Er setzte sich so schnell gerade hin, dass ein stechender Schmerz durch seinen Schädel fuhr.
Die Tür öffnete sich einen Spalt, und eine Figur trat rasch herein. Das Licht einer Taschenlampe fiel auf McKays Gesicht, und er hielt sich eine Hand vor die Augen, blinzelnd.
„Wer...?"
„Ich bin es, Sergeant, Gewelden" Es klang ernst und etwas gehetzt, und der Lichtkegel verließ McKays Gesicht, so dass er vage Geweldens Züge ausmachen konnte.
„Was-?"
„Kommen Sie", sagte Gewelden, und winkte mit der Taschenlampe – der Lichtschein tanzte über die grauen Steinwände.
„Was-?", fragte McKay fassungslos. „Was ist mit Darvo, wo-?"
„Kommen Sie", wiederholte Gewelden mit zusammengebissenen Zähnen, und McKay beschloss (für dieses eine Mal) den Mund zu halten. Er schwang die Beine von der schmalen Liege, und stand auf – und taumelte dann ein wenig nach vorne.
„Sind Sie okay?", fragte Gewelden, obwohl es ein wenig so wirkte, als wolle er eigentlich sagen: „Okay, Sie sind offensichtlich nicht okay, aber können Sie sich jetzt BITTE beeilen?" und McKay nickte vorsichtig, und fand sein Gleichgewicht wieder.
Gewelden starrte durch den Türspalt, holte zischend Luft und flüsterte dann: „Folgen Sie mir"
Beide schlüpften durch den Türspalt – McKay erhaschte einen kurzen Blick auf zwei bewusstlose Wächter am Boden – und liefen dann rasch den dämmerigen Gang entlang.
„Gut, jetzt hier her", flüsterte Gewelden, und bog in einen beängstigend schmalen Tunnel ab. McKay zuckte zusammen, als er spürte, wie seine Füße plötzlich eiskalt wurden – Wasser.
„Kommen Sie, kommen Sie", murmelte der Captain, und McKay zischte ein: „Jaaa" zurück – das Sir hatte ihn nicht mehr so viel zu kümmern, fand er.
Gewelden gab so etwas wie ein leises, unsicheres Kichern von sich, und verschwand dann in den Schatten. McKay blieb vor Überraschung stehen, bis er die Stimme des Mannes hörte:
„Hier ist ein Raum, kommen Sie"
Was immer auch Gewelden unter einem Raum verstand – es war gewiss nicht dass, was McKay davon hielt. Er konnte noch nicht einmal aufrecht stehen, verdammt, und ein fauliger Geruch schien von den im Licht der Taschenlampe feucht glänzenden Wänden auszugehen.
Gewelden drehte an einem Rädchen am Griff der Taschenlampe, und deren Licht wurde schummeriger. Dann atmete er tief durch.
„Gut. Ich weiß noch nicht, wie, aber ich werde Sie hier rausholen", sagte er, und grinste schwach in McKays Richtung.
„Ähm ... danke", antwortete dieser, einigermaßen verblüfft. „Das ist ... nett"
Gewelden zuckte mit den Schultern.
„So bin ich nun mal, Sergeant"
„Was man von diesen Leuten nicht gerade behaupten kann", murmelte McKay, und berührte vorsichtig seinen Hinterkopf. Er musste sich beim Hinfallen verletzt haben, nach dem ihn einer dieser Irren angeschossen hatte.
„Bald wird es wieder eine Explosion geben", sagte Gewelden, der anscheinend nicht darauf antworten wollte. „Wirklich unglaublich, wie viel hier schief geht", fügte er hinzu, und runzelte leicht die Stirn.
„Glaubt ihr wirklich, ihr könnt gewinnen?", fragte McKay unvermittelt, und Gewelden sah ihn scharf an.
„Was gewinnen, Sergeant?"
„Diese Revolution", sagte McKay.
Geweldens Gesicht fiel, doch nach einem Herzschlag hatte er sich wieder in Gewalt.
„Eine Revolution", sagte er langsam. „Wie ... kommenSie darauf, Sergeant?"
McKay rollte mit den Augen.
„Oh, bitte. Die Leute hier unten, es sind ... Oberirdische, nicht wahr? Leute, die irgendwelche Gebrechen haben – die als Beute für die Wraith oben leben müssen. Deshalb haben sie so reagiert, als ich sie Unterirdische genannt habe."
Gewelden schien recht blass geworden zu sein, und seine Augenbrauen waren zusammen gezogen, während seine Augen McKay scharf musterten. Etwas spät kam dem Pseudo- Sergeant die Idee, dass es vielleicht besser gewesen wäre, den Mund zu halten.
„...Ja", sagte Gewelden schließlich.
McKay wartete, und nach einer Weile, als nicht weiter kam:
„Ja, was?"
„Ja, wir können gewinnen"
Wie bitte? Hatte er sich da verhört? Er musste sich doch verhört haben...
„Oh, großartig", stöhnte McKay. „Noch ein Irrer..."
Geweldens Mund zuckte amüsiert.
„Ich versichere Ihnen, Sergeant, ich erfreue mich bester geistiger Gesundheit"
„Dann – dann können Sie nicht ernsthaft glauben, ihr könnt das hier gewinnen!", japste McKay, und starrte den Captain an. „Die richtigen Unterirdischen, sie sind viel besser ausgebildet, sie haben mehr Waffen ... sie... sie sind stärker, verdammt!"
„Das wissen wir", sagte Gewelden ruhig. „Wir können trotzdem gewinnen"
McKay öffnete und schloss den Mund ein paar Mal, während Gewelden derart amüsiert wirkte, dass er plötzlich fast entspannt aussah. Gerade als McKay Luft holte und ansetzte, etwas zu sagen (was, das wusste er auch noch nicht so recht), hallte ein Platschen durch den Gang.
Gewelden zuckte zusammen. Die zwei Männer sahen sich an, und als die Platscher näher kamen, dachte McKay:
Wir sind so tot.
Grelles, weißes Licht erfüllte die Kammer, und McKay hielt die Hand vors Gesicht – nur um sie grob wieder weggerissen zu bekommen.
„Keine Bewegung!", rief eine helle Frauenstimme, die sich aber dennoch sehr wütend und entschlossen anhörte.
Unsanft wurden McKays Arme auf den Rücken gedreht – das Licht blendete ihn immer noch, und purpurne Schatten tanzten durch seine Sichtfläche – und dann wurden ihm die Hände zusammen gebunden.
Der Weg zurück war still. Niemand sagte etwas, weder die Wachen, noch Gewelden. Als McKay sich halb umdrehte, um einen Blick auf ihn zu werfen, sah er, dass der Mann kalkweiß war.
Sie wurden wieder mehrere dunkle, lange Gänge entlang gezerrt – wenn auch mit trockenem Boden, Gott sei Dank – und dann blieben die Bewaffneten vor einer Türöffnung stehen, und die Frau trat vor.
„Kommandant Darlan?"
„Bring sie rein!"
Der dunkelhaarige Mann stand mit dem Rücken zu ihnen, als man sie in den Raum stieß, in dem sich nichts außer einem einzelnen Metallstuhl befand. In einer Ecke stand eine Lampe, die ein grünliches, fahles Licht abgab.
Einige Sekunden lang blieb es still, man hörte nichts außer Geweldens harschem Atmen, dann lachte Darlan leise.
„So", sagte er, „Das war ein sehr kurzer Fluchtversuch, Gewelden"
Der Captain schluckte sichtlich – er sah beinahe unmöglich bleich aus in dem kalten Licht – und schwieg.
„Ich hätte es wohl wissen müssen", sagte Darlan, immer noch ohne sich umzudrehen, und verfiel dann wieder in Schweigen.
McKay warf Gewelden noch einen kurzen Blick zu. Schweißtropfen standen auf dessen Stirn, und er öffnete und schloss den Mund, ohne ein Wort herauszubringen. Geweldens Angst machte McKay endgültig klar, in was für einer Situation sie sich befanden, und er spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte, bis es in seinen Ohren pochte-
Darlan regte sich immer noch nicht, allerdings hielt seine linke Hand etwas umklammert. Die Lampe in der Ecke flackerte, und einen Herzschlag lang setzte McKays Atem aus, weil er dachte, Darlan hätte sich bewegt.
Er musste- er musste etwas tun. Dies konnte nicht geschehen. Es durfte nicht – sie durften doch nicht einfach so sterben, es musste doch einen Ausweg geben –
„Ein- eines verstehe ich immer noch nicht", sagte McKay.
Darlans Schultern versteiften sich, und er spürte, wie ihm Gewelden anstarrte.
„Was meinst du?", fragte Darlan. Er drehte sich um, und hob die rechte Hand, in der sich eine Schusswaffe befand, und legte McKay den Lauf an die Stirn.
„Nun – ich – ich weiß, ihr macht hier eine – eine Revolution", keuchte McKay. „Oberirdische gegen Unterirdische. Nicht dass ich das nicht verstehen könnte – ich meine – ich – aber wie, wie ... Gewelden sagt, ihr würdet gewinnen – wie...?"
Darlan lächelte schief, die Waffe immer noch erhoben. „Sagt er das?" Er warf Gewelden einen kurzen, kalten Blick zu. „Nun, Sergeant... sieh dich um..."
„Wie – " Und dann fiel der Groschen, einfach so.
„Ihr habt dass hier gefunden- ihr wollt die Technologie hier nutzen...!"
„Genau", sagte Darlan, und schnalzte mit der Zunge, während sein Blick über die kahlen Steinwände wanderte. „Genau das wollen wir machen" Er starrte wieder McKay an, und klopfte dann ganz leicht mit dem Waffenlauf gegen dessen Schläfe.
„Aber – aber – aber", sagte McKay. Sein Atem kam in kurzen, hastigen Stößen. „Aber wie wollt ihr sie nutzen? Man muss- ihr habt nicht-"
„Man brauch anscheinend eine Art ererbten Code", sagte Darlan langsam und lächelte dabei geduldig. „Das ist wahr"
„Ihr – ihr habt-?"
„Ich habe diesen Erbcode, ja", sagte Darlan.
„Nur Sie?", fragte McKay. „Aber wie wollen Sie alleine-? Das ist immer noch unmöglich, das ist-"
„Ich denke, wir haben jetzt genug geplaudert", sagte Darlan glatt, und ruckte mit dem Kopf. „Stellt sie da hin"
Gewelden gab ein ersticktes Geräusch von sich, als die Bewaffneten sie zu einer der Mauern des Zimmers drängten und zerrten. McKay hatte einmal gelesen, dass die letzten Sekunden einem sehr, sehr lange vorkommen konnten, doch es war nicht so – als Darlan die Waffe auf sie richtete, ging es viel zu schnell –
„NEIN!", schrie er. „Nein, warte, das willst du nicht tun!"
Darlan erstarrte, momentan verblüfft, und McKay redete weiter, verzweifelt die Chance nutzend.
„Du hast gesagt, nur du hast das Gen? Den Erbcode? Nun, ich habe ihn auch! Ich kann auch die Technologie aktivieren!"
Darlans Augen weiteten sich, doch dann verfestigte sich wieder sein Griff an der Waffe.
„Ein Grund mehr, dich zu töten"
„Nein", keuchte McKay. „Das willst du nicht. Ich kann – weißt du, was in dem Raum war, wo sie uns gefunden haben? Haben sie es dir gesagt? Ich meine, du wirst nicht alleine kämpfen, sonst hättet ihr nicht diese vielen Waffen hier unten – aber es werden Leute sterben, es werden viele Leute verletzt werden-"
„Was ist in dem Raum?", flüsterte Darlan.
„Geräte zum Heilen", sagte McKay. „Es sind Heilkapseln, und man braucht das Gen, um sie zu öffnen"
Er verstummte. Darlan hielt die Waffe immer noch auf ihn gerichtet- und wenn er jetzt abdrücken würde, wenn er jetzt einfach abdrücken würde – und sie sahen sich an.
Schließlich, langsam, senkte der Mann die Waffe.
„Interessant", sagte Darlan.
„Ich kann es aktivieren", sagte McKay. „Wann immer einer von ihnen verletzt ist, und es werden viele sein, dann kann ich – aber-" Er stockte, und warf einen Blick zur Seite, auf Gewelden, der immer noch bleich und verstört an der Wand stand, und abwechselnd McKay und Darlan anstarrte.
„- aber er muss leben. Sie dürfen ihn nicht töten, dann werde ich gar nichts tun, er muss leben, Darlan"
Das bleiche Gesicht blieb ungerührt, und dann trat der Mann vor, und stellte sich dicht vor McKay.
„Wenn ich dir eine Waffe an den Kopf halten würde, würdest du die Heilgeräte aktivieren", wisperte er.
„Er muss leben", wiederholte McKay, stur an Darlans Gesicht vorbeistarrend. „Er muss leben, er muss leben"
Darlan trat abermals einen Schritt vor, den Mund nun dicht an McKays Ohr. McKay konnte seinen Atem an seinem Hals spüren, und er unterdrückte ein Schaudern.
„Wenn es so wichtig ist", sagte Darlan langsam, und lehnte sich dann wieder zurück, plötzlich wieder lächelnd.
„Dann soll er halt noch nicht getötet werden"
