Geschichten, die das Leben schöner machen I
A/N: Wie immer gilt mein Dank meiner sich im nach-Abi-Stress befindlichen Beta Meg. :)
A/N2: Dass die Kapitel von der Ernsthaftigkeit variieren, liegt an den verschiedenen POVs – während Remus seitenlang denkt, kann Sirius sich hinsetzen und in der Zeit schlafen. Nur um das noch mal deutlich gesagt zu haben. ;)
A/N3: Und schon schreibt sie durch die Nacht hindurch... ich bitte, das zu würdigen. -g-
Dankeschön für eure positiven Rückmeldungen!
POV: Remus
Kapitel 3 – Montag
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Montagnachmittag. Der Tag nach Sonntag, der wiederum nach Samstag kam, der – bekanntermaßen – Nachfolger für Freitag war. Was hätte Remus darum gegeben, noch einmal zum Freitag zurückkehren zu können. So ein Tag, so wunderschön wie dieser...
Eine eingängige Melodie schlich sich in seinen Kopf, weshalb Remus irritiert den Kopf schüttelte. Er sollte Lilys Freundinnen weniger zuhören, wenn diese Muggellieder sangen.
Wo war er stehen geblieben? Ah ja, Freitag. Freitag, Freitag, Freitag.
Remus seufzte unwillkürlich und streckte sich. Freitag hatte er noch nicht gedacht, dass die Wechselwirkungen zwischen Sirius und ihm sich irgendwie verändert haben könnten. Freitag hatte er noch nicht das Bedürfnis verspürt, sich vor seinen besten Freunden verstecken zu müssen. Und vor allen Dingen, Freitag hatte er noch nicht seine Freizeit mit Nachdenken verbracht.
Nun, zumindest nicht mit Nachdenken über Sirius, seinen Puls und eventuelle Störungen seiner Nervenbahnen.
Auf der anderen Seite hatte er den Aufsatz für Geschichte der Zauberei noch nicht beendet gehabt, genauso wenig Zaubertränke, und er war noch nicht zur Anwendung des Reinigungsspruches für akute Brandflecken gekommen, geschweige denn, dass er in der Bibliothek die neuste Ausgabe des vierteljährlich erscheinenden „Zauberer der Antike" gelesen hatte.
Alles in allem, dachte sich Remus, vielleicht doch besser, dass heute Montag ist.
„Remus!", ertönte es da plötzlich hinter ihm. Remus fiel vor Schreck beinahe vom Stuhl.
„Hallo, Sirius", antwortete er, als er wieder zu Atem gefunden hatte. „Was gibt's?"
Sirius' Gesicht erschien über ihm, kopfüber, sodass Remus sich tief in seinen Sessel sinken lassen musste, um Sirius überhaupt ansehen zu können.
„Sirius?", fragte Remus nach einiger Zeit, als dieser ihn noch immer von oben anstarrte und keinen Ton von sich gab. Sirius brauchte manchmal einen Stups zurück in die Normalität, vor allem, wenn Remus' Nacken zu schmerzen begann und die Kräfte seiner überbelasteten Hüfte, die ihn gerade noch so auf dem Sessel hielt, langsam den kontrollierten Rückzug verkündeten.
Andererseits war es interessant, Sirius andersherum zu betrachten. Remus horchte tief, sehr tief in sich hinein, ob da irgendwo wieder etwas prickelte oder pochte, aber alles, was sich rührte, war der protestierende Nacken und vielleicht noch die Hüfte, die ihm mitteilte, dass sie das Gewicht jetzt auf die Füße verteilen und Beschwerde beim Arbeitnehmerverband einreichen würde.
Wunderbar, triumphierte Remus im Geiste, also doch eine temporäre Fehlfunktion.
„Remus", sagte Sirius. „Du denkst zu viel."
Mist, dachte Remus. Mein Zeh zuckt, wenn er meinen Namen sagt.
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Eine Stunde später saß Sirius vor Remus auf dem Boden und sah ihn mit einem herzerweichenden Hundeblick an.
Remus starrte allerdings entschlossen in sein Buch, wobei er wiederum nicht sagen konnte, ob es sich um Verwandlung oder vielleicht doch um Astronomie handelte – aus den Augenwinkeln sah er diese bohrenden schwarzen Augen, die sich ebenso entschlossen weigerten, vom schmutzigbraunen Schutzumschlag des Buches abzulassen.
Jedes Mal, wenn er sich erlaubte, die Augen über die ersten Zeilen der rechten Seite fliegen zu lassen, was seinen Blickwinkel auf den Bereich „Oberseite Buch und Ausschnitt Sirius" fokussierte, zuckte sein linker kleiner Finger, aber erst ab der zweiten Fingerkuppe, was Remus einerseits äußerst interessant fand, seiner Konzentration andererseits aber nicht sonderlich zuträglich war.
„Remus" – der kleine Zeh – „Es ist Montagnachmittag."
Remus durchbohrte das Buch fast mit seinem Blick. „Das ist mir bewusst, Sirius."
Sirius' Augenbrauen zuckten verzweifelt nach oben, was Remus unter Garantie nicht bemerkt hatte. Na ja. Fast nicht. „Remus!"
Remus fragte sich, ob es ein Mittel gegen Zehenkrämpfe gab.
„Remus..."
„Remus?"
„Was denn?"
„Warum genau kneifst du deine Augen zu, als ginge es um dein Leben?" Sirius beugte sich besorgt über Remus, der augenblicklich mit weit aufgerissenen Augen und einem fast unverständlichen „Sie sind doch gar nicht –" hochfuhr, wenige Zentimeter vor Sirius' Gesicht zum Halten kam und augenblicklich wieder so tief als möglich in seinen Sessel zurücksank, das Gesicht verzerrt, die Hände in die Lehnen gekrallt.
Verdammt, dachte sich Remus. Körperlicher Ausnahmezustand. Zu viel fremder Atem auf meinem Gesicht.
Sirius stand noch immer in derselben Haltung da, über alle Maße verblüfft dreinblickend. „Remus?"
„Aah!", jaulte Remus, als sein Zeh zum wiederholten Mal zu zucken begann, die Bereiche seines Gesichts, die Sirius' Atem berührt hatte, heiß wurden und sein Bauch zu allem Überfluss auch noch prickelte, packte sein Buch und rannte aus dem Gemeinschaftsraum.
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In irgendeinem Gang von Hogwarts angekommen, in dem die Wände noch aus kaltem Stein waren und die Gedanken in vernünftigen Bahnen verliefen, setzte sich Remus auf den Boden und starrte auf die regungslose Statue einer Frau mit Flöte, die ihm gegenüber auf einem Sockel stand.
Das, dachte er, war eine der peinlichsten Situationen in meinem ganzen Leben. Ich habe mich verhalten wie ein kompletter Idiot. Sirius muss mich für verrückt halten.
Er überlegte einen Moment.
Außerdem ist diese Statue eines der hässlichsten Dinge, die in Hogwarts herumstehen.
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Der See. Warum war er nicht schon längst auf diese Idee gekommen? An der seichten Stelle vollkommen überfüllt mit Schülern, die badeten, sich sonnten oder gegenseitig ins Wasser warfen, an den – zugegebenermaßen mickrigen – Klippen, die mehr eine Ansammlung von Felsen, nun, großen Steinen darstellten, vollkommen leer.
Der perfekte Ort, um zu arbeiten.
Remus setzte sich entspannt unter einen Baum, streckte die Füße von sich und genoss die warme Brise, die über sein Gesicht strich. Er sah zu den vielen Menschen, die sich am anderen Ufer tummelten, und genoss die entspannte Aussicht auf die Drittklässler, die sich gerade an eine Gruppe Zweitklässler anschlichen, das Überraschungsmoment ausnutzten und sie mit lautem Gejohle ins Wasser trieben.
Leider hatte der Krake sich dazu entschieden, in genau diesem Moment nah am Rand aufzutauchen, weshalb die Zweitklässler ein leichtes Spiel hatten, die erschrockenen Drittklässler schreiend wieder ans Land zu treiben.
Remus schüttelte den Kopf und lächelte, während seine Hand abwesend nach den nicht vorhandenen Arbeitsmaterialien griff.
Als er realisierte, dass er wiederum mit sich und seinen Gedanken alleine war, traf sein Hinterkopf gezielt auf den harten Baumstamm.
Klopf auf Holz, schnaubte Remus in Gedanken und malträtierte den Baum noch ein wenig mehr.
Nun, ob Schularbeiten oder nicht, zumindest war niemand sonst in seiner Nähe. Lily hatte James auf einen Spaziergang verschleppt, soweit Remus informiert war, Peter war mit einigen Jüngeren irgendwohin verschwunden, und Sirius befand sich... auf dem Gelände von Hogwarts.
Immerhin.
Remus wandte den Blick auf das imposante Schloss, an dessen Anblick man sich so leicht gewöhnte, streifte den Verbotenen Wald mit einem schnellen Blick und sah schließlich wieder hinunter auf die Schülerhorden, die sich gerade die besten Plätze im strahlenden Sonnenschein streitig machten.
Seltsam; kaum war er von Sirius weg, schien sein Gehirn wieder normal zu funktionieren, er konnte klare Gedanken fassen, ohne von Kurzschlussreaktionen seines Körpers abgelenkt zu werden, und logisch über seine Situation nachdenken.
Remus' Augenbraue wanderte nach oben, auch wenn er sich der Tatsache nicht wirklich bewusst war. Vor seinem inneren Auge erschien Sirius, der ihn an sich zog und herumwirbelte, der seinen kleinen Zeh zucken machte und den er am vorherigen Tag dennoch ohne Probleme hatte berühren können, ohne schreiend davonlaufen zu müssen.
Remus schnappte sich eine Blume und begann systematisch, ihre Blütenblätter zu entfernen.
Ich werde eine Erklärung finden, ich werde keine finden, ich werde vielleicht eine finden, ich werde eine Erklärung finden, ich werde keine finden...
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Ungefähr eine Stunde chirurgischen Blütenzupfens später standen seine Chancen 30 zu 41, dass er eine Antwort finden würde, die Mehrheit der Blüten (gegen 119) hatte ihm allerdings verkündet, dass er allerhöchstens vielleicht eine Erklärung würde entdecken können. Remus stand seufzend auf und ging zum Schloss zurück.
Den Blumen Glauben zu schenken hieß eigentlich, Wahrsagen wörtlich zu nehmen und herumzulaufen wie ihre Astronomielehrerin.
„Alles in allem", meinte Remus zu sich selbst, „Verspüre ich noch nicht das Bedürfnis, mir Holzklötze um den Hals zu hängen und in rosa Tüll durch die Gegend zu schweben."
Noch nicht, fügte er in Gedanken hinzu. Noch nicht.
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Einige Zeit später war Remus wieder dort, wo man ihn im Allgemeinen immer antreffen konnte, wenn man sich nicht sicher war, wo er sich befand: in der Bibliothek.
Remus blieb kaum Zeit, den vertrauten Geruch von ledernen Einbänden und staubigem Pergament einzusaugen, als er schon von der Person empfangen wurde, auf die er am wenigsten gehofft hatte – andererseits kannte gerade er seine Gewohnheiten genau.
„He, Remus!", begrüßte Sirius ihn fröhlich. „Wie geht's?"
„Gut", murmelte Remus. Hinkend ging er zu einem der freien Tische, den er sogleich mit seinem mitgebrachten Buch belegte (was Madam Pinch ein unwilliges Räuspern entlockte).
„Kann ich dir was helfen?", rief Sirius ihm nach, ignorierte die Bibliothekarin („Pscht!") und trabte Remus hinterher. „Ein Buch holen? Deine Feder halten? Dir etwas zu essen besorgen?"
Unter Madam Pinchs entsetzen Blicken machte er tatsächlich Anstalten, einige Gerichte auf einen Schmierzettel zu kritzeln. Remus, der äußerst nervös umhergeschaut hatte, fing einen Todesblick von Madam Pinch auf und schnappte sich daraufhin Sirius, den er neben sich auf einen Stuhl zerrte.
„In der Bibliothek ist Essen verboten", zischte er ihm zu. „Und jetzt bleibt am besten hier sitzen. Ich komme gleich wieder."
Er flüchtete sich zwischen einige Regale, zog ein Buch aus dem obersten Regal und erschrak fast zu Tode, als er plötzlich Sirius' Schnute vor sich sah. „Sirius!", keuchte er („Pscht!").
„Kann ich dir das Buch halten?", fragte Sirius mit einem hinreißenden Hundeblick. Remus' Hände hatten ihm das Buch übergeben, bevor sein Gehirn dazwischenrufen konnte, dass er das Buch gar nicht brauchen würde.
„Sicher", sagte Remus' Mund automatisch. „Danke", fügte der höfliche Teil seines Gehirns, momentan in autonomen Bereichen funktionierend, hinzu.
„Gern geschehen!" Sirius hüpfte beinahe zum Tisch zurück, den Wälzer in den Händen.
Remus starrte ihm paralysiert nach.
Anscheinend war er nicht der einzige, der sich heute nicht ganz normal verhielt.
Langsam ging er Sirius nach, setzte sich neben ihn und schlug das Buch auf.
„Welche Seite? Welche Seite? Welche Seite?", rief Sirius übereifrig („PSSSST!", zischte Madam Pinch lautstark) und sprang auf seinem Stuhl auf und ab (Madam Pinch hatte bereits keine Luft mehr).
„Keine Seite. Sirius! Was ist denn heute los?", knurrte Remus. Er reagierte ein wenig über, andererseits war das hier die Bibliothek, und er war noch nie vor die Tür gesetzt worden.
Einige Minuten lang herrschte Stille, dann verschränkte Sirius beleidigt die Arme vor der Brust. „Ja, es ist in Ordnung!", verkündete er sauer.
„Bitte?" Remus hatte keine Ahnung, worum es gerade ging. Litt er jetzt auch noch an Sekundenschlaf?
„Nein, es ist wirklich in Ordnung! Ich weiß, dass es eine bescheuerte Idee war!"
Remus drehte sich ruckartig zu Sirius – der Stuhl quietschte auf dem Boden, Kratzer, Madam Pinch vor dem Nervenzusammenbruch! – und stemmte die Arme in die Hüften. Genug war genug.
„Sirius, was hast du jetzt wieder angestellt?", verlangte er zu erfahren.
Der zweite Wutausbruch in drei Tagen. Ich muss mich von meinem Umfeld lösen...
„Der Eiffelturm war schwachsinnig, ich seh's ja ein!", jammerte Sirius.
„Bitte?", kam es von Remus. „Was hat denn der Eiffelturm damit zu tun?" Wahrscheinlich war Sirius wütend, dass Remus ihnen nicht gleich geholfen hatte. Remus fürchtete, einen Knoten in seine Gehirnwindungen zu bekommen.
„Na, du bist doch seit gestern sauer auf uns, weil wir wiedermal alles vergessen haben und dann unfähig waren, unsere Hausaufgaben allein zu machen!", brach es aus Sirius raus. „Aber das ist doch kein Grund, meine ganzen Wiedergutmach-Versuche so kaltherzig niederzumachen!"
„Ach, du..." Remus musste unwillkürlich grinsen. „Ich dachte, du wolltest dich rächen, weil ich gestern nicht zur Stelle war!" Er rieb sich über die Augen, kopfschüttelnd. „Wir sind schon Helden..."
„Rache?", schnaubte Sirius empört. „Das war doch keine Rache."
„Du hältst mich vom Lesen ab und legst es auf einen Rauswurf aus der Bibliothek an? Ich finde, das klingt sehr nach Rache-Aktion." Remus sah zweifelnd drein.
„Ich versuche, dich vom Grübeln über unsere schlimmen Taten abzuhalten, dich aufzumuntern, dir behilflich zu sein? Das ist Freundesdienst vom feinsten!", erklärte Sirius inbrünstig.
Die beiden sahen sich an und brachen in Gelächter aus. Sirius schlug Remus auf den Arm, woraufhin dieser ihn zurückknuffte, aus dem Buch, das Remus mit nach draußen genommen hatte, fielen einzelne Blütenblätter und die Welt erstrahlte im Sonnenschein.
Nun, fast. Gerade, als Remus dachte, dass nun alle Probleme aus der Welt wären, dass er endlich wieder in den Normalzustand würde zurückkehren können und das Leben wieder in seinen gewohnten Bahnen verlaufen würde, stand Madam Pinch vor ihnen, der Dutt aufgelöst, die Augen blitzend.
„Amüsieren Sie sich gut, meine Herren?", fauchte sie angriffslustig.
Remus' Mund klappte in plötzlicher Panik zu, Sirius lächelte unschuldig.
„Sicherlich, Madam Pinch, vielen Dank der Nachfrage", erwiderte er ausgesprochen freundlich.
„Das", meinte sie sarkastisch, „Freut mich zu hören. Dann wird es Ihnen sicherlich nichts ausmachen, Ihre Gespräche bis zum Ende der Woche draußen weiterzuführen?"
„Nein!", jaulte Remus, aber zu spät.
Bevor sie sich umsehen konnten, hatte sich die Tür hinter ihnen bereits geschlossen.
