Kapitel 11 – … und der Skandal
Der unerwartete Zusammenstoß mit den Reportern stellte Hermiones Welt auf den Kopf.
Dies lag jedoch weder an der Aussicht, dass ihre „unprofessionelle Beziehung" mit ihrem Mandanten bald weitverbreiteter Klatsch im ganzen Land sein würde, noch lag es daran, dass jemand im Ministerium ihre persönlichen Reisepläne ausspioniert und die Information an Rita Skeeter ausgeplaudert hatte. Hermione rutschte das Herz in die Hose, als ihr am nächsten Morgen klar wurde, dass Severus nicht mehr in seiner Wohnung war.
Nachdem er nicht, wie er es in den letzten paar Wochen immer getan hatte, zu ihr zum Frühstück gekommen war, hatte sie im Flur gestanden und mehr als zehn Minuten lang an seine Tür geklopft. Niemand antwortete. Sie versuchte, ihn per Flohnetzwerk in seiner Wohnung zu erreichen, aber er war nicht dort. Gerade, als sie sich Sorgen zu machen begann, pickte eine große graue Eule an ihre Fensterscheibe und lieferte ihr eine Nachricht von ihrem abgängigen Mandanten.
„Seien Sie versichert, Miss Granger", stand in der Nachricht, „dass ich nicht die Absicht habe, Ihre Glaubwürdigkeit zu ruinieren, auch wenn ich es nicht für notwendig halte, in der zeitweiligen Wohnung zu bleiben. Ich muss heute gewissen Verpflichtungen nachgehen und werde nicht verfügbar sein, um Sie bei irgendwelcher weiterer unnötiger Arbeit zur Vorbereitung des morgigen Prozesses zu unterstützen. Eulen Sie mir die Uhrzeit, wann Sie mich morgens treffen wollen, und wir sehen uns im Ministerium."
Sie hatte nicht geweint, als er sich anfangs geweigert hatte, sie zu unterstützen, nachdem sie den Fall übernommen hatte. Sie hatte nicht geweint, als die Reporter vor ihrem Wohnhaus grundlose Anschuldigungen vorbrachten. Aber als sie diese Nachricht sah, brach sie zusammen.
Zweier simpler Worte vor sich wegen weinte sie: Miss Granger. So hatte er sie am Abend zuvor angesprochen, als er gegangen war. Und jetzt erschien es irgendwie, als seien sie dauerhaft zu dieser formellen Arbeitsbeziehung zurückgekehrt. Was war aus dem einfachen „Hermione" geworden? Was war mit ihrem Severus passiert? Oder vielleicht, so dachte sie, während sie sich die Tränen wegwischte und ein Schluchzen unterdrückte, würde er nie ihrer werden.
Früh am nächsten Morgen betraten Hermione und Severus das Atrium des Ministeriums. Es würde noch mindestens einige Stunden dauern, bis die meisten der Ministeriumsangestellten zur Arbeit eintreffen würden. Severus glaubte, Hermione wolle frühzeitig ankommen, weil sie nicht von anderen mit ihm gesehen werden wollte, daher stellte er ihre Planung nicht infrage, als sie darum bat, den Tag früh zu beginnen.
Da er die Geschwindigkeit der Reporter des Tagespropheten kannte, war Severus leicht überrascht, als er tags zuvor in der Zeitung keinen Artikel über ihre „Liebesaffäre" gesehen hatte. Er hatte sich gefragt, worauf sich Skeeters Story konzentrieren würde. Wäre es Hermiones „unangemessene Beziehung" mit einem Mandanten oder seine Geschichte über eine „unangemessene Beziehung" mit einer Schülerin? Aber Rita Skeeters Story war wirklich das Letzte, das Severus behelligen konnte. Tatsächlich konnte es ihm nicht gleichgültiger sein, was Skeeter und ihre Konsorten sagen würden. Was bei ihm so früh am Morgen zu einem deutlichen Stirnrunzeln führte, waren Hermiones Reaktion auf die Anschuldigungen der Reporter und die schmerzliche Entscheidung, die er am Vortag gefällt hatte.
Er hatte gedacht, Jonathan Granger habe ihm die Antworten gegeben, auf die er gehofft hatte. Er hatte gehofft, er würde eine Möglichkeit haben, mit ihr wegen ihres geheimen Austauschs in den letzten paar Jahren ins Reine zu kommen, und würde die Chance bekommen, mit ihr etwas Besonderes zu beginnen. Da er Hermione kannte, wusste er, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihm letztendlich verzieh, unmöglich war. Aber als er gesehen hatte, wie aufgebracht sie gewesen war, als die Paparazzi fälschlicherweise eine Beziehung zwischen ihnen angenommen hatten, wurde ihm klar, was es für sie bedeuten würde, wenn sie diesen Weg einschlugen und eine echte „Affäre" hatten. Es war ihm sehr deutlich geworden, dass jede Art von Beziehung zwischen ihnen immer Hohn auslösen und sie zum Ziel von Gespött machen würde.
Die öffentliche Meinung bedeutete Severus nichts. Bereits vor langer Zeit war er gegen jede Art von verbaler Attacke immun geworden. Aber dies bedeutete nicht, dass er das Gefühl, von seinem Umfeld gehasst zu werden, vergessen hatte. Er hatte ihrem Vater versprochen, sie niemals zu verletzen. Dieses Versprechen zu halten, bedeutete auch, sie seinetwegen nicht leiden zu lassen.
Da Severus dachte, der beste Weg, sie vor Qualen zu beschützen, sei, sich von ihr fernzuhalten, hatte er es den ganzen Tag nach ihrem Zusammentreffen mit den Reportern vermieden, mit ihr zu reden, und er hatte beschlossen, die Hoffnung auf eine Weiterentwicklung ihrer Beziehung aufzugeben. Nachdem er zu dieser Entscheidung gekommen war, hatte er sich innerlich gestählt und am vorangegangenen Morgen früh seine Wohnung verlassen. Er brachte all seine Sachen wieder nach Spinner's End zurück, besuchte das Grab seiner Mutter und verbrachte die Nacht damit, sich auf einen länger andauernden Aufenthalt am unangenehmsten Ort der Welt vorzubereiten. Weniger als acht Stunden später ging er ruhig an ihrer Seite. Der leichte Duft ihres Haares erinnerte ihn an ihr kurzes Gespräch im Rosengarten ihrer Mutter. Er wusste einfach nicht, wie er sie jemals vergessen konnte.
Hermione schritt an der Seite des Zauberers und war sich des inneren Aufruhrs, den er durchlief, völlig unbewusst. Sie hatte ihm geeult, sie früh am Morgen im Ministerium zu treffen, und gehofft, sie könne zumindest einige Stunden mit ihm verbringen. Sie hatte ihn schrecklich vermisst, obwohl sie nur seit tags zuvor getrennt waren. Nachdem sie am Morgen zuvor mit seiner Nachricht in der Hand stundenlang geweint hatte, hatte Hermione lange in ihrem Arbeitszimmer gesessen und verzweifelt versucht, einen klaren Kopf zu bekommen. Nachdem sie die letzten paar Wochen mit Severus verbracht hatte, wusste Hermione aus dem Bauch heraus, dass sie endlich den einen Mann gefunden hatte, der der Richtige für sie war. Und es kam nicht infrage, dass sie ihn so leicht aufgab.
Eine braune Eule flog an ihnen vorbei und ließ einen aufgerollten Tagespropheten in Hermiones Hände fallen, während sie die Flure entlang zu Hermiones Büro gingen.
„Warte, Hermione!" Gerade, als sie die Zeitung aufschlagen wollte, hörte sie von hinten einen vertrauten Aufschrei.
Es sah aus, als habe Ron Weasley gerade einen Marathon beendet. Der junge Zauberer schnaufte und prustete, als er endlich zu ihnen aufschloss. „Warte … Diese verdammte Eule … so schwer zu fangen …" Noch ehe er zu Atem kam, riss er Hermione die Zeitung aus den Händen.
„Hey! Was machst du da, Ron?", fragte Hermione überrascht. „Und was machst du hier so früh? Gib mir meine Zeitung wieder."
„Du hast Besseres, worum du dich sorgen musst." Ron richtete sich langsam auf und steckte die Zeitung in seine Robe. Mit einem Schlucken sah er Severus an. „Professor Snape." Höflich neigte er den Kopf, offensichtlich noch immer nervös beim Anblick seines ehemaligen Professors.
„Wie meinst du das? Worum muss ich mich sorgen?" Hermione runzelte die Stirn.
„Ich bin früh gekommen, um dir mitzuteilen, dass Harry und ich heute Morgen nicht zum Prozess kommen können. Gestern Abend spät wurden wir vom Abteilungsleiter zu einem dringenden Fall nach Wales gerufen."
„Aber Harry ist einer der wichtigsten Zeugen, die ich habe!" Hermione spürte leichte Panik in der Brust.
„Wissen wir …, wissen wir." Ron legte seine Hände auf Hermiones Schultern und versuchte, die junge Hexe zu beruhigen. Mit einem schnellen Blick um sie herum sagte er mit leiser Stimme: „Harry und ich wollten dich nicht mitten in der Nacht wecken, weil wir wollten, dass du für heute ein bisschen Erholung bekommst. Aber wir sind aufgeblieben und haben einen Plan ausgearbeitet. Harry ist gestern Abend abgereist, um den Tatort zu besuchen. Er macht sich Notizen und schreibt auf, was wir für die Ermittlung brauchen, zum Beispiel Leute, die wir befragen müssen und Beweismaterial, das wir zurückbringen müssen, und derartige Dinge. Ich bin früh hier, um dich zu warnen, damit du – falls du die Reihenfolge der Zeugen ändern kannst – ihn ans Ende schieben kannst. Unser Plan ist, so zu tun, als gäbe es einen Notfall mit seiner Verlobten, damit er direkt hierher zurückkommen und dein Zeuge sein kann, während ich übernehme, was immer er angefangen hat. Wir haben an alles gedacht. Ginny bleibt von der Arbeit zuhause und stellt sich krank. Harry erwartet mich tatsächlich jetzt, daher gehe ich besser los. Er wird hier sein, aber er wird sich ein bisschen verspäten." Etwas linkisch sah er zu Severus hinüber und sagte: „Äh …, Professor …, viel Glück!"
Severus nickte dem jungen Zauberer zustimmend kurz zu, und sah zu, wie Ron sich langsam abwandte.
„Warte einen Moment", rief Hermione Ron nach. „Das erklärt nicht, warum ich die Zeitung nicht lesen kann." Schnell schnappte sie die Zeitung aus Rons Robe und lächelte ihren besten Freund warmherzig an. „Ich weiß, was du vor mir zu verbergen versuchst. Aber meinst du nicht, ich sollte zumindest wissen, wie sie mich nennen?"
„Jetzt hör zu." Ron trat unbehaglich auf der Stelle. „Ich will einfach nicht, dass du dich aufregst. Wir alle wissen, dass diese Skeeterhexe das Blaue vom Himmel herunterlügt, und keiner von uns glaubt ein Wort davon. Falls dir das etwas bedeutet: Sogar meine Mum hat sie eine Lügnerin genannt und die Zeitung in den Kamin geworfen."
„Das ist keine große Sache." Hermione trat einen kleinen Schritt vor, umarmte ihren besten Freund sanft und sagte: „Ich will nur wissen, was in der Zeitung steht. Und danke, dass du gekommen bist, um uns zu warnen."
Ron schüttelte geschlagen den Kopf und erwiderte ihre Umarmung. „Ich kann mich noch erinnern, wie sehr du dich aufgeregt hast, als sie über dich und Harry geschrieben haben. Ich will einfach nicht, dass du verletzt wirst. Sei vorsichtig, okay?"
Der junge Zauberer ging schnell davon, verschwand am Ende des Atriums und ließ Hermione und Severus zurück, die ihren Weg zu ihrem Büro fortsetzten. Sobald sie dort angekommen waren, entrollte sie die Zeitung und starrte auf die Titelseite. Direkt vor ihr war das Foto von Severus, der sie beschützend in den Armen hielt. Für einen Moment war sie in der Erinnerung an den Abend zuvor verloren.
„Vielleicht sollten Sie den Rat Ihres Freundes in Erwägung ziehen", kam plötzlich Severus' glatte Stimme.
„Hä?" Hermione sah mit großen Augen auf. „Was war das?"
Severus verdrehte die Augen und griff nach der Zeitung. „Warum lassen Sie sich von ihr mit einem Haufen Unfug ärgern. Sie kann garstig mit ihren Schimpfworten werden. Worte können verletzend sein. Warum lassen Sie das an sich heran, wenn es nicht sein muss?"
Sie hielt die Zeitung an sich und trat einen Schritt von ihm weg. „Glauben Sie wirklich, ich sei aufgebracht über das, was sie über mich schreibt?", fragte sie ruhig.
„Das ist nur eine naheliegende Vermutung." Er zuckte mit den Achseln. „Ausgehend von Ihrer Reaktion neulich Nacht, wird es Ihnen nicht gefallen, was sie darüber sagt, dass Sie … etwas … mit mir zu tun haben."
Ein paarmal blinzelte sie ihn an und legte die Zeitung neben sich auf ihrem Schreibtisch ab. Langsam ging sie zu ihm hin und sagte mit leiser Stimme, die fast ein Flüstern war: „Es könnte mir nicht gleichgültiger sein, was sie sagt, Severus. Eigentlich wünschte ich mir, all ihre Anschuldigungen von neulich Nacht wären wahr."
„Was?", fragte Severus ungläubig und atmete scharf ein. „Wovon reden Sie? Sie wünschten, dass es wahr wäre? Sie wünschten …, dass wir … wahr wären?"
„Ja … Das tue ich. Ich wünsche mir …, dass es wahr sein könnte", sagte Hermione und ließ den Kopf sinken. Einen Augenblick später sah sie mit Tränen, die in ihren sanften braunen Augen glitzerten, zu ihm. „Severus, ich wünschte, wir hätte einander eher kennenlernen können, und unsere Freundschaft hätte früher begonnen. Ich … ich glaube …, ich liebe Sie. Und ich … ich glaube, Sie fühlen sich von mir nicht wirklich so abgestoßen, wie Sie gestern vorzugeben versucht haben." Sie lächelte ein wenig und wischte eine einzelne Träne weg. „Ich wünschte, Sie würden mich nicht wegstoßen."
Severus schluckte. Er war sprachlos. Gerade hatte sie ihm etwas angeboten, wovon er nur träumen konnte. Aber dann fielen ihm plötzlich all die Gelegenheiten ein, bei denen er es verpasst hatte, sein Geständnis abzulegen.
Es war, als läse Hermione seine Gedanken. Sie sprach weiter, ehe er seine Stimme finden konnte. „Egal, was Sie mir neulich Abend erzählen wollten, es spielt keine Rolle. Ich fühle dennoch dasselbe für Sie. Ich weiß, wie viele Geheimnisse Sie bewahren mussten, und wie viele bedauerliche Dinge Sie als Todesser tun mussten. Wenn dies alles vorüber ist, können wir uns hinsetzen und darüber reden. Aber jetzt", sie ergriff seine linke Hand. „Wenn ich mich nicht gerade vollständig zum Narren gemacht habe, wenn Sie irgendetwas empfinden, das im Entferntestens meine Gefühle widerspiegelt, bitte … lassen Sie uns einfach ein wenig mehr Zeit miteinander verbringen. Wenn der Prozess so endet, wie Sie vorhergesagt haben, könnte ich nicht mit dem Wissen leben, dass Sie in Azkaban weggesperrt werden, ohne zu wissen, wie ich fühle …"
Er brauchte kein weiteres Wort zu hören.
Ehe Hermione ihren Satz beenden konnte, fand sie sich fest von seinen starken Armen umschlungen. Mit dem Kopf an seiner Brust konnte sie seinen rasenden Herzschlag hören und die Wärme seines Körpers spüren. Während sie den frischen Duft seiner Jacke einatmete, lächelte Hermione ihn mit Tränen in den Augen an. „Das alles hätten wir gestern den ganzen Tag tun können, weißt du, mit einer Kanne Tee in meinem Wohnzimmer."
Einen langen Moment später sagte er ruhig: „Was für ein Dummkopf ich gewesen bin … Es tut mir so leid … Warte auf mich, Hermione. Unsere Zeit wird wieder kommen. Ich mag die Art sehr, wie du deinen Tee zubereitest."
Als sie sich aus seiner Umarmung löste und schüchtern zu ihm aufsah, stellte sie fest, dass seine dunklen Augen sie sanft ansahen. So hatte sie ihn noch nie gesehen, und nie hatte sie ihn attraktiver als in diesem Augenblick gefunden. Langsam hob sie sich auf die Zehen und griff nach ihm. Er senkte den Kopf zu ihren Lippen. Seine weichen, warmen Lippen streiften ihre und ließen ihr einen Funkenschauer über den Rücken laufen. Das muss es sein, wie sich die Funken der Liebe anfühlen, dachte sie, als sie nach seinen Schultern griff und ihn tiefer in den Kuss zog.
Als sie sich schließlich voneinander lösten, waren sie beide außer Atem. Severus lachte leise und schüttelte den Kopf. „Ich kann es nicht glauben … Für diese Art Drama werde ich zu alt."
„Es gibt kein Drama, Severus." Mit einem schüchternen Lächeln sah sie zu ihm auf. „Ich glaube, so fühlt sich Liebe an."
„Vielleicht … nun, das auch. Ich bin ein bisschen zu alt dafür, meinst du nicht?"
„Zu alt? Für Liebe?" Hermione hob eine Augenbraue. „Sagt wer?" Sanft schubste sie ihn in die Seite.
„Sagt dieses Skeeterweib." Er deutete auf die Zeitung auf dem Schreibtisch.
Hermione warf einen nachdenklichen Blick auf die Zeitung und zurück zu Severus. „Komm, lies sie mit mir." An der Hand zog sie ihn mit sich. „Wir müssen dies wissen."
„Was willst du dadurch in Erfahrung bringen, einen Haufen Lügen zu lesen? Du sagtest gerade, es sei dir vollkommen egal, was sie sagt", knurrte Severus.
„Verstehst du nicht?", antwortete sie und breitete die Zeitung auf ihrem Schreibtisch aus. „Ich muss wissen, was sie zu erreichen versucht haben, indem sie uns an jenem Abend aufgelauert haben. Jemand hat ihnen einen Hinweis zu unseren Reiseplänen gegeben. Wenn sie für die Leute geschrieben hat, die hinter alldem stecken, sollten wir in der Lage sein, wenigstens eine Idee zu bekommen, wie sie dich heute vor Gericht attackieren wollen." Sie sah zu ihm auf und sagte: „Ich will nicht, dass unsere Reise etwas wird, das sie verwenden können, um deine Glaubwürdigkeit zu zerstören." Mit einem tiefen Seufzen fuhr sie fort: „Neulich Abend war ich mehr als wütend, als mir klar wurde, dass du so viel riskiert hast, indem du mir geholfen hast. Es täte mir so leid, wenn sie es gegen dich verwenden."
„Deshalb warst du entrüstet?" Seine Augen weiteten sich.
„Natürlich! Warum glaubst du, dass ich so sauer war?" Jetzt war sie dran, sich überrascht anzuhören. „Du kannst nicht ernsthaft glauben, dass ich mich aufrege, weil Leute denken, wir seien ein Paar?" Mit einem leichten Kopfschütteln murmelte sie ein „Dummkopf", dann wandte sie mit einem Lächeln in den Mundwinkeln ihre Aufmerksamkeit wieder der Titelseite der Zeitung zu.
„Wow", erklärte sie wenige Minuten später sarkastisch.
„In der Tat!" Höhnisch lächelte er die Zeitung an. „Selbst eine Veela könnte nicht so viel bewerkstelligen wie du, Hermione. Lass sehen … Potter, so ziemlich alle Weasleymänner, Malfoy, Krum, Black, Lupin, Shacklebolt und jetzt ich. Du hörst dich geradezu wie eine … Hexe an."
„Hexe? Wie höflich von dir. Sie nennt mich praktisch ein Flittchen. Oder wäre Hure ein besseres Wort, um diese Art von Leistungen zusammenzufassen." Hermione sah die Zeitung stirnrunzelnd an.
„Sprachgebrauch, Miss Granger, Sprachgebrauch", seufzte er leise.
„Aber hast du bemerkt, dass alles nur um mich geht und nicht viel um dich?" Mit zusammengezogenen Brauen sah sie zu ihm auf. „Man sollte meinen, es sei effektiver, am Tag des Prozesses den Angeklagten statt seines Strafverteidigers anzugreifen."
„Tatsächlich sehr interessant", antwortete er nachdenklich. „Du musst auf das, was vor Gericht kommen wird, vorbereitet sein. Es könnte ziemlich demütigend werden."
„Das ist mir egal." Tapfer lächelte sie ihn an. „Wir beide kennen die Wahrheit. Die Leute können sagen, was immer sie wollen."
„Hat die giftige Feder dieses Skeeterweibs dir nicht den Appetit verdorben?" Er hob ihr gegenüber eine Braue.
Ein kleines Grummeln ihres Magens beantwortete praktisch seine Frage. „Ich schätze, nicht." Sie errötete und legte schnell eine Hand auf ihren Bauch. „Entweder die Geschichte oder du hast gerade meinen Appetit geweckt. Lass uns frühstücken gehen. Gestern Abend konnte ich kaum etwas essen, weil ich nicht wusste, wo du warst."
„Ich will hoffen, dass es meine Anwesenheit ist, die deinen Appetit zurückgebracht hat." Er schenkte ihr ein kleines Lächeln. „Als Entschuldigung für meine Abwesenheit gestern Abend lass mich dich zu einem anständigen Frühstück ausführen."
Nie hatte sie sich so am rechten Platz gefühlt, wie als sie neben ihm aus dem Ministerium hinausging.
Zu der Zeit, als Severus und Hermione ins Ministerium zurückkamen, hatten die Leute angefangen, zur Arbeit einzutreffen. Direkt nachdem sie um eine Ecke im Flur zu ihrem Büro gebogen waren, erblickte Hermione einen bekannten blonden Zauberer, der durch jede Bürotür spähte, als suche er nach jemandem.
„Draco!", rief sie dem jungen Zauberer nach und konnte die Aufregung in ihrer Stimme nicht unterdrücken. „Ich bin so froh, dass du gekommen bist! Du und Deine Eltern seid die Einzigen, die ihr Auftreten heute nicht bestätigt haben."
„Granger." Draco Malfoy grüßte Hermione mit leiser Stimme, dann wandte er sich zu seinem ehemaligen Hauslehrer um. „Severus, Vater hat mich geschickt, nach dir zu suchen. Er muss jetzt gleich mit dir reden. Und Granger." Er wandte sich wieder Hermione zu, sah aber nicht auf, um ihr in die Augen zu sehen. „Wir können nicht deine Zeugen sein. Mutter glaubt nicht, dass es eine gute Idee wäre, gerade jetzt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf uns zu ziehen. Der Krieg ist noch nicht sehr lange her …"
„Er ist länger als zwei verdammte Jahre her!" Hermione spürte Ärger in sich hochkochen. „Wie konntest du …"
„Das ist nicht notwendig." Severus legte eine Hand auf Hermiones Schulter und hielt sie davon ab, auf Draco loszugehen. „Es ist sicher verständlich, Draco. Sag deinem Vater, dass er in Miss Grangers Büro kommt. Da können wir reden."
Ohne zu zögern verschwand der blonde Zauberer im Flur.
„Sie sind Feiglinge!", zischte Hermione zornig, als sie zu ihrem Büro zurückkamen. „Warum sind sie nicht willens, dir zu helfen, nach allem, was du für Draco und uns alle getan hast?"
„Nein." Severus schüttelte den Kopf. „Mach ihnen keinen Vorwurf. Sie sind nur vorsichtig. Nur tapfere Gryffindors rennen in der Stadt herum und tun so, als sei nach der Niederlage des Dunklen Lords alles wieder perfekt. So einfach ist es nicht, Hermione. Du könntest überrascht sein von dem, was Lucius uns mitzuteilen hat."
Sie brauchten nicht lange zu warten, bis Draco mit Lucius Malfoy zurückkam. Der ältere Malfoy hatte irgendwie ein wenig seine fast majestätische Haltung bei seinen Bewegungen verloren. Die Falten um seine Augen und die geringere Fülle seines blassblonden Haares begannen, sein Alter zu zeigen. Aber als er Hermione böse ansah, bemerkte sie, dass er noch so arrogant wie eh und je war.
„Severus", begann er, stoppte aber und sah Hermione stirnrunzelnd an. „Ich muss ungestört mit dir reden", sagte er.
„Deshalb sagte ich Draco, dass er dich hierher bringt", antwortete Severus kühl. „Wir sind ungestört."
„Was ist mir ihr?", spie Lucius. „Erzähl mir nicht, du erwartest, dass ich ein einziges Wort in Skeeters Geschichte glaube. Sie ist nicht deine Geliebte, Severus. Ich glaube nicht, dass dies sie betrifft."
„Das geht in Ordnung", antwortete Severus ruhig. „Sie ist meine Verteidigerin." Er ignorierte den überraschten Ausdruck auf Lucius' Gesicht und fuhr fort: „Du kannst ihr vertrauen. Ich tue es."
„Vertrauen?" Lucius' Augen weiteten sich. Einen Augenblick später seufzte er: „Wie wenig kenne ich dich, Severus?" Er schüttelte kurz den Kopf und wandte sich dann an seinen Sohn. „Draco, bewache die Tür von draußen. Wir wollen keine Unterbrechungen."
Draco warf Hermione einen neugierigen Blick zu und eilte zur Tür hinaus.
„Muffliato." Lucius richtete seinen Zauberstab auf die Tür, dann wandte er sich wieder Severus und Hermione zu. „Hör zu, Severus, wir können dir aus dem Zeugenstand nicht helfen. Du und ich wissen beide", er schaute zu Hermione hinüber, als frage sich, ob sie seine Worte verstehen könne, „dass dies mehr als ein Prozess ist. Ich bin der Sache jedoch nachgegangen. Sie haben einen Anwalt aus Amerika hergeholt, um den Fall gegen dich zu führen. Kurt Myles ist sein Name. Wir kennen uns von einem Joint Venture Geschäft von vor Jahren in Deutschland. Er ist ein sehr erfahrener Anwalt, der noch nie einen Fall verloren hat. Wahrscheinlich haben sie ihn deshalb angeheuert."
„Wer sind sie?" Hermione konnte sich die Frage nicht verkneifen.
Lucius warf ihr einen kalten Blick zu und ignorierte sie vollständig. „Aber du brauchst dir seinetwegen keine Sorgen zu machen, Severus, denn er ist lediglich ein Auftragskiller, wenn auch zugegebenermaßen ein guter. Ich habe ein paar Strippen gezogen und ihn heute Morgen getroffen. Aufgrund eines gemeinsamen Interesses bei einer Investition hat er zugestimmt, dir den Dementorenkuss zu ersparen. Er war sogar damit einverstanden, dieses Urteil dem Zaubergamot zu empfehlen, solange du einverstanden bist, dich mit ihm vor dem Prozess zu treffen. Er mag keine Überraschungen, weißt du, und er hat bereits alle seine Hausaufgaben gemacht. Es ist alles eine Show, und er hat gern alles geprobt. Dieses Mal musst du auf mich hören, Severus. Geh und triff dich mit ihm in seinem zeitweiligen Büro in der Abteilung für Internationale Beziehungen. Folge seiner Führung, und das wird es zumindest für alle einfacher machen."
„Wer sind alle?" Hermione konnte nicht glauben, was sie hörte. „Wer steckt hinter alldem, und warum sollte er ihm folgen?"
„Wann wirst du anfangen, deinen Schülern ordentliche Manieren beizubringen, Severus?", spie Lucius mit zusammengebissenen Zähnen.
„Sie hat ein valides Argument, Lucius", antwortete Severus ruhig, aber seine dunklen Augen waren nie einschüchternder gewesen. „Warum sollte ich auf dich hören?"
Einen langen Augenblick betrachtete Lucius den dunkelhaarigen Zauberer, dann antwortete er: „Ich weiß es nicht, Severus. Ich würde ehrlich keiner anderen Seele vertrauen, wenn ich du wäre. Der einzige Grund, weshalb ich in den letzten paar Wochen versucht habe, zu Myles vorzudringen, war, um die Lebensschuld zurückzuzahlen, die Narcissa und ich dir schulden, auch wenn ich glaube, dass die Bedingungen der Schuld nie ordentlich ausgehandelt wurden. Narcissa war dumm, dich um Hilfe zu bitten, ohne sich vorher mit mir darüber zu beraten. Aber ich erkenne an, dass indem du den unbrechbaren Eid erfüllt hast, du der Grund warst, warum der Dunkle Lord nicht Draco als Hindernis zwischen sich und dem Elderstab angesehen hat. Und ich nehme an, deshalb sollte ich dankbar sein. Ich bitte dich nicht, mir zu vertrauen, Snape, aber betrachte dies als unser eines und einziges Angebot für eine Vergeltung. Nimm es oder lass es sein. Es liegt an dir."
Ohne auf eine Antwort des Zauberers zu warten, wedelte er wahllos mit der Hand, entfernte den Zauber, den er auf die Tür geworfen hatte und ging geräuschlos hinaus.
Nach einem langen Moment des Schweigens trat Hermione an Severus' Seite. „Du kannst ihm nicht ernsthaft glauben, Severus. Er steckt mit diesem Skeeterweib unter einer Decke."
Mit einem nachdenklichen Kopfschütteln sagte Severus: „Unwahrscheinlich. Skeeter ist eine Opportunistin. Die Malfoys haben ihren Einfluss verloren. Ich denke, wir sollten Mr. Myles einen Besuch abstatten."
