Die Überraschung

„Hier steckst du"

Harry wurde unsanft aus seinen Erinnerungen gerissen

„Georg?", war das erstbeste, dass ihm ihn den Sinn kam.

„Ja genau, der bin ich", grinste Georg, „bist wohl nicht gerade bei uns im Moment."

„Ich war nur in Gedanken"

„Das mein ich, aber egal." Georg wollte nicht darauf herumreiten. Hermine und Ginny hatten ihm schon von ihren Sorgen um Harry berichtet. Aber er war überzeugt, dass Harry schon zu gegebener Zeit erklären würde, was ihn bedrückte. Und Georg hatte sich vorgenommen, Harry dann zuzuhören und in der Zwischenzeit ein guter Freund zu sein ohne ihn ständig zu löchern.

„Kommst du mit zu Training? Ich hab ein neues Programm. Ausserdem haben wir ein paar neue Verteidigungszauber." „Klar, war sowieso auf dem Weg zu dir" meinte Harry, "freu mich schon auf das Programm."

Den ganzen Nachmittag verbrachte Harry mit Georg beim Training und dies hatte er wirklich bitternötig. Die Sprüche sassen noch, aber er hatte an Schnelligkeit und Wendigkeit eingebüsst. Georg konnte ihn mehrere Male im Duell besiegen, etwas, was er vorher nie geschafft hatte. Und es war klar, dass es nicht daran lag, dass Georg seine Fähigkeiten so stark verbessert hatte. Harry war etwas niedergeschlagen. Er hatte nicht erwartet, dass er so schlecht geworden war.

Gegen Abend hatte Harry fünf neue Verteidigungssprüche gelernt und Georg immerhin zweimal nacheinander besiegt. Georg klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Harry fühlte sich entscheidend besser. Er bewunderte Georg, wie kam es bloss, dass dieser immer die richtigen Worte fand, um einen zu motivieren.

„Komm lass uns essen gehen. Morgen ist auch noch ein Tag.", schlug Georg vor, „Ron hat heute Kochdienst, ich hoffe bloss, er hat nicht experimentiert!"

Harry war hungrig, soviel körperliche Anstrengung wie heute hatte er schon lange nicht mehr gehabt.

Auf dem grossen Platz wurde jeden Mittag und Abend reihum gekocht und serviert. Sie schöpften sich die Teller voll und setzten sich zu den anderen, neben Ron und Hermine.

„Georg hat dich hingemetzelt", zog Ron Harry auf.

„Das wird eine Ausnahme bleiben, warte bis ich wieder voll einsatzfähig bin", gab Harry zurück, sein Ehrgeiz war angestachelt.

„Dann gibst du also zu, dass du noch nicht voll fit bist?" fragte Hermine besorgt.

Ron, Georg und Harry wechselten bloss verständnislose Blicke, liessen die Frage aber unbeantwortet.

„Hört bloss auf", antwortete Hermine schnippisch.

„Ach komm", versuchte Ron zu beschwichtigen und legte den Arm um seine Freundin.

„Morgen machen wir weiter", warf Georg ein und stiess dabei Harry freundschaftlich in die Seite, „schliesslich hast du noch viel zu lernen."

Harry grinste nur frech zurück: "Das werden wir ja sehen!"

„Ich könnte euch Gesellschaft leisten, schliesslich habe ich Morgen noch nichts vor", schlug Seamus vor, der das Gespräch mitgehört hatte.

„Klar doch, dann können wir Harry mal zeigen, wie man sich richtig duelliert" fügte Georg besserwisserisch hinzu.

„Euch werde ich's zeigen" nahm Harry die Herausforderung an.

„Typisch Jungs" bemerkte Ginny und warf Hermine einen verschwörerischen Blick zu.

Die nächsten Wochen vergingen wie im Fluge. Der Krieg war im „Dorf" allgegenwärtig, aber trotzdem momentan nicht so bedrohlich wie auch schon. Harry trainierte viel. Er verbesserte seine Fertigkeiten täglich und schon bald fand er zu seiner alten Form zurück. Auch Georg konnte ihm nicht mehr das Wasser reichen. Und um ehrlich zu sein, Harry war froh darüber und auch ein bisschen stolz.

„Harry, dein Training heute war ausgezeichnet. Du scheinst wieder voll auf der Höhe zu sein", begann Hermine hocherfreut das Gespräch. Harry lächelte zufrieden.

„Deswegen habe ich, mit Ginnys Einverständnis natürlich, beschlossen, dich wieder im „regulären Dienst" einzusetzen", fuhr Hermine weiter. „Bist du damit einverstanden? Wie findest du das, Harry?"

Dieser war etwas überrascht über Hermines Formulierung. Seit wann gab sie ihm Befehle? Und „im regulären Dienst einsetzen", wie das schon klang, schrecklich! Während seiner Abwesenheit hatte sich hier doch einiges geändert. Er hatte dies in den letzten Wochen deutlich gespürt, diesem Umstand aber keine weitere Beachtung geschenkt. Jetzt schien es aber Zeit dafür.

„Was soll ich unter „regulärem Dienst" verstehen, Hermine?" gab Harry daher als Antwort.

Hermine zögerte kurz. Sie hätte diesen Term nicht verwenden sollen, sie hätte doch wissen müssen, dass Harry diese Verschlüsselung nicht einfach schluckt. Und früher oder später mussten sie darüber reden, da gab es keinen Ausweg. Spätestens bei der nächsten Lagebesprechung mit Minerva würde es ohnehin rauskommen. Sie konnte sich selbst dafür ohrfeigen, dass sie sich bereit erklärt hatte mit Harry zu sprechen, aber sie war es ihm schuldig, schliesslich war er ihr Freund.

„Du hast recht, wir sollten offen reden", Hermine selbst war überrascht, wie sicher ihre Stimme klang.

Harry war alarmiert, da war also wirklich etwas im Busch.

„Ich mach es kurz. Harry, du bist nicht mehr Kommandant des „Dorfes"", Hermine machte eine kurze Pause, da Harry aber nichts erwiderte, fuhr sie fort: "Seit einem halben Jahr habe ich die alleinige Befehlsgewalt im „Dorf". Und Minerva hat nicht vor daran etwas zu ändern, weil du wieder zurück bist." Hermine sah Harry offen an, aber es war ihr nicht möglich seine Gedanken zu lesen.

„Minerva hat mich zurückgestuft?" Harrys Stimme überschlug sich beinahe vor Ärger. „Was fällt der ein? Ich habe Snape getötet! Ich sollte einen Orden bekommen! Noch nie konnten wir Voldemort solchen Schaden zufügen...

„Beruhig dich Harry", befahl Hermine, „Zieh keine voreiligen Schlüsse."

„Es kommt noch besser? Ja dann mal los", antwortete Harry sarkastisch. Jetzt konnte Hermine deutlich erkennen, dass Harry in seinem Stolz verletzt war. Wer wäre das nicht.

„Du wirst als Botschafter eingesetzt. Die Menschen brauchen dich. Der Krieg zieht sich schon so lange hin. Sie verlieren die Hoffnung und das Vertrauen in den Widerstand. Du sollst ihnen beides zurückgeben, sie stark machen. Harry ist das nicht eine wundervolle Aufgabe?"

Harry schluckte. Ja es stimmte, so konnte er den Menschen da draussen direkt beistehen. Er konnte sie ermutigen und neue Verbündete gewinnen. Aber er wusste auch, dass Minerva ihn ruhig halten wollte und auch Hermine musste diesen Schachzug erkannt haben.

„Hermine, ich werde eine Marionette des Rates des Phönixordens sein. Ohne eigene Leute, ohne eigene Armee. Sie wollen mich ruhig halten. Hermine, siehst du das nicht?"

„Ich weiss, aber das ist nur eine Seite. Du wirst die Möglichkeit haben Tausende von Leuten zu beeinflussen und uns so dem Sieg näher zu bringen. Du bist berühmt Harry, das Volk vertraut dir. Wir sollten dies mehr für unsere Zwecke nutzen. Die Leute sollen sich mit dir identifizieren und dadurch motiviert werden aktiv mit uns zu kämpfen. Wir sind zahlenmässig viel mehr Menschen, wir könnten es ohne weiteres mit der Dunklen Macht aufnehmen, aber die Leute haben Angst. Angst vor Voldemort und Angst vor den Todessern. Wir müssen ihnen das nötige Selbstvertrauen geben und sie ausbilden. Und du Harry bist dafür wie geschaffen."

„Ich weiss nicht, ob ich das kann", entgegnete Harry matt, „ich bin ein Krieger, Hermine. Seit das „Dorf" existiert, warst du sein Kopf und ich sein Herz. Beide gleich wichtig, aber doch so verschieden in der Arbeitsweise. Hermine, du weißt doch auch, dass ich kein Taktiker und Planer bin. Ich will kämpfen und Dinge verändern."

Harrys Augen funkelten und strahlten bei diesen Worten, und Hermine wusste nur zu gut, wie Recht Harry hatte. Aber es gab keine Alternative, der Rat und insbesondere Minevera waren sehr klar gewesen in ihren Instruktionen.

„Mit mir kannst du darüber nicht diskutieren. Wenn du diese Herausforderung nicht annehmen willst, so sprich mit Minerva. Sie wird Ende Woche ins „Dorf" kommen. Es tut mir leid, ich kann dir nichts weiter dazu sagen."

Harry nickte verständnisvoll. „Ok, sag mir nur eins", er lächelte böse, „war es schwierig mich hinauszumobben? Musstest du Minerva lange überreden, dir das alleinige Kommando zu überlassen?"

Er blickte Hermine direkt in die Augen und schon verwünschte er sich selbst für seine unüberlegte Anschuldigung. Zuerst sah er Erstauen über die Frage ihn ihren Augen, abgelöst von Entsetzen und schliesslich nur noch Verletztheit.

„Raus!" war alles, was Hermine dazu sagen konnte.

Und Harry gehorchte. Nichts hätte im Moment seine Anschuldigung vergessen machen können.