„Malfoy", grüsste Harry.
Draco blickte auf. Potter stand in der Tür. "Ah, frisch wie eine Blumenwiese", neckte Draco. Die Unsicherheit in Harrys Augen verschwand für einen Augenblick, und es blitzte die Angriffslust durch, doch die Vernunft siegte und er schwieg. Draco lobte sich selbst im Stillen: Er hatte die richtige Farbe getroffen, das grüne T-shirt brachte Potters Augen zum funkeln. Ob Potter das wusste? Draco verkniff sich ein lächeln.
„Komm setz dich." Draco stand auf und bot seinen Sessel an. Er selbst ging hinter den Schreibtisch.
„Potter", begann Draco, „wir wissen beide, dass wir nie Freunde waren, ganz und gar nicht." Draco liess seine Worte kurz wirken. Er hatte sich vorgenommen ein paar Dinge klarzustellen. Harry schien dazu nicht in der Lage und ausserdem gefiel es ihm die Kontrolle zu haben. Niemals würde er dem Gryffindor seine eigene Unsicherheit offenbaren.
„Wir müssen auch keine werden, Merlin bewahre!" Draco hob theatralisch die Hände. „Aber ich denke doch, wir sollten zivilisiert miteinander umgehen. Ich nehme an, dass selbst du die wichtigsten Anstandsregeln kennst" Draco grinste, er konnte sich diese Kommentare einfach nicht verkneifen. Schon gar nicht, weil Potters Augen so voller Leben strahlten, wenn er sich ärgerte. Was war das doch für ein Unterschied zu dem trüben Starren der letzten Wochen!
„Spass bei Seite", Dracos Stimmlage wechselte von spöttisch ironisch zu professionell betreuend, „Harry, du merkst es ja selbst, du bist noch nicht du selbst"
„Oh ja, wie Recht Malfoy hatte", dachte Harry, „wenn dem so wäre, hätte ich dir schon längst den Hals umgedre ... Was war das?" Erst jetzt sank es in Harry Hirn: „Malfoy wieder Harry genannt?". Harry seufzte.
Malfoy nahm das als Zustimmung. „Und beim Duschen wirst du wohl auch das Netz unter deiner Haut auf deinem Rücken bemerkt haben" Harry nickte stumm. „Das sind die Überreste eines zweiten Blutbahnnetzes. Zu beginn musste ich dir so viele Gegengifte und sonstige Tränke verabreichen, dass dein eigenes Blutsystem überfordert war. Das zweite künstliche System hat geholfen, die Wirkstoffe so rasch wie möglich an die richtigen Stellen in deinem Körper zu leiten. Das Hilfssystem bildet sich jetzt langsam zurück. Damit der Abbau kontinuierlich fortgesetzt wird, musst du in den nächsten drei Wochen morgens und abends diese Creme auf das Netz auftragen. Ausserdem solltest du weiterhin für die nächsten drei Wochen diese drei Gegengifte zu dir nehmen, am besten vor dem schlafen gehen. " Draco schob Harry eine Korb mit einer Dose und drei Flaschen entgegen.
„Ok, hab ich verstanden", antwortete Harry kurz angebunden. Ihm war nicht danach Malfoy für seine Hilfe zu danken. Er wusste, dass er ihm sein Leben verdankte, ausgerechnet diesem eingebildeten Snob. Harry hatte auch seinen Stolz.
„Und da wäre noch etwas", fuhr Draco fort, „ich möchte, dass du die nächsten drei Wochen hier bleibst zur Beobachtung"
„Was, bist du irre?" schnaubte Harry, „das ist nicht dein Ernst!"
„Ich wusste doch, dass du dich nicht zivilisiert benehmen kannst!" erwidert Draco hart , „Meinst du etwa, mir macht das Spass? Aber darum geht es doch nicht. Ich bin dein Arzt und ich würde von jedem anderen Patienten mit deinen Verletzungen dasselbe verlangen. Ob es dir passt oder nicht, du brauchst mich. Ausserdem sind drei Wochen schnell vorbei."
Harry musste zugeben, dass Malfoy Recht hatte: „Gut, ich seh's ein, ich bleibe. Aber wie du schon sagtest, wir müssen keine Freunde werden. Wir bilden so eine Art Wohngemeinschaft, sagen wir, wir respektieren uns."
„Ausnahmsweise stimme ich dir völlig zu. Das wird das beste für deinen Heilungsprozess und meine Nerven sein" Draco war erleichtert, wenn er auch nicht genau sagen konnte weswegen. Er ging zu Potter hinüber und streckte ihm die Hand hin. „Genau wie damals, als ich Potter im Zug nach Hogwarts meine Freundschaft angeboten hatte", erinnerte sich Draco. Aber das war ewig her und heute ging es um etwas anderes. Potter stand auf und nahm seine Hand. „Waffenstillstand" versprachen beide mit einem Händedruck. Sie schauten sich in die Augen und jeder versuchte zu ergründen, ob er seinem Gegenüber trauen konnte.
Ohne Übergang forderte Draco plötzlich: „Zieh dein T-shirt aus." Harry zuckte überrascht zusammen. „Ich will dein Herz und deine Lunge abhören", Draco beeilte sich, sich zu erklären, „ausserdem solltest du dein Netz eincremen."
Draco war mit Herz- und Lungenfunktion zufrieden. Er ging zum Korb und nahm die Dose heraus. „Ich kann dich einreiben, wenn du willst. Du kommst am Rücken nicht gut hin." Draco gab sich Mühe ohne Ironie und Häme zu sprechen.
Harry war es nicht ganz wohl bei der Sache, aber es stimmte, er kam nicht ran, und schon gar nicht jetzt, da ihm schon sein Körper schon schmerzte, ohne dass er sich verrenkte. Ohne zu Fragen legte er sich auf den Untersuchungstisch.
Draco nahm etwas Creme aus der Dose und ging zu Harry hinüber. „Achtung, kalt" warnte er Harry bevor er mit dem Einmassieren begann. Die Kälte liess Harry ein bisschen zusammenzucken. Aber dann ging es. Die Creme prickelte auf der Haut und hinterliess ein wohlig warmes Gefühl. Dracos Hände fühlten sich gut an, Harry spürte, dass Draco grosse Erfahrung beim Massieren hatte. Er entspannte sich, Ruhe durchströmte seinen Körper. Harry seufzte. Und zu seiner eigenen Überraschung war es ihm egal, was Malfoy davon hielt. Harry wusste nur, dass er schon viel zu lange nicht mehr so aufgehoben gefühlt hatte.
„Fuck, fuck, fuck", Draco fluchte vor sich hin. Nur leise, denn Harry war eingeschlafen. Draco fluchte über sich selbst. Als Harry bewusstlos war, hatte er ihn tausend Mal berührt, umgedreht, angehoben, massiert oder eingecremt. Aber niemals hatte er dieses Bedürfnis verspürt Potter noch etwas länger zu berühren. Und Potter liess sich auch noch zu einem Seufzer hinreissen. Was sollte das? „Shit", fluchte Draco weiter „Potter ist dein Patient. Reiss dich zusammen," befahl er sich selbst, als er das Sprechzimmer verliess.
