Kapitel 22 – Gewähre mir einen Wunsch
Es war drei Wochen her, seit sie Severus' Haustür hinausgestürmt war. Rückblickend war Hermione überrascht, dass sie sich beim Zurückapparieren in ihre Wohnung nicht zersplintert hatte. An diesem Tag war sie sicher nicht ganz sie selbst gewesen – zu sagen, dass sie unter gewaltigem Stress gestanden hatte, war eine Untertreibung. Sie war einfach erschöpft gewesen.
Seit sie der Berufung durch Kingsley gefolgt war, hatte Hermione lange Arbeitszeiten durchgestanden und sich mit Aufgaben beschäftigt – egal, wie sehr sie es hasste, dies zuzugeben –, die Erfahrung und Wissen weit über das hinaus erforderten, was sie ihr eigen nannte. Sie hatte es noch schlimmer gemacht, indem sie ihre Schwierigkeiten bei der Arbeit in sich hineingefressen hatte, als sie zu ihrem Zufluchtsort in Spinner's End zurückgekehrt war. In dem Wissen, dass Severus kein Interesse an irgendwelchen Diskussionen über ihre Arbeit hegte, hatte sie ihre Frustration bei der Arbeit um jeden Preis vor ihm verborgen und so getan, als sei in ihrem Leben alles perfekt unter Kontrolle. Bei all dem Stress, mit dem sie im Ministerium zurechtkommen musste, fühlten sich schließlich die ruhigen Stunden am Wochenende, die sie mit Severus verbringen konnte, wie das Einzige an, das momentan in ihrem Leben richtig lief.
Leider konnte die Zuflucht, die sie in Severus' Labor und Bibliothek fand, sie nicht dauerhaft vor dem wachsenden Druck bei der Arbeit bewahren. Als Kingsley sie eines Tages zu ihren Arbeitsprioritäten zur Rede stellte, zerbrach Hermione schließlich. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte Hermione möglicherweise demütig die Kommentare ihres Mentors entgegengenommen und über die Probleme nachgedacht, die ihre Herangehensweise an ihre Aufgaben verursachte. Aber die Erschöpfung hatte die letzten Reste ihres rationalen Denkens aufgebraucht.
Hermione war niemals jemand gewesen, die einfach aufgab, und als sie den Job angenommen hatte, hatte sie nie vorgehabt, ein Kündigungsschreiben einzureichen. Dennoch schien es an diesem Tag nur richtig zu sein aufzugeben, selbst wenn dies bedeutete, alle Türen für eine künftige Karriere im Ministerium zuzuschlagen. Sie schaffte es einfach nicht mehr.
Sie kam damit zurecht, hart zu arbeiten; sie kam mit anspruchsvollen Aufgaben zurecht; aber sie konnte nicht alles alleine machen. Ohne die Unterstützung ihrer Freunde, ihrer Kollegen, ihres Vorgesetzten und ohne Severus kam sie nicht zurecht.
Und dann war da ihr Problem mit Severus …
Sie wusste, dass ihre Karrierewahl ihm von Anfang an widerstrebt hatte. Nur seine Körpersprache zu beobachten, machte ihr dies schmerzhaft deutlich. Daher war es darauf hinausgelaufen, dass die junge Hexe dachte, eine Lösung für all ihre Probleme gefunden zu haben: Wenn ihre Träume bezüglich ihrer Karriere aufzugeben bedeutete, bis ans Ende ihrer Tage glücklich mit dem Mann zu leben, den sie liebte, war sie sicher, dass dies sie glücklich machen würde.
Aber anscheinend dachte Severus nicht so. Hermione war völlig überrascht gewesen, als Severus sich geweigert hatte, mit ihr einen Versandhandel für Tränke anzufangen.
Hatte er wirklich kein Interesse daran, mit ihr ein Unternehmen zu gründen, oder war er an etwas anderem nicht interessiert, an etwas, das lange Zeit keiner von ihnen erwähnt hatte – an ihrer scheinbaren Verlobung? Also war es das? War dies seine Art, sich von ihr zu trennen?
Es gab zahllose Stunden, während derer die junge Hexe mit dem alten, ledergebundenen Notizbuch offen vor sich am Schreibtisch saß und darüber nachdachte, was sie zu ihm sagen sollte. Aber die Seite vor ihr blieb am Ende des Abends immer leer. Hermione wusste einfach nicht, was sie sagen sollte. Es schmerzte noch mehr, wenn sie keine Worte von ihm auf den Seiten erscheinen sah.
Die Welt schien ihre Farbe verloren zu haben. Die meiste Zeit des Tages hielt sich Hermione in ihren Räumlichkeiten verborgen; an manchen Tagen fiel es ihr sogar extrem schwer, aus dem Bett aufzustehen. Sie verschloss ihren Anschluss ans Flohnetzwerk und schickte alle Eulen von Harry, Ginny und Ron weg, ohne Antwort auf deren Nachrichten zu geben.
Nicht willens, irgendeine objektive Bewertung zu akzeptieren, war es Hermione nicht klar, dass sie an einer akuten Depression litt. Schließlich dachte sie, die einzige Lösung für die Probleme in ihrem Leben sei, von allem davonzulaufen. Zu diesem Zeitpunkt bestellte sie einen Portschlüssel für eine Person nach Australien.
Hermiones Entscheidung für ihre Reise kam ein wenig zu spät – für den Rest des Jahres waren alle Portschlüssel bereits ausgebucht. Sie versuchte, der Verzögerung etwas Positives abzugewinnen, fand aber nichts. Letztlich konnte sie nicht glauben, dass sie ihre Fähigkeit verloren hatte, alles im Voraus durchzuplanen. Nun würde sie nach Weihnachten ein paar Tage in einem Hotel bleiben müssen, ehe sie abreisen konnte, da sie ihre Wohnung ab Weihnachten gekündigt hatte.
Am Tag vor Weihnachten stapelte Hermione ruhig die Kisten, die in ihrer Wohnung gepackt hatte. Mit Bitterkeit rief sie sich denselben Tag im vorangegangenen Jahr in Erinnerung, als sie den Fuchsbau verlassen musste und schließlich alleine und betrunken in der Bar gelandet war. Es war Severus gewesen, der sie gefunden und nach Hause gebracht hatte, erinnerte sie sich. Die Erinnerung an seine Robe, die um ihre Schultern geschlungen war, trieb ihr neue Tränen in die Augen. Sie verfluchte ihre Schwäche dabei, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, und fragte sich, wie lange es dauern würde, ein gebrochenes Herz zu heilen.
Sie holte tief Luft und sah sich im Raum um. Es gab nur einige wenige letzte Dinge auf ihrem Schreibtisch, die sie wegräumen musste, einige Bücher, die sie jeden Abend in dem Versuch gelesen hatte, sich abzulenken, eine Feder und ein Tintenfass, ein kleines Foto von ihren Eltern und das einzig wahre ledergebundene Notizbuch.
Hermione schüttelte den Kopf, als sie zum Schreibtisch hinüberging. Aus Gewohnheit betrachtete sie das Notizbuch als das Teil, das sie immer bei sich trug. Nach so vielen Wochen schämte sie sich, dass sie immer noch nicht die Tatsache wahrhaben wollte, dass er ihr nie wieder schreiben würde.
Sie nahm das Notizbuch auf, betrachtete es traurig und fragte sich, ob es leichter wäre zu vergessen, wenn sie das Notizbuch zurückließe. Aber allein der Gedanke, sich davon zu trennen, verursachte ihr Herzweh. Und genau in diesem Moment strahlte ein warmes Leuchten von den Seiten.
Hermiones Brust schnürte sich zusammen. Bildete sie sich das nur ein?
Das vertraute Leuchten wurde stärker und stärker, während Hermione ihre Tränen wegblinzelte. Sie bemerkte erst, dass sie schluchzte, als Tränen auf den Einband des Notizbuchs fielen. Sie hatte seine Worte nicht gelesen, aber zu wissen, dass er ihr gerade eine Nachricht geschickt hatte, schickte eine Woge von Wärme in ihr Herz.
Zittrig sank Hermione auf ihren Stuhl und öffnete das Notizbuch vorsichtig, als fürchte sie, es zu schnell zu öffnen, könne seine Worte verschrecken. Sie schlug sich die Hand vor den Mund, um einen Aufschrei zu dämpfen, als die ersten Worte sichtbar wurden:
„Liebe Hermione,
ich habe keine wie auch immer geartete Entschuldigung dafür, weshalb ich Dir die ganze Zeit nicht geschrieben habe. Es gibt Erklärungen, die ich anbieten kann. Steckte ich jedoch in Deinen Schuhen, würde ich nichts davon hören wollen. Ehe Du die Seite umblätterst und die Nachricht löschst, lass mich dies daher einfach sagen, bitte lass mich einige Worte aussprechen.
Arthur Weasley hat mich kürzlich informiert, dass Du vorhast, Anfang Januar nach Australien abzureisen. Ich habe keinen Einfluss auf Deine Reisepläne, aber ich habe auch das Gefühl, dass Du dies nicht als einen kurzen Feiertagsbesuch bei Deinen Eltern geplant hast. Und ich hoffe ernsthaft, dass es nicht Folge meiner gedankenlosen Worte ist, dass Du das Land verlässt. Beim letzten Mal haben wir uns inmitten eines wichtigen Gesprächs voneinander getrennt. Wie Du aus Deinen Recherchen in der Bibliothek von Hogwarts erfahren haben magst, halten es viele Menschen in der Zaubererwelt für ein schlechtes Vorzeichen zu verreisen, ohne wichtige Dinge zum Abschluss gebracht zu haben. Ich habe nie ein Wort davon geglaubt, aber ich möchte die Richtigkeit dessen auch nicht gern austesten.
Es ist Heiligabend. Das einzige Lokal in Deiner Nachbarschaft, das noch offen ist, ist die Bar unten an der Straße bei Deiner Wohnung. In ein paar Minuten breche ich dorthin auf, nachdem ich Dir diese Nachricht geschickt habe. Ich hoffe, Du triffst Dich dort mit mir, um unser unbeendetes Gespräch abzuschließen.
SS"
Hermione erstickte ihre Tränen, während sie die Botschaft zum dritten Mal las. Sie konnte die Emotionen, die in ihrer Brust tobten, nicht genau definieren – sie war extrem glücklich, eine Nachricht von Severus zu sehen, aber gleichzeitig war sie zornig. Er hatte sich nicht entschuldigt. Oder doch? Sie runzelte die Stirn. Und erwartete sie wirklich eine Entschuldigung von ihm? Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen und stieß ein frustriertes Seufzen aus. Es würde ein Wunder brauchen, damit aller Kummer in ihrem Leben auf einmal bei einem Glas Bier verschwand.
„Es ist Heiligabend."
Beinahe konnte sie seine Samtstimme in ihrem Kopf hören.
„Wenn du an Weihnachten nicht auf ein Wunder zählen kannst", knurrte sie und erhob sich aus dem Sessel, „wann sonst kannst du dir etwas wünschen?"
Eine Woge warmer Luft umwehte Hermione, als sie sich durch die Tür in das benachbarte Restaurant schob. An einem kleinen Tisch am Eingang lehnte eine Bedienung, die zögernd ihren Blick von ihrem Handy nahm und Hermione mit einem halbherzigen Lächeln begrüßte. „Wie kann ich Ihnen helfen?", fragte sie, sichtlich überrascht, eine junge Frau am Heiligabend allein ins Restaurant gehen zu sehen.
„Ich bin hier, um jemanden zu treffen", erklärte Hermione ruhig. „Ich kann einfach an der Bar warten."
„Sicher", nickte die Bedienung, glücklich zu wissen, dass ihre Dienste nicht sofort gefragt waren. „An der Bar ist nur ein Kerl. Sie können sitzen, wo sie mögen. Lassen Sie mich wissen, falls sie etwas brauchen, das ihnen der Barmann nicht bringen kann." Ohne auf eine Antwort von Hermione zu warten, wandte die Bedienung ihre Aufmerksamkeit wieder dem Telefon in ihrer Hand zu.
Der miese Service der Bedienung störte Hermione nicht. Sie war nicht in Plauderlaune und sogar recht froh darüber, in Ruhe gelassen zu werden.
Während sie den kurzen Eingangsbereich durchquerte, erkannte die junge Hexe sofort den vertrauten Zauberer, der in Schwarz gekleidet an der Bar saß. Seine Schultern waren nach vorn geneigt, als trüge er eine unsichtbare Last. Hermione schluckte den Kloß in ihrer Kehle hinunter, holte tief Luft und trat ruhig neben ihn.
Er drehte nur leicht den Kopf, als sie den Barhocker neben ihm hervorzog.
„Du bist gekommen." Er neigte den Kopf leicht zu ihr und warf ihr ein schwaches Lächeln zu. Als er sich zu ihr umwandte, bemerkte sie die dunklen Ringe unter seinen Augen.
Ohne ein Wort zu sagen, kletterte Hermione auf den Platz neben ihm.
„Ich weiß, dass du immer noch sauer auf mich sein musst", nickte er und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Glas Scotch in seiner Hand zu. „Und das tut mir leid", sagte er zu der goldenen Flüssigkeit vor sich.
„Das war es dann also?", fragte Hermione ruhig. „Ist deine Entschuldigung das Ende der ganzen …" Sie nahm eine Hand aus ihrer Manteltasche und streifte eine verirrte Träne ab. „… der ganzen … Sache zwischen uns?"
Er versteifte sich auf seinem Platz und hörte ihren Worten zu. Einen langen Augenblick später wandte er sich ihr wieder zu. „Das hoffe ich nicht", sagte er und sah ihr direkt in die Augen. „Aber ich nehme an, das ist gänzlich deine Entscheidung."
„Miss, möchten Sie etwas zu trinken?" Genau in diesem Moment tauchte der Barmann auf.
„Äh …" Hermione versuchte ihr Bestes, gelassen zu klingen. „Wasser wäre prima."
Kopfschüttelnd stellte der Barmann ein Glas Wasser vor Hermione ab, enttäuscht von der gedämpften Chance, noch ein Trinkgeld zu bekommen.
„Ich weiß nicht einmal, ob du mir eine Entschuldigung schuldig bist." Hermione stöhnte, während sie zusah, wie der Barmann in die Ecke der Bar verschwand. „Ich verstehe es so, dass du nicht hier bist, um dich dafür zu entschuldigen, dass du nicht mein Geschäftspartner werden willst. Und was deine Wortwahl betrifft", seufzte sie, „ist sie es, wofür du dich entschuldigst? Wenn das der Fall ist, dann hast du viele Jahre üblen Verhaltens, das dir leidtun kann."
„Stimmt genau", antwortete Severus leise. „Ich glaube nicht, dass es eine Möglichkeit gibt, die Worte zurückzunehmen, die ich gesagt habe, und ich habe immer noch keinerlei Absicht, mit dir eine Firma zu gründen."
Unbehagliches Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Nach einer langen Pause war es Severus, der das erste Wort sprach. „Dennoch war ich in den letzten paar Monaten schrecklich rücksichtslos. Ich dachte, ich sollte mich zumindest für mein Verhalten entschuldigen. Und dich wissen lassen, dass ich die Tatsachen in meinem Leben nicht länger abstreiten will."
„Wie meinst du das?" Stirnrunzelnd sah Hermione auf.
„Es hat mich unerwartet erwischt", seufzte Severus in sein Glas Scotch. „Obwohl ich alles versucht habe, was ich konnte, um den Krieg zu überleben, war ich nicht darauf vorbereitet, wie ich danach leben sollte. Während all dieser Jahre nach dem Krieg habe ich mich daran gewöhnt, mich hinter verschlossenen Türen in meinem Haus zu verbergen. Mit dir mittels dieses Notizbuchs zu kommunizieren, war alles, was ich brauchte. Aber dann wurden wir in dieses Debakel mit Warrington geworfen. Ich hatte wirklich nicht erwartet, in der Lage zu sein, dir so nahezukommen."
„Ich nehme an, ich sollte mich dafür entschuldigen, dich bedrängt zu haben", sagte Hermione bitter und biss sich auf die Unterlippe.
„Nein, das ist nicht, was ich meine." Der Zauberer sah auf, Traurigkeit verschattete seine schwarzen Augen. „Du bist das Beste, das mir jemals passiert ist, Hermione. Aber während der letzten paar Monate wusste ich wirklich nicht, was ich mit meinem Glück anfangen soll."
„Ich dachte, zwischen uns sei alles … in Ordnung." Hermione zögerte bei ihren Worten. War zwischen ihnen alles in Ordnung?
„Nein, das war es nicht." Der Zauberer wandte seine Aufmerksamkeit wieder der goldenen Flüssigkeit in seinem Glas zu. „Zwischen uns war bei weitem nicht alles ‚in Ordnung'. Ich habe dich gezwungen, mit mir vor den Menschen zurückgezogen zu leben, dich gezwungen, die strahlende Zukunft aufzugeben, die vor dir liegt. Erst, als du deinen Job aufgegeben hast, wurde mir klar, welchen Schaden ich dir zufüge. Ich glaube, teilweise hatte ich Angst, dass dein Erfolg das Ende meines Traums sein würde."
„Oh Severus", seufzte Hermione, „du hättest mit mir darüber reden sollen. Ich dachte nie, dass zu arbeiten Konfliktpotenzial für unsere Beziehung bergen könnte. Ich dachte die ganze Zeit, dass du dich darüber aufregst, dass ich im Ministerium arbeite."
„Wir hatten eine schreckliche Kommunikation, nicht wahr?" Severus schüttelte leicht den Kopf. „Deine Arbeit im Ministerium hat mich nie gestört. Ich hatte mehr Angst, dass du mich als Belastung empfindest, sobald du dich hinaus in die Welt außerhalb meiner Haustür wagst." Er stieß ein tiefes Seufzen aus und ließ den Kopf hängen. „Ich war auf selbstsüchtige Weise besitzergreifend."
Für einen langen Augenblick sprach keiner von beiden, bis Hermione schließlich sagte: „Ich wünschte, du könntest auf andere Weise besitzergreifend sein. Ich wünschte, du würdest dich mir gegenüber öffnen und aufhören, mich wegzustoßen. Und ich wünschte, du würdest uns nicht aufgeben."
„Das tue ich nicht." Severus sah schnell zu ihr auf. „Ich möchte uns nicht aufgeben." Er seufzte und vergrub das Gesicht in seinen Händen. „Aber als ich von Potter erfuhr, dass du im Ministerium für mich kämpftest, konnte ich mir selbst nicht verzeihen. Du hast alles getan, um für mich um Gerechtigkeit zu kämpfen. Aber was habe ich getan? Ich tat so, als sei deine Arbeit nicht von Belang. Ich verdiene dich nicht, Hermione. Du bist einfach zu gut für mich. Das ist der Grund, warum ich mich in den letzten paar Wochen nicht dazu durchringen konnte, dir zu schreiben." Er schüttelte den Kopf und rieb sich mit den Händen über das Gesicht. „Aber das bedeutet nicht, dass ich ohne dich leben könnte. Ich vermute, ich war so verdammt offensichtlich depressiv, weil du weg warst, dass es sogar Arthur Weasley feststellen konnte, indem er mir nur am Tisch gegenübersaß."
Unter Tränen begann Hermione zu lächeln.
Plötzlich wurde ihr Gespräch unterbrochen, als der Barkeeper wieder an den Tresen trat. „Entschuldigung, Miss, Sir. Es ist fast sieben. Der Boss sagte, wenn wir hier drin jetzt nicht mehr als zehn Leute haben, sollen wir schließen und nach Hause gehen. Nun, wie Sie sehen können", er deutete um sie herum, „sind Sie beide unsere letzten Gäste. Oder ich sollte sagen: unser letzter Gast. Wasser kostet nichts, Miss." Er zuckte Hermione gegenüber mit den Achseln. Aber er trat einen Schritt zurück, als er sich Severus zuwandte. Der tödliche Blick des Zauberers war für einen Muggel genauso einschüchternd wie für einen Zauberer oder eine Hexe.
„Das ist in Ordnung", seufzte Hermione, während sie vom Barhocker hinabsprang. „Es ist schließlich Heiligabend."
Severus warf einige Muggel-Geldscheine auf den Bartresen und folgte der jungen Hexe wortlos nach draußen.
„Ich würde dich im meine Wohnung bitten, wenn ich nicht alles gepackt hätte." Hermione blieb an einer verlassenen Straßenecke stehen. „Ich habe nur noch einen Stuhl übrig. Wahrscheinlich sollte ich es nicht einmal mehr meine Wohnung nennen. Das Umzugsunternehmen schafft morgen alles hinaus." Plötzlich fand Hermione ihre Schuhe sehr interessant.
„Wenn du nichts dagegen hast …", Severus runzelte leicht die Stirn, als sei er nervös, wie die junge Hexe auf seinen Vorschlag reagieren würde, „… könnten wir zurück zu mir gehen."
Hermione sah auf und lächelte. „Das ist in Ordnung, glaube ich. Nun, es ist nicht so, als wäre noch nie bei dir gewesen."
„Dir steht eine Überraschung bevor." Die Lippen des Zauberers verzogen sich zu einem geheimnisvollen Grinsen. Ohne der Hexe einen Moment zum Fragen zu geben, schlang er die Arme um sie und apparierte mit einem leisen Plop.
Hermione japste überrascht, als sie mitten in einem modernen Wohnzimmer mit Fliesenboden und hohen Fenstern landeten, die bis zur Decke reichten. „Wo sind wir?", fragte sie.
„In meiner neuen Wohnung." Severus lächelte schwach. „In London. Wir befinden sich in gleicher Distanz zu Whitehall und zu Purge und Dowse."
„Ich … ich verstehe nicht", stammelte Hermione. Sie konnte sich nicht erinnern, wann Severus zum letzten Mal erwähnt hatte, aus Spinner's End auszuziehen.
„Ich dachte …" Severus zögerte. „Ich dachte, es wäre für dich von meiner Wohnung aus einfacher, zur Arbeit zu gehen, wenn ich nach London ziehe. Daher habe ich letzte Woche das Haus in Spinner's End verkauft und bin hierher gezogen."
„Was …?" Hermione runzelte die Stirn. „Aber ich habe keinen Job mehr im Ministerium, Severus. Erinnerst du dich? Ich habe gekündigt."
„Deine Kündigung wurde nicht angenommen." Er bedeutete ihr, auf dem Ledersofa am Fenster Platz zu nehmen. „Vor zwei Tagen habe ich Shacklebolt aufgesucht und sichergestellt, dass du immer noch im Ministerium beschäftigt bist."
„Du hast doch nicht …", japste Hermione. „Bitte sag mir, dass du Kingsley nicht bedroht und ihn gezwungen hast, mir einen Job zu geben!"
„Warum musst du immer das Schlimmste von mir annehmen?" Amüsiert sah Severus zu der jungen Frau auf. „Ich habe nichts dergleichen getan. Andererseits kannst du nicht erwarten, dass der künftige Zaubereiminister so dumm ist, dass er solch eine kluge junge Dame so einfach aufgibt! Laut seiner Auskunft hast du eine ungesunde Menge von Urlaubstagen angesammelt. Er hat nur deinem vorübergehenden Urlaub zugestimmt. Ende Januar erwartet er dich zurück."
Hermione brauchte eine Minute, um die Worte zu verdauen, die sie gerade gehört hatte. Als sie die Information langsam vollständig erfasst hatte, sah sie wieder zu Severus und fragte: „Aber wenn er meinem Urlaub nicht zugestimmt hätte, hättest du ihn bedroht, oder?"
„Ist das alles, was dir als Antwort einfällt?" Severus hob eine Braue, aber ein kleines Grinsen blieb in seinen Augenwinkeln. „Mag sein, dass ich etwas Verhandlungsmasse hatte, ja. Aber ich brauchte sie nicht einzusetzen."
„Aber ich habe in meinem Job versagt!" Hermione stieß ein tiefes Seufzen aus. „Du hattest von Anfang an recht. Ich war dafür nicht bereit. Es war eine Nummer zu groß für mich."
„Shacklebolt hat das ebenfalls erkannt", nickte Severus. „Und er hat sich dafür entschuldigt, dich auf diese schwierige Stelle gesetzt zu haben. Du wirst in deine vorherige Position vor der Warrington-Affäre zurückkehren. In naher Zukunft solltest du jedoch aufgrund der herausragenden Leistung auf deiner vorherigen Stelle eine Beförderung in irgendeiner Art erwarten."
„Sie nehmen mich zurück?" Hermione konnte ihren Ohren nicht glauben. Dies war wahrscheinlich die beste Nachricht, die sie für ihre Karriere erwarten konnte; dennoch überkam sie plötzlich eine heftige Welle von Selbstzweifeln. „Aber ich weiß nicht …" Sie seufzte. „Ich glaube, ich bin nicht reif genug, um mit all den Politikern im Ministerium umzugehen."
„Aber du wirst es früher oder später werden", statuierte er nüchtern. „Und bis zu dem Tag, an dem du dich freigeschwommen hast, wirst du immer den Rat des ehemaligen Hauslehrers von Slytherin zur Verfügung haben."
„Severus …" Hermione sah auf und ihr Blick traf den des Zauberers, während sie langsam die Bedeutung seines Angebots begriff. Schnell sah sie weg und stand vom Sofa auf. „Aber dennoch …" Sie hielt ihren Blick in die Ferne außerhalb des Fensters gerichtet. „Du hättest nicht hierher umziehen sollen. Es war das Anwesen deiner Eltern, und wenn wir es nicht schaffen, dass wir …" Abrupt stoppte sie mitten im Satz.
Ruhig trat der Zauberer zu der Hexe und drehte sie sanft an den Schultern um. „Ich habe Spinner's End nie gemocht. Dort gab es zu viele unangenehme Erinnerungen. Aber du, Hermione, du machst mein Leben lebenswert. Das Leben ist mehr als elend, wenn du nicht da bist. Weißt du", er nahm ihre Hände und sah ihr in die Augen, „ich würde alles geben für das Eine, das ich auf der Welt am meisten brauche." Er rieb eine einzelne Träne von ihrer Wange und fügte hinzu: „Und nebenbei bin ich auch aus einem selbstsüchtigen Grund hierher gezogen. Ich will auch näher bei der Arbeit sein."
„Arbeit?" Hermione starrte den Mann vor sich an. „Du arbeitest in London? Auch für das Ministerium?"
„Nein. Ich habe eine Stelle im St. Mungo bekommen", berichtigte er sie ruhig, „um bei der Ausbildung junger Heiler zum Einsatz von Tränken zu helfen. Am 15. Januar fange ich an."
Sehr lange starrte sie ihn an und wusste nicht, was sie sagen sollte. Er hatte sich verändert. „Aber ich dachte, du könntest die Heiler im St. Mungo nicht ausstehen", platzte sie heraus.
„Jemand muss ihnen ein wenig Verstand in ihre Dickschädel einbläuen." Er lächelte sie schwach an. „Und nebenbei konnte ich sie nur nicht ertragen, als sie dir nicht die Pflege zuteil werden ließen, die du brauchtest."
Hermione traten Tränen in die Augen, während ihr das Herz vor Freude schwoll. „Du solltest nicht so viele Änderungen für mich machen", flüsterte sie.
„Sie sind für uns." Er senkte den Kopf und berührte ihre Stirn mit seiner. „Wenn du uns eine gemeinsame Zukunft erlaubst. Verzeihst du mir?"
Sie streckte die Hände aus, umfasste sein Gesicht und beantwortete seine Frage mit einem sanften Kuss auf seine Lippen. Bei ihrer Berührung bebte er und stieß ein Seufzen aus, als seine Lippen ihre berührten.
Als sie schließlich voneinander abließen, sah sie durch ihre Wimpern zu ihm auf. „Also wie lange hast du das schon geplant?"
Auf die Frage hin röteten seine Wangen sich leicht. „Du kennst mich gut, Hexe. Ja, es war einige Planung nötig. Es war ziemlich einfach, das St. Mungo davon zu überzeugen, dass ich nicht die Idioten verhexen werde, die bei mir Unterricht nehmen. Aber es hat verdammt lang gedauert, in dieser Gegend eine Wohnung zu finden. Nachdem ich es so oft verpatzt hatte, wusste ich, dass dies meine letzte Chance sein könnte, es bei dir wieder gutzumachen, daher habe ich alles in meiner Macht stehende getan, um es richtig zu machen. Dennoch", seufzte er, „habe ich nur einen Mietvertrag für ein Jahr für diese Wohnung. Ich hoffe darauf, dass du mithelfen wirst, für uns ein Haus zu finden, ehe der Mietvertrag abgelaufen ist."
„Du möchtest, dass ich … wir … in ein … Haus … ziehen?" Überrascht starrte sie ihn an.
„Nun." Severus sah die Hexe blinzelnd an. „Ich könnte mich irren, aber ich dachte, der Trend beim modernen Dating sei, dass du eventuell die Möglichkeit einer Beziehung ausprobieren möchtest, indem wir zusammenleben. Wäre dieses Arrangement für dich akzeptabel?"
Ihr Lächeln wurde breiter. „Ja", antwortete sie schließlich, dann zog sie ihn zu einem weiteren Kuss zu sich hinunter. Als sie endlich voneinander ließen, flüsterte sie ihm ins Ohr: „Ich will heute Nacht nicht weg."
„Dann bleib." Er zog sie enger an seine Brust und drückte ihr einen kleinen Kuss auf den Kopf.
Viel später an diesem Abend, als Schneeflocken vom Himmel zu tanzen begannen, wurde die Stadtlandschaft vor Severus' Schlafzimmerfester zu einer perfekten Weihnachtskarte.
Mit dem Blick auf die atemberaubende Aussicht fixiert, ließ die junge Hexe ihr Kinn auf der nackten Brust des Zauberers ruhen. Plötzlich kam ihr eine Frage in den Sinn. „Ist es wahr, dass es in der Zaubererwelt ein schlechtes Vorzeichen ist zu reisen, ohne ein wichtiges Gespräch abgeschlossen zu haben? Ich kann mich anscheinend nicht erinnern, etwas dazu in Zauberertraditionen gelesen zu haben."
„Das habe ich mir ausgedacht", lachte er leise. „Ich dachte, falls du noch immer wütend auf mich bist, könnte die Sitte dich genügend faszinieren, um aufzutauchen."
„Du hinterhältiger Slytherin." Spielerisch gab sie ihm einen Klapps auf die Schulter. Einen Augenblick später fragte sie erneut: „Wusstest du deshalb sicher, dass ich heute Abend in der Bar auftauchen würde?"
Es entstand eine lange Pause, ehe er schließlich antwortete. „Ich war mir nicht sicher." Er zuckte mit den Schultern. „Aber ich war sicher, dass sie zumindest genügend Scotch an der Bar haben würden, um mein Elend zu ertränken, falls ich den Abend dort alleine verbringen musste." Zärtlich sah er ihr in die Augen. „Aber andererseits", lächelte er, „hatte ich eine Ahnung, dass du kommen würdest."
„Du wusstest, dass deine Slytherinpläne funktionieren würden, hm?", fragte sie ihn neckend.
„Nein." Er nahm ihre Hand und drückte einen kleinen Kuss auf ihre Finger. „Ich dachte, ich wünsche mir etwas zu Weihnachten."
„Ich wusste nicht, dass du die Art Mensch bist, der an Weihnachtswunder glaubt", lachte sie.
„Bisher nicht", antwortete er ehrlich. „Aber jetzt tue ich es."
