Als Harry am nächsten Morgen erwachte, ging es schon gegen Mittag zu. Er war erstaunt, so lange und so tief konnte er schon lange nicht mehr schlafen. Noch etwas benebelt blinzelte er in das Licht, das durch das Fenster brach. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er geglaubt die Sonne zu sehen. Harry schwang sich aus dem Bett und ging als erstes in die Küche. Er hatte einen Bärenhunger.
„Guten Morgen, Harry, gut geschlafen, fragte Hermine, die sogleich wieder hinter dem Tages Propheten verschwand. „Bestens, danke. Und du, schon lange auf?" fragte Harry zurück. „Sicher länger als du", lachte Hermine, „aber du hast ja momentan einen Sonderstatus. Wir hatten heute Morgen eine taktische Sitzung mit Minerva. Sie lässt dir übrigens die besten Wünsche ausrichten. Sie konnte nicht mehr warten bis du aufwachst, Termine du weisst." „Schade, aber danke trotzdem. Worum ging es bei der Sitzung?" Harrys Neugier war geweckt, nur noch nebenbei begann er sein Frühstück zu essen. „ Nicht so neugierig Harry", lachte Hermine, „es geht um den Wiederaufbau, oder in erster Linie um den Ausbau der Sicherheit von Venum und Itria. Wir sollten unsere Vorschläge für Verteidigungssprüche abgeben. Du weißt, unsere Späher haben in den letzten Monaten entscheidende Forschritte erzielt, wir sind Voldemorts Angriffen nicht mehr schutzlos ausgeliefert. Wir konnten spezifische Verteidiungssprüche entwickeln. Und seit Snapes Tod kann auch Voldemort keinen tödlichen Zauber nach dem anderen mehr entwickeln. Mit Snape ist ein grosser Teil seines Know-hows verschwunden." Harry nickte bloss. „Du kannst heute Nachmittag die Sprüche zusammen mit Georg durchgehen, er hat ein einprägsames Trainigsprogramm entwickelt." Hermine schmunzelte „Und heute Morgen gehe ich gleich als erstes auf die Krankenstation", kam Harry Hermine zuvor. Diese lachte nur herzlich und wandte sich wieder ihrer Zeitung zu.
Als Harry das Haus verliess ging er als erstes, wie versprochen, zur Krankenstation. Ginny erwartete ihn schon: „Sehr schön, Harry, ich bin froh, dass du kommst." „Ich hab's versprochen" stellte Harry etwas trotzig fest. „Ich möchte nur kontrollieren, ob du gut behandelt wurdest, ob nicht gepfuscht wurde und ob du noch Verletzungen hast, die noch eine Behandlung benötigen. Magische Verletzungen können tiefgreifend sein und auch noch nach einiger Zeit zum Ausbruch kommen." Harry seufzte, das konnte ja heiter werden.
Zuerst wurden ihm drei Tränke verabreicht, die Harry no nie zuvor gesehen hatte, und er hatte auf der Krankenstation eindeutig schon viel Zeit verbracht. "Leg dich bitte auf den Untersuchungstisch" forderte Ginny Harry auf, „versuch dich zu entspannen, es wir schon eine Weile dauern." Harry tat wie ihm geheissen. Als erstes tastete Ginny seinen Körper ab. Es kitzelte ein bisschen, war aber nicht unangenehm. Ginny nahm die Untersuchung sehr genau. Sie konnte sich keinen Fehler erlauben, jede nicht behandelte Wunde, und sei sie auch noch so klein, könnte immer noch einen tödliche Verletzung werden. Sie erkannte sofort, dass Harrys Knie und die Knochen des linken Armes erst vor kurzem neu gewachsen waren. Ausserdem war ein Teil seiner Lunge ersetzt worden. Ginny staunte nicht schlecht, sie kannte nur eine Hand voll Heiler, die dies vollbringen konnten. Und die Arbeit war wirklich perfekt, Harry würde wohl sein ganzes Leben nichts von diesen Eingriffen merken. Ausserdem hatte Harry noch Überreste von verschiedensten Gegengiften in seinem Blut, diese Tränke waren schwierig herzustellen und nur schon die Zutaten zu bekommen war eine Kunst für sich. Ginny schluckte, Harry konnte froh sein, dass er auf einen so grossartig qualifizierten Heiler gestossen war. Sie selbst war sich nämlich nicht sicher, ob sie selbst Harry hätte retten können, geschweige denn, ihn so zu behandeln, dass er ein beschwerdefreies Leben führen könnte.
Harry hatte in der Zwischenzeit seine Augen geschlossen und gab sich seinen Gedanken hin. Als er das erste Mal nach dem Kampf mit Snape kurz aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte, spürte er wie jemand seinen linken Arm massierte und dazu mit flüsternder Stimme Sprüche sprach. Genau wie Ginny es jetzt gerade tat. Das zweite Mal als er etwas wahrnahm, sah er wie ein Mann sich über ihn gebeugt hatte und seinen Brustkorb untersuchte. Das war alles, mehr hatte er nicht mitbekommen. Allerdings erinnerte Harry sich noch sehr genau, wie er eines Tages wie aus einem tiefen Schlaf aufwachte.
Sein ganzer Körper fühlte sich taub an und ihm war schlecht. Dabei hatte er sich noch keinen Milimeter bewegt. Er versuchte sich zu erinnern, wo er war. Vergebens. Es blieb ihm nicht weiter übrig und er öffnete seine Augen. Zuerst nur einen Spalt weit, damit er sich an das Licht gewöhnen konnte. Er war also in einem Bett in einem Zimmer mit grüner Tapete und einer Holzdecke. Er drehte seinen Kopf langsam zur Seite. Neben seinem Bett stand ein alter Lesesessel auf dem eine zerknüllte Wolldecke und ein aufgeklapptes Buch lagen. Es sah so aus als wäre vor kurzem noch jemand da gesessen. Hinter dem Sessel stand ein grosser Tisch an der Wand beladen mit Flaschen, Dosen, und Schachteln. Und im Kamin daneben brannte ein kleines Feuer. Die Sonne schien durch ein grosses Fenster in sein Zimmer, allerdings wurde das Licht durch einen Vorhang gedämpft. Auf der anderen Seite seines Bettes waren ein Nachttisch und eine Tür. Harry überlegte fieberhaft, wo war er hier? Hatte Snape ihn gefangen genommen? Aber warum war er dann nicht im Kerker? Wie lange war er schon hier? Wer sollte ihn sonst aufnehmen? Konnte er fliehen? Wo war sein Zauberstab? Es half alles nichts, wenn er mehr wissen wollte, musst er hier raus. Es war nicht das erste Mal, dass Harry verletzt war, aber dieses Mal spürte er, wie schwach er war und wie wenig ihm sein Körper gehorchte. Mit grösster Konzentration und unter stechenden Schmerzen, drehte sich Harry auf die Seite. „Wenn ich wirklich Snapes Gefangener bin, kann ich niemals fliehen, nicht in diesem Zustand", schoss es ihm durch den Kopf, „vielleicht sollte er einfach liegen bleiben." Und mit diesem Gedanken schlief er ein. Als er wieder erwachte, war es dunkel geworden, sonst war das Zimmer wie vorher. Harry schöpfte neue Hoffnung, vielleicht waren seine Bewacher heute nicht da. Vielleicht waren die Todesser gerade auf einem kleinen Feldzug. Harry, beflügelt von diesem Gedanken, gelang es, sich auf die Bettkante zu setzen. Er wartete bis sich sein Körper etwas an die senkrechte Position gewöhnt hatte und stand langsam auf. Er war etwas unsicher auf den Beinen, aber wenn er sich auf dem Bett abstützte, sollte es gehen. Vom Bettende bis zum Fenster war es nur ein paar Schritte, Harry hoffte, dass ihn sein Gleichgewichtssinn nicht im Stich liess. Er liess das Bett los und machte seinen ersten freien Schritt. Es ging, Harry strahlte, er würde es schaffen! Doch in diesem Moment hörte er Schritte. Harry starrte auf die Türe, die langsam aufging. Eine Person mit schwarzem Umhang trat ein: „So, so, Potter, aufgewacht, wie ich sehe." Harry gefror das Blut in den Adern, als er die Stimme erkannte. Seine Knie gaben nach und er brach an Ort und Stelle zusammen.
„Harry, Harry, schläfst du? Wach auf, ich bin fertig." Harry öffnete seine Augen und sah direkt in Ginnys. Diese lächelte wohl wissend, dass Harry momentan mit seinen Gedanken ganz wo anders war. „Harry, deine physische Verfassung ist den Umständen entsprechend ausgezeichnet. Du kannst wieder aufstehen." Harry war erleichtert.
„Komm, Harry, wir setzen uns rüber zum Kamin, ich mach uns Tee, und wir quatschen ein bisschen" Harry wusste, dass sie das nicht nur als Freundin, sondern auch als Ärztin zu ihm sagte. Er zögerte kurz, wusste aber, dass es sinnlos war. Ginny konnte auch dickköpfig sein. Ausserdem war Ginny eine seiner ältesten Freunde, sie hatte sich grosse Sorgen gemacht, als er wie vom Erdboden verschwunden war. Er setzte sich in den roten Sessel am Kamin. Kurz darauf kam Ginny aus der Küche, reichte ihm eine Tasse Tee und setzte sich neben Harry in den zweiten Sessel. Es war eine Weile still, beide nippten an ihrem Tee. Ginny wusste, dass Harry schon erzählen würde. Sie wollte keinen Druck auf ihn ausüben.
„Nach dem Kampf mit Snape war ich schwer verletzt. Glücklicherweise hat mich jemand gefunden und zu einem Arzt gebracht." „Harry, das kann nicht irgendein Arzt gewesen sein", unterbrach ihn Ginny ,„wer hat dich behandelt? Ich kenne nur eine Hand voll Heiler, die dazu im Stande wären, aber die haben dich sicher nicht behandelt. Die hätten uns informiert, schliesslich haben wir verzweifelt nach dir gesucht." Ginny war gespannt. "Er heisst Marco O'Dafly", antwortete Harry so gelassen wie möglich. „O'Dafly, O'Dafly, sagt mir nichts", erwiderte Ginny ehrlich, „mal sehen, ob ich noch was über ihn rauskriege." „Was spielt denn das für eine Rolle, ich bin zurück, und es geht mir gut!" platzte Harry heraus. Ginny schaute ihn verdutzt an. Was war denn jetzt los? Harry bemerkte, dass er sich wohl im Ton vergriffen hatte, darum fragte er schnell: „Kann ich wieder arbeiten? Hermine möchte deine Einwilligung." „Aus medizinischer Sicht gibt es nichts einzuwenden" Ginnys Stimme klang reservierter als sie beabsichtigte hatte. „Super, ich bin schon voller Tatendrang. Danke, Ginny." mit diesen Worten stand Harry auf und ging zur Tür. Er musste hier raus. Er wollte nicht lügen und die Wahrheit konnte er auch nicht erzählen. „Harry, wenn du reden willst, ich bin da", rief ihm Ginny nach. Sie spürte, dass er etwas auf dem Herzen hatte.
Harry war froh, als er draussen war. Er hatte sich das einfacher vorgestellt. Diese Fragerei, er war wieder da, das war doch die Hauptsache.
