Kapitel 20 – In Erwartung

… dreiundzwanzig, vierundzwanzig, fünfundzwanzig …

Schweigend zählte Severus, während er die goldene Flüssigkeit in dem Kupferkessel in stetigem Rhythmus rührte. Statt den Holzlöffel zu verzaubern, damit er die ermüdende Aufgabe erfüllte, hatte der Zauberer am Abend dieses speziellen spätherbstlichen Freitags die einfache Arbeitsweise in seinem Labor gewählt.

Nicht viele würden jemals von dieser bevorzugten Methode des Tränkemeisters erfahren, um seine Beklommenheit unter Kontrolle zu halten. Ja, sie war eines von Severus Snapes vielen Geheimnissen, das die Welt nie erfahren würde; und ja, Severus Snape war in der Lage, sich beklommen zu fühlen.

Jeder Zauberer und jede Hexe, die in den letzten zwanzig Jahren Hogwarts besucht hatten, hätten argumentiert, dass der Hauslehrer von Slytherin niemals irgendwelche Beklommenheit empfinden könne. Aggressionsbewältigung? Sicherlich. Beklommenheit? Nie! Er war einfach ein zu bissiger Mistkerl, um beklommen zu sein. Natürlich zog er es vor, alleine in seinem Labor zu grübeln – würden sie argumentieren –, wie sonst sollte er seinen Ärger im Zaum halten? Mehr Schüler dransetzen, schmutzige Kessel ohne Magie zu schrubben? Oder einen alten Mann über das Geländer des Astronomieturms hexen?

Aber dann wiederum waren dies die Meinungen einer Horde begriffsstutziger Hohlköpfe. Wie viel Genauigkeit konnte man bei den Beobachtungen dieser Leute erwarten?

In Wirklichkeit hatte Severus die Gewohnheit entwickelt, sich auf diese Form der Meditation zu verlassen, seine sorgenvollen Gedanken unter Kontrolle zu halten, als der Dunkle Lord und seine Gefolgsleute das Land durchstreift hatten. Es war die Zeit, als Dunkelheit gedroht hatte, den letzten Funken Licht zu schlucken, als seine einzige Hoffnung an einer Reihe von Nachrichten gehangen hatte, die er anonym mit einer sehr tapferen Gryffindorhexe ausgetauscht hatte, die den jungen Mann leitete, der ihre letzte Chance war, Voldemort zu besiegen. Oh ja, damals hatte Severus zahllose Nächte angstvoll wartend in seinem Labor zugebracht und sich auf einen Holzlöffel und einen Kessel verlassen, um sein rasendes Herz zu beruhigen.

… siebenunddreißig, achtunddreißig, neununddreißig …

Während des Krieges war die Methode immer wirkungsvoll gewesen; es gab für Severus keinen Grund zu bezweifeln, dass die Stille in seinem Labor und der Rhythmus des Löffels, der den Rand des Kessels touchierte, ihn nicht wieder vor einer neuen Form von Besorgnis bewahren könnte.

Dieses Mal gab es weder einen Dunklen Lord, der mit Krieg drohte, noch einen alten Schulleiter, der ihm Versprechen auflud, in denen es um Leben und Tod ging. Stattdessen war Severus einfach nervös, weil er einige kurze Sätze gelesen hatte, die eine gewisse brillante Hexe ihm in seinem magischen Notizbuch hinterlassen hatte:

Ich muss Dir etwas Wichtiges mitteilen. Ich habe einen Entschluss gefasst. Und ich hoffe, Du bist für die Überraschung bereit.

Bereit wozu? Merlin wusste, wie sehr Severus Überraschungen verabscheute … Es klang schrecklich ernst. Hatte sie ihrer Beziehung wegen einen Entschluss gefasst? Traf sie gerade eine Entscheidung für sich selbst? War er, Severus Snape, bereit, in seinem Werben um sie den nächsten Schritt zu gehen?

… einundvierzig, zweiundvierzig, dreiundvierzig …

Es war erst sechs Monate her, seit Severus mit Hilfe seiner unerträglich verwegenen und dennoch erstaunlich entschlossenen kleinen Besserwisserin aus Azkaban entlassen worden war. Dass Hermione während der folgenden paar kurzen Wochen in seinem schäbigen Haus in Spinner's geblieben war, war für ihn die beste Medizin gewesen. Sie mochte diejenige gewesen sein, die physische Fürsorge von einem fähigen Heiler und Tränkemeister erfuhr, aber ihre Anwesenheit war das dringend benötigte Heilmittel, um die unsichtbaren Wunden zu heilen, die seine Seele davongetragen hatte.

Seit der Nacht, als sie in seinem Haus angekommen war, hatten sie dasselbe Bett geteilt. Zu Anfang war es wirklich so unschuldig gewesen, wie sie es aufgezeigt hatte – sie hatte schlicht seine Gesellschaft in seinem „enormen" Bett verlangt. Aber einige Tage später, nach ihrer völligen Genesung, fand Severus sich auf die Matratze gedrückt, während sich die glatten langen Beine der jungen Hexe rittlings über ihm befanden. Er versuchte, sie zu ignorieren, als sie ihn „konservativ" und „altmodisch" nannte, aber schließlich gab er ihr nach, als ihre Gryffindor-Sturheit und -Beharrlichkeit die Oberhand gewannen. Natürlich war ihr Leichtsinn schuld, denn Severus würde niemals zugeben, dass diese süßen, zärtlichen Lippen, die seine Ohren liebkosten, ihre seidige Porzellanhaut, die seine Wange streifte, und das süße, leise Stöhnen, das ihrer Kehle entwich, irgendetwas damit zu tun hatten, dass seine Selbstbeherrschung zusammengebrochen war.

Oh, diese süßen, zärtlichen Lippen … Jedes Mal, wenn er daran dachte, wie sie ihn küsste, musste Severus die Augen schließen und tief Luft holen. Wie ironisch musste es sein zu denken, dass ein Zauberer wie er von einer jungen, zierlichen und unschuldigen Hexe wie ihr gänzlich, gründlich und vollständig entwaffnet wurde.

Seit die gewaltige Leidenschaft im Herzen des Zauberers freigesetzt worden war, fiel es ihnen schwer, Tag und Nacht voneinander zu trennen. Jede Minute, die sie miteinander verbrachten, war magisch. Severus konnte die junge Hexe nicht aus den Augen lassen. Er liebte die Art, wie sie seine Hand in ihre nahm und sich dann an seine Schulter lehnte, wie sie jede Nacht leise seufzend in seine Arme sank, und die Art, wie sie ihn anlächelte, wenn er von der anderen Seite des Zimmers zu ihr hinsah.

Severus war völlig mit der Welt im Einklang, solange Hermione bei ihm war. Wenn er sie im Haus hatte, brauchte er seiner Meinung nach sonst keine Seele zu sehen. So könnte er immer weiterleben, wenn er nur einen Weg auszutüfteln vermochte, ein regelmäßiges Einkommen zu erwerben, um sie beide zu ernähren, was er nicht für schwierig hielt. Aber würde sie ein solches Arrangement genauso sehen? Severus war sich nicht sicher.

Und dann bekam er seine Antwort.

Es war ein ruhiger Abend im Oktober. Sie waren gerade dabei gewesen, es sich Arm in Arm bei einem Glas Wein auf dem Sofa bequem zu machen, und zu überlegen, welches Buch ihre Zeit wert war, ehe sie sich in sein Schlafzimmer unter die weichen Decken zurückzogen. Eine Serie klappernder Geräusche lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Fensterscheiben in der Küche.

Der Besucher war eine hübsche Schleiereule. Aufgrund des roten Wachssiegels auf dem Brief, den der Vogel trug, war er offensichtlich im Dienst des Ministeriums unterwegs.

„Schick ihn weg." Severus runzelte die Stirn, als Hermione das Fenster öffnete, um die Eule einzulassen. „Sie geben niemals auf. Wie oft muss ich ihnen noch sagen, dass ich kein Interesse an ihrem kleinen Vorschriftensystem für Tränkelieferungen habe? Ich will mit dem Ministerium nichts zu tun haben. Egal, wer verantwortlich ist, ich mag immer noch keinen von ihnen. Und du hast schon genug für sie getan. Sie sollten sich schämen, sich auf eine junge Hexe zu verlassen, um Warringtons Unternehmen zu sabotieren. Wenn du nicht antwortest, könnte der Gedanke ein Chance haben, durch ihre dicken Schädel zu sickern, dass wir kein Interesse haben, eingebunden zu werden."

„Aber dies könnte etwas Wichtiges sein", antwortete sie abwesend und ignorierte seinen durchdringenden Blick. „Oh schau, dieses Mal ist es für mich, von Kingsley." Sie band den Brief von den Krallen des Vogels los.

„Was will er?", grollte Severus und starrte die Eule eisig an, als erwarte er eine Antwort von dem Vogel. Die Schleiereule erwiderte den Blick des Zauberers mit einem trotzigen Schrei und machte es sich mit einem behänden Sprung auf der Küchenarbeitsplatte bequem.

Severus wandte seine Aufmerksamkeit wieder seiner Hexe zu und sah, dass Hermione auf ihrer Unterlippe kaute. Was konnte die Hexe so faszinieren? Erwartungsvoll hob Severus eine Braue.

„Hmmm …" Mit dem gefalteten Brief in den Händen zog Hermione sich ins Wohnzimmer zurück. „Interessant."

„So interessant, dass es dich sprachlos macht?" Severus folgte ihr ins Wohnzimmer und betrachtete die Hexe neugierig.

„Nun, Kingsley wurde zum Zaubereiminister ernannt", begann sie und sah in die Ferne.

„So viel wissen wir aus dem Propheten", nickte er.

„Aber er hat kein voll funktionsfähiges Ministerium, das er leitet." Sie setzte sich auf die Couchkante.

„Das war zu erwarten, oder?" Severus zuckte mit den Achseln, zwischen seinen Brauen bildete sich schnell eine Falte. „Nach dieser Art von Operation kann es nur chaotisch sein. Das erklärt, weshalb das Flohnetzwerk noch nicht wieder normal funktioniert."

„Er bildet verschiedene Arbeitsgruppen, um die einstweilige Regierung zu leiten." Ihre Worte verstummten allmählich.

Da er sie nicht sprechen hörte, ermunterte Severus sie nach einer langen Pause: „Und er schreibt dir, weil …?"

„Glaubst du, ich interpretiere hier zu viel hinein?" Mit vor Aufregung funkelnden Augen sah sie zu ihm auf.

„Ich kann diese Frage schwerlich beantworten, wenn du versäumst zu erklären, was du gerade gelesen hast!", schnaubte Severus.

„Oh Severus, dies sind großartige Neuigkeiten!" Hermione sprang plötzlich von der Couch auf, rannte zu Severus und drückte ihm den Brief in die Hand. „Ich glaube wirklich, er vertraut auf meine Fähigkeiten! Schau, Kingsley bittet mich, die Arbeitsgruppe zu leiten, die diplomatische Beziehungen mit Zauberergemeinschaften außerhalb des Landes wieder anknüpft!"

„Warum? Du hast keinerlei außenpolitische Erfahrung." Severus' Stirnrunzeln vertiefte sich, als er den Brief entfaltete und zu lesen begann.

„Deshalb war ich so überrascht!" Hermione tanzte praktisch im Kreis herum. „Aber es sieht aus, als sei er wirklich knapp an Personal. Die alte Abteilung für internationale Beziehungen ist nach der Operation praktisch über Nacht auseinandergefallen. Slughorn hat eingewilligt, beratend zu helfen, hat es aber rundheraus abgelehnt, die Leitung zu übernehmen. Percy hat etwas Erfahrung im Umgang mit ausländischen Gemeinden in Europa, aber seine Zeit wird vollständig davon in Anspruch genommen, sich um den Zaubergamot zu kümmern. Ich schätze, meine Reisen nach Australien und in die Staaten haben mir einige Pluspunkte bei dieser Gelegenheit verschafft!"

„Unsinn." Severus gab Hermione den Brief zurück und schüttelte den Kopf. „Du hattest keinerlei Kontakt zu den Zauberergemeinden in Australien und in den Staaten. Du hast null Erfahrung darin. Wie kann Shacklebolt erwarten, dass du diesen Job übernimmst? Und Diplomatin wirst?", schnaubte der Zauberer. „Ich habe das freundlichste Gesicht der Welt, wenn du diplomatische Züge aufweisen kannst."

„Oh, komm schon!" Hermione ignorierte Severus' Stichelei und lächelte ihn strahlend an. „Sei kein Spielverderber! Kingsley braucht Hilfe! Er hat das in seinem Brief ziemlich deutlich erklärt. Dies ist nur vorübergehend, und er braucht wirklich jemanden, der die Stelle für ein paar Monate übernimmt, bis die Wahl vorüber ist. Dies ist eine großartige Gelegenheit für mich. Ich werde bei diesen diplomatischen Besuchen eine Menge lernen und die Erfahrung meinen Referenzen hinzufügen können."

„Was genau willst du mit deinen Referenzen anfangen?" Severus war sich nicht sicher, weshalb er plötzlich ein Loch in seinem Herzen spürte.

„Nun, ich bin noch nicht ganz sicher", antwortete Hermione bedacht. „Aber ich möchte definitiv für das Ministerium arbeiten und dort Karriere machen, hoffentlich im Bereich des Gesetzesvollzugs. Ich denke, indem er mich in sein Team bittet, zeigt Kingsley mir, dass er willens ist, mein Mentor zu sein, und vielleicht wird er mir einen Weg zu einer Karriere in seiner alten Abteilung aufzeigen! Ich hatte schon immer Interesse an Recht. Das ist der Grund, weshalb ich meine Ausbildung unter Kingsleys Anwälteteam überhaupt angefangen habe. Weißt du, wie lange ich schon etwas in Sachen Gerechtigkeit bewirken will, indem Gesetze und Verordnungen sachgemäß angewendet werden?"

„Glaubst du immer noch, dass in einer Regierung, die so komplex wie unsere ist, Recht herrschen könnte?" Severus hob eine Braue. „Ich hege keine Zweifel an Shacklebolts Absichten. Aber mit diesem Haufen im Zaubergamot bezweifle ich sogar, dass Shacklebolt die Dinge über Nacht ändern kann. An deiner Stelle hielte ich mich von diesen Leuten lieber fern."

„Sicher. Wenn es nach dir ginge", Hermione zog den Zauberer am Arm auf die Couch hinunter, „würdest du von all diesen Leuten wegbleiben und den Rest deines Lebens in diesem Haus verbringen und alle paar Tage ein paar Galleonen verdienen, indem du unten in deinem Labor Tränke herstellst."

„Zaubertränke herzustellen ist sicherlich eine rentable Möglichkeit, seinen Unterhalt zu verdienen. Du brauchst dich niemals mit diesen Idioten im Ministerium zu beschäftigen", murmelte er leise.

Hermione lachte, als sie den durchdringenden Blick des Zauberers auf sich bemerkte. „Aber du bist nicht ich, Severus. Ich habe nicht den Wunsch, mich für den Rest meines Lebens in einem Labor zu verstecken und Tränke zu brauen. Und übrigens, ja, ich glaube, dass eine gute Regierung möglich ist, trotz dessen, was wir kürzlich erlebt haben. Es wird nicht über Nacht passieren, aber wenn Leute wie Kingsley die Führung übernehmen, besteht definitiv Hoffnung!" Sie biss sich auf die Lippe, als sie feststellte, dass er seine Aufmerksamkeit auf die Lampe in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers richtete. „Ich habe diesen Traum immer gehabt, seit ich klein war. Ich will denen Stimme verleihen, die keine haben, und für diejenigen eintreten, denen Unrecht geschieht."

„Wie das, was du für die Hauselfen zu tun versucht hast", schnarrte Severus.

„Nun …" Die junge Hexe zögerte einen kurzen Augenblick. „Und für Leute wie dich." Sie sah zu seinen tiefdunklen Augen auf. „Zu wissen, dass ich meine Ausbildung dazu nutzen kann, um anderen zu helfen, Gerechtigkeit zu erfahren, sorgt dafür, dass ich mich richtig gut fühle."

Er wandte sich von ihr ab und sagte für einen langen Augenblick kein weiteres Wort. Und schließlich sah er sie nachdenklich wieder an und fragte: „Ist es das, was dich glücklich machen wird? Eine erfolgreiche Karriere im Ministerium zu haben?"

Hermione streckte ihre Hände nach oben und umfasste das Gesicht des Zauberers. „Ja", antwortete sie ruhig. „Das wird mich glücklich machen. Aber es macht mich noch glücklicher, wenn du dich für mich freust und mein Fels in der Brandung bist, während ich auf mein Ziel hinarbeite."

Severus schloss die Augen und nahm einen tiefen Atemzug. „Du wirst dann unterwegs sein", murmelte er schließlich, „wenn du in diesen Job einwilligst."

„Betrachte dies einfach als einen weiteren Schritt in meiner Ausbildung, Severus." Hermione durchschaute sein Zögern. „Ich mag einige Reisen machen müssen, aber das geht bald vorbei, und ich kann mich darauf konzentrieren, meine Karriere im Gesetzesvollzug voranzutreiben."

Für einen kurzen Moment lehnte er sich in Hermiones Handflächen. Es gefiel ihm nicht, dass sie so entschlossen war, eine Karriere im Ministerium fortzusetzen. Aber er war auch nicht überrascht. Hermione besaß die Intelligenz, die Disziplin und die Zielstrebigkeit für eine solche Karriere. Mit Sicherheit konnte sie eine erfolgreiche Anwältin werden, wenn sie die Gelegenheit dazu bekam. Und von dem, was er in Shacklebolts Brief gelesen hatte, bekam sie in der Tat eine sehr gute Position, um Kontakte innerhalb und außerhalb des Ministeriums zu knüpfen.

„Gewiss." Er öffnete die Augen und lächelte ihr schwach zu. „Ich bin froh, dass man dir eine solche Gelegenheit gibt. Solange du versprichst, dass du während dieser zeitweiligen Aufgabe in Sicherheit bist, würde ich sagen, du solltest den Vogel zurückschicken. Shacklebolt verdient eine Warnung, dass die Intelligenz seines Stabs sich mit Hinzufügung der klügsten Hexe ihres Alters gerade vervierfacht hat."

Das Lächeln auf Hermiones Gesicht weitete sich zu einem breiten Grinsen aus, während sie sanft die Schulter des Zauberers tätschelte. „Okay, lass mich die Nachricht fertigmachen. Ich brauche nur eine Minute."

„Ich fange sofort an zu zählen." Severus stand von der Couch auf und zog die Hexe auf die Füße. „Schick ihm eine kurze Nachricht, keinen Aufsatz."

Er stand ruhig und sah zu, als Hermione die Nachricht beendete und sie an das Bein der Eule band, ehe sie diese in den Sternenhimmel entließ. Plötzlich realisierte Severus, dass das, was vor ihrer Beziehung lag, sich völlig außerhalb seiner Kontrolle befand.

Ehe Severus Gelegenheit hatte, mit der jungen Hexe weiter über ihre Karrierepläne zu diskutieren, beanspruchten Hermiones Aufgaben den Löwenanteil ihrer wöchentlichen Zeit. Anfang November war es klar, dass Hermiones Aufgabe als Chefin der Abteilung für internationale Beziehungen anspruchsvoller war, als sie erwartet hatte. Da das Flohnetzwerk noch immer nicht stabil und ihr Terminplan mit kurzfristigen Auslandsreisen gefüllt war, wurde die Notwendigkeit für sie deutlich, wieder in ihre Wohnung in London zu ziehen. Aber überraschenderweise liefen die Dinge ziemlich gut, selbst wenn sie einander nicht jeden zweiten Tag sehen konnten. Ihre verzauberten Notizbücher erwiesen sich als sehr effektive Kommunikationsmethode, die es ihnen erlaubte, miteinander zu reden, selbst wenn Hermione auf einer ihrer Auslandsgeschäftsreisen war. Und Hermione hatte es zum Prinzip gemacht, ihre Wochenenden freizuhalten, damit sie die Samstage und Sonntage mit Severus in Spinner's End verbringen konnte.

Wenn sie zusammen waren, sprachen sie nicht viel über ihre Arbeit, da Severus bereits früh deutlich gemacht hatte, dass er von Politik die Nase voll hatte. Zwei Kriege und ein Staatsstreich waren mehr als genug, hatte er erklärt. Alles, was ihm anscheinend wichtig war, war Hermiones Sicherheit. Nachdem er sie zu den Einzelheiten ihrer verschiedenen Reisen befragt hatte, gab sich Severus mit Shacklebolts Sicherheitsarrangements für das Team ganz zufrieden und stellte keine weiteren Fragen. Schließlich hatten sie jedes Mal, wenn ihnen nach einer freundschaftlichen Debatte war, so viele interessantere wissenschaftliche Themen zu magischen Kräften zur Auswahl. Normalerweise blieb Hermiones Arbeit einfach in ihrer Wohnung in London zurück und schaffte es kein einziges Mal, in sein Haus in Spinner's End einzudringen.

Hermione schien bis vor drei Wochen recht zufrieden zu sein. Damals hatte Severus bemerkt, dass sie regelmäßig gedankenverloren in die Ferne starrte. Er drängte nicht auf Einzelheiten zu ihrer Arbeit. Soweit er sagen konnte, mochte es etwas mit dem Siegesball zu tun haben, den das neue Ministerium organisierte.

„Gehst du zu dem Ball am Freitag in zwei Wochen?", fragte Hermione beiläufig von hinter der Sonntagszeitung.

„Ich würde lieber nicht gehen", antwortete Severus von hinter der monatlichen Tränkezeitschrift. „Wenn das für dich in Ordnung ist."

„Natürlich", antwortete sie von der anderen Seite der Zeitung. „Ich habe sowieso nicht wirklich erwartet, dass du gehen willst. Die Presse wird dort sein und haufenweise Leute. Das wird ein Riesenauftrieb. Das Rührei ist übrigens ziemlich gut. Wo hast du die Würstchen her …?"

Keiner von ihnen erwähnte den Ball noch einmal. Als Severus nun daran dachte, konnte er sich nicht erinnern, gefragt zu haben, mit wem Hermione zum Ball ginge. Aber es war nicht wirklich wichtig, denn er erwartete, dass sie wie üblich mit ihren Freunden ging. Wahrscheinlich war es ohnehin besser für sie, ihn nicht dabeizuhaben.

… zweihundert … zweihunderteins … zweihundertzwei …

Es würde noch einige Stunden dauern, bis er sie wiedersah. Severus holte tief Luft und neigte seinen Hals, um die verspannten Muskeln in seinen Schultern zu dehnen. Vielleicht sollte er etwas schlafen, um sich auf die offensichtlichen „Neuigkeiten" vorzubereiten?

Die Standuhr im Arbeitszimmer schlug zwölf. Severus stieß ein Seufzen aus und beschloss, sich auf eine kleine Phiole Traumlosschlaftrunk zu verlassen, um sich dazu zu zwingen, für den Rest der Nacht die bedrohlich bevorstehende „Überraschung" zu vergessen. Er warf einen Stasiszauber auf den Inhalt des Kessels und fing an, seinen Arbeitsplatz aufzuräumen. Zu diesem Zeitpunkt alarmierte ihn ein lautes Krachen außerhalb seines Hauses – jemand war gerade vor seine Haustür appariert.

Severus zog schnell seinen Zauberstab und verließ das Labor mit leisen Schritten. Als er die oberste Treppenstufe erreichte, hörte er jemanden rüde gegen seine Tür schlagen. Der Lärm hörte jedoch nach einem weiteren Knall draußen plötzlich auf. Vorsichtig bewegte Severus sich dichter an die Tür und lauschte.

„Bist du verrückt, Ron? So kannst du nicht mit ihr reden, nicht, wenn du stockbesoffen bist! Und dies ist Snapes Haus. Snape! Er wird dir die Rübe runterhexen!", drang Potters gedämpfte Stimme an Severus' Ohren.

„Lass mich los!", brüllte Weasley. „Ich weiß, dass du neuerdings ganz dick mit Snape bist. Du musst die ganze Zeit mit ihm hinter meinem Rücken Partys feiern, oder?! Ich werde ihn damit nicht durchkommen lassen! Er hat einen meiner besten Freunde korrumpiert und den anderen weggestohlen!"

„Sei still, Ron!" Wieder war es Potter. „Wovon redest du? Das letzte Mal, dass ich Snape gesehen habe, war mir dir zusammen! Ich habe ihnen nur geholfen! Er betrachtet mich nicht einmal als einen Freund! Würdest du aufhören, eine Szene zu machen? Der Mann hat in all diesen Jahren genug gehabt. Was soll's also, wenn er ein bisschen bissig ist. Wenn Hermione ihn mag, was geht es uns an?"

„Es ist Snape, von dem wir reden, Harry! Woher willst du wissen, dass Hermione nicht unter Drogen gesetzt oder gekidnappt wurde? Oder vielleicht braucht sie es nur, dass sie gelegentlich mal flachgelegt wird. Sie ist sexy, weißt du …Du siehst doch, wie diese Kerle auf ihren Hintern gucken? Sie kann was Besseres als Snape haben, wenn sie auf mich hört", lallte Weasley.

Severus konnte kein weiteres Wort davon auf der anderen Seite der Tür hören. Er schwang seine Eingangstür weit auf und starrte die beiden Zauberer an, die auf dem Gehweg stritten. „Es ist mir egal, was Sie über mich sagen, Weasley", zischte er, „aber ich werde nicht zulassen, dass Sie mitten auf der Straße Lügen über sie verbreiten!"

Plötzlich schwiegen alle. Einen Augenblick später warf sich der rothaarige Zauberer in die Brust und forderte: „Wenn Sie Manns genug sind, sagen Sie die Wahrheit. Was haben Sie mit ihr gemacht? Haben Sie sie unter Drogen gesetzt? Sie verflucht? Oder schließen Sie sie jetzt in Ihrem Kerker ein? Ich kenne Ihre hinterlistige Art, Snape. Ich fordere Sie heraus, dass Sie uns hereinlassen und ihren Kerker inspizieren lassen!"

„Ron." Potter zog am Arm des betrunkenen Zauberers. „Wir haben keinerlei Befugnis. Du hast kein Recht, da drinnen zu sein …"

„Kommen Sie rein." Severus spie die Worte mit gefährlich leiser Stimme aus.

Ron Weasley stolperte über die Schwelle, Harry Potter folgte ihm dichtauf. „Es tut mir leid Professor", murmelte Harry. „Er hatte auf dem Ball ein paar Feuerwhiskeys zu viel …"

„Ich bin nicht betrunken!", protestierte Ron, während er ins Wohnzimmer marschierte. „Wo ist Hermione?", verlangte er.

„Mir gefällt Ihr Ton nicht, Mr. Weasley." Severus schloss die Tür hinter sich und sah den rothaarigen Zauberer mit zusammengekniffenen Augen an. „Meinen Sie nicht, sie wäre hier, wenn sie Interesse daran hätte, mit Ihnen zu reden?"

„Woher soll ich wissen, ob Sie sie nicht irgendwo eingesperrt haben … Zum Beispiel im Kerker?"

„Ron!" Harry versuchte, Ron an der Schulter zurückzuziehen, aber Ron stieß ihn ärgerlich weg.

„Zu Ihrer Information, Mr. Weasley," antwortete Severus ruhig. „Weder habe ich einen Kerker, noch halte ich irgendwelche Gefangene. Hermione ist heute Abend nicht hier."

„Aber sie ist nicht auf dem Ball!", bellte Ron. „Sie sind der einzige Grund, warum sie uns jemals verlassen würde. Wir sind ihre Freunde, nun, wir waren es … Wo halten Sie sie fest?"

Severus runzelte die Stirn bei der Information. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Hermione den Ball nicht besuchte. Aber wenn er zurückdachte, hatte sie ihm auch selbst nie gesagt, dass sie den Ball besuchen würde. Tief in Gedanken sah der Zauberer in Schwarz müßig zu, wie Ron Weasley durch sein Haus marschierte und nach der Hexe rief, während Potter ihn daran zu hindern versuchte, gegen Wände und Mobiliar zu laufen.

Wenige Minuten später kehrte Ron ins Zimmer zurück. „Sie ist nicht hier." Er stieß ein ernüchtertes Grunzen aus.

„Haben Sie etwas anderes erwartet?" Severus hob eine Braue. „Wenn Sie mir vorhin zugehört hätten, hätten Sie gewusst …"

Ron warf sich in Richtung seines ehemaligen Lehrers. Ehe Severus jedoch seinen Zauberstab heben konnte, war Ron Weasley bereits vornüber auf den Boden gefallen, und weiße Seile waren um seine Arme und Beine geschlungen. Überrascht sah Severus den anderen Zauberer im Zimmer an, sagte aber kein Wort.

„Tut mir leid, Kumpel." Harry kratzte sich am Kopf und bückte sich, um Ron wieder auf die Füße zu helfen, ohne ihn loszubinden.

Benommen vom Alkohol und dem unerwarteten Sturz stöhnte Ron nur, als er auf das Sofa sackte. „Umpf …" Er murmelte einige unintelligente Worte und schlief schnell ein.

„Und Entschuldigung für all dies, Professor." Harry Potter sah zu Severus auf und seufzte. „Ich konnte ihn auf dem Ball nicht aufhalten. Er hatte heute Abend einige Probleme. Er hatte mit seiner Freundin Streit, und ich war die meiste Zeit mit Ginny zusammen. Die Hochzeit liegt seit der Operation auf Eis, und wir konnten nicht …"

„Ich bin an Ihrem Privatleben nicht interessiert." Severus warf dem jungen Zauberer einen kalten Blick zu.

Harry schluckte; sein Gesicht lief schnell dunkelrot an.

Obgleich es Jahre her war, seit Potter als Schüler sprachlos vor ihm gestanden hatte, kam Severus nicht umhin, damit zufrieden zu sein, den jungen Zauberer dabei zu beobachten, nach Worten zu suchen. Nach einer langen Pause verdrehte der ehemalige Tränkemeister die Augen und brach das Schweigen. „Tun Sie mir einen Gefallen und informieren Sie mich, wenn Sie sich mit Weasley duellieren, ja? Ich wäre überglücklich, Ihnen beiden dabei zuzusehen, wie Sie versuchen, einander umzubringen."

Überrascht weiteten sich Harrys Augen, aber er musste lächeln, als er sah, dass sie Severus' Mundwinkel langsam zu einem kleinen Lächeln hoben.

„Möglicherweise muss ich Sie enttäuschen, Professor", lachte Harry nervös. „Er wird sich wahrscheinlich nicht einmal an die Hälfte davon erinnern, wenn er am Morgen aufwacht."

„In der Tat enttäuschend …", murmelte der Zauberer leise, während er zu dem Tisch am Fenster ging und die zwei Eindringlinge mit Abstand beobachtete. „Sie dürfen mich Severus nennen. Schließlich gehe ich mit Ihrer besten Freundin aus. Ich bin nur froh, dass ich nicht mehr Ihr Lehrer bin. Und ich würde mich übrigens freuen, Sie zu unterstützen, falls Sie es für nötig halten, ihn daran zu erinnern, wie sehr seine Dummheit heute Abend geglänzt hat."

„Genau …" Mit einem kleinen Lächeln nickte Harry. „Nun, schauen Sie. Es tut mir wirklich leid, dass wir hier eingedrungen sind. Ich werde ihn sofort hier wegbringen."

„Ehe Sie das tun, Mr. Potter." Severus hielt den jungen Mann auf, bevor er anfangen konnte, Ron vom Sofa zu ziehen. „Wussten Sie, dass Hermione heute Abend nicht zum Ball gegangen ist? Es schien Sie nicht zu beunruhigen, dass Sie sie dort nicht gesehen haben."

„Nennen Sie mich bitte Harry." Harry stieß ein Seufzen aus und setzte sich neben Ron. „Nun, sie sagte niemandem, dass sie nicht käme. Aber ich habe es heute Nachmittag gewissermaßen erwartet, dass das passiert, nachdem ich von ihrem Versuch erfahren habe, ihre Stellung zu kündigen. Ich habe versucht, mit ihr zu reden, aber als ich in ihr Büro kam, war sie gerade weg. Ich habe nur noch einen Blick auf sie erhascht, dass sie mit einen Karton mit ihren Sachen in den Lift trat. Nun", Harry schüttelte leicht den Kopf. „Wahrscheinlich hätte ich Ron von vornherein daran hindern sollen, hierher zu apparieren. Aber um ehrlich zu Ihnen zu sein, hatte ich eigentlich erwartet, dass sie hier ist."

„Kündigen?" Severus runzelte die Stirn, von den unerwarteten Neuigkeiten überrascht. „Darüber hat sie zu mir kein Wort gesagt. Wann haben Sie zum letzten Mal mit ihr gesprochen? Und weshalb um Himmels Willen kündigt sie?"

„Sie wussten das nicht?" Jetzt war Harry an der Reihe, überrascht zu sein. „Sie haben Sie nicht dazu ermuntert … aufzugeben?"

„Warum sollte ich so etwas tun?", grollte Severus. Nach einer kurzen Pause fügte er jedoch hinzu: „Aber ich nehme an, ich sollte über Ihre parteiische Ansicht nicht überrascht sein."

„Nun." Harry kratzte sich unbehaglich am Kopf. „Ich könnte mich dabei irren. Aber soweit ich gehört habe, sind Sie nicht gerade der Typ, der jemanden unterstützt, oder? Hermione sagte mir einmal, dass Sie nie Interesse daran haben zu erfahren, worum es bei ihren Aufgaben geht."

„Die meiste Zeit arbeitet sie mit Dingen, die unter Verschluss sind, was gibt es darüber zu reden?", entgegnete Severus abwehrend.

„Aber es gibt auch Information, die nicht geheim ist." Mit einem Stirnrunzeln sah Harry auf. „Sie haben keinerlei Interesse daran, was sie tut, nicht wahr?"

Severus konnte nicht antworten. Er konnte nicht zugeben, dass er sich unbewusst wünschte, sie könnte den Plan aufgeben, für das Ministerium zu arbeiten. Sie nach ihrer Arbeit zu fragen, die sie offensichtlich genossen hatte, schien für dieses Ziel kontraproduktiv zu sein.

„Vor etwa drei Wochen bekam Hermione ein Projekt, der Zaubererregierung in den Staaten die Aktivitäten zu erörtern, mit denen Warringtons Unternehmen in den vergangenen beiden Jahren hier zu tun hatte", begann Harry zu erklären. „Währenddessen hatte sie laut Kingsley eine Art Forderung gestellt, dass die US-Regierung Warrington und seinen Anwalt hierher zu einem Prozess ausliefert. Ihr Ersuchen stieß auf einigen Widerstand, da die US-Zaubererregierung es als Einmischung in ihre internen Angelegenheiten betrachtete. Sie hatten lediglich eine gründliche Untersuchung versprochen, zogen da aber eine Grenze. Anscheinend genügte ihre Antwort Hermione nicht. Kingsley war jedoch nicht überrascht, als sie mit dem Bericht zurückkam. Er sagte, da wir nie eine formelle diplomatische Beziehung mit den Staaten aufgebaut haben, wäre es jetzt möglicherweise zu viel verlangt, dass sie Warrington ausliefern. Und was Warringtons Anwalt betrifft, war Kingsley nicht einmal sicher, ob es überhaupt etwas gibt, das wir ihm zur Last legen können. Er hat einfach nur die Anweisungen seines Arbeitgebers befolgt, und zu versuchen, irgendwelche Schlupflöcher bei diesem schleimigen Ganoven zu finden, ist ein Luxus, den wir uns gerade nicht leisten können."

„In der Tat", nickte Severus nachdenklich. „Ich verstehe, weshalb sie möchte, dass sie hier vor Gericht gestellt werden. Der Schaden, der hier angerichtet wurde, ist ziemlich groß. Aber andererseits gehen uns die internen Angelegenheiten eines anderen Landes nichts an, wenn die Zaubererregierung der Vereinigten Staaten es so sehen will." Ein Seufzen entfleuchte ihm, und Severus begann den möglichen Grund für den plötzlichen Wunsch der Hexe nach einer Kündigung zu erkennen. „Warum habe ich das Gefühl, dass Hermione eine bessere Antwort brauchte als die, die Shacklebolt ihr geben konnte?"

„Sie kennen sie gut", seufzte Harry. „Genau das ist das Problem. Kingsley hatte keine Zeit, sich eine bessere Antwort oder irgendwelche anderen Pläne einfallen zu lassen. Das Beste, wozu er in der Lage war, war ihr zu sagen, er würde das Thema zu einem anderen Zeitpunkt wieder aufgreifen. An diesem Punkt wurde es schlimmer."

„Schlimmer?" Severus hob die Brauen.

„Die Antwort, die sie von Kingsley bekam, gefiel Hermione gar nicht. Sie verbohrte sich in ihrem Gesuch. Sie begann ihn zu bedrängen. Ich meine, ihn wirklich zu bedrängen. Sie lief Kingsley hinterher, und bei jeder sich bietenden Gelegenheit brachte sie alle Fälle auf's Tapet, wie Ordensmitglieder von Warrington fälschlich beschuldigt wurden, wie viele unschuldige Existenzen betroffen waren. Nichts für ungut, Prof … äh, Severus, ihre Argumente sind alle stichhaltig, aber wenn Sie die Probleme sehen, mit denen Kingsley im Augenblick zu tun hat, kann sie ihre Forderungen einfach nicht auf seine Prioritätenliste setzen. Und schließlich hatte Kingsley die Nase voll. Es war erst Anfang dieser Woche, dass er mit ihr zusammentraf und ihr sagte, sie solle ihre Prioritäten geraderücken. Und ich glaube, das war der Punkt, an dem sie ausrastete und beschloss aufzugeben."

„Er hat vergessen, dass er es mit einer Gryffindor zu tun hat", murmelte Severus vor sich hin, während er aus dem Fenster schaute.

„Und mit einer sehr emotionalen", seufzte Harry. „Ich glaube, sie hat das alles sehr persönlich genommen, den Fall gegen Warrington und seine Bande."

„Sie können einer Gryffindor immer vorwerfen, auf irrationale Weise emotional zu sein", schnaubte Severus. „Ich schätze, sie ist keine Ausnahme."

Die Worte des Slytherin trafen einen wunden Punkt. Mit geballten Fäusten schoss Harry von seinem Platz auf. „Wie können Sie so über sie reden, als ob Sie nichts damit zu tun haben? Sollte sie Ihnen nicht leid tun und Sie etwas Verantwortung für die Lage übernehmen?"

„Warum sollte ich das tun?" Severus hob die Brauen. „Ich habe es Ihnen beiden deutlich gemacht, und ich will hoffen, dass Ihr nüchterner Verstand etwas besser als Weasleys arbeiten kann! Ich habe mit Hermione Grangers Ansichten bei der Arbeit nichts zu tun. Ich weiß nichts darüber. Und es könnte mir nicht gleichgültiger sein, wenn sie ihren Job an den Nagel hängen will."

„Aber Sie sind der Grund, warum sie geht!", bellte Harry. „Verstehen Sie nicht? Sie bemüht sich so sehr, Warrington vor Gericht zu bekommen, weil sie die Dinge für Sie zurechtrücken will! Sie kämpft für Sie! Und wie können Sie sagen, dass es Ihnen gleichgültig ist? Es mag Ihnen egal sein, was Sie tun musste, um Sie aus Azkaban herauszuholen, und wie hart sie nun arbeitet, um Sie zu rächen. Aber wenn sie Ihnen wirklich wichtig ist, sie wirklich lieben, wie sie es mir gesagt hat, dass sie es tun, wollen Sie nicht, dass sie glücklich ist?"

„Sie hat Ihnen was gesagt?" Severus runzelte die Stirn, plötzlich von den möglichen Details beunruhigt, über die Hermione mit ihren Freunden gesprochen hatte.

„Stimmt, sie hat mir gesagt, dass sie Sie liebt!" Harry konnte nicht anders, als die Stimme zu erheben. „Sie sagte, Sie sind perfekt für sie, dass Sie sie lieben. Ist dies, wie Sie sie lieben? Dies ist etwas, das sie schon immer tun wollte, eine erfolgreiche Karriere im Ministerium zu haben. Nach dem Krieg hat sie sich den Arsch aufgerissen, um Erfahrungen und Referenzen zu bekommen. Und dann kam diese ganze Warrington-Affäre aus dem Nichts, und ihr Plan war völlig aus der Spur. Die ganze Zeit hat sie versucht, Ihnen zu helfen! Jetzt, da sie endlich die Gelegenheit bekommt, ist sie immer noch davon besessen, um Gerechtigkeit für Sie zu kämpfen! Sie hat fast alle ihre Verbündeten im Ministerium verloren wegen ihrer störrischen Meinung dazu, Warrington zurückzubringen. Und Sie wagen zu sagen, es könne Ihnen nicht gleichgültiger sein? Wollen Sie nicht, dass sie glücklich ist? Wollen Sie nicht, dass sie erfolgreich ist? Wie können Sie so selbstsüchtig sein?!"

„Sie!" Severus lächelte den jungen Zauberer höhnisch an. „Wie können Sie es wagen … Wie können Sie es wagen, mich …"

„Oh wirklich? Sie sind nicht selbstsüchtig?" Harry schien fast besessen von dem Ärger, der in ihm brodelte. Er trat einen Schritt vor und zeigte mit einem Finger auf den hochgewachsenen Zauberer vor sich. „Dann beweisen Sie es! Wenn Sie nicht versuchen, sie in Ihrem armseligen Haus festzuhalten, sie nicht daran zu hindern versuchen, ihre Karriere voranzutreiben, würden Sie ihr helfen, sich mit der aktuellen Lage abzufinden und ihre Kündigung zurückzunehmen. Kingsley legt ihre Anfrage auf Eis und hat mich gebeten, sie ihr auszureden. Aber ich weiß, dass es derzeit nur einen Menschen gibt, auf den sie hören wird." Harry holte tief Luft in dem Versuch, seine Gefühle zu besänftigen. „Es ist mir egal, was Sie mit Ihrem eigenen Leben vorhaben, Snape, aber Hermione ist meine beste Freundin, und ihr Leben hat gerade angefangen. Ich werde nicht zulassen, dass Sie sie für den Rest ihres Lebens in einem Tränkelabor festhalten!"

„Raus." Severus spie die Worte düster aus, Ärger brannte in seinen Augen. „So reden Sie nicht mit mir, Potter!"

„In Ordnung, wir gehen." Harry ließ das Seil verschwinden, das er zuvor heraufbeschworen hatte, um Ron zurückzuhalten, zog den schnarchenden Zauberer grob von der Couch hoch und hob einen Arm des rothaarigen Jungen über seine eigenen Schultern. „Wenn Sie sie wirklich lieben, werden Sie anfangen darüber nachzudenken, wie Sie sie bei ihrer Arbeit und ihrer Karriere mehr unterstützen!", sagte er, während er zur Eingangstür ging, und ignorierte das Stirnrunzeln auf dem Gesicht des Slytherin.

Mit einen Schwenk seines Zauberstabs schlug Severus die Tür hinter den beiden spätabendlichen Besuchern zu. Er konnte sein eigenes Herz in den Ohren schlagen hören. Für einen kurzen Augenblick fühlte er sich, als sei er zurück in die Zeit versetzt, als er mit Potter in seinem Klassensaal umgehen musste, als ihn alles an dem jungen Zauberer endlos irritiert hatte.

Er sackte in seinen Sessel und vergrub das Gesicht in den Händen. Er wünschte, er könne Potter vorwerfen, die Harmonie in seinem Leben wieder einmal ruiniert zu haben. Dennoch musste er widerwillig zugeben, dass Potter nicht ganz Unrecht hatte – er mochte tatsächlich der derjenige gewesen sein, der selbstsüchtig war. Er hatte Hermione überhaupt nicht unterstützt. Aber was glaubte Potter, wer er war? Wie konnte er es wagen, Severus Snape einen Vortrag über Liebe zu halten? Der Zauberer schlug mit den Fäusten auf die Sessellehnen auf und bedauerte, dass er Potter auf dem Weg hinaus nicht verhext hatte.

Die Standuhr schlug zwei. Hermione würde wahrscheinlich pünktlich um acht Uhr in sein Wohnzimmer apparieren, wie sie es jeden Samstag zu tun pflegte. Würde die „Überraschung", die sie enthüllen würde, irgendetwas mit ihrer Kündigung im Ministerium zu tun haben?

Zum ersten Mal in seinem Leben war Severus nicht sicher, ob er bereit war, sie zu sehen. Und es mochte keine schlechte Idee sein, sich einfach wieder in sein Labor zurückzuziehen …