Kapitel 21 – Scheideweg

Insgeheim schämte sich Severus, als ihn das vertraute, leise Ploppen erschreckte, das aus dem Wohnzimmer kam. Beinahe fiel ihm der Teekessel aus der Hand. Er zog eine Grimasse und sah zur Wanduhr auf – es war erst halb acht.

„Du bist früh", schnarrte er. Ein leises Seufzen, gefolgt vom Geräusch, dass eine gewisse junge Hexe ihre Handtasche auf den Boden fallen ließ, kam aus dem anderen Raum.

„Warum spüre ich ein bisschen Enttäuschung in deinem Ton?" Hermione erschien mit einem halben Lächeln auf dem Gesicht in der Tür. „Freust du dich nicht, mich zu sehen?"

Severus wandte leicht den Kopf um und erwiderte den Gruß mit einem leichten Zucken seiner Mundwinkel als zögerlichem Lächeln. „Ich bin gerade dabei, Tee zu machen, und ich habe noch nicht einmal die Eier aufgeschlagen", murmelte er.

„Du weißt, dass ich nicht des Essens wegen jedes Wochenende hierherkomme", schnaubte sie, während sie einen Stuhl vorzog und sich darauf niederließ. „Tatsächlich bin ich nicht einmal hungrig. Hätte ich nicht mein Büro fertig ausräumen wollen, hätte ich dich gestern Abend überrascht."

„Ist das so?" Er nahm den Teekessel wieder auf und setzte ihn auf den Herd. Mit einem Antippen füllte er den Behälter, mit einem weiteren Antippen heizte er das Wasser auf die perfekte Temperatur. Und dann fuhr er wortlos fort, den Tee zuzubereiten.

„Schau mal, wer heute Morgen so gesprächig ist". Sie neigte den Kopf und betrachtete ihn. „Hast du letzte Nacht nicht gut geschlafen?"

Severus holte einmal tief Luft. „Weasley hat gestern Abend die Nachbarschaft gestürmt und mich beschuldigt, dich entführt zu haben", murmelte er.

„Oh, Ron …" Hermione verdrehte die Augen. „Es tut mir leid. Ich hätte ihn informieren sollen, dass ich gestern Abend nicht hinginge. Der Ball war für mich nicht so reizvoll. Du weißt … zu viele Leute …"

„Potter war auch dabei", fiel Severus ihr ins Wort. „Und er teilte mir einige neue Entscheidungen mit, die du deine Karriere betreffend getroffen hast."

„Oh." Hermiones Augen weiteten sich. Aber sie brauchte nicht lange, um sich von der Überraschung zu erholen. Sie stieß ein Seufzen aus und lächelte den Zauberer an. „Ich hätte nicht gedacht, dass Kingsley so ein Klatschmaul ist. Oh, gut, es ist egal. Das erspart mir einfach die Mühe, dir den ganzen Hintergrund zu der Überraschung zu erläutern, die ich dir jetzt gleich präsentiere."

Severus runzelte die Stirn. Dies war genau das, worüber er sich Sorgen machte. Er hielt seinen Blick auf die Teeschachtel geheftet und sagte: „Ich habe Überraschungen noch nie gemocht."

„Aber diese wird dir gefallen!" Hermione stand von ihrem Platz auf und ging mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht zu Severus. „Ich verspreche es."

„Ich glaube nicht", grollte der Zauberer. „Wetten?"

„Oh, komm schon!" Die junge Hexe gab dem Zauberer einen leichten Klapps auf die Schulter, dann hängte sie sich bei ihm ein. „Hör mich einfach an, okay? Da wir nun die Tatsache festgestellt haben, dass ich meinen Job aufgegeben habe, lass uns einfach sagen, dass ich mit einer neuen Aufgabe anfangen muss. Ich brauche etwas, das für meinen Verstand genügend herausfordernd und genügend profitabel für meinen Geldbeutel ist. Also stehe ich hier vor dir, Severus Snape." Hermione stellte sich gerade hin und setzte eine ernsthafte Miene auf. „Möchtest du gerne mein Geschäftspartner in einem Tränke-Versandhandelsunternehmen werden? Ich kann für uns das Anfangskapital besorgen, und du hast bereits ein gut eingerichtetes Labor für uns. Mit deiner Expertise in Tränken und meinem Hang zu harter Arbeit sehe ich keinen Grund, weshalb wir nicht in Kürze einige beliebte Versandprodukte haben sollten."

„Ist dir klar, was du da sagst?" Severus runzelte die Stirn. „Ich dachte, du sagtest, du wolltest nicht für den Rest deines Lebens Tränke in einem Labor brauen."

„Umstände ändern sich." Hermione zog den Zauberer mit sich zum Sofa ihm Wohnzimmer. „Ich habe mich für eine neue Karriere entschieden. Was meinst du dazu?"

„Glaubst du nicht, dass diese Entscheidung, die Karriere zu wechseln, ein bisschen übereilt kommt?" Er ignorierte ihre Frage.

Als Antwort zuckte sie nur mit den Achseln.

„Und was meinst du mit Anfangskapital?" Mit zusammengekniffenen Augen sah Severus seine Hexe an. „Ich hoffe, das hat nichts damit zu tun, dein Vermögen zu verscherbeln."

„Ah, ich sehe, du betrachtest das Angebot bereits mit der nötigen Sorgfalt. Bei einer geschäftlichen Entscheidung kann man nie vorsichtig genug sein. Das gefällt mir." Hermione lächelte lieb. „Lass mich beichten. Selbst wenn ich alles verkaufe, was mir gehört, wäre ich nicht in der Lage, ein anständiges Kapital aufzubringen. Daher nein, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass ich meine weltlichen Güter verkaufe. Ich borge es mir von meinem Dad, um unser neues Abenteuer zu starten."

„Du rennst zu Daddy zurück, sobald bei der Arbeit Probleme auftauchen, ich verstehe", murmelte Severus.

„He, sei nett!" Hermione runzelte die Stirn und biss sich fest auf die Unterlippe, während sie versuchte, ihre schnell aufwallende Gereiztheit unter Kontrolle zu bringen. „Ich nehme einen Kredit auf! Ich werde marktübliche Zinsen bezahlen!"

„Aber ich bin sicher, dass dein Vater nicht dieselben Kriterien wie die Kobolde bei Gringotts hat, wenn es um die Verleihvoraussetzungen geht", konterte Severus.

Bei den Worten des Zauberers lief das Gesicht der Hexe leuchtend rot an. „Warum muss du solch ein …" Aber sie fing sich mitten im Satz und verschluckte den Rest der Worte. Sie holte tief Luft und begann erneut: „Natürlich hatte er bestimmte Anforderungen, um mir das Geld zu leihen." Sie sah in seine tiefdunklen Augen und seufzte. „Und es sieht von Minute zu Minute mehr wie eine Herausforderung aus", murmelte sie die letzten paar Worte vor sich hin.

„Wie lauten die Bedingungen?" Severus hob eine Braue.

Hermione starrte den Zauberer intensiv an und erwog ihre Worte. Einen Augenblick später antwortete sie: „Mein Vater verlangt, dass ich auch deine Zusage für das Geschäft habe. Er möchte gern, dass du den Kredit mitunterschreibst. Da du auch Miteigentümer des Unternehmens sein wirst, hoffe ich, du kannst erkennen, dass dieses Arrangement nur fair ist." Sie sah ihn fragend an, unsicher, wie er auf die Forderung reagieren würde.

Severus wandte seinen Blick von der eifrigen Miene der jungen Hexe ab, weil er genau wusste, was ihr Vater zu tun versuchte. Wahrscheinlich wusste Jonathan Granger nichts über die Situation, mit der seine Tochter im Ministerium zu tun hatte. Aber der kluge Muggel musste gespürt haben, dass sein kleines Mädchen übereilt eine große Entscheidung traf. Dies konnte Jonathan Grangers Weg sein, um Severus' Meinung zu Hermiones Karrierewechsel herauszufinden.

Seit er im Jahr zuvor mit Hermione in Australien gewesen war, um die Erinnerungen ihrer Eltern wiederherzustellen, hatte Severus mit dem älteren Mann nicht mehr gesprochen. Er war sich jedoch darüber im Klaren, dass Hermione ihre Eltern über ihre Beziehung unterrichtet hatte. Hermione hatte ihren Eltern mitgeteilt, dass sie mit Severus eine ernsthafte Beziehung führe, aber ihre Privatangelegenheiten zu diesem Zeitpunkt gern so belassen wolle. „Ich werde es euch wissen lassen, wenn er bereit ist, euch zu treffen", hatte Severus Hermione am Telefon einmal zu ihrer Mutter sagen gehört.

Also musste dies der Grund für die spezielle Bedingung sein, die von ihrem Vater kam. Severus rief sich die Worte des älteren Mannes während ihres letzten Gesprächs in Erinnerung. „Versprechen Sie mir, dass Sie mein kleines Mädchen niemals verletzen werden."Und genau dies war der Zweck des Kredits, wurde Severus klar. Da der Zauberer die Beziehung noch nicht weiter vorangetrieben hatte, drängte der Vater der jungen Hexe auf eine Bindung, wenn auch auf andere Art.

Severus zog seinen Arm aus Hermiones Händen heraus und ging langsam weg. Eine lange Pause später sagte er mit sanfter, aber fester Stimme: „Nein."

„Wie meinst du das? Nein?", japste Hermione. „Du willst nicht mitunterschreiben? Nun, vielleicht habe ich es nicht deutlich erklärt … Wir können sicher über die Gewinnaufteilung verhandeln. Bis zu diesem Punkt waren wir noch gar nicht gekommen."

„Nein." Er schüttelte den Kopf. „Das mache ich nicht."

„Du wirst den Kreditvertrag nicht unterschreiben, oder du wirst nicht …" Hermione runzelte die Stirn, unwillig, den Satz zu vollenden.

„Ich werde mit dir kein Unternehmen gründen", beendete Severus ihren Satz für sie. Aber er war noch nicht fertig mit Reden. „Ich kann nicht glauben, dass die klügste Hexe ihrer Generation ihren Traum aufgibt, unsere Welt zu verändern, nur weil sie mit den Leuten bei der Arbeit einige unwichtige Unstimmigkeiten hat. Wo ist deine Logik abgeblieben, Hermione? Ein Tränkelabor ist nicht der Platz, wohin du gehörst. Arbeite mit Shacklebolt. Hab Geduld mit ihm. Arbeite mit deinen Kollegen zusammen. Politik braucht Zeit. Du musst vernünftig mit deinen Zielen sein und …"

„Sagt wer?" Hermione hob die Stimme und fiel dem Zauberer ins Wort. „Seit wann sind Sie unter die Karriereberater gegangen, Professor Snape?" Sie wusste nicht, woher die Welle des Ärgers kam. Alles, was sie wusste, war, dass sie die Emotionen nicht länger kontrollieren konnte, die sie über die letzten paar Monate hinweg unterdrückt hatte. „Es sind keine vernünftigen Leute, Severus. Sie sollten die Dinge in Ordnung bringen! Aber dann wurden ihre Ansichten von ihren persönlichen Interessen vernebelt. Luna hat aufgehört, mit mir zu reden, weil sie angefangen hat, mit Rolf auszugehen. Sie muss gedacht haben, dass mein Vorschlag, eine obligatorische Hintergrundanalyse für alle Zauberer und Hexen, die aus dem Ausland zurückkehren, für ihren Freund unbequem ist. Wie sollte das Rolf betreffen? Er sollte nichts zu verbergen haben! Ich ziele nur auf die Leute ab, die Verbindungen zu Warrington hatten. Harry und Ron sind zu beschäftigt, sich um ihre Aurorenaufgaben zu kümmern. Sie vergöttern Kingsley und glauben, dass alles, was der Mann sagt, stimmen muss. Und Kingsley …", seufzte sie, „Kingsley ist eine Riesenenttäuschung. Er denkt nur an die Wahl in ein paar Monaten. Ich weiß, dass der einzige Grund ist, weshalb er der US-Regierung nicht die Stirn bietet, weil er eine freundschaftliche Beziehung aufrechterhalten will, damit er mit seiner Außenpolitik angeben kann. Ich kann nicht mit Leuten arbeiten, die so egozentrisch sind. Ich kann nicht erkennen, wie Geduld etwas ändern sollte!"

„Das hängt daran, dass du kindisch bist!", sagte Severus hart. „Du hast es nicht geschafft, deine Vorschläge vernünftig darzustellen, und du scheinst hier leider das egozentrischste Individuum zu sein. Du bist diejenige, deren Ansichten von persönlichen Interessen vernebelt werden. Du denkst nur an deine eigenen Ziele, nicht daran, wie sie sich auf die Gesellschaft im Allgemeinen auswirken. Ist dir klar, wie viele unschuldige Leute wie Rolf Scamander auf negative Weise betroffen wären, wenn du deinen Vorschlag umsetzt, jeden auf Herz und Nieren zu prüfen, der seit Kriegsende ins Land zurückgekehrt ist? Du wirst gute Leute vergraulen, die zurückzukommen versuchen, um beim Wiederaufbau unserer Welt zu helfen. Und was ist nicht in Ordnung damit, dass Shacklebolt versucht, eine gute Beziehung zu einer mächtigen ausländische Zaubererregierung aufrechtzuerhalten? Das ist der Dreh- und Angelpunkt von Diplomatie!"

„Was weißt du schon von Diplomatie?!" Hermiones Herz schlug so schnell, dass sie nicht sicher war, ob sie weiter streiten wollte. „Ich habe an dir keinerlei Zeichen von Diplomatie bemerkt, als Minerva dich vor einigen Wochen besuchen kam. Sie schlug lediglich vor, dass du darüber nachdenkst, wieder zu unterrichten, weil sie niemanden finden konnte, um Slughorn im nächsten Schuljahr zu ersetzen. Und erinnerst du dich, was du zu ihr sagtest? Lass mich dich daran erinnern. Du zeigtest ihr die kalte Schulter und warfst sie beinahe hinaus, sobald sie das Thema aufbrachte. Und du sagtest zu ihr, ich zitiere: ‚Diese Hohlköpfe sind dein Problem, nicht meins.' Wie diplomatisch war das, Severus! Und jetzt hältst du mir einen Vortrag?"

Severus starrte die zornige junge Frau vor sich an. Er konnte sich nicht erinnern, wann Hermione zum letzten Mal so emotional gewesen war. Ehe er eine passende Antwort finden konnte, begann die junge Hexe erneut.

„Ich verstehe wirklich nicht, warum du mir gegenüber jetzt eine 180-Grad-Kehrtwende machst, Severus", seufzte Hermione frustriert. „Ich bin nicht blind. Ich weiß, dass du nie davon begeistert warst, dass ich den Job im Ministerium annehme. Ich weiß, dass du den Lebensstil eines Eremiten bevorzugst. Ich habe die Anzeichen gesehen. Du kannst keine Beziehung mit einer Frau akzeptieren, die die meiste Zeit weg von zuhause arbeitet. Du willst doch, dass ich von allen fernbleibe? Du willst mich doch ganz für dich allein haben, und ich soll nur mit dir arbeiten?"

„Ich habe nie gesagt, dass ich das von dir will." Severus' Stirnrunzeln vertiefte sich.

„Oh, tatsächlich?" In der Stimme der Hexe lag ein seltsamer Unterton. Nach einer langen Pause fragte sie mit ungewöhnlich sanfter Stimme: „Was willst du denn von mir, Severus? Ich warte seit dem Tag, als du entlassen wurdest, darauf, dass du es mir sagst. Was willst du, Severus? Was willst du in deinem Leben? Was willst du von mir?"

Plötzlich fiel es dem Zauberer schwer zu atmen. Er war nicht darauf vorbereitet, diese Fragen zu beantworten. Nach einer sehr langen Pause öffnete er schließlich den Mund und sagte ihr die Wahrheit: „Ich weiß es nicht." Seine Worte waren leise wie ein Flüstern.

Erst dann flossen Tränen die Wangen der jungen Hexe hinunter. Der Damm, der den Stress und die Frustration der letzten paar Wochen aufgehalten hatte, zerbrach. Hermione schluchzte und schrie: „Aber du weißt es immer, Severus. Du weißt immer, was zu tun ist. All die Jahre warst du immer derjenige, der wusste, was das Beste ist. Wie kannst du es hier nicht wissen? Oder weißt du, was du willst, aber du sagst es mir nicht? Was sagst du mir nicht?"

Hermione blieben die Worte im Halse stecken. Sie schluckte mühsam und schüttelte den Kopf. Ohne ein weiteres Wort drehte die junge Hexe sich auf dem Absatz um und rannte aus dem Wohnzimmer. Severus fühlte sich wie gelähmt, als er hörte, wie sie ihre Tasche packte und zur Tür hinausrannte. Erst Minuten nach dem Plopp vor der Tür wurde Severus klar, dass er einen schrecklichen Fehler begangen hatte, indem er nur ihre Karrierewahl angesprochen hatte. Der Kernpunkt ihrer Entscheidung, ihren Job zu kündigen, hatte alles mit seiner Haltung zu ihrer Arbeit und ihrer Beziehung zu tun. Sie hatte alles versucht, was sie konnte, um ihm entgegenzukommen. Aber letztendlich war er es, der sich nicht binden konnte. Und was Severus noch mehr entsetzte, war, dass er in diesem Moment ehrlich nicht wusste, was er mit seinem Leben anfangen sollte, und wie er sie glücklich machen konnte.

Severus saß müßig in seiner Küche, eine Tasse Tee in der Hand, und ein schwatzender Arthur Weasley saß ihm gegenüber am Tisch.

Ein Jahr zuvor hätte Severus es sich nicht einmal vorstellen können, länger als eine Minute das Geplauder des siebenfachen Vaters zu ertragen. Die geteilte Erfahrung in den steinernen Zellen hatte die Dynamik zwischen den beiden jedoch komplett verändert. Obgleich mehr als die Hälfte von Arthurs Worten Severus' Aufmerksamkeit gänzlich entging, saß der dunkelhaarige Zauberer einfach schweigend da, als habe er vergessen, dass er die Wahl hatte, einen unerwünschten Gast loszuwerden.

Vage vernahm er Arthurs Entschuldigung für seinen jüngsten Sohn und verpasste beinahe die erwähnte Einladung, sich dem Weasleyclan im Fuchsbau für die Feiertage anzuschließen. Severus war nicht sicher, ob sein Gast sich seiner Zerstreutheit bewusst war; es hätte ihm nicht gleichgültiger sein können. Alles, woran er in diesen Tagen denken konnte, war nur Eines – wo ist Hermione? Und was macht sie?

Es war zwei Wochen her, seit sie zu seiner Tür hinausgestürmt war. Anfangs hatte er gedacht, sie würde sich innerhalb von einigen Tagen beruhigen, und erwartet, ihre Nachricht in seinem schwarzen, ledergebundenen Notizbuch zu sehen. Aber zwischen den magischen Seiten war kein einziges Wort erschienen. Sie schrieb ihm nicht.

Nie zuvor hatte Severus sich so unsicher gefühlt. Er fühlte sich, als hinge ihre Beziehung, wenn noch etwas davon übrig war, am seidenen Faden. Was sollte er tun? Er dachte daran, sich zu entschuldigen. Aber dann war er nicht sicher, was er sagen sollte. Er hatte recht damit, dass sie ihre Karriere nicht aufgeben sollte, nur weil sie Schwierigkeiten damit hatte, einen gemeinsamen Nenner mit ihrem Vorgesetzten und ihren Kollegen zu finden. Aber sie hatte ebenfalls recht, dass er nicht der Rechte war, sie über Diplomatie zu belehren. Erwartete sie von ihm etwas? Er wollte mit ihr reden, fürchtete aber so sehr, er würde sie enttäuschen oder etwas sagen, das sie noch weiter von ihm wegstieß …

„Hörst du mir zu, Severus?" Arthur streckte eine Hand über den Tisch und legte sie auf Severus' Schulter.

„Nein." Der dunkelhaarige Zauberer schob die Hand beiseite. „Ich komme nicht in den Fuchsbau", murmelte er.

„Davon rede ich gar nicht mehr!" Arthur schüttelte den Kopf, fuhr aber geduldig fort: „Ich habe gefragt, ob ihr beide Streit hattet." Als Severus nicht antwortete, seufzte Arthur. „Ich wusste, dass etwas nicht stimmt, als Harry uns erzählte, dass Hermione für Anfang Januar einen Portschlüssel beantragt hat."

„Sie geht nach Australien?" Severus runzelte die Stirn.

„Ja, anscheinend." Arthur warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. „Aber kurz nachdem ich aus dem Flohnetzwerk getreten war, stellte ich fest, dass du keine Reisepläne im neuen Jahr hast. Oder doch? Willst du darüber reden?"

„Nein", antwortete Severus ruhig.

„Das ist die Antwort, die auch sie Harry, Ginny und Ron gegeben hat." Arthur nickte. „Also sieht es nicht so aus, als redet ihr beide miteinander, und ihr redet auch nicht mit euren Freunden."

„Ich habe keine Freunde", murmelte Severus.

Arthur hob die Brauen und nahm die Tasse Tee vor sich in die Hand. „Aber du hast welche! Du bist nur nicht willens, sie zu akzeptieren."

Einen langen Augenblick herrschte Schweigen zwischen den beiden Zauberern. Am Ende seufzte Arthur Weasley und setzte die Tasse ab. „Hör mir zu, Severus, hast du irgendeine Vorstellung, wie Molly und ich so lange miteinander verheiratet sein können?"

„Kein Interesse."

„Aber ich werde es dir trotzdem erzählen", sagte Arthur. „Wir haben auch nicht immer in Allem die gleichen Ansichten. Wir hatten sehr oft Streit, vor allem zu Anfang. Aber wir reden immer darüber, selbst wenn wir uns nicht immer einig sind. Du wirst dasselbe tun, Severus. Rede mit Hermione. Wenn sie nicht mir dir redet, dann musst du ein wenig nachgeben und als Erster ein Friedensangebot machen. Es mag ein wenig Zeit und eine Menge Geduld brauchen. Und du magst dich bei gewissen Dingen auf Kompromisse einlassen müssen. Aber am Ende findet ihr euren gemeinsamen Nenner und geht in eurer Beziehung einen Schritt weiter."

„Woher willst du wissen, dass das funktioniert? Was ist, wenn sie nicht reden will?" Zum ersten Mal reagierte Severus auf Arthurs Vorschlag. „Und einen Schritt weitergehen … Woher willst du wissen, dass dies das Richtige ist?"

„Weil sie dich liebt. Und du liebst sie." Arthur lächelte, als er vom Tisch aufstand. „Und ich vertraue darauf, dass keiner von euch den anderen aufgeben will."

Severus bewegte sich nicht, als sein Gast in die grünen Flammen verschwand. Aber Arthurs Worte gingen ihm dauernd wieder durch den Kopf.

In dieser Nacht konnte Severus nicht schlafen. Zu der Zeit, als die Sonne aufging, hatte er einen Plan.

Schließlich war er ein guter Slytherin. Und Slytherins hatten immer wohlüberlegte Pläne.