Jahr 2
Emmas Rat
Max seufzte, als er vom gefühlt zweihundertsten Buch aufsah, dass er in diesem Trimester gelesen hatte. Inzwischen war es Anfang Dezember, die Weihnachtsferien standen vor der Tür und Max war nicht einen Schritt weiter gekommen.
Als er dieses Jahr hergekommen war, hatte er sich fest vorgenommen, dass er es in diesem Jahr herausbekommen würde, doch bisher nichts. Das Buch über die reinblütigen Familien hatte ihn nicht wirklich weitergebracht. Es konnte schließlich auch sein, dass sein Großvater gar nicht reinblütig gewesen war und selbst wenn doch, würde das nicht automatisch dafür sorgen, dass auch er in diesen Büchern erwähnt wurde.
Alles, was er bisher herausgefunden hatte, war, dass die Blacks inzwischen ausgestorben waren. Sie waren eine der Traditionsreichsten Familien mit dem Leitspruch „Toujours pur". Ganz offensichtlich war den den Angehörigen der Familie nicht gestattet, sich mit Muggeln oder Muggelstämmigen fortzupflanzen, kein Wunder also, warum sein potenzieller Großvater seine Großmutter so schnell wieder verlassen hatte. Dennoch kam in den meisten Büchern, die er bisher gelesen hatte überhaupt niemand vor, der vom Alter her auch nur irgendwie auf die Beschreibungen seiner Großmutter passte. Der Großteil der Bücher war ohnehin so alt, dass die jüngeren Generationen der Familie nicht mehr mit aufgefasst waren, ein zweiter Teil beschrieb bloß die Traditionen der Familie, wie zum Beispiel, dass regelmäßig Hauselfen geköpft und ihre Schädel anschließend an die Wand gehängt wurden. Der dritte Teil führte die Stammbäume zwar fort, nannte in der letzten Generation allerdings nur drei offizielle Erben, von denen keiner Max' Großvater sein konnte: Regulus Arcturus Black, ein Junge, der mit 16 Jahren bereits das Zeitliche gesegnet hatte und seine Cousinen Bellatrix und Narcissa, von denen erstere wohl eine sehr engagierte Todesserin gewesen war und letztere die Großmutter von Scorpius Malfoy, einem aus Max' Sicht nervigem und angeberischem Slytherin. Das Problem war eben, dass die Bücher alle auf dem offiziellen Stammbaum der Blacks beruhten, der auf einer Wand ihres Familienanwesens gezeichnet sein musste. Keines der Bücher jedoch gab an, wo dieses Anwesen mittlerweile war und wem es wohl gehörte, wenn die Familie doch nachweislich ausgestorben war.
Scorpius Malfoy würde Max zumindest nicht danach fragen. Ihm graute es schon davor, ihm offenbaren zu müssen, dass sie vielleicht verwandt waren. Nein, dazu war er zu stolz.
„Sag mal, darf ich dich fragen, warum du hier jedes Buch über reinblütige Familien durchgehst", riss ihn plötzlich eine Stimme aus seinen Gedanken.
Max drehte sich herum und sah, wie Emma Bennett, die nervige Erstklässlerin, die meist mit Lily, Colin und Eric herumhing, an ihm vorbeischritt und sich neben ihn an den Tisch setzte.
Wieder seufzte Max. Er hatte keine große Lust sich ihr zu offenbaren, denn er wollte das Rätsel um seinen Großvater allein herausfinden.
„Die jüngste Familiengeschichte der Familie Black – Toujours pur?", las Emma den Titel des Wälzers durch, den Max soeben zugeschlagen hatte.
Max verdrehte die Augen. Das Schwierige an Emma war, dass man sie nicht mehr loswurde, wenn sie sich einmal an etwas festgebissen hatte und genau das schien hier nun gerade passiert zu sein. Emma beobachtete ihn eine Weile lang kritisch und musterte ihn genau, bis es sogar Max langsam unangenehm wurde.
„Was ist?", fragte er genervt.
„Du siehst wirklich so aus, als könntest du zu deren Familie gehören", stellte Emma langsam fest ohne den Blick von ihm abzuwenden.
„Ach ja?", fragte Max nun hoffnungsvoll.
„Ja", erklärte Emma, „die typischen schwarzen Haare, die grauen Augen. Das sind schon klare Anzeichen. Wie hießt du noch gleich?"
„Max Fry", sagte er, „Ich bin aber muggelgeboren."
Emma runzelte die Stirn.
„Bist du sicher?", fragte sie.
Zum dritten Mal heute seufzte Max.
„Nein", erklärte er schließlich und schüttelte mit dem Kopf, „Ich werde das Gefühl nicht los, ich bin mit den Blacks irgendwie verwandt, ich finde nur einfach nicht heraus wie."
Emma nickte verständnisvoll.
„Und diese ganzen doofen Bücher helfen mir auch nicht weiter", beschwerte er sich.
„Wahrscheinlich steht dein Verwandter dort auch gar nicht konkret drin", erklärte Emma ihm, „Die Blacks hatten ganz strikte Methoden, um ihre Blutlinie wirklich rein zu halten. Jeder, der irgendwie aus der Reihe getanzt ist, wurde einfach aus dem Stammbaum herausgebrannt und gehörte dann nicht mehr zur Familie."
Max sah sie an und blinzelte.
„Wie soll ich denn dann jemals herausfinden, wie ich mit den Blacks verwandt bin?", fragte er.
Emma zuckte die Schultern und zeigte ratlos ihre leeren Hände.
„Allerdings hat ja kein Black aufgehört zu existieren, nur weil er aus dem Stammbaum gebrannt wurde. Vielleicht suchst du mal die Schülerakten in Filchs Büro durch. Wahrscheinlich war dein Verwandter am Ende doch in Hogwarts."
„Ja, das war er", sagte Max, „Danke, Emma!"
Eilig sprang Max auf und rannte aus der Bibliothek.
