„Oh mein Gott", keuchte McKay, und starrte Darlan an. „Was – was tust du da? Du kannst doch nicht einfach..."

Darlan schien ihm nicht zuzuhören. Er starrte immer noch in den Nachthimmel, die Pupillen unnatürlich geweitet. Das war doch keine Revolution mehr. Es ging Darlan doch nicht mehr darum, die Situation der Oberirdischen zu verbessern – der Mann, der vor McKay stand, sah aus als könnte er einen Massenmord begehen, ohne mit der Wimper zu zucken.

Wieso...", würgte McKay, und zog versuchsweise an Darlans Arm, der immer noch die Vorderseite seiner Jacke umklammert hielt, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.

Darlan starrte ihn nachdenklich an, als hätte er Schwierigkeiten, die Frage zu verstehen – um Himmels Willen, was war mit dem Mann los? Selbst seine nackten Arme schienen mit Blutergüssen übersäht zu sein, nicht blau oder grünlich gefärbt, sondern rot –violett, und Darlans Atmung ging schwer und unregelmäßig.

„Wieso was, McKay?", fragte er schließlich, immer noch ein schiefes Lächeln auf dem Gesicht.

„Wieso bist du so stark...?", knurrte McKay, der langsam die Geduld verlor, und Darlans Lächeln wuchs wieder beängstigend. Es schien sein Gesicht vollends zu zerstören, und McKay schluckte.

„Ich habe den Erbcode, McKay", sagte Darlan und schüttelte den Wissenschaftler spielerisch. „Tech-no-lo-gie"

Ein Zittern ging durch ihn, und einen Moment lang flackerte das Lächeln, bevor sich Darlan wieder fasste. Ein Explosion krachte in der Ferne, und das Licht beleuchtete das graue Gesicht des Kriegers. Er sieht krank aus, dachte McKay. Er sieht todkrank aus – diese Blutergüsse...

Er senkte den Blick, so dass er auf Darlans Handgelenke sehen konnte – silberne Ringe umschlossen sie, Antikerschriftzeichen darauf graviert. Hin und wieder schien ein blasser Funke darüber zu tanzen, und Darlans Armmuskeln zuckten kurz.

„Sie machen dich stärker?", fragte McKay, und Darlan nickte.

„Oh ja"

Wieder krachte es in der Ferne, und McKay bildete sich ein, Stimmen und Schreie zu hören. Darlan starrte in den Wald, in die Richtung, aus der der Lärm kam, der Gesichtausdruck beinahe nachdenklich.

„Hör mal", sagte McKay und bemühte sich, vernünftig zu klingen. „Kannst du... ich meine, wir können hier ja nicht ewig so stehen bleiben. Was hältst du davon, wenn du mich los lässt...?"

Darlan starrte ihn an.

„Oh, um Himmels Willen", stöhnte McKay. „Das reicht jetzt, wirklich. Hör mir zu, du Irrer, ich bin kein Spion. Genau genommen bin ich noch nicht mal ein Soldat, wenn du es genau wissen willst – lass mich los, und ich geh durch das Stargate und komme nie wieder zurück, einverstanden? Ich meine, ich habe mit Sicherheit besseres zu tun als hier herum zu stehen und – "

Er taumelte, als Darlan seinen Griff löste.

„Oh, Gott sei Dank"

Wieder donnerte es. Die Explosion schien viel näher, und McKay duckte sich nervös, als warme Luft über sein Gesicht strich.

„Ähm, ich-"

„Feuer", schrie jemand, und einen Moment lang brach die Hölle los. Lärm zerriss die Nacht, und etwas kollidierte sehr hart mit dem Antikerschild, so dass McKay zu Boden gerissen wurde.

Er keuchte – sein Kopf schien zu bersten – und was war eigentlich mit Darlan? War er -?

Nein. Oh nein, er war noch am leben, und jetzt wirbelte er in Aktion – es sah ein wenig so aus wie in einem Actionfilm, nur viel, viel schneller, und ohne Zeitlupe, so dass McKay weniger mitbekam, doch er hörte das dumpfe Pochen, mit dem Körper um ihn herum zu Boden sanken.

Und dann war es vorbei, und Darlan war der einzige, der noch stand, mit gesenktem Kopf und keuchend. Das fahle Mondlicht glitzerte auf seiner schweißüberzogenen Haut.

Langsam richtete McKay sich auf. Das Antikerschild leuchtete immer noch, Gott sei Dank, und er warf einen vorsichtigen Blick auf die am nächsten liegende Leiche. Es war zu dunkel, um viel zu erkennen, wofür er sehr dankbar war, doch die Farbe der Uniform war gerade noch so auszumachen – Unterirdische.

McKay hob wieder den Kopf, und starrte zu Darlan, der die Hand gehoben hatte, und über sein Gesicht wischte. Er wirkte verwirrt.

„Was ist-", fragte McKay, bevor er sich stoppen konnte, und Darlan zuckte zusammen und starrte ihn dann an. Sein Blick war immer noch leer, und McKay schauderte angesichts seiner Augen, deren Weißes tiefrot von Blut war. Langsam löste sich ein rubinroter Tropfen und glitt Darlans Wange hinunter, wie das grausige Spiegelbild einer Träne.

„...Nichts", murmelte Darlan. McKay zog die Augenbrauen hoch, er hatte nicht damit gerechnet, dass der Mann ihm antworten würde. Darlan holte tief Luft, und etwas schien in seiner Kehle zu rasseln.

McKay legte den Kopf schief. Viele Unfälle wie verflucht – wenn... wenn... es könnte doch sein, dass... Er bezweifelte, dass Darlan noch irgendwelche Schmerzen fühlte, doch plötzlich war ihm ein Gedanke gekommen, ein bitterer Verdacht.

„Darlan...", sagte er langsam. „Haben eigentlich auch die anderen ...Erbcode-Träger die Ringe ausprobiert?"

Darlans Kopf zuckte herum und er starrte McKay mit verengten Augen an.

„Ist nicht besonders gut gelaufen, nicht wahr?", sagte McKay, als der Mann nicht antwortete.

„Nein", sagte Darlan schließlich. Sein Gesicht verzog sich langsam zu einer höhnischen Grimasse. „Sie waren nicht gut genug"

McKay schnaubte. „Nein, hör zu, du Idiot – " Er verstummte, starrte dann seinerseits Darlan an und kniff die Augen zusammen.

„Warte einmal... Sie waren nicht gut genug...?"

Darlan schien ihn nicht zu beachten. Er hatte sich halb abgewandt, betrachtete den rötlich glühenden Himmel.

McKay trat einige Schritte vor.

„Du... tust das nicht für sie, nicht wahr?", fragte er ungläubig. „Nichts von dem was du tust..."

Darlan lachte auf, seine Schultern zuckten.

„Du... warum?", fragte McKay, und Darlan drehte sich zu ihm um, das Lächeln wie weggewischte.

„Ich war ihr Held", sagte er, und seine Stimme zitterte plötzlich, während seine Augen zu glühen schienen vor unterdrückter Wut.

McKay trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Und noch einen, trotz des Antikerschildes.

„Du warst ihr Held?", sagte er. „Was-" Und dann: „Oh! Du-"

Rache konnte viele Motive haben. McKay starrte auf den blutbedeckten, zitternden Mann vor ihm, und fragte sich, wie er so töricht gewesen sein konnte zu glauben, dass er den Überirdischen helfen wollte. Mein Gott, er war ein Held gewesen – er hatte sein ganzes Leben mit den Unterirdischen gebracht, er hatte höchstwahrscheinlich selbst bei der Elite dort unten zur Elite gehört – der Beste unter Besten, fest daran glaubend, auserwählt zu sein, besser als die dort oben mit ihren Fehlern, dazu bestimmt, ein besseres Leben als sie zu führen. Und das sollten ein paar Monate Erinnerungsverlust heilen können? Und er hatte seine Erinnerungen wieder bekommen. Er war so wütend

„Ich war ihr Held", sagte Darlan wieder, und ballte die Hände zu Fäusten. „Ich war ihr Held und sie haben mich allein gelassen, sie haben mich im Stich gelassen, sie haben mich zurückgelassen, in den Trümmern meiner Maschine –"

Ich verdiene besseres, strahlte jede Faser seines Körpers aus. Ich sollte nicht so behandelt werden, nicht so wie Unrat, ich bin auserwählt, ich bin etwas besonderes...

„Du willst dich deswegen rächen?", flüsterte McKay. Er fühlte sich schlecht. Wieder stieg Übelkeit in ihm auf, diesmal ohne einen offensichtlichen physischen Grund.

Darlans Gesicht zuckte. Er antwortete nicht, doch die Antwort war ohnehin offensichtlich.

Gott. Als er Gewelden gefragt hatte, ob Darlan irre war, war es ein halber Scherz gewesen – doch der Mann, der da vor ihm stand, hatte den Irrsinn schon so weit hinter sich gelassen, dass es mehr als verstörend war. McKay hatte Angst, trotz des Schildes.

„So", sagte Darlan schließlich, und begann wieder zu lächeln. Er warf einen langen, selbstzufriedenen Blick auf den blutigen Himmel und wandte sich dann wieder McKay zu. „Ich muss dann mal wieder..."

„Du weißt, dass du sterben wirst, oder?", fragte McKay, und verfluchte sich dann selbst, als Darlan stehen blieb, und sich zu ihm umdrehte.

„Was?", fragte er, weniger beunruhigt als verärgert über die Verzögerung.

„Die ... Ringe", sagte McKay und schluckte. „Sie bringen dich um, das ist dir doch klar, oder?"

Darlan starrte auf seine Handgelenke, sah dann wieder zu McKay und hob spöttisch eine Augenbraue.

„Nein, wirklich, du Spinner", sagte McKay, und wieder vertrieb Entnervung Angst und Schrecken. „Es ist alles bei euch schief gegangen, nicht wahr? Habt ihr euch nie gefragt, ob-"

„Ich habe jetzt keine Zeit für so etwas", sagte Darlan, und wandte sich ab. McKay sah ihm nach, wie er schwerfällig auf die Bäume zu humpelte, und dann von der Dunkelheit verschluckt wurde.