Schwärze.
Endlose, endlose Schwärze. So dicht, dass McKay einige Sekunden lang erwartete, sie müsse das Atmen unmöglich machen, würde sich wie ein dicker, undurchdringlicher Schleier vor Mund und Nase legen bis-
„Oh –oh nein" Die Stimme wobbelte durch die Dunkelheit, hoch und unsicher, und hatte merkwürdigerweise den wunderbaren Effekt, McKay wieder zur Vernunft zu bringen.
Oder was man so Vernunft nannte, dachte McKay so sarkastisch er konnte. Schließlich befand er sich wer-weiß-wie tief unter dem Boden, in Begleitung von Leuten, die er kaum kannte, während über ihm eine Revolution lief und er selbst sich als Sergeant ausgab...
„Was machen wir jetzt?", fragte Gewelden, und blieb dann still. Ein kleiner, hämischer Teil von McKay dachte: „Was fragst du das? Du bist hier der Captain, ich bin nur Sergeant." Und einen Herzschlag lang erfreute er sich an dem Wissen, dass er jetzt überhaupt nichts unternehmen musste, eigentlich wurde es von ihm noch nicht einmal erwartet... Dann allerdings kam die unangenehme Vorstellung, was denn wohl passieren würde, wenn er nichts unternehmen würde, und wenn Gewelden auch nichts Besseres einfallen würde, als hier rumzustehen.
„Oh, wunderbar", sagte McKay laut.
„Ist irgendwas, Sergeant?", fragte Gewelden, und McKay schockierte sich selbst, als er sich eine sarkastische Antwort verkniff. Doch er musste die Dinge ja nichts zwangsläufig noch schwieriger machen. Und Darvo´s Atmen klang schon verdächtig harsch und abgehackt.
„Ich bin mir nicht sicher", sagte McKay, drehte sich dann vorsichtig um – er hielt die Hände weit von sich gestreckt – und ging einige zögerliche Schritte in den Raum. „Vielleicht finde ich hier irgendwas..."
„Ja, vielleicht", sagte Gewelden, doch er klang wenig überzeugt. McKay fiel plötzlich auf, dass er noch immer nicht gefragt hatte, warum McKay wusste, wie man das Türschloss reparieren konnte, wofür der Pseudo-Sergeant sehr dankbar war. Wer weiß, wie die beiden Männer reagieren würden, sobald sie erführen, dass er gar kein Soldat war, fragte McKay sich. Immerhin gehörten sie zu einem Volk, das sich bis jetzt nicht gerade durch Vernunft ausgezeichnet hatte. Oder vielleicht nicht durch die Art von Vernunft, die noch mit gesundem Menschenverstand zu vereinbaren war.
Er machte einige weitere Schritte – wann kam eigentlich die Wand? – und blieb dann mit dem Fuß in einer Felsspalte hängen. Fluchend ruderte er mit den Armen und versuchte, das Gleichgewicht zu halten, rutschte dann aber auf den Steinsplittern, die über den ganzen Boden verteilt waren, aus und fiel schwer auf Hände und Knie.
„Verdammt"
„Alles in Ordnung?", rief Gewelden durch die Finsternis, und McKay nickte zähneknirschend, bis ihm einfiel, dass Gewelden das ja wohl kaum erkennen konnte.
„Ja, schon gut", sagte er, und verlagerte das Gewicht, um besser aufstehen zu können. In diesem Moment stieß seine Hand an etwas sehr Glattes. Es ging schnell. McKay hatte gerade noch Zeit zu denken: „Das kann kein Stein sein, das ist zu glatt, zu künstlich" – das leuchtete das Objekt schon grünlich auf.
„Oh"
„Was ist das?", rief Darvo.
McKay blinzelte heftig. Das grünliche Glühen war recht schwach, doch in der absoluten Finsternis hatte es im ersten Moment wie ein Blitz gewirkt. Ungläubig starrte er auf den schildkrötenpanzerförmigen Stein unter seiner Hand. Das durfte doch nicht...
„Eine Lampe?", fragte Gewelden. Er klang recht erleichtert.
„Nicht ganz...", murmelte McKay, während er sich hoch rappelte. Er hielt den Antikerschild weit von sich zwischen Daumen und Zeigefinger, doch das Glühen leuchtete unvermindert weiter.
„Wird es explodieren?", fragte Gewelden unvermittelt, und McKay starrte ihn an.
„...Nein"
„Gut" Der Captain räusperte sich verlegen, warf einen Seitenblick auf Darvo, der in dem schwachen grünen Licht nicht unbedingt gesund aussah.
„Wie gesagt, wir hatten hier unten recht viele ... Unfälle", murmelte er.
„Wir", wiederholte Darvo. Wenn er vorher nervös geklungen hatte, dann wirkte er jetzt leicht hysterisch.
Gewelden warf ihm einen zweiten, ernsteren Blick zu, und kniff dann die Lippen zusammen. Er sah aus, als mache er sich zu einen Kampf bereit, und McKay hob rasch die Hand, denn das konnten sie jetzt wirklich nicht gebrauchen.
„Okay, okay", sagte er hastig. „Ich bin sicher, ihr habt noch ... viel zu diskutieren, aber was haltet ihr davon, wenn wir das im Tageslicht machen? Über der Erde?", fügte er hinzu, und wackelte angestrengt mit den Augenbrauen.
„Jaaa", sagte Gewelden langsam, während er immer noch Darvo ansah. „Ja, das halte ich für eine gute Idee"
Eine kurze, doch recht bedeutungsvolle Pause trat ein.
„Oh", sagte Darvo dumpf. „Okay. Gut"
XXX
Stolpernd machten sie sich wieder auf den Weg. Es war nun still geworden, nur ganz vereinzelt erschütterten noch entfernte Explosionen die dunklen Gänge. Hin und wieder rieselte Steinstaub von der Decke, oder es lösten sich kollernd Steine aus der Wand. Abgesehen davon unterbrach nur gelegendliches Fluchen, wenn einer von ihnen in einem Riss im Boden hängen blieb, die Stille.
„Bist du sicher, dass du weißt, wie es hier rausgeht?", fragte Darvo schließlich. Seine Stimme war immer noch zu hoch, die Augen weit aufgerissen. Er wirkte merkwürdig jung, wie ein kleiner Junge, nicht wie der junge Soldat, den McKay in der Trainingshalle gesehen hatte.
„Ja", sagte Gewelden und seufzte. Sein Hinken hatte sich verschlimmert, und McKay fiel auf, wie fest er die Fäuste geballt hatte.
„Was ist mit deinen Leuten?", fragte Darvo, und McKay brauchte einen Augenblick, um zu bemerken, dass er angesprochen worden war.
Er zuckte mit den Schultern. Es sollte lässig wirken, doch sein Magen hatte sich plötzlich in einen Ball aus Eis verwandelt.
Was war mit seinen Leuten?
Hatten es der Colonel und Teyla noch rechtzeitig geschafft, der Revolution zu entkommen? Waren sie in Atlantis? Waren sie noch irgendwo in den Gängen, verletzt? Waren sie... nein, daran wollte er nicht denken. Das durfte nicht wahr sein. Das konnte nicht sein. Es waren immerhin Teyla und Colonel Sheppard, und sie hatten schon schwierigere Situationen erlebt, Schlimmeres überstanden...
„Sie sind mit Sicherheit okay", sagte McKay, und wenn er sich nicht ganz überzeugt anhörte, dann musste das Einbildung sein.
Darvo nickte zögernd, und um ein Haar hätte McKay den Blick verpasst, den Gewelden dem Jungen zuwarf. Er hatte noch nie so ein perfekt verständliches, wenn auch stummes: Jetzt sei bloß still! gesehen.
„Äh... du ... äh... hast den Erbcode?", fragte Darvo, sich offenbar rasch um eine Ablenkung bemühend.
„Was? Oh- ja"
„Äh... gut" Verlegen schloss der Junge den Mund, und aus den Augenwinkeln konnte McKay sehen, wie Gewelden die Augen verdrehte.
XXX
Seine Uhr war kaputt. McKay hätte liebend gern gewusst, wie viel Zeit sie schon unter Tage verbracht hatten, in der staubigen, stickigen Dunkelheit. Es kam ihm wie Stunden vor, doch er wusste, dass er sich da leicht irren konnte. Er wandte den Kopf und sah Gewelden an, der die letzten Gänge, die sie entlang gegangen waren, immer bleicher geworden war. Sein Schritt war langsamer, zögerlicher geworden, doch jetzt blieb er auf einmal wie angewurzelt stehen, und hob die Hand.
McKay spürte es, noch bevor er das breite Lächeln auf Geweldens Gesicht ausbrechen sah.
Einen Luftzug, kühl und fern und schwach.
Der Ausgang musste nah sein. Er grinste Gewelden zu, der zurückgrinste, und dann dem verwirrten Darvo auf die Schulter schlug.
„Was...?"
„Spürst du es nicht?"
„Was soll ich spüren?" Wieder kroch Verunsicherung in die Stimme des Jungen, er wirkte ein wenig besorgt um den Geisteszustand seiner Begleiter.
„Ein Luftzug", sagte Gewelden und wedelte ungeduldig mit der Hand vor Darvos Gesicht. Der Junge hatte es offensichtlich immer noch nicht begriffen.
„Der Ausgang muss nah sein", sagte McKay, und endlich grinste auf Darvo.
„Den Vorfahren sei Dank!" Er richtete sich wieder hoch auf, und ging dann eilig weiter, drehte nach einigen Schritten den Kopf und sah McKay und Gewelden ungeduldig an.
„Kommt ihr jetzt?"
McKay unterdrückte ein Kichern, und bot dann Gewelden seine Schulter an.
„Du hinkst"
Dankbar stützte der Captain sich auf, und beide Männer folgten Darvo, der mit eiligen, hoffnungsvollen Schritten vorausging.
„Er ist ein guter Junge, wenn auch nicht...", sagte McKay, und verfluchte sich sofort im stillen dafür, dass er diesen Satz angefangen hatte.
„Der Allerhellste?", flüsterte Gewelden zurück. „Das ist wahr..." Er lächelte. „Es ist nicht unbedingt das, worauf bei einer klassischen Soldatenausbildung wert gelegt wird..."
Er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen, und McKay brauchte einige Sekunden, um die unausgesprochene Frage zu spüren.
„Da hast du wohl recht", sagte er schließlich. Es war feige, schoss es ihm kurz durch den Kopf, aber er konnte sich mit der Vorstellung, Darvo und Gewelden zu erzählen, dass er kein Soldat war, noch nicht so recht anfreunden. Außerdem, wie in aller Welt wollte er das tun? Vielleicht: „Oh, übrigens, ich hab da noch etwas vergessen zu erwähnen, ich bin kein Soldat, dass war alles nur eine Lüge, tut mir Leid, Leute..." Nein. Das konnte einfach nicht gut ausgehen...
„Kommt es mir nur so vor, oder leuchte der... Stein schwächer?", fragte Gewelden nach einigen Minuten des Schweigens. McKay starrte auf das grünlich glimmende Antikerschild.
„Hm... ich glaube – nein, ich glaube, es leuchtet nicht schwächer, es kommt uns nur so vor, weil..."
„Hey!", rief in diesem Augenblick Darvo. Seine Stimme hallte durch die stillen Tunnel, und Gewelden und McKay zuckten unwillkürlich zusammen. Der junge Mann kam ihnen entgegen gelaufen, das Gesicht zu einem strahlenden Lächeln verzogen.
„Da hinten", sagte er, und zeigte mit dem Finger zur Tunnelbiegung vor ihnen. „Da ist ein Ausgang!"
McKay spürte, wie sich sein Gesicht in einem breiten, erleichterten Lächeln verzog, warf einen Blick auf Gewelden, der ebenfalls grinste, und dann ungeahnte Kraftreserven mobilisierte, als er loshumpelte, und beinahe McKay hinter sich zurückließ.
„Den Vorfahren sei Dank", hörte McKay den Captain murmeln. Beide Männer versteiften sich unwillkürlich, als sie um die Ecke bogen – was, wenn da doch kein Ausgang war? – doch dann badete goldenes Abendlicht ihre Gesichter, und McKay musste heftig blinzeln.
„Endlich", seufzte er, und Gewelden lachte erleichtert auf. Darvo lächelte ebenfalls. Der „Ausgang" bestand aus einer rostigen, sehr solide aussehenden Eisentür, die der schlaksige junge Mann aufhielt.
McKay ließ das Antikerschild abwesend in seine Hosentasche gleiten, trat dann an Geweldens Seite.
„Auf was... warten wir eigentlich noch, Captain?"
Der Mann blinzelte, einen Moment lang verwirrt, und McKay fragte sich, ob er sich vielleicht abgesehen von seinem Bein auch nochden Kopfverletzt hatte. Dann seufzte Gewelden, und schob sich vorsichtig an Darvo vorbei, der immer noch gegen die schwere Eisentür gelehnt dastand.
„Seid leise", flüsterte Gewelden, ohne sich umzusehen. Darvo folgte ihm nach draußen (das warme Sonnenlicht ließ sein staubgraues Gesicht wieder lebendig erscheinen, bemerkte McKay beiläufig) und dann trat McKayals letzter ins Abendlicht, sorgfältig darauf achtend, die Tür leise hinter sich zu fallen zu lassen.
Der Himmel war lavendelfarben und wolkenlos. Sie standen mitten im Wald, anscheinend, und McKay konnte zwischen den dünnen Stämmen der Bäume noch das letzte Glimmen der untergehenden Sonne ausmachen.
Es war sehr ruhig.
Wenn er noch sein Headset gehabt hätte, hätte er sicherlich versucht, mit Sheppard Kontakt aufzunehmen, doch so musste er sich aufs Hoffen beschränken.
So, jetzt kann ich mich guten Gewissens nach Dänemark aufmachen...
Und wenn ihr schon mal hier seid, reviewt doch auch gleich... die Kapitelanzahlangabe und die Reviewanzahl sind doch beachtlich aus dem Gleichgewicht geraten - das muss doch zu ändern sein...
