Kapitel 17 – Arie des Herzens

Fünf Schritte breit und sieben Schritte tief – es dauerte nur einige Stunden Auf- und Abgehens auf dem staubigen Fußboden der Gefängniszelle, um sich deren Dimensionen dauerhaft einzuprägen. Der Ort war immer kalt, die entsetzliche Düsterkeit verfolgte ihn in jedem wachen Augenblick, sogar bis in seine endlosen Albträume. Aber wenn es eine positive Sache gab, die Severus über die Unterkünfte in Azkaban sagen konnte, war es die Platzierung seines Fensters, wenn man es eines nennen konnte.

Die kleine Öffnung seiner Mauer zeigte in nordöstliche Himmelsrichtung. Tagsüber war außerhalb des Lochs im Stein nichts Hübsches zu sehen – die Dementoren, die am Himmel schwebten, stellten sicher, dass kein einziger Sonnenstrahl die dicke graue Schicht durchbrach. Am Abend jedoch, nachdem sich die Dementoren in die Tiefe der Nacht zurückgezogen hatten, bot das kleine Fenster Severus einen flüchtigen Anblick der Hoffnung auf die Außenwelt. Nacht für Nacht lehnte sich der Zauberer an die dem Fenster gegenüberliegende Wand und sah auf das schwache Funkeln der Sterne in der Ferne. Und ab und zu verschaffte die Meeresbrise ihm um Mitternacht den Anblick eines wolkenlosen Himmels und für wenige kostbare Stunden den herrlichen Anblick des Mondes.

Das silberne Objekt am Himmel war Severus nicht fremd. Er hatte sich während des Krieges an dessen Gesellschaft gewöhnt, als er stundenlang auf der Spitze des Astromieturmes auf und ab gegangen war, wenn er nicht schlafen konnte und über das Schicksal der Zaubererwelt nachsann. Damals hatte der Mond Severus nur unangenehme Gedanken beschert, da er immer kalt und bitter erschienen war. Egal, welche Form er annahm – Vollmond oder nur eine Sichel –, alles, was er tat, war, den Zauberer daran zu erinnern, wie wenig Hoffnung noch blieb. Der Mondschein war einfach armselig gewesen – so fahl und so schwach.

Aber jetzt schaute er auf einen anders gearteten Mond, obwohl er wieder einmal von der Außenwelt isoliert war.

Ein besonderes Stückchen Wissen, das er nun besaß, veränderte alles. Er wusste jetzt, dass eine Hexe – eine intelligente, schöne und freundliche junge Frau – an ihn dachte. Tatsächlich dachte sie nicht nur an ihn – sie hatte vergeben, was er in der Vergangenheit getan hatte, akzeptierte ihn, wie er war, und ach!, sie liebte ihn! Severus ertappte sich oft dabei, dass er tief Atem holen musste, wenn er über diese Erkenntnis nachdachte.

Obgleich er wieder einmal mit dem Mond alleine war, empfand er dementsprechend etwas völlig Neues – eine Emotion, die er in der Vergangenheit nie verstanden hatte. Der Mondschein war nicht länger einsam und kalt. Er war rein, hell und voller Leben. Er brachte ihm Hoffnung auf eine weitere Nacht, einen weiteren Abend, an dem er ihre Nachrichten in seinem magischen Notizbuch lesen würde. Der Mond erinnerte ihn daran, dass er vermisst wurde, dass er gewollt wurde, und dass er geliebt wurde. Wenn sie einander im Mondlicht schrieben, war es, als besäßen sie einen gemeinsamen Zeugen, der immer vom sternenbedeckten Himmel auf sie hinablächelte.

Die Abendstunden wurden seine liebste Tageszeit – die einzige Zeit, wenn er ihr schreiben und ihre Liebe mittels der Tinte spüren konnte, die durch die Seiten sickerte.

Es war wirklich ein Wunder – Severus seufzte. Wer hätte das gedacht – eine leichtsinnige Gryffindor, eine unerträgliche Besserwisserin – konnte mit Leichtigkeit sein Herz erobern, seine Gefühle beginnend bei so etwas Einfachem wie dem Mond bis hin zu seiner ganzen Weltsicht verändern. Sie hatte ihn in der Tat behext; und es war eine magische Macht, die weit außerhalb seines Fassungsvermögens lag.

In Gesellschaft des silbernen Scheins las er jede Nacht ihre Nachrichten und sah eine Welt voller Leben und Betrieb jenseits des Ozeans, der die kleine Insel bewachte.

Hogwarts ist voll mit Leuten, die uns unterstützen, Severus!", hatte sie ihm vor einer Woche mitgeteilt. „Minerva ist sogar in Sorge, dass sie nicht genug Platz für alle hat. Wenn Du glaubst, Hunderte hormongesteuerter Teenager, die durch die Flure laufen, bereiten Dir Kopfschmerzen, dann versuche Dir vorzustellen, was es mit Dir anstellen würde, wenn Du ein Schloss voller aufgeregterZauberer und Hexen hättest. Glücklicherweise habe ich mit der Menge nichts mehr zu tun. Rolf hat Luna und mich eingeladen, in seinem Cottage auf dem Land zu logieren. Er hat das kleine Anwesen, das seine Eltern ihm hinterlassen haben, zum neuesten sicheren Haus des Ordens gemacht. Ich glaube, Luna hat ihn ziemlich beeindruckt …"

Percy hat einen Bericht über die Reaktion des Ministeriums auf unseren kleinen Ausflug in die Staaten geschickt – nun, technisch ist niemand im Ministerium außer wenigen Ausgewählten sich dessen bewusst. Es hat sich herausgestellt, dass wir Warringtons Männern nur knapp voraus waren, als wir Kalifornien verließen. Jemand hatte den internationalen Portschlüssel nachverfolgt, den wir verwendet haben. Glücklicherweise war Percy vorsichtig, als er ihn stibitzt hat. Niemand verdächtigt ihn. Die ganze Zeit ist er bei weitem unsere wichtigste Informationsquelle. Es war nicht leicht für ihn, ihr Vertrauen zu gewinnen. Er musste eine Show abziehen und öffentlich seine ganze Familie beschuldigen. Das war am Tag, ehe sie Arthur abgeholt haben. Dieses Erlebnis hat Molly wirklich traumatisiert. Egal, wie wir ihr erklären, dass Percy nur geschauspielert hat, kann sie jedes Mal, wenn wir seinen Namen erwähnen, einfach nicht aufhören zu weinen –"

Severus hob eine Braue, während er weiterlas. Er musste zugeben, dass er beeindruckt war. Nie hätte er erwartet zu erleben, dass die Weasleys einen Spion hervorbrächten.

Ich wünschte, Du hättestXenophilius' Gesicht sehen können, als ich ihm gezeigt habe, wie man einen Computer benutzt, um nach Information in der Muggelwelt zu suchen; er schien jedoch ein wenig enttäuscht, als ihm klar wurde, dass er den Schrumpfhörnigen Schnarchkackler auch im Internet nicht finden könnte", schrieb sie ihm zwei Tage nach ihrer Rückkehr. „Dennoch war er so aufgeregt, alle möglichen Artikel zu finden, die überWarrington und die verschiedenen politischen Konflikte in der Muggelwelt geschrieben wurden. Er sagte, er würde sich in der nächsten Ausgabe des Quibblers auf einige dieser Artikel beziehen, damit die Leute wüssten, was die Muggel von Mr. Warrington halten …"

Da wir von Warrington sprechen, der Mann steckt jetzt in großen Schwierigkeiten. Die US-Regierung hat seine Bankkonten eingefroren und betreibt eine gründliche Ermittlung zu seinem weltweiten Unternehmen. Anscheinend hat meine Recherche nur die Spitze des Eisbergs seines illegalen Imperiums aufgedeckt. Kurt Myles gibt in allen Nachrichtenschlagzeilen ununterbrochen Erklärungen ab und versucht, seinen Chef zu verteidigen. Gestern hat Percy eine Nachricht geschickt und uns wissen lassen, dass Warrington möglicherweise unter dem Vorwand, sich um einen familiären Notfall zu kümmern, eine Reise zurück in die Staaten plant. Aber Kingsley vermutet, dass Warrington keine Wahl hat, als zurückzukehren, um allerlei Fragen der Muggel und möglicherweise ihrer Zaubererregierung zu beantworten. Da sein Vermögen nicht liquide ist, verliert er schnell sowohl in der Muggel- als auch in der Zaubererwelt Freunde."

Severus runzelte die Stirn über die Neuigkeiten. Er fragte sich, ob der Orden die Gelegenheit beim Schopf packen würde, wenn Warrington außer Landes war, um zuzuschlagen. Rückblickend fand Severus es ziemlich ironisch: Ralph Warrington hatte versucht, als Reformer an die Macht zu gelangen, indem er den Orden auf's Korn nahm. Aber statt den Menschen vor dem Orden des Phönix Angst einzujagen, hatte Warrington die Öffentlichkeit offensichtlich dazu getrieben, mehr zum Orden zu tendieren. Vielleicht gab es letztlich doch nicht so viele Dummköpfe auf der Welt. Severus zuckte mit den Achseln.

Heute Abend hatten wir unsere Zusammenkunft in Minvervas Büro. Unsere Zeit ist gekommen, Severus!" Sie hatte ihm die Nachricht früher am Abend geschickt. „In ganz London und im ganzen Land wurden Anweisungen verteilt. Es geschieht! Es wird in den nächsten vierundzwanzig Stunden losgehen!"

Severus erstarrte, als er ihre Bemerkungen las. Er sollte wirklich nicht überrascht sein; dies war doch, worauf er seit dem ersten Tag gehofft hatte, an dem er einen Fuß nach Azkaban gesetzt hatte? Dennoch fühlte er sich gleichermaßen beschämt. Hermione würde wieder einen Kampf ausfechten, eine weitere Schlacht, und dieses Mal wäre er nicht in der Lage, da zu sein, wäre er überhaupt nicht in der Lage, ihr zu helfen.

Ich bin ziemlich sicher, dass nichts, was ich heute Abend sage, Deine Meinung ändern wird", schrieb er seine Gedanken an sie nieder. „Ich weiß, dass es unmöglich ist, Dich davon zu überzeugen, dass Du Dich aus der Tollheit morgen heraushältst. Aber könntest Du bitte", bat er, „extrem vorsichtig sein, wenn Du bei denen da draußen bist? Ich möchte Dich wiedersehen, sehr dringend sogar; aber ich bin ein sehr geduldiger Mann. Ich kann den Rest meines Lebens abwarten, solange Du in Sicherheit bist. Wenn nach dem Start irgendetwas schiefgehen sollte, versprich, mir, dass Du sofort verschwindest. Und schreib mir, sobald Du außer Gefahr bist. Eines Tages werden wir einander wiedersehen, dessen bin ich mir sicher; das kann jedoch nicht erreicht werden, wenn Du nicht sehr gut auf Dich selbst aufpasst."

Ich werde Dich sehr bald sehen", antwortete sie. „Vertraue darauf, dass alles gut wird. Ich schreibe Dir so bald wie möglich, falls ich Dich vorher nicht persönlich sehe."

Severus wünschte, Hermione könnte für den Rest dieser Nacht bei ihm bleiben; aber er wusste auch, wie wichtig es war, dass sie etwas Schlaf zur Vorbereitung einer gefährlichen Operation bekam. Daher hielt er sie davon ab, ihm mehr darüber zu erzählen, was ihre Freunde zur Vorbereitung auf den nächsten Tag unternahmen, und drängte sie, zu Bett zu gehen. Als sie ihm schließlich eine gute Nacht wünschte, schloss er widerwillig das Notizbuch, und begann sofort, sie schrecklich zu vermissen. Als er aufblickte, sah er den Mond. Würde er ihn morgen Abend wieder sehen? Und sie?

Die sorgenvollen Gedanken drohten, ihn lebendig aufzufressen. Obgleich es schon nach Mitternacht war, hegte der Zauberer nicht den geringsten Wunsch zu schlafen. Stattdessen ging er auf dem kalten Steinboden an der Gittertür auf und ab und stieß Seufzer aus, wenn er an all die Dinge dachte, die schiefgehen konnte, wenn der Morgen kam.

„Severus, bist du das?", fragte Arthur Weasley von der anderen Seite der Mauer.

„Wer sonst könnte es sein? Selbst das Ungeziefer ist von diesem Ort geflohen mit diesen üblen Kreaturen, die am Himmel patrouillieren", schnaubte Severus.

„Nun … ich frage nur. Manchmal höre ich Stimmen, weißt du. Ich bin mir nicht immer sicher …", entschuldigte Arthur sich leise.

Stirnrunzelnd wegen Arthurs Worten stellte Severus sein Auf- und Abgehen ein. „Hast du das Rezept für den Heiltrank aufgesagt, den ich dir beigebracht habe? Hast du den Zweck jeder Zutat auswendig gelernt?", fragte er.

„Ja, ich habe geübt, obwohl ich zugebe, dass ich mich nicht erinnern kann, jemals etwas über diese Art von Heiltrank gelesen zu haben."

„Das erklärt, weshalb du nie ein Tränkemeister geworden bist, oder?", kommentierte Severus kühl.

„Da hast du recht", murmelte Arthur. „Aber ich fange auch an zu denken, dass du dieses kleine Rätsel erfunden hast, um mir zu helfen, bei Verstand zu bleiben."

„Ich könnte genauso gut versagt haben, wenn du Stimmen hörst", knurrte Severus. „Hast du es ganz auswendig gelernt?", fragte er.

„Ja, hab ich", antwortete Arthur ruhig. „Mohnsaat braucht Chili, damit zu köcheln … ist in Ordnung. Flatterndes Gänsegras formt die Verbindung, vergiss nie Rosmarin und Ginster … Und bitte lass mich jetzt nicht ihre Eigenschaften aufzählen. Es wird ziemlich spät. Aber sag mir, Severus … das sind doch nicht wirklich Zutaten? Jede Zutat steht für eine Person: Molly, Charlie, Bill, Fred, George, Ron und Ginny. Wie kann ich das vergessen? Sie sind meine Familie."

„Du hast ein Wort vergessen", verwies Severus scharf. „Köcheln mit Petersilie ist in Ordnung."

„Nun …" Arthur zögerte auf der anderen Seite der Mauer kurz. „Das wäre dann Percy … Ich wollte ihn nicht auslassen, Severus; aber ich glaube nicht, dass er möchte, dass ich mich an diese Zutat erinnere."

„Das ist absurd." Severus lächelte höhnisch die Wand an. „Er weiß nichts von dieser Gedächtnisübung, die ich dir aufgetragen habe. Warum sollte er eine Meinung zu irgendetwas davon haben?"

Es gab eine lange Schweigepause, dann seufzte Arthur schließlich und antwortete: „Ich mag langsam den Verstand verlieren, aber ich werde dies nicht vergessen. Es gibt Dinge, die man einfach nie vergisst, Severus. Weißt du, was an dem Tag passiert ist, ehe sie mich im Ministerium verhaftet haben? Lass es mich dir erzählen." Der Zauberer lachte bitter. „Percy, mein eigener Sohn, erzählte der versammelten Menge im Atrium des Ministeriums, dass er sich schäme, ein Weasley zu sein. Er sagte das zu allen, meinen Kollegen, den Reportern, den Passanten. Und als er mich sah, sagte er …" Arthur brachte kein Wort mehr heraus.

„Was hat er gesagt?", forderte Severus ihn leise auf.

Nach einer langen Weile fuhr Arthur fort. „Er sagte, er habe keinen Vater wie mich!" Die wenigen Worte lösten eine Flut von Emotionen aus. „Ich bin immer nachsichtig gewesen, Severus. Du hast keine Vorstellung! Als Percy sich während des Krieges auf die Seite des Ministeriums stellte, brachte es Molly fast um den Verstand. Ich war derjenige, der ihr immer wieder sagte: Er ist unser Sohn, er wird sich besinnen, und schließlich wird er wissen, was recht und was falsch ist. Und am Ende des Krieges, als er zur Besinnung kam, war ich der Erste, der ihm die Hand schüttelte und ihn wieder in der Familie willkommen hieß. Wie konnte er mir das antun? Wie konnte er das über seine Familie sagen?!"

Severus' Brauen zogen sich zusammen, während er über alles nachdachte, was Hermione ihm über Percys Rolle als der Undercoverspion für den Orden erzählt hatte. Anscheinend war die Darbietung des jungen Mannes so überzeugend gewesen, dass er seine eigenen Eltern getäuscht hatte. „Er könnte seine Gründe gehabt haben, diese Dinge zu sagen und könnte es nicht so gemeint haben." Plötzlich empfand Severus den dringenden Wunsch, den jungen Zauberer zu verteidigen. „Ich nehme an, du hast nach dieser Begegnung nicht mehr mit ihm gesprochen?"

„Nein … habe ich nicht", seufzte Arthur. „Ich hatte weder Gelegenheit dazu, noch bin ich an ihn herangetreten … nachdem ich Zeuge dieser schändlichen Szene war."

„Also weißt du nicht, was ihn dazu gebracht hat, diese Dinge zu sagen, und wie er wirklich zu diese Erklärungen steht", sagte Severus, während er zum Mond hinschaute. „Dinge sind nicht immer, wie sie scheinen, besonders, wenn es um so viel geht. Ehe du nicht mit deinem Sohn gesprochen hast, ist es zu früh, um einen Schluss zu ziehen."

„Du verwirrst mich, Severus", murmelte Arthur. „Mit ihm sprechen? Ist das überhaupt möglich? Es ist nicht so, als wäre ich in der Lage, diesen Ort wieder zu verlassen, oder?"

Severus fiel in Schweigen. Er wünschte, er könne Weasley irgendwie die Pläne des Ordens für den nächsten Tag wissen lassen; dennoch wusste er, dass er nicht riskieren konnte, das Geheimnis irgendwo zu lüften, selbst innerhalb der Gefängnismauern.

„Bist du noch auf?" Arthurs Stimme holte Severus eine Weile später wieder aus seinen Gedanken. „Was denkst du?"

„Ich habe gedacht …" Severus runzelte die Stirn, während er versuchte, nach einer Antwort für den gebrechlichen Mann in der Nachbarzelle zu suchen. „Es ist fast Vollmond", sagte er ruhig.

Der nächste Tag kroch in absoluter Qual dahin. Severus hatte den ganzen Morgen die Augen auf das Notizbuch geheftet und wünschte, der warme Schein erschiene zwischen den Seiten, aber nichts passierte. Der Nachmittag verging in völliger Stille. Als der Abend hereinbrach, befand Severus sich in der Dunkelheit, und nur das flackernde Kerzenlicht im Flur leistete ihm Gesellschaft.

Es war eine wolkige Nacht, kein Mondstrahl konnte in seine Gefängniszelle gelangen. Severus saß gegen die Wand gelehnt und hielt das Notizbuch fest umklammert. Mit geschlossenen Augen wünschte er sich, die Wärme in seinen Handflächen zu spüren – aber sie kam nicht. Er versuchte, vernünftig zu überlegen: Vielleicht war der Aufstand verzögert; es hatte eine Planänderung gegeben; sie hatten spät am Abend eine Versammlung, und sie war nicht abkömmlich. Aus all den Gründen, die ihm einfielen, schrieb sie ihm an diesem Abend nicht.

Am dritten Tag fühlte Severus sich, als säße er auf glühenden Kohlen. Er versuchte alles, um sich von dem Notizbuch abzulenken, aber er konnte nicht anders, als sich mehr und mehr unbehaglich zu fühlen, weil der warme Schein nicht auftauchte.

Er versuchte, sein klopfendes Herz mit Meditation zu beruhigen. Mit geschlossenen Augen zwang Severus sich, langsam zu atmen, und sammelte all seine Kraft, um seine Emotionen zu beherrschen. Am Nachmittag schaffte er es beinahe, seine beunruhigenden Gedanken tief in seine Seele zu verbannen, als er von einem Ruf seines Nachbarn unterbrochen wurde.

Es war nicht nur ein Ruf. Es war ein Brüllen, ein Jubeln, ein Schrei vor Aufregung.

„Severus! Schau! Sonnenschein! Es ist Sonnenschein in der Zelle!", rief Arthur aufgeregt.

Erschrocken öffnete Severus die Augen und musste schnell eine Hand heben, um sich gegen das helle spätsommerliche Licht abzuschirmen, das durch das Steinloch in der Mauer drang.

„Die Dementoren sind weg!", schrie Arthur, und mehrere andere Gefangene echoten seine Stimme, während sie an den rostigen Gittern rüttelten, die ihre Zellen abschlossen. „Was hat das zu bedeuten, Severus? Was hat das zu bedeuten?"

Plötzlich fand Severus es sehr schwierig zu atmen. Er wollte über die Bedeutung all dessen nicht nachdenken, dass die Antwort zu offensichtlich war: Die Dementoren wären nicht verschwunden, wäre das Ministerium unter Kontrolle derselben Leute. Konnte es Teil der ersten Verfügungen einer neuen Regierung sein, die Wachen in Azkaban auszutauschen? Wenn der Orden seinen Kampf gewonnen hatte, warum schrieb Hermione ihm nicht? Es sei denn …

Er verfluchte sich selbst, dass er seine Gedanken zu dieser Möglichkeit driften ließ. Es konnte nicht sein … Es musste ihr gutgehen.

„Kannst du es spüren, Severus?", fragte Arthur glücklich von der anderen Seite der Mauer. „Es ist wie ein großer Felsbrocken, der von meiner Brust weggenommen wurde, und ein dicker Nebel, der sich von meinem Kopf gehoben hat. Ich kann jetzt klar denken, du auch? Nun, ich nehme an, du warst nie davon betroffen, oder? Ich sollte Okklumentik niemals unterschätzen …" Fröhlich fuhr Arthur fort und wurde seinem Ruf gerecht, „gesprächig" zu sein …, genau wie Hermione erwähnt hatte. „Sag … wie lange, glaubst du, dauert es, bis sie kommen und uns alle befreien …?"

Severus stieß ein Seufzen aus, während seine Gedanken wieder zu der Hexe wanderten, die versprochen hatte, ihm zu schreiben, sobald alles vorüber war. Was war mit ihr geschehen?

Arthurs aufgeregter Monolog erfuhr kein einziges Wort als Antwort. Stattdessen kamen nur ein paar Seufzer aus der Nachbarzelle. „Was ist los, Severus?", fragte Arthur mit großer Besorgnis. „Warum freust du dich über das alles nicht? Wenn sie diese üblen Kreaturen loswerden können, denken sie an uns. Sie werden kommen und uns finden. Sie werden uns freilassen!" Da er keine Antwort hörte, fragte der Zauberer wieder: „Severus, hast du mich überhaupt gehört? Willst du nicht aus diesem furchtbaren Ort herauskommen?"

Nach einer langen Pause des Schweigens kam endlich eine Antwort. „Ich fürchte, es wird keinen Unterschied machen."

„Wie meinst du das?", fragte Arthur überrascht. „Bist du verrückt geworden? Du meinst, du bist nicht aufgeregt, wieder freizukommen?"

„Du verstehst gar nichts", erwiderte Severus kalt. Wie sollte er Weasley die Sorgen erklären, die seinen Sinn plagten? Weasley würde es nicht verstehen. Niemand würde es verstehen. Wenn er sie, Merlin behüte, irgendwie verloren hatte, würde seine Freiheit wiederzugewinnen keinen Unterschied dazu machen, in den Mauern der Gefängniszelle zu bleiben.

Arthur dachte über die Erklärung des Zauberers ruhig nach und sagte schließlich: „Ich mag dich nicht verstehen, Severus, aber ich würde es gern versuchen. Ich weiß, dass du es nie zugeben wirst, aber du hast versucht, mir zu helfen, bei Verstand zu bleiben, nicht wahr? Ich kann die Männer in den Zellen den Flur hinunter hören. Sie hören sich wie Tiere an. Ich wette, jeder von ihnen hat den Verstand verloren. Aber ich fühle mich ganz prima! Dein Zaubertrankrezept hat Wunder gewirkt! Es hat meinen Verstand gerettet!"

„Also hast du beschlossen, es mir mit Geplapper zu vergelten! Du wirst mich schnell in den Wahnsinn treiben, wenn du nicht sofort den Mund hältst", knurrte Severus. „Lass mich in Ruhe!"

„In Ordnung, Severus", antwortete Arthur leise. „Ich überlasse dich deinen Gedanken. Aber nur Eines noch … wenn du Sorge hast, dass du niemanden hast, wenn wir hier herauskommen, brauchst du dich nicht zu sorgen. Du bist mir ein wahrer Freund. Ich werde dir auf jede Weise helfen, die du brauchst. Du bist nicht allein!"

„Halt schon den Mund, Weasley." Severus sah finster drein und verschaffte sich für den Rest der Nacht etwas Ruhe.

In dieser Nacht sah er den Mond wieder. Es war ein Vollmond, so klar, so hell. Das Herz blutete ihm, als er sich fragte, ob sie ihn ebenfalls sah.