McKay starrte in die Finsternis, die Darlan verschluckt hatte. Endlich begann ihn vage Erleichterung zu erfüllen, als er begriff, das der Mann weg war. Das Antikerschild löste sich von seiner Brust und fiel ins hohe Gras. Trotzdem... seine Beine begannen wieder zu zittern, und er wankte zum nächsten Baum, um sich festzuhalten. Er war allein, in der Dunkelheit. Er war verletzt, und er hatte keine Ahnung, wo er wirklich war... Verdammt. Was sollte er machen? Seine Knie fühlten sich an wie Wackelpudding. Das Denken schien so viel Energie zu erfordern, dass überall sonst aus seinem Körper Kraft abgezogen wurde. Seine Beine zitterten immer heftiger. In der Ferne krachte es, und diesmal war er sich sicher, einige Menschen schreien gehört zu haben. Aber nicht für lange. Ihre Schreie endeten sehr abrupt, und McKay dachte: Wenigstens musste sie nicht lange leiden... Doch wo sollte es enden? Darlan war nicht für die Oberirdischen. Er war für niemanden, vielleicht nicht einmal für sich selbst. McKay schauderte, als er an das blutgefüllte Auge dachte. Er wird sterben, flüsterte eine kleine Stimme in ihm. Ja, antwortete eine andere, nüchternere. Und ich denke, das ist besser so.
Doch was würde aus den Rebellen werden?
McKay schauderte. Verdammt, es war eisig, und seine schweißnassen Sachen konnten ihn nicht im Geringsten wärmen. Er hätte die Arme um den Körper geschlungen, wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass er dann gestürzt wäre...
Was war mit Gewelden und Darvo? Wieso hatten sie ihn da liegen gelassen? Er war... einen im Gestrüpp verborgenen Abhang hinunter gestürzt, da war er sich fast sicher. McKay seufzte. Er ließ den Kopf nach vorne fallen, und ließ es endlich zu, dass seine Beine unter ihm nachgaben. Das Zittern ließ immer noch nicht nach, auch wenn er die Kälte jetzt schon weniger spürte.
Was war mit seinem Team?
Wo waren Sheppard und Teyla? Wenn sie... wenn sie Darlan begegnet waren...
McKay stöhnte unwillkürlich auf, und ließ den Baumstamm los, kippte mit dem Oberkörper nach vorn. Schwer landete er im Gras, und einige kleinere Äste knackten. Er schloss die Augen, versuchte sich der Dunkelheit hinter seinen Lidern zu ergeben.
Und blinzelte erschrocken, als Lichter durch den Wald huschten, und hinter seinen geschlossenen Lidern Funken tanzen ließen. Was...?
Niemand rief, und vorsichtig richtete McKay sich wieder auf. Überrascht stellte er fest, dass er immer noch nicht dazu bereit war, aufzugeben, und begann, mit einer Hand im Gras herum zu tasten, während er versuchte, den Schweiß aus seinen Augen zu blinzeln.
Tanzende Lichter... womöglich Taschenlampen...? Und verdammt, wo war das Schild... hier irgendwo... doch seine Finger fanden nur kaltes Gras.
Tropfen lösten sich von seiner Stirn und flossen in Richtung Augen, und als er den Arm hob, um sie abzuwischen, verlor er das Gleichgewicht, und landetet im Gras. Ein verborgener Ast brach unter seinem Gewicht und knackte laut.
Die Lichtstrahlen zuckte zusammen, bündelten sich. Wer immer da draußen war, suchte jetzt, und McKay vergaß vorübergehend zu atmen.
Knistern von Gestrüpp, als sich jemand sehr vorsichtig bewegte – und dann:
„McKay?"
„Colonel?", fragte McKay und Erleichterung erfüllte ihn so rasch, dass er sich plötzlich ganz leicht fühlte.
„Jesus, Rodney, bist du okay?" Hände, die ihn umdrehten, und dann sah McKay in das Gesicht von Lt. Colonel Sheppard, dessen linke Wange ziemlich zerkratzt aussah und dessen Gesicht eine erfreute Mischung aus Unglauben und Erleichterung trug.
„Mhm", sagte McKay. „Okay" schien momentan nicht so ganz auf ihn zu zutreffen, doch er fühlte sich ausnahmsweise einmal zu müde, um sich zu beschweren.
„Gott sei Dank", sagte Sheppard mit einer merkwürdigen Stimme, und McKay öffnete wieder die Augen – er hatte gar nicht bemerkt, wie er sie geschlossen hatte – und starrte Sheppard ungläubig an.
„Was soll das heißen, Gott sei Dank? Soll das witzig sein? Hast du eine Ahnung, was für Kopfschmerzen ich habe?"
Sheppard blinzelte, guckte verblüfft – und fing dann an zu lachen. McKay protestierte schwach („Hey!") doch der Colonel schien das gar nicht zu bemerken, sondern streckt nur seinen rechten Arm aus, und zog McKay auf die Füße. Sofort begann dieser, heftig zu schwanken, und Sheppard schlang rasch einen Arm um seine Hüfte und legte sich Rodneys linken Arm um die Schultern.
„Woah"
„Ja, woah. Was ist mit dir passiert? Wo sind deine Waffen?"
„Können ... können wir das in der Krankenstation bereden...?"
„Oh. Natürlich."
Und dann taumelten sie los, und eigentlich bekam Rodney nicht sehr viel mehr mit, sondern ließ sich mehr oder weniger von Sheppard ziehen, der mit sehr leiser Stimme in sein Mikro sprach.
Die Lichtung schien auf den ersten Blick leer, doch dann sah McKay das niedergedrückte Gras, und dann trat auch schon Teyla breit lächelnd aus dem getarnten Puddlejumper.
„Dr. McKay", sagte sie, und ihr Blick glitt über ihn. „Dr. Beckett wartet im Jumper"
Und dann schien es genau der richtige Moment zu sein, um ... umzukippen.
XXX
„...Wsfgl?"
„Möchtest du vielleicht etwas trinken?"
Erleichtert nahm McKay das Glas entgegen und trank in kleinen Schlucken. Sheppard schien ziemlich zufrieden zu sein, und sein Haar schien asymmetrischer denn je.
„Wie fühlst du dich?"
McKay grunzte nur als Antwort, und Sheppard verzog sein Gesicht zu einen erfreuten Grinsen.
„Gut"
„Habe ich irgendwas im Gesicht?", fragte McKay scharf, und Sheppard schien noch glücklicher zu werden.
„Eine Nase, zwei Augen..."
„Sehr witzig" McKay stellte das Glas auf das Tischchen neben dem Bett ab und starrte Sheppard dann böse an, bis ihm etwas einfiel.
„Verdammt! Gewelden-"
„Er ist hier"
„Und Darvo?"
„Auch"
Puh. McKay lehnte sich möglichst unauffällig wieder zurück.
Sheppard schien ihn etwas abwartend zu betrachten.
„Ist alles in Ordnung?", fragte McKay schließlich gereizt. Und dann: „Und könntest du mir bitte mal erzählen was eigentlich passiert ist?"
„Du meinst, abgesehen von der Tatsache, dass dich anscheinend der Erdboden verschluckt hat...?"
„Ja"
„Nun, du bist verschwunden, alle suchen nach dir – Mensch, diese Leute wurden verdammt schnell verdammt unangenehm – und plötzlich fängt alles an zu wackeln" Er brach ab und fuhr sich mit der Hand durch das Haar, was allerdings keinen Effekt zu haben schien – das Haar wurde weder ordentlicher noch unordentlicher, sondern richtete sich unbekümmert wieder auf, als Sheppards Hand darüber geglitten war.
„Ja?"
„Nun, anscheinend kommt so etwas öfter vor – sie haben nicht besonders reagiert. Doch als dann der Putz von der Decke fiel, haben wir es vorgezogen, an die Oberfläche zu gehen – zumindest wollten wir das. Sie wollten uns nicht weglassen, weil du verschwunden warst." Sheppard verzog das Gesicht bei der Erinnerung. „Sie schienen sehr gereizt."
„Wie seid ihr weggekommen?", fragte McKay.
„Oh, Teyla"
„Teyla?"
„Ja, Teyla", wiederholte Sheppard und grinste. „Gib ihr zwei Stöcke und sie haut dich um – buchstäblich"
Er lachte, und McKay konnte sich ebenfalls das Grinsen nicht verkneifen.
„Was habt ihr dann gemacht?"
„Oh, wir hatten und Uniformen von ihnen besorgt-" Er verdrehte die Augen angesichts von McKays Miene. „Aus der Wäscherei. Eigentlich hatten wir vor, irgendjemanden nach deinem Verbleib auszuquetschen – aber dann fing es wieder an zu wackeln und dann – nun ja, es folgten Explosionen, Verwirrung, schreiende Menschen und viele, viele Schießereien." Er zuckte mit den Schultern. „Jedenfalls sind wir rausgekommen. Obwohl es dann eigentlich erst so richtig losging. So ein Irrer –"
„Darlan"
„Oh, du kennst ihn?"
„Ich bin ihm begegnet", sagte McKay mit sorgfältig neutraler Miene.
„Er hatte Antikertechnologie, nicht wahr? Gewelden meinte..."
„Ja", sagte McKay und nickte bestätigend.
„Nun, er hat einfach alles getötet, was in seiner Nähe war – Teyla und ich, wir haben uns in den Wälder versteckt, und sind dann zum Stargate gegangen. Wir musste einen ziemlichen Bogen schlagen."
„Ihr habt euch nicht verlaufen?", fragte McKay verblüfft.
„Nein", sagte Sheppard mit zusammengekniffenen Augen und setzte an, weiter zu reden, doch McKay unterbrach ihn:
„Oh, dann hat mit Sicherheit Teyla die Führung übernommen"
„Ja, hat sie, wenn du es unbedingt wissen willst", sagte Sheppard zähneknirschend, und McKay grinste.
„Jedenfalls... Wir wollten mit einem Jumper wiederkommen. Im Wald sind wir dann allerdings auf einen gewissen Captain Gewelden, einen Jungen namens Darvo und einen komischen kleinen Kerl namens Talo getroffen, die behauptet haben, dich zu kennen..."
„Talo war auch dabei?", fragte McKay überrascht, mehr zu sich selbst als zu Colonel Sheppard, der nickte und fortfuhr:
„Wir haben sie mit durch Gate genommen, während sie uns ihre Geschichte erzählt haben."
„Warum haben sie mich allein gelassen?", fragte McKay. Er klang etwas verletzter, als er eigentlich beabsichtigt hatte.
„Oh, du musst ziemliches Glück gehabt haben. Der Abhang war sehr steil und sehr tief, sie haben dich für tot gehalten – außerdem sind überall im Umkreis Granaten eingeschlagen, sie konnten nur noch wegrennen – du warst da wohl bewusstlos?"
McKay nickte, und Sheppard fuhr fort.
„Teyla hat sie den Rest des Weges zum Gate begleitet, während ich aufgebrochen bin, um dich zu suchen..."
„Aber sie haben doch gesagt, ich sei tot?"
Sheppard zuckte nur mit den Schultern. „Niemand wird zurückgelassen"
„...Danke"
Eine recht unangenehme Stille trat ein, die anhielt, bis Becketts Stimme ertönte: „Ah, du bist wach! Warum hast du mich nicht gerufen, Colonel?"
„Was ist?", fragte McKay sofort. „Habe ich... eine Gehirnerschütterung?"
„Eine leichte, ja", sagte Beckett der nervtötend guter Laune zu sein schien. „Außerdem beeindruckend viele Blutergüsse und einige kleinere Prellungen."
„Oh, Gott" McKay sackte im Krankenstationbett zusammen. „Ich muss sterben"
XXX
Darvo und Gewelden schienen sehr erfreut zu sein, McKay am leben zu sehen. (Talo... weniger. Er hatte Freundschaft mit Kavanaugh geschlossen.) Beide Setziraas waren ziemlich verblüfft gewesen, als sie erfahren hatte, wer McKay wirklich war, auch wenn Gewelden recht schnell über den Schock hinweg zu kommen schien- „Irgendwas hatte ich ja vermutet", sagte er einmal zu McKay. Talo hatten Gewelden und Darvo unterwegs zum Gate aufgegabelt, der Junge hatte ganz verblüffenden Selbsterhaltungstrieb bewiesen und war durch die Lüftungsschächte an die Planetenoberfläche geklettert. Bis jetzt wusste noch keiner so recht, was mit den Setziraas gemacht werden sollte. Sie waren nicht sicher, ob sie bei den Athosianern leben wollten – und wer konnte es ihnen verdenken, dachte McKay. Ein Wasserklosett hatte doch gewisse Vorteile. Gewelden wollte zu seinem Planeten zurückkehren, vermutete McKay, auf die Hoffnung hin, dass dort doch noch irgendetwas war. Wahrscheinlich würde Sheppard ihn irgendwann in naher Zukunft in einen Puddlejumper verfrachten und nachsehen.
Das einzige, wobei sich McKay ziemlich sicher war, war, dass Darlan tot war.
Und vielleicht hatten die Rebellen ja gewonnen. Er könnte sein, denn Darlan hatte mit Sicherheit einigen Schaden angerichtet, bevor er gestorben war. Schaden, der jetzt wohl gemeinsam von den Überlebenden repariert werden musste - egal ob Oberirdischer oder Unterirdischer. Vielleicht...
XXX
„Und?", fragte Sheppard, lässig gegen den Türrahmen gelehnt.
„Und was?", fragte McKay, schon leicht angenervt.
„Was war auf diesem Planeten? Ich weiß, du hast in Atlantis Datenbanken nachgesehen, und Gewelden sah eben ziemlich überrascht aus. Was hast du ihm erzählt?"
„Oh..." McKay sah auf und grinste kurz. „Naja, das, was die Revolutionäre gefunden hatten – was sie für ein Antikerlabor hielten... Es war eigentlich – ein Museum"
„Das ist alles?", fragte Sheppard. Er schien milde enttäuscht zu sein. „Deshalb hat es nicht funktioniert?"
„Natürlich nicht" McKay schnaubte. „Selbst rückständige Antikertechnologie wäre noch immer – nein, die Frage ist: Was war das für ein Museum?"
„Und?", fragte Sheppard ungeduldig. „Was war es denn für ein Museum?"
McKay grinste schief. „Ein Museum, in dem sie ihre großen Fehlschläge ausgestellt haben, um sich stets vor Augen zu führen, das auch sie fehlbar waren"
Sheppard riss die Augen auf. „Nein!"
„Doch. Ziemlich tragisch, eigentlich. Der Sarkophag – benutz ihn einmal zu oft und werde goa´uldmäßig böse. Die Ringe, die Darlan benutz hat – tja, innere Blutungen, Risse in Muskeln und Sehnen..."
„Unschön" Sheppard verzog das Gesicht, und McKay nickte und sagte dann:
„Dieses „Vom Erdboden verschluckt werden" sollte eigentlich nur ein lustiger Spezialeffekt für Kinder sein – mein Gen hat den Mechanismus leider aktiviert..."
Colonel Sheppard schüttelte ungläubig den Kopf, dann öffnete er noch mal den Mund, als ihm offenbar noch etwas einfiel.
„Hey, was war mit dem Antikerschild, von dem du mir erzählt hast?"
„Oh" Diesmal verzog McKay das Gesicht. „Wackelkontakt"
„Wackelkontakt?"
„Na ja, nicht wirklich Wackelkontakt, aber... manchmal funktioniert es und manchmal..."
„...nicht", sagte Sheppard, und schüttelte ungläubig den Kopf. „Und du hattest einfach nur Glück?"
„Sieht ganz so aus. Darlans Ringe – er hat genau die selben Effekte gespürt wie die anderen mit dem Erbcode – er war halt nur physisch in sehr guter Verfassung" McKay seufzte. „Er war irre"
„Oh ja, den Eindruck hatte ich auch..." Sheppard schüttelte sich angesichts der Erinnerung, trat dann nach vorne und zog den Laptop aus McKays Händen.
„Hey!"
„Du brauchst ´ne Pause. Komm, sie haben für heute Schokoladenpudding gemacht"
„Wirklich?" McKay schaute glücklich zur Tür, die schon geräuschlos aufglitt. Beide Männer traten hindurch und ließen ein halbdunkles Labor zurück, in dem hin und wieder geheimnisvolle Geräte „Piep" machten und Lichter unrhythmisch blinkten. Ihre Schritte verklangen, doch man konnte noch ihre Stimmen hören, die im Gang hallten.
„Meinst du..."
„Was?"
„Hast du jemals drüber nachgedacht, ob es in der Pegasusgalaxie Ansteckenden Irrsinn gibt?"
„Ansteckenden Irrsinn?"
„Ja, wie eine Krankheit... Ich meine, es ist doch wirklich..."
„Hm... Übertragbarer Wahnsinn – klingt eigentlich ganz logisch. Du hast recht, beeindruckend viele Leute hier scheinen eine... Schraube locker zu haben."
„Genau. Und sie leben nicht gerade einsam. All das Reisen durchs Stargate... praktisch kein Planet wird verschont..."
Die Stimme wurden abrupt leiser, als wären die Sprechenden um eine Ecke gebogen.
„Meinst du, wir sollten Beckett informieren?"
„Gute Idee. Vielleicht schlachtet er ein Huhn und steckt ein paar Nadeln in Stoffpuppen..."
Die Stimmen verklangen.
Und eigentlich war die Welt wieder ganz in Ordnung – so weit das sein konnte in einer Galaxie, in der es nur so von Weltraumvampiren und Genii wimmelte.
ENDE
Ein ganz glückliches Ende scheine ich nicht hinzukriegen - sorry. Ich hoffe, die Story hat euch trotzdem gefallen! Danke für die Reviews, und falls ich noch irgendwas vergessen habe zu erklären, teilt es mir mit, ich ändere das dann.
