit einem Stirnrunzeln der Frage wegen blieb Severus stehen. „Entschuldigung?" Auf diese Frage war er nicht vorbereitet.
Mit einem Seufzen drehte Jonathan sich um und sah den Zauberer an. „Sie mögen ein Spion sein, sogar ein guter, soweit ich gehört habe, aber es ist meine Tochter, die Sie aus der Ferne beobachten. Ich mag nicht in der Lage sein, Ihre Gedanken zu lesen, aber ich kenne mein kleines Mädchen sehr gut."
Severus starrte den Muggel vor sich an. Nie zuvor hatte er sich so entblößt gefühlt.
Jonathan Granger spürte das Unbehagen seines Gastes und lächelte leicht. „Entspannen Sie sich. Ich werde Sie nicht bedrohen, damit Sie meine Tochter heiraten. Ich weiß, dass Sie wahrscheinlich gemischte Gefühle haben, sich mit einer Frau zu treffen, die früher ihre Schülerin war …"
„Und zwanzig Jahre jünger ist … Ich bin alt genug, um ihr Vater zu sein", murmelte Severus.
„Bilden Sie sich nichts ein, Severus." Jonathan lachte. „Zwanzig Jahre sind nicht so viel! Jeannie und ich waren spät dran. Sie war fünfunddreißig, als sie Hermione bekam. Und ich war neununddreißig. Ich weiß, dass Leute in der Zaubererwelt früh anfangen, Kinder zu bekommen. Sagen Sie … wahrscheinlich bin ich fast zwanzig Jahre älter als Sie? Bin ich alt genug, um Ihr Vater zu sein?"
Severus sah den Mann vor sich mit gehobener Braue an. Dieses Gespräch wurde von Minute zu Minute seltsamer.
„Aber das ist nicht der Punkt, oder?" Jonathan lachte über seine eigenen Worte und starrte auf die Kaffeetasse in seinen Händen hinab. „Hermione war immer reifer als die Jungs in ihrem Alter. Sie hätten sie sehen sollen, wenn sie bei ihrer Erzieherin im Kindergarten vernünftige Argumente vorbrachte. Jedes Mal, wenn sie mit ihren Freunden von Hogwarts nach Hause kam, machten Jeannie und ich immer hinter ihrem Rücken Witze und nannten sie die Mutterglucke von ihnen allen. Ich habe immer erwartet, dass sie sich in jemanden verliebt, der deutlich älter ist als sie."
Severus biss sich auf die Innenseite der Wange, da er nicht sicher war, was er antworten sollte. Glücklicherweise schien Jonathan Granger keinen Kommentar von ihm zu erwarten.
„Wir hatten schon lange den Verdacht gehegt, dass Hermione für einen ihrer Professoren schwärmte. Zuerst dachte Jeannie, dass es Professor Lupin in Hermiones drittem Schuljahr war. Aber ich wusste immer, dass unser kleines Mädchen ihr Auge auf jemand anderem hatte. Sie hat uns übrigens eine Menge über Sie erzählt." Jonathan lächelte den überraschten Severus an. „Und nicht nur gestern Abend. Schon immer ist sie von Ihrem Wissen beeindruckt gewesen, all die Jahre, die sie in Ihrem Unterricht gesessen hat. Aber aufgrund dessen, was sie uns gestern Abend erzählt hat, wurde mir klar, dass sie von ihren magischen Fähigkeiten mehr als beeindruckt ist. Und aufgrund ihres Austauschs mit Ihnen und der Art, wie Sie sie ansehen, wage ich zu sagen, dass ihre Zuneigung nicht unerwidert ist." Langsam breitete sich ein Lächeln auf dem Gesicht des älteren Mannes aus, als er Severus' Reaktion beobachtete. Als er sich jedoch die Kriegserfahrungen seiner Tochter ins Gedächtnis rief, die er abends zuvor erfahren hatte, zogen sich die Brauen des Vaters jedoch schnell zusammen. „Ich muss allerdings sagen … Ihre Under-cover-Spionagetätigkeit hat sie definitiv berührt. Es hörte sich an, als sei sie eine Zeitlang ziemlich untröstlich gewesen. Und dann traf sie diesen ‚Brieffreund', den sie hat."
Die Schultern des Zauberers spannten sich an, als er Hermiones „Brieffreund" erwähnt hörte. Jonathan bemerkte seine Reaktion ebenfalls, aber es war deutlich, dass er sie völlig anders auffasste. „Kein Grund zur Sorge. Dieser dubiose Mann sollte keine Konkurrenz für Sie sein. Wenn ich es richtig verstehe, hat Hermione mit ihm Schluss gemacht. Und ich sollte Ihnen wahrscheinlich dafür danken, dass Sie sie deutlich sehen lassen, was real und was ihre eigene Vorstellung ist."
Severus' Augen verengten sich, als er den Kommentar eines Vaters zu seiner geheimen Identität verstand. Da er nicht die Antwort bekam, die er sich wünschte, wandte der ältere Mann sich ab und seufzte erneut. „Sie reden nicht viel, oder? Hermione hat mir erzählt, dass sie Ihnen bei einigen Problemen mit Ihrem Ministerium hilft. Sie hat mir erzählt, dass Sie verleumdet wurden, und dass Sie unschuldig sind. Und außerdem hat sie mir erzählt, dass sie Ihnen vertraut. Ich möchte glauben, dass meine Tochter immer noch das schlaue kleine Mädchen ist, das ich immer gekannt habe. Sie haben sie und ihre Freunde während des Krieges beschützt. Sie haben sie zu uns zurückgebracht. Sie geben mir keinen Grund, Ihre Absichten anzuzweifeln. Aber ich muss dies sagen …" Er wandte sich um und sah dem Zauberer direkt in die Augen. „Was immer Sie tun, spielen Sie nicht mit ihren Gefühlen. Seien Sie nicht so wie ihr Brieffreund, der sie all die Jahre hingehalten und ihr trotzdem nie eine offene Antwort gegeben hat, was er von ihr will. Wer weiß, wer dieser Mensch ist! Von dem, was Hermione uns erzählt hat, wäre ich nicht überrascht, wenn er ein verheirateter Mann wäre, der mit dem Herzen eines jungen Mädchens spielt!"
Severus erstarrte auf der Stelle, während er den Blick des besorgten Vaters erwiderte. Er öffnete den Mund, aber es kamen keine Worte. Plötzlich sah er Hermione und ihre Mutter, die ihm von ferne winkten. Sie waren gerade von ihrer Einkaufstour zurückgekommen.
Jonathan folgte über die Schulter kurz Severus' Blick und nahm die Anwesenheit seiner Tochter und seiner Frau zur Kenntnis. Schnell drehte er sich wieder zu Severus um und sagte eindringlich: „Ich weiß nicht, ob ich die Gelegenheit haben werde, noch einmal mit Ihnen alleine zu sprechen, ehe Sie mit Hermione nach Hause zurückkehren. Daher versprechen Sie es mir jetzt, Severus. Versprechen Sie mir, dass Sie mein kleines Mädchen niemals verletzen werden."
Severus schluckte schwer und erwiderte mit seinen tiefdunklen Augen Hermiones Vaters Blick. Einen langen Moment später antwortete er mit gelassener Stimme: „Sie haben mein Wort."
