Kapitel 13 – Das Urteil und die Wahrheit

Hermione versuchte ihr Bestes, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, während sie vor dem Gericht stand. Mit ruhiger und souveräner Stimme zählte sie nochmals die Leistungen und persönlichen Opfer auf, die Severus während des Krieges für die Zaubererwelt erbracht hatte. Ihr war jetzt klar, dass Myles auf den Orden des Phönix abzielte und entschlossen war, Severus als Sündenbock zu benutzen, um die Öffentlichkeit von jeglichen Lügen, die sie erfunden hatten, zu überzeugen; aber Hermione wünschte sich immer noch, dass sie auf die Vernunft des Gerichts rechnen konnte, und hoffte, den Zaubergamot dazu bringen zu können, die Wahrheit zu erkennen und ein Urteil zu fällen, das auf Fakten und Beweisen basierte. Schließlich hatte sie alles Wissen eingesetzt, das sie während ihrer Ausbildung angesammelt hatte, um überzeugende Argumente zu präsentieren. Im Hinterkopf begann Hermione sich jedoch zu fragen, mit welcher Leichtigkeit die öffentliche Meinung manipuliert werden konnte.

Als Kurt Myles an der Reihe war, das Wort zu ergreifen, leuchtete er praktisch.

„Das Verbrechen, das Severus Snape vor zwei Jahren begangen hat, wurde von einem Aurorenbüro falsch bezeichnet, das unter der Kontrolle von Snapes wahrem Herrn vom Orden des Phönix stand." Der Zauberer begann sein Schlussplädoyer mit einer provokativen Aussage, die in der Menge einiges leises Keuchen durch die Menge gehen ließ. „Es war weder eine verdeckte Handlung noch ein Akt der Loyalität, und wir können es nicht einmal einen einfachen Mord nennen. Es war Snape, der dem Befehl seines wahren Herren folgte und eine Aktion ausführte, um Albus Dumbledore zu beseitigen, das letzte Hindernis, das die Gruppe von ihrer persönlichen Ambition abhielt, unsere Welt zu kontrollieren und den Orden ihrem Ziel einen Schritt näher zu bringen.

„Diese Gruppe gefährlicher Zauberer und Hexen legten die Saat ihrer Ambitionen schon vor Jahren. Sie warteten nur auf den richtigen Augenblick. Sie dachten, sie könnten uns zum Narren halten, indem sie diese schrecklich romantischen Geschichten über diese sogenannten Helden erzählten, und damit unsere Wachsamkeit zum Nachlassen bringen, genau rechtzeitig, damit sie uns im Wahllokal die Hand halten und bei der ersten offenen Wahl, die in Zauberer-Britannien abgehalten wird, unsere Stimmzettel abgeben. Sie haben erwartet, dass wir alle blindlings dem folgen, was sie für uns geplant haben; denn schließlich sind sie, wenn Sie ihre Predigten anhören, unsere Retter, und sie versprechen uns eine strahlende Zukunft!

Die Schulleiterin von Hogwarts sagte vorhin selbst, dass die Kinder unsere Zukunft sind. Lassen Sie uns also einen genauen Blick auf die Zukunft werfen, die der Orden für uns produziert hat! Wir haben jetzt den ‚Goldjungen', der in den Straßen patrouilliert und Gesetze umsetzt, ohne dafür irgendwelche Standardanforderungen erfüllen zu müssen. Wenn sie ihn als Auror installieren konnten, wer wäre in der Lage, die Notwendigkeit zu erkennen oder es zu unterbinden, wenn mehr ‚Auserwählte' an wichtige Stellen in unserer Gesellschaft gesetzt werden? Werfen Sie einen Blick auf Snapes Verteidigerin – ein einst unschuldiges Mädchen! Der einzige Grund, weshalb Miss Hermione Granger den Posten bekommen hat, einen der wertvollsten Strategen des Ordens zu verteidigen, ist aufgrund ihrer Vorgeschichte, weil sie die persönliche Begleiterin eines ranghohen Ordensmitglieds war. Da ihre moralischen Standards kaum der Rede wert sind, ist sie entsprechend den Plänen der Organisation einfach zu manipulieren!"

Jeder im Publikum wandte Hermione seine Aufmerksamkeit zu. Mehrere Kameras von Reportern blitzten und fingen die junge Hexe ein, die den Ankläger wütend anstarrte.

„Wir sind hier heute zusammengekommen, um zu sehen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Lassen Sie sich von ihnen nicht täuschen – Severus Snape ist kein unschuldiger Mann. Mit dem Wissen, was er und der Orden des Phönix vor und während des Krieges getan haben, wer, der bei klarem Verstand ist, sollte glauben, dass ein mächtiger Zauberer wie er, ein ehrgeiziger Slytherin, damit zufrieden sein wird, das Leben eines Eremiten zu führen, der seine Tage damit zubringt, exotische Tränke für das St. Mungo zu brauen? Nein, meine Damen und Herren, Severus Snape hat einfach abgewartet. Er hat auf die Eule seines Herren gewartet, auf den richtigen Zeitpunkt, um die rechte Hand des neuen Zaubereiministers zu werden!"

Das Gemurmel in der Menge stieg an und veranlasste den alten vorsitzenden Zauberer, ungeduldig mit seinem Hammer auf den Holzblock zu schlagen. „Ruhe! Ordnung!"

Kurt Myles hielt einen Moment inne, betrachtete sein Publikum mit düsterem Gesichtsausdruck und brachte wie ein erfahrener Bühnenschauspieler wieder Stille in den Gerichtssaal. Dann begann er mit imposanter Stimme wieder: „Die Menschen in der Britischen Zauberergesellschaft kommen heute vor den Zaubergamot und stellen an das Gericht den Antrag, Severus Snape nicht nur für die Verbrechen zu verurteilen, die er begangen hat, sondern auch für diejenigen, die zu begehen er noch keine Gelegenheit hatte. Basierend auf seiner fortgesetzten Teilnahme an verbotenen Aktivitäten für illegale Organisationen, seiner bösartigen Tat, die Gemüter unserer zukünftigen Generation zu vergiften, dem Mord an Albus Dumbledore und seiner entscheidenden Position in einer Verschwörung zur Übernahme unserer Welt stellen wir an das Gericht den Antrag, diesen dunklen Zauberer dauerhaft aus unserer Welt zu entfernen. Ich empfehle eindringlich den Schleier als Urteil des Gerichts. Die andere Seite des Schleiers ist, wohin dieser Mann wirklich gehört!"

Keuchen und Gemurmel liefen wieder durch das Publikum. Hermione konnte nicht glauben, was sie gerade gehört hatte. Ein Todesurteil war seit Jahrhunderten nicht mehr gefällt worden. Sie hatte nicht erwartet, dass Myles diese Art von Verurteilung vorschlug. Blut stieg ihr in den Kopf, und alles, was Hermione denken konnte, war, dass sie sie irgendwie aufhalten musste – dies konnte sie sie nicht tun lassen … sie musste Severus retten! Sie versuchte, von ihrem Platz aufzustehen, um ihren Protest zu äußern, wurde aber sofort an der Schulter zurückgezogen. Sie wandte sich zu dem Zauberer um, der sie aufhielt. „Was machst du da? Halte mich nicht auf! Er kann das nicht tun!" Unter Tränen sah sie Severus an.

„Nein." Severus lehnte sich etwas dichter zu Hermione, aber nur nahe genug, dass sie ihn trotz der Schreie und des Gemurmels im Raum hören konnte; seine Augen blieben auf Kurt Myles und die Mitglieder des Zaubergamots geheftet. „Warte … er ist noch nicht fertig."

Hermione folgte dem Blick des Zauberers und beobachtete, wie Kurt Myles einen langen Augenblick innehielt, als warte er auf sein Stichwort. Sie ließ den Blick über die Mitglieder des Zaubergamot schweifen und sah einen Zauberer, der sich langsam auf seinem Platz in der letzten Reihe des Gerichtssaals aufrichtete. Mit zusammengekniffenen Augen sah Hermione den Mann an – war er der Auftraggeber, der Kurt Myles ins Spiel gebracht hatte?

„Ehrenwerter vorsitzender Zauberer." Der Zauberer räusperte sich und nickte dem alten Zauberer und dann Kurt Myles höflich zu. „Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Mr. Myles uns heute hilft, die wahre Gesinnung von Severus Snape zu erkennen. Ich habe jedoch in den Jahren, in denen ich gereist bin, gelernt, dass in einer Gesellschaft, die von einer wohlwollenden Regierung regiert wird, kein Platz für Gewalt sein sollte."

Der Zauberer, der die Erklärung abgab, hatte keine außergewöhnlichen Züge, die sein Gesicht in Erinnerung bleiben ließen. Das Einzige, das an ihm anders war, war der leichte amerikanische Akzent, den er beim Sprechen hatte. Während sie ihre Erinnerungen durchforstete, fiel es Hermione plötzlich ein – dies musste Ralph Warrington sein, einer der Zauberer, die der Tagesprophet erst im letzten Jahr portraitiert hatte.

Laut einem Artikel auf der Titelseite war Mr. Warrington nach dem Krieg mit einer kleinen Gruppe von Freunden nach Britannien zurückgekehrt. Die Gruppe bestand aus Zauberern und Hexen, die in Übersee aufgewachsen waren, aber beschlossen hatten, nach Britannien zurückzukehren und beim Wiederaufbau zu helfen. Warrington selbst hatte Britannien mit sieben Jahren verlassen und war in Amerika von seinen Muggelverwandten großgezogen worden, nachdem seine Eltern gestorben waren. In seinem Interview mit dem Tagespropheten hatte Warrington erklärt, dass seine Ziehfamilie ihm aus Sorge um seine Sicherheit verboten hatte, nach Britannien zurückzukehren, weil sie die Konflikte in der britischen Zaubererwelt nicht verstanden. Er hatte zum Ausdruck gebracht, dass es immer sein Traum gewesen war, in sein Heimatland zurückzukehren, in die Fußstapfen seines Zaubereronkels zu treten und seine Familientradtion fortzuführen, der Zaubererwelt bei der Entwicklung eines starken Legislativsystems zu helfen. Die Zeitung hatte nie deutlich gesagt, wer dieser Zaubereronkel war, und wie genau er dieses Ziel gern erreichen wollte. Hermione erinnerte sich sogar daran, beim Abendessen im Fuchsbau eine heitere Diskussion geführt zu haben, bei der George witzelnd gesagt hatte, er habe gehofft, Warringtons toter Onkel sei nicht du-weißt-schon-wer. Georges Aussage brachte ihm nur einen Klapps auf den Hinterkopf von Molly ein, die ihn warnte, nett zu den Leuten zu sein, die zurückkamen, um beim Wiederaufbau zu helfen. Ungläubig schüttelte Hermione den Kopf, als sie Ralph Warrington beobachtete, während er den Gerichtssaal ansprach. Wie er es geschafft hatte, ein Mitglied des Zaubergamots zu werden, war für Hermione ein schockierendes Mysterium.

Wieder brach im Publikum Gemurmel aus. Der alte vorsitzende Zauberer schlug ungeduldig seinen Hammer auf den Holzblock.

„Unsere Welt hat bereits eine sehr düstere Phase durchlaufen", fuhr Ralph Warrington fort, als sei er ein Professor, der zu einem Raum voller Studenten sprach. „Während des Krieges ist genug Blut verschwendet worden. Wir haben seit mehr als zwei Jahrhunderten kein Todesurteil gehabt, warum sollten wir das Gesetz jetzt ändern? Wenn wir diese Verbrecher sicher wegsperren und die Öffentlichkeit dazu ermutigen können, ein Auge auf diejenigen mit Verbindungen zu dieser bösen Untergrundorganisation zu halten, sehe ich keinen Grund, warum wir kein Leben verschonen können, wenn es uns möglich ist."

„Gut gesagt, Sir, gut gesagt!" Zustimmend nickte Kurt Myles und strahlte sein Publikum an. „Nur ein wahrer Führer könnte dem Feind gegenüber Gnade zeigen. Ich stimme Ihnen von ganzem Herzen zu. Vielleicht wäre dann eine lange Haftstrafe hinter den Mauern von Azkaban eine bessere Wahl?"

Unter großen Schwierigkeiten drehte sich der schwächliche alte vorsitzende Zauberer um, schaffte es aber schließlich, einen Blick mit dem Zauberer zu wechseln, der hinten im Raum saß. „Mr. Warrington?"

Ralph Warrington zuckte bei dem Vorschlag leicht mit den Achseln und hielt dann mit zusammengezogenen Brauen einen Moment inne, als denke er ernsthaft über Myles Empfehlung nach. Zum Schluss sagte er endlich: „Sehr vernünftig, denke ich. Vielleicht eine längere Zeit … nur, um auf der sicheren Seite zu sein?"

Im Raum wurde es völlig still, während aller Augen zum vorsitzenden Zauberer zurückkehrten. Hermione konnte nichts dagegen tun, dass sie am ganzen Körper bebte. Es fühlte sich an, als würde über sie geurteilt, nicht über jemand anderen. Sie griff nach Severus' Hand und hielt sich daran fest, als ginge es um ihr Leben.

„Nach sorgfältiger Überlegung empfehle ich, dass das Gericht Severus Snape für die Verbrechen, die er vor und während des ersten und zweiten Zaubererkrieges begangen hat, für seine Verbindungen zu illegalen Organisationen sowohl als Todesser und als Mitglied des Ordens des Phönix sowie für seine Teilnahme an der Verschwörung gegen unsere Welt zu fünfzig Jahren in Azkaban verurteilt. Alle, die für diese Entscheidung sind …" Der vorsitzende Zauberer sah zu den übrigen Mitgliedern des Zaubergamots um sich herum auf. „Bitte heben Sie die Hand."

Hermione fühlte, wie die Welt um sie einbrach, während sie zusah, wie die Mitglieder des Zaubergamots einer nach dem anderen die Hand hoben. Die Urteilsverkündung des Gerichts wurde schnell von dem Aufschrei übertönt, der im Publikum ausbrach. Als die Mitglieder des Zaubergamots den Gerichtssaal zu verlassen begannen, schienen Hunderte von Reportern im Publikum lebendig zu werden. Eine große Gruppe von ihnen umzingelte Kurt Myles und kämpfte darum, dem siegreichen Ankläger Fragen zu stellen. Eine weitere Gruppe eilte durch den Saal und sammelte sich um Hermione und Severus. Kameras blitzten, Fragen wurden ihnen entgegengeschrien. Einige Gerichtsbedienstete mussten eine Menschenkette bilden, um die Reporter daran zu hindern, die Absperrung zu überqueren und in den Innenraum des Gerichtssaals zu kommen.

Aber Hermione konnte nichts hören. Alles, was sie hören konnte, war ihr Herz, das in ihren Ohren hämmerte. Sie war jenseits von wütend, zornig, dass es nichts gab, das sie tun konnte. „Severus …" Sie wandte sich dem Zauberer neben sich zu, konnte aber nur würgend sprechen. „Ich …"

„Mr. Snape, wenn Sie mit uns kommen." Eine Gruppe von Ministeriumswachen kam zu ihnen. „Wir nehmen Sie jetzt mit. Es gibt noch einige Dinge, die wir abschließen müssen, ehe wir Sie den Dementoren überlassen."

Severus holte tief Luft und erhob sich von seinem Platz.

„Nein!" Hermione sprang auf und hielt Severus am Arm fest. „Dies ist falsch. Ich kann sie dich nicht mitnehmen lassen. Ich kann nicht!"

Es sah einige Momente lang aus, als verstünde der Zauberer Hermiones Worte nicht. Mit zusammengekniffenen Augen sah er sich langsam nach den Wachen um und schaffte es, sie dazu zu bringen, dass sie einige Schritte zurücktraten. Und dann drehte er sich ohne ein warnendes Wort plötzlich um und zog Hermione eine enge Umarmung.

Die liebevolle Bewegung kam für die junge Hexe völlig überraschend. Sie konnte spüren, dass ihre Wangen brannten, aber sie konnte ihre Tränen nicht daran hindern, ihr Gesicht hinunterzuströmen, während sie seine Umarmung erwiderte. Aber dann flüsterte seine ruhige und kühle Stimme in ihr Ohr und ließ sie sich für ihre selbstsüchtigen Emotionen schämen, die ihr durch den Sinn rauschten.

„Dies hat alles mit der Wahl im nächsten Jahr zu tun. Shacklebolt ist Warrington im Weg. Warrington ist auf eine Nominierung aus. Und du wirst einen Weg finden müssen, ihn daran zu hindern, das Gericht zu kontrollieren." Dann schob er sich von ihr weg und sah ihr direkt in die Augen. „Reiß dich zusammen, Granger." Er drückte fest ihre Schultern. „Bleib fokussiert!"

Dies waren die letzten Worte, die Severus zu Hermione sagen konnte, ehe die Wachen ihn grob an den Armen packten und von ihr wegzogen. Bevor sie wieder ihre Sprache finden konnte, verschwanden sie in den dunklen Flur außerhalb des Gerichtssaals.

Mit zu Fäusten geballten Händen holte Hermione Luft und kämpfte ihre Tränen nieder. Egal, wie schwer es war, sie versprach sich selbst, dass sie nicht vor den Reportern zusammenbrechen würde. Sie würde nicht zulassen, dass Skeeter oder Myles sie so sahen. Nein, Hermione Granger würde ihnen NICHT so leicht ihren Willen lassen! Bleib fokussiert. Severus' Stimme klang ihr in den Ohren.

Sehr schnell sammelte Hermione die Unterlagen auf dem Tisch ein und versuchte, sich durch die eifrigen Reporter zu drängeln. Dann spürte sie eine feste Hand, die nach ihrer Schulter griff. „Miss Granger." Minervas leicht zitternde Stimme drängte sie ruhig: „Kommen Sie hier entlang mit mir. Erlauben Sie mir wenigstens, Severus' letzte Bitte zu erfüllen."

Hermione konnte sich nicht erinnern, wie sich die ältere Hexe ihren Weg durch das Atrium des Ministerium gebahnt hatte. Sie folgte Minerva nahezu blindlings, als sie eine Gasse in Muggel-London entlanghasteten, ehe sie hinter einem Telefonhäuschen disapparierten. Sie war dankbar, dass sie die ältere Hexe hatte, um sich anzulehnen, als ihre Füße die gepflasterte Straße in Hogsmeade berührten.

Die Neuigkeiten hatten das Dorf noch nicht erreicht. Die ruhige und angenehme Szenerie von Hogsmeade lieferte einen ausgeprägten Kontrast zu dem Chaos im Gerichtssaal. Ohne ein Wort eilten die beiden Hexen die Straße hinunter und schlugen die ruhige Landstraße ein, die zum Schloss führte. Nachdem sie sicher war, dass sich niemand in der Nähe befand, der ihr Gespräch hörte, stieß Minerva schließlich ein leises Schluchzen aus. „Oh, Hermione, ich kann nicht glauben, dass sie Severus das angetan haben!" Die ältere Hexe betupfte sich die Augen mit dem Taschentuch und schüttelte den Kopf. „Ich hätte es wissen sollen … Ich hätte wissen sollen, dass es eine Falle war. Ich habe die giftigen Geschichten im Tagespropheten gegen die Ordensmitglieder bemerkt, aber nie gedacht, dass der Prozess gegen Severus zum selben Zweck stattgefunden hat. Ich verstehe noch immer nicht, warum sie den armen Mann nicht einfach in Ruhe lassen. Ich wünschte, Severus hätte mich früher warnen können …"

„Sie früher warnen können?" Überrascht sah Hermione zu ihrer ehemaligen Hauslehrerin auf. „Wie meinen Sie das, Minerva?"

„Er wusste … Er muss es gewusst haben … Gestern kam er mich besuchen." Die ältere Hexe seufzte. „Er sagte, er wolle kurz mit mir reden. Er teilte mir mit, dass Sie nach dem heutigen Prozess wahrscheinlich in irgendeiner Art Hilfe und Schutz brauchen würden, und bat, dass ich Sie hier aufnehme. Ich dachte, er meinte, damit Sie Leuten wie Skeeter aus dem Weg gehen, die versuchen, ein paar Galleonen extra zu verdienen, indem sie eine junge Hexe drangsalieren, die ihren ersten Fall gewinnt. Ich hatte gedacht, dass Sie den Fall sicher gewinnen, Hermione, daher habe ich sogar ein wenig mit Severus gewitzelt und ihm gesagt, dass er von Zeit zu Zeit ein bisschen lockerer werden solle." Minerva tupfte sich wieder die Augen und seufzte noch einmal. „Aber er wusste es die ganze Zeit, dessen bin ich sicher. Und ich dachte nur, er sei pessimistisch."

„Es tut mir so leid, Minerva", sagte Hermione ruhig. „Eine ganze Weile dachte ich, ich hätte eine wirklich gute Chance …"

„Oh nein, meine Liebe, machen Sie sich keine Sekunde Vorwürfe." Minerva blieb vor Hermione stehen und legte eine Hand auf die Schulter der jungen Hexe. „Das war deutlich komplett durchgeplant. Dieser Staatsanwalt hatte eine Menge Leute, die für ihn gearbeitet haben. Sie haben alles getan, was Sie konnten. Ihre Präsentation war brillant. Ich muss Ihnen danken, dass Sie für Severus so hart gearbeitet haben. Ich weiß, dass Sie ihn nie gemocht haben. Er war ein bisschen zu streng mit den Gryffindors … besonders mit euch drei …"

„Nein, Minerva." Hermione lächelte traurig. „Ich habe Professor Snape wirklich nie gehasst."

„Ja?" Minerva sah die junge Hexe neugierig an. „Nun, ich freue mich, das zu hören. Severus war immer schwierig im Umgang. Aber er ist ein guter Mann. Es tut mir so leid, dass ich nicht für ihn da war, als Albus ihm diese schrecklichen Verantwortlichkeiten aufgebürdet hat." Sie sah auf den Boden hinab und hielt für einen langen Augenblick inne. „Aber jetzt ist doch alles zu spät. Fünfzig Jahre … in Azkaban … du liebe Zeit …"

„Nein, Minerva!" Hermione schüttelte schnell den Kopf. „Ich hole ihn dort raus, ich verspreche es! Aber wir müssen uns auch beeilen. Ich muss Harry erreichen. Severus ist nicht ihre einzige Zielscheibe. Wir haben einen Plan, an dem wir arbeiten müssen …"

Der Schulleiterin von Hogwarts traten wieder Tränen in die Augen, als sie einen Seitenblick auf die entschlossene junge Hexe warf, die ins Schloss voranging. Obgleich ihr die Situation hoffnungslos erschien, gaben die Worte ihrer ehemaligen Schülerin Minerva einen schwachen Trost. Wenn es irgendetwas gab, das sie tun konnte, um ihren ehemaligen Kollegen vor der Bewachung durch die Dementoren zu bewahren und das Vermächtnis von Albus Dumbledore zu retten, war Minerva McGonagall bereit, es zu tun.

Die beiden Hexen waren ziemlich überrascht, als sie am Schlosstor von Harry begrüßt wurden. Der junge Auror, begleitet vom neu ernannten Herbologieprofessor, Neville Longbottom, schaute direkt in ihre Richtung, als sie das Ende der Landstraße erreichten.

„Harry!", rief Hermione und rannte in die Arme ihres besten Freundes. „Es tut mir so leid … Severus … Sie haben ihn mitgenommen …"

„Das dachte ich mir." Harry tätschelte Hermione sanft den Rücken. „Tatsächlich sollte ich sagen, dass Kingsley es sich dachte."

„Kingsley?" Hermione machte sich schnell los und sah zu Harry auf. „Kingsley dachte es sich? Wo ist er? Hast du ihn gefunden? Oh, und was machst du hier?"

„Das ist eine ziemlich lange Geschichte …" Harry zögerte.

„Kommt schnell, in mein Büro." McGonagall erteilte ihren ehemaligen Gryffindorwelpen eine strenge Order.

Der Tee im Büro der Schulleiterin war lange erkaltet, ehe jemand auch nur daran dachte, ihn anzurühren. Hermione, Minerva und Neville saßen um Harry herum und hörten zu, während er seine Erlebnisse früher an diesem Tag rekapitulierte.

„Als wir ins Atrium des Ministeriums hinauskamen, wartete Bill beim Brunnen auf mich. Er zog mich aus dem Ministerium und sagte mir, ich solle ihm ins Shell Cottage folgen. Als ich ihm sagte, dass ich Kingsley finden müsse, sagte er, Kingsley warte dort bereits auf mich. Und dann erzählte er mir, dass Severus nicht der Erste war, der Kingsley warnen wollte. Percy hatte gestern Abend genau dasselbe gemacht. Anscheinend hat eine Gruppe von Zauberern und Hexen hart gearbeitet, um den Ministerposten zu bekommen."

„Aber die Wahl ist erst nächstes Jahr!", bemerkte Neville.

„Ja. Aber die Kandidaten werden diesen Herbst vom Zaubergamot nominiert. Und der Zaubergamot hat die Liste bereits auf eine Handvoll Zauberer und Hexen reduziert." Harry runzelte die Stirn, während er sich ins Gedächtnis rief, was Kingsley ihm erläutert hatte. „Und genau das ist es, was diese spezielle Gruppe beunruhigt. Sie müssen sich Sorgen gemacht haben, dass bald jemand vom Orden wegen dessen Involvierung beim Sieg über Voldemort die Volksabstimmung gewinnt. Sie hatten gedacht, Percy sei ein wertvoller Gewinn für ihre Gruppe, weil er einiges über den Orden des Phönix weiß, aber während des Krieges in der Lage war, irgendwie seinen ‚Abstand' zum Orden aufrechtzuerhalten. Percy nahm an mehreren ihrer Versammlungen teil und begann, das Problem bei ihren Absichten zu erkennen. Er sagte, sie nannten ihren Anführer regelmäßig den rechtmäßigen Herrscher. Nach ihrer Versammlung gestern Abend wurde Percy klar, dass sie dabei waren, einen großen Schritt zu unternehmen. Nach dem Treffen ging er direkt zu Kingsleys Wohnung, warnte ihn vor der Gruppe und deren Plänen und schlug vor, dass er untertauchen solle. Und so ist Kingsley mitten in der Nacht in Bills Haus eingetroffen. Kingsley hatte lange den Verdacht, dass eine kleine Gruppe von Individuen etwas plante, um die Wahl zu sabotieren. Er war nur einfach nicht sicher, wer diese Individuen sind und was sie vorhaben. Nachdem er mit Percy darüber gesprochen hatte, was er bei diesen Versammlungen erfahren hatte, beschlossen Kingsley und Bill trotzdem, dass obwohl wir den Orden wieder zusammenrufen müssen, es am besten ist, wenn wir gerade jetzt keine zusätzliche Aufmerksamkeit auf uns lenken. Das ist der Grund, weshalb sie heute bei Severus' Prozess nicht eingegriffen haben."

„Aber Severus wurde nach Azkaban geschickt!", schrie Hermione. Sie wusste, dass sie wahrscheinlich unvernünftig war, aber sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen. „Wie konnten sie einfach dasitzen und zusehen, wie er falsch angeklagt wird?!"

„Selbst wenn sie es versucht hätten, hätten sie nicht viel tun können", seufzte Harry. „Kingsley wusste, dass es kein positives Urteil für Severus geben würde. Aber er sagte, sobald wir die Lage unter Kontrolle bekommen können, sei es das Erste auf unserer Liste, Severus herauszuholen. Das einzige Problem ist jedoch", der junge Auror seufzte wieder, „dass diese Gruppe von Zauberern und Hexen bei neuen Mitgliedern sehr vorsichtig ist. Percy konnte nicht in Erfahrung bringen, wer genau hinter all dem steckt und die unsichtbaren Fäden innerhalb des Ministeriums zieht."

„Es ist Ralph Warrington", antwortete Hermione sofort und zog aller Augen von Harry auf sich. „Er will der nächste Zaubereiminister werden, und offensichtlich steht Kingsley ihm im Weg."

„Warum? Hermione?", japste Minerva. „Sie haben recht, dass Warrington definitiv ein Verdächtiger ist, besonders nach seinen Worten beim Prozess heute. Aber haben Sie irgendwelche Beweise, die eine solch schwere Anschuldigung untermauern? Sind Sie sich dessen sicher?"

Hermione stand von ihrem Stuhl auf und nickte. „Ja. Nun, ich hatte gerade erst angefangen, die Zusammenhänge herzustellen, nachdem ich Kurt Myles' verdammtes Plädoyer angehört hatte. Aber Severus war derjenige, der mir es mir deutlich aufgezeigt hat unmittelbar bevor er …" Sie schluckte einen Kloß in ihrer Kehle. „Es gibt Dinge, die Myles während des Prozesses sagte. Und ich erinnere mich an einen Artikel mit einem Profil Warringtons. In seinem Interview hatte er etwas erwähnt, in die Fußstapfen seines Onkels zu treten. In seiner Familie muss es jemanden geben, der noch großen Einfluss auf das Gericht hat. Wie sonst konnte er wohl so schnell Mitglied des Zaubergamots werden?"

„Oh ja, jetzt, da Sie ihn erwähnen, kann ich mich daran erinnern, dass ich diesen Artikel gelesen habe." Minerva nickte. „Horace erwähnte sogar etwas über seine Familie und deren gute Verbindungen. Anscheinend hat er auch allerhand Erfahrung mit Gesetzen und Verordnungen. Horace war wirklich begeistert, als er mir erzählte, dass die Beratungstätigkeit dieses jungen Mannes hauptsächlich in der Muggelwelt stattgefunden hat, wo er kleinen kriegführenden Ländern geholfen hat, ihre Regierungen wieder zu stabilisieren." Minerva stand von ihrem Platz auf und begann, auf und ab zu gehen. „Das ergibt Sinn, oder? Kingsley war im Ministerium sehr beliebt – das war seit dem Kriegsende ganz offensichtlich. Ich wünschte, ich hätte der Politik mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Was fangen wir damit jetzt an …?"

„Ich werde Kingsley sofort über Severus' Warnung informieren." Harry stand schnell von seinem Platz auf.

„Was sollten wir tun?" Neville stand ebenfalls auf, noch immer bemüht, die ganzen Informationen zu erfassen.

„Ihr solltet hier bleiben und die Schule beschützen", wies Harry ruhig an. „Falls irgendetwas passiert, werden wir wenigstens einen Ort brauchen, den wir als Basis benutzen können. Momentan sind nur noch ein paar sichere Häuser des Ordens verfügbar. Es wird wichtig für uns sein, Hogwarts als Festung zu halten. Ich werde mehr Leute hierher schicken, um ebenfalls zu helfen, und euch die Pläne für unsere nächsten Schritte bringen. Hermione," Harry wandte sich der jungen Hexe zu. „Hättest du etwas dagegen, auch ein paar Tage hierzubleiben?"

„Nein, überhaupt nicht", antwortete die junge Hexe abwesend, weil ihr eine Million verschiedener Gedanken durch den Kopf gingen.

„Aber es scheint nicht, als hättest du irgendetwas eingepackt." Harry deutete auf die dünne Aktenmappe der jungen Hexe. „Ich schaue bei deiner Wohnung vorbei, hole deine Perlenhandtasche und schicke sie dir mit der Verstärkung mit, die nachher heute oder morgen in Hogwarts eintreffen sollte."

„Das wäre großartig, Harry. Danke." Hermione schenkte ihrem Freund ein kleines Lächeln, getröstet von dem Wissen, dass ihr bester Freund sie gut kannte. Nur Harry und Ron wussten, dass es ihr schwerfiel, diese kleine Gewohnheit aus Kriegszeiten abzulegen – noch immer hielt sie ihre Perlentasche ständig in Bereitschaft für den Fall, dass sich die Notwendigkeit ergab, zu packen und zum nächsten Abenteuer aufzubrechen. „Oh, Harry." Hermione hielt den Zauberer auf, ehe er die Tür erreichen konnte. „Wenn du in meiner Wohnung bist, könntest du bitte auch das schwarze ledergebundene Notizbuch holen, das ich auf meinem Schreibtisch liegen habe? Du hast das schon gesehen. Ich hatte es immer dabei gehabt, als wir auf der Flucht waren."

„Oh ja, das eine Ding, das Ron und ich nicht anfassen durften", nickte Harry lächelnd und verschwand in den Korridor.

Hermione verbrachte den frühen Abend im Wohnzimmer der Schulleiterin und dachte über die schmutzigen Tricks nach, mit denen Kurt Myles und sein Auftraggeber gearbeitet hatten. Das Abendessen wurde von einem Schul-Hauselfen in Minervas Zimmer gebracht. Die beiden Hexen fielen in Schweigen, als sie sich an den Abendessentisch setzten. Jede war in ihren eigenen Gedanken versunken.

Die junge Hexe kam nicht umhin, sich ihr Gespräch mit Severus früher am Tag ins Gedächtnis zu rufen. Seine letzten paar Worte, bevor sie ihr Büro verlassen hatten, verwirrten sie wirklich. Sie fand es immer frustrierender, dass sie nicht ihre Diskussion darüber hatten beenden können, weshalb Severus glaubte, dass ihr geheimer Kontakt ihnen nicht würde helfen können. Aufgrund der Art, wie er sprach, schien Severus diesen Zauberer recht gut zu kennen, so gut, dass man hätte denken können, er habe erst kürzlich mit ihm gesprochen …

Hermiones Brauen zogen sich zusammen, während ihr Verstand weiter in die letzten paar Wochen wanderte. Sie erinnerte sich an den leicht seltsamen Ton während des Austauschs mit T, als sie anfangs den Fall von Severus angenommen hatte; sie erinnerte sich daran, dass sie Severus an der Bar gesehen hatte, nachdem sie T die Bitte um ein Treffen geschickt hatte; sie erinnerte sich daran, dass sie beobachtet hatte, wie Severus das Notizbuch in die Hand nahm und es ihr reichte – er hatte es geschlossen, ehe er es ihr gab!

Diese beiden Notizbücher können nur von euch beiden benutzt werden. Niemand sonst kann sie aufgrund eines Zaubers, den ich in die Umschläge eingearbeitet habe, auch nur öffnen. Dumbledores Stimme hallte in ihrem Kopf wider.

Ein Keuchen entfloh Hermiones Lippen, und sie ließ ihre Gabel auf den Teller fallen.

„Geht es Ihnen gut, meine Liebe?" Minerva sah mit großer Besorgnis zu der jungen Hexe auf.

„Äh …" Hermione biss sich auf die Unterlippe, während sie tief Luft holte. „Äh, ja, Minerva. Ich habe mich nur gefragt … haben Sie jemals Severus gegenüber Crookshanks erwähnt, als ich hier noch Schülerin war?"

„Wer ist Crookshanks?", fragte Minerva neugierig. „Das ist ein ziemlich ulkiger Name. Ich bin sicher, ich könnte mich daran erinnern, wenn ich diesen Namen schon einmal gehört hätte."

„Das war meine Katze." Schnell begannen Hermione Tränen in die Augen zu steigen.

„Oh, Liebes." Die ältere Hexe lächelte ihre ehemalige Schülerin traurig an. „Ich wusste nicht, dass Sie eine Katze als Haustier hatten, als Sie in der Schule waren. Es tut mir schrecklich leid. Ich weiß, ich hätte wahrscheinlich mehr Zeit damit verbringen müssen, euch alle auf einer persönlicheren Ebene besser kennenzulernen. Aber ich dachte, es sei besser für die Schüler, untereinander Kontakte zu knüpfen. Ich dachte nicht, dass ich eine Mutterfigur für euch sein solle, das ist alles. Ich hoffe, das hat Ihnen nicht zu schaffen gemacht?"

„Nein …" Hermione würgte an ihrer Antwort. „Das ist es nicht … gar nicht. Ich war nur neugierig." Aber ihre Tränen straften ihre Worte Lügen. Ich dachte, der Name Ihrer Katze sei Crookshanks … Minerva sprach über Sie drei wie über ihre eigenen Kinder. Sie muss den Namen Ihrer Katze mindestens ein- oder zweimal erwähnt haben.Severus' Stimme dröhnte in ihrem Kopf.

Unbehaglich saß Minerva der jungen Hexe gegenüber am Tisch, ohne zu wissen, worüber Hermione so aufgebracht war. Als ein Klopfen an der Tür sie unterbrach, waren beide etwas erleichtert. Zögernd stand Minerva stand vom Tisch auf, öffnete die Tür und wurde von niemand anderem als Luna Lovegood begrüßt.

„Guten Abend, Professor. Mir wurde gesagt, Hogwarts könne Hilfe brauchen, seine Mauern zu schützen. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich so in die Schule hereinplatze. Ich glaube, Mr. Filch war nicht sehr erfreut, als er mich in der Eingangshalle gesehen hat." Luna lächelte die Schulleiterin strahlend an.

„Kümmern Sie sich nicht um ihn, Miss Lovegood." Schnell führte die Schulleiterin die blonde Hexe ins Zimmer. „Ich freue mich sehr, Sie hier zu sehen, meine Liebe. Bitte kommen Sie herein. Hermione und ich werden gerade mit dem Abendessen fertig. Ich werde veranlassen, dass Sie das Zimmer neben ihr im Kollegiumsbereich bekommen."

„Hallo da, Fremde!" Glücklich winkte Luna Hermione zu, die schnell zu ihr kam und sie mit einer Umarmung willkommen hieß. „Oh, ehe ich es vergesse … Sonderzustellung." Luna griff in ihre Tasche und zog Hermiones Perlenhandtasche und ein schwarzes, ledergebundenes Notizbuch hervor. „Ich weiß nicht, was mit diesem Notizbuch los ist, es leuchtet, seit ich es heute Nachmittag von Harry bekommen habe. Ich habe alles versucht, aber es öffnet sich nicht. Ich hoffe, du weißt, wie man damit umgeht?"

Hermione zögerte kurz, dann griff sie nach dem ledergebundenen Einband. „Ja", nickte sie ruhig.

„Nun, Sie hatten definitiv heute einen langen Tag, Miss Granger. Warum gehen Sie nicht schlafen und besprechen am Morgen alles mit Miss Lovegood?" Mit großer Sorge Minerva betrachtete die bekümmerte junge Hexe. „Hier, Miss Lovegood, lassen Sie mich Ihnen Ihr Zimmer zeigen. Brauchen Sie irgendetwas während Ihres Aufenthalts?"

„Oh, nicht wirklich." Luna antwortete Hermione fröhlich. „Aber ich muss mit meinem Vater Kontakt halten, während ihr hierbleibe. Kingsley hat ihn gebeten, ihm beim Schreiben einiger Artikel für den Orden zu helfen. Da mein Vater mit dem Orden und allen, die dazugehören, nicht allzu vertraut ist, braucht er vielleicht meine Hilfe, um einige Fakten zu klären. Daher werden Sie wahrscheinlich ziemlich oft sehen, dass sein Patronus in mein Zimmer kommt …"

Lunas Worte konnten kaum zu Hermiones Kopf vordringen. Während sie ruhig neben der blonden Hexe und ihrer Gastgeberin schritt, umklammerte Hermione das Notizbuch fest mit den Armen. Auf dem Weg den Korridor entlang, der zu den Wohnungen der Lehrer führte, was das Einzige, woran Hermione denken konnte, dass Severus diesen Weg jeden Abend zurückgelegt hatte, ehe er ihr als ihr geheimer Kontakt aus seiner Privatwohnung geschrieben hatte.

Als sie endlich in ihrem Zimmer allein war, legte Hermione das Notizbuch ab und setzte sich weit weg vom Schreibtisch in einen Sessel am Kamin. Sie wusste, dass eine Nachricht auf sie wartete, die wahrscheinlich geschrieben worden war, als Severus nach Hause gebracht worden war, um einige persönliche Gegenstände zu holen, ehe er den Dementoren übergeben wurde. Ein Teil von ihr wollte sehen, was er geschrieben hatte, aber ein anderer Teil fürchtete sich, die Worte zu sehen. Würde er ihr die Wahrheit sagen? Oder würde er sie weiter anlügen, indem er einige Geschichten erfand, warum er ihr nicht wieder würde schreiben können?

Lange Zeit saß Hermione schweigend im Zimmer und fühlte sich von ihren Emotionen gänzlich verwirrt. Sollte sie glücklich darüber sein, dass sie endlich wusste, wer in all den Jahren ihr geheimer Kontakt gewesen war, oder sollte sie zornig sein, dass Severus die ganze Zeit sein Geheimnis vor ihr verborgen gehalten hatte? Sollte sie hoffnungsvoll sein, da der Orden sich nun darüber im Klaren war, wer ihr Feinde waren und gegen sie kämpfen würde, oder sollte sie die Zukunft nun als hoffnungslos betrachten, da Severus jetzt nach Azkaban geschickt worden war? Und welche Rolle würde all dies spielen, wenn sie ihn nicht herausholen konnte? Konnte sie ihm nach alledem immer noch vertrauen? Gab es sonst noch etwas, das er ihr nie gestehen würde?

Als die Uhr zwölf schlug, fasste Hermione endlich einen Entschluss. Mit wenigen, schnellen Schritten ging sie zu ihrem Schreibtisch und öffnete langsam den ledergebundenen Einband. Ein vertrauter Gruß kam in Sicht, und Hermione konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Sie war nur dankbar, dass niemand da war, um nach einem sehr langen Tag ihren Zusammenbruch zu sehen.