Es pochte dumpf, als Zelenka auf dem Boden aufschlug, und Rodney riss die Augen auf – eigentlich hatte er vorgehabt, zu sagen: „Radek, bischt du OK?" – doch als nur Dunkelheit ihn grüßte, blieben ihm die Worte ihm Hals stecken.
Was zum- ?
Das Pochen wiederholte sich, und es klang, als käme es von direkt über ihm. McKay runzelte die Stirn, hin- und hergerissen zwischen Verwunderung und blinder Panik, und dann rauschten die Erinnerungen in einem Schwall aus Farben und Bildern zurück.
Oh. Der Antiker- Sarkophag.
Darvo.
Er fuhr zusammen, als es noch einmal pochte, und dann eine Stimme ertönte, gerade noch wahrnehmbar:
„...ich sag´ dir, ich habe hier ein Licht gesehen!"
„Und was soll hier geleuchtet haben, meinst du? Ich sehe hier jedenfalls keine Lampen..."
„Ich weiß nicht, aber ich schwöre, hier war etwas!"
Oh – oh. Das klang gar nicht gut. Möglichst flach atmend – was eigentlich lächerlich war, da er die Stimmen kaum hören konnte, es gab keine Möglichkeit, dass sie sein Atmen durch den Sarkophag hören konnten – blieb Rodney liegen und lauschte.
„Und was machen wir jetzt?", fragte die zweite Stimme. „Sollen wir hier etwas stehen bleiben, bis es wieder kommt?"
„Ich..." Die erste Stimme klang unsicher und Rodney dachte so intensiv wie möglich nein, geht, verschwinde, geht weg ihr Idioten, was anscheinend einen Einfluss auf den Unbekannten zu haben schien.
„... nein, verdammt. Lass uns gehen." Die Stimme wurde leiser, offensichtlich verließ der Mann den Raum, und McKay konnte seine letzten Worte nicht mehr verstehen.
Mit angehaltenem Atem wartete er – und jetzt, wo die fremden Stimmen nicht mehr für Ablenkung sorgten, wurde ihm plötzlich und sehr unangenehm bewusst, wie eng die Heilkapsel war – eng und dunkel, und das war eine entsetzliche Kombination.
Er drückte den Lichtknopf seiner Armbanduhr, und ein schwachen grünes Leuchten erhellte den Sarkophag. Nun. Das war wirklich nicht viel besser, es machte ihm eigentlich nur noch viel deutlicher bewusste, wie klein dieser Raum war –
Verdammt! Sein Atem beschleunigte sich, und er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Er musste sich auf etwas anderes konzentrieren, und zwar schnell. Auf etwas Freies und Offenes, etwas, das in keiner Weise diesem verdammten Sarg ähnelte –
Er starrte auf den Anzeiger seiner Armbanduhr, als seine Fantasie jämmerlich scheiterte. Die Sekunden verstrichen unglaublich langsam, als hätte die Welt plötzlich beschlossen, in Zeitlupe zu laufen.
War genug Zeit vergangen? Konnte er endlich diesen Platz verlassen, würden ihn die Unbekannten nicht hören?
Egal.
Plötzlich hielt er es nicht mehr aus, und setzte sich auf, mit beiden Händen blindlings gegen den Deckel stoßend – er war so in Panik, dass er nicht mal den Mangel an Schmerz in seinem vormals verletztem Handgelenk spürte – und der Sarkophag öffnete sich, endlich, Gott sei Dank, und kühle Luft strömte in seine Lungen, als er tief einatmete.
Mit zitternden Knien kletterte er aus der Kapsel. Ihm war ein wenig schwindelig, und sein Atem ging immer noch zur schnell. Als er es schaffte, sich über die Kante zu wälzen, fiel er ungeschickt auf den Boden und stieß sich schmerzhaft die Knie.
„Verdammt!"
Mit unsicheren Händen zog er sich am Sarkophag hoch – der sich wieder geschlossen hatte – und stolperte dann zu der Heilkapsel, die einen hoffentlich gesunden Darvo enthielt.
Geräuschlos glitt der Antiker – Sarkophag auf, und McKay sackte vor Erleichterung ein Stück zusammen. Selbst in dem dämmerigen Licht in der Kammer sah Darvo lebendig und höchst gesund aus, die Wangen leicht gerötet, und mit halb geöffneten Mund atmend.
Nun gut. Erleichterung beiseite, jetzt war es Zeit, sich schleunigst aus dem Staub zu machen. Unbefugtes Herumwandern in Untergrundbunkern brachte einem nie etwas Gutes.
„Darvo?" Der junge Mann reagierte nicht, und McKay streckte die Hand aus, und rüttelte ihn leicht an der Schulter.
„Darvo!"
„Mhmm" Der Junge drehte den Kopf weg, und runzelte leicht die Stirn.
„Darvo, verdammt noch mal!" Diesmal war das Schütteln um einiges heftiger, und Darvos Stirn stieß gegen die Wand der Heilkapsel.
„- Was?"
Verwirrte Augen öffneten sich weit, und der junge Mann starrte zu McKay auf.
„Was... ist passiert?"
„Der Gangeinsturz? Erinnerst du dich?", sagte McKay, und Darvo nickte, und erbleichte dann.
„Ja – aber, aber... ich war verletzt..."
„Dieses ... Ding" McKay schlug mit der flachen Hand gegen die Seite des Sarkophags und entschloss sich für Die Version Für Idioten. „Es hat dich geheilt"
„Oh" Darvo blinzelte, und machte keinerlei Anstalten, sich aufzusetzen.
„Komm schon", sagte McKay ungeduldig. „Lieg da nicht so dämlich rum, wir sollten hier so schnell wie möglich verschwinden"
Das wirkte. Darvo zuckte zusammen, murmelte rasch „Ja, Sir" und kletterte um einiges eleganter als McKay aus der Heilkapsel.
Er streckte sich kurz, drehte sich dann zu McKay um, und fragte:
„Und wohin gehen wir jetzt, Sir?"
„Wo wir euch hinbringen", sagte eine Stimme hinter ihm, und als McKay herumwirbelte, blickte er in die Mündungen dreier Waffen.
Automatisch zuckte seine Hand zu seinem Oberschenkel, da wo sich eigentlich sein Waffe befinden sollte.
Mist! McKay, du ... wo war die P-90?
„Kommt nicht auf die Idee, Widerstand zu leisten", sagte die Stimme. Sie gehörte zu einem Mann, schätzungsweise in den 50ern, mit wilden grauen Haaren und kalten Augen.
„Würd mir nicht schwer fallen, so ein paar miese Unterirdische wie euch umzulegen", knurrte er, und der Mann neben ihm lachte heiser. Die Frau, die auch ihre Waffe auf McKay und Darvo gerichtet hielt, sah weniger feindselig aus, was in diesem Fall aber auch nur hieß, dass sie nicht so aussah, als ob sie in unmittelbarer Zeit einen Mord begehen wollte.
Die Leute standen im Schatten – nun ja, in einem besonders tiefen Schatten, der anscheinend zu einem weiteren Ausgang gehörte, und den McKay bisher nicht weiter beachtet hatte.
Er tauschte einen Blick mit Darvo. Der junge Mann hatte die Augen weit aufgerissen, das Weiße um der Iris in der Dunkelheit schimmernd.
Herr Ich-knall-zum-Vergnügen-Unterirdische-ab schnalzte ungeduldig mit der Zunge, und McKay atmete aus, um dann vorzutreten.
„Hände hoch", schnarrte der Mann, und McKay gehorchte- aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie Darvo ebenfalls nervös seine Hände hob.
Oh, verdammt, verdammt, verdammt, sie saßen dermaßen in der Scheiße
„Vorwärts" Die harte Mündung der etwas altertümlich – wenn auch sehr tödlich - anmutenden Schusswaffe traf ihn hart im Rücken, und er stolperte einen Schritt vorwärts, um dann etwas eiliger der Frau zu folgen, die die Führung übernommen hatte. Hinter ihm ging Darvo, dem der Grauhaarige und der andere Mann folgten.
Der Gang vor ihnen veränderte sich, so subtil erst, dass McKay es zuerst nicht wahrnahm, dann aber wurde es offensichtlich: Dieser Teil der unterirdischen Anlage lag nicht seit Jahrtausenden brach, diese Gänge wurde häufig benutzt, ja, vielleicht sogar bewohnt, und die Bewohner hatten Fackeln und Öllampen an die Wände gehangen, so dass McKay nun deutlich die mit Antiker – Schriftzeichen übersäten Tafeln an den Wänden sehen konnte...
„Ich bringe Gefangene!", rief die Frau, als sie um eine Ecke bogen, und McKay blieb beinahe stehen – eine Halle lag vor ihnen, gefüllt mit Menschen, Möbeln, Licht und Geräuschen.
„Wir haben zwei Unterirdische!", rief die Frau, und ungefähr zwanzig Augenpaare richteten sich auf McKay und Darvo.
„Bei allen guten ..." Ein Mann, der als einziger am Kopfende eines langen Tisches gesessen hatte, erhob sich, und einen Augenblick trafen sich seine und McKays Blicke. Dann hörte der Wissenschaftler Darvo eine Art erstickten Aufschrei von sich geben, und er wandte den Kopf und sah den jungen Mann an. Dieser hatte die Augen weit aufgerissen, das Gesicht aschfahl. Er starrte den Mann an, der sich erhoben hatte, und als McKay wieder in dessen Gesicht blickte, überkam ihn das komische Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben...
xxx
So. Wer weiß, wer dieser Mann ist, kriegt eine Tafel Schokolade.
