- - CUT INTO - -

„Halte durch! Halte durch, halte durch!" Larry konnte sich nicht erinnern, wann seine Stimme das letzte Mal so erbärmlich gebebt hatte. Und es kam ihm so vor, als würde er dieses Geschrei vom Durchhalten nicht nur an Orange richten..Er sah, dass dessen Hemd in hellem, leuchtendem Blut geradezu erstrahlte. Was für ein makaberer Gedanke! Larry fluchte innerlich und versuchte, Orange den Gürtel zu öffnen, aber der wand sich vor Schmerzen und den Kopf hin und her werfend schrie er nur: „Scheiße!" Es klang so kindlich...so verängstigt... Larry biss die Zähne zusammen. Was der Junge jetzt nicht brauchte, war Mitleidsgetue. Er brauchte was Aufmunterndes, etwas, das ihn von seinem Schmerz ablenkte – wenigstens ein bisschen.
„Halt den Kopf still. Du haust sonst noch 'n Loch in den Boden."
Der Junge gab ein kurzes, schrilles Lachen von sich.
„Du willst doch hier nichts kaputt machen, oder?" Larry schaffte es jetzt den Lederriemen aus der Metallschnalle zu ziehen und endlich den Gürtel zu öffnen.
Die ganze Zeit stöhnte und wimmerte der Junge und jeder Laut schien Larry in den Magen zu treten.
Er öffnete den kleinen, schwarzen Hosenknopf. Seine Händen zitterten – verdammt noch mal...
Er nahm die Fingerspitzen, um ja keinen Druck auf die Wunde auszuüben und zog den Reißverschluss auf.
Blut – heißes, klitschiges Blut umhüllte seine Finger wie eine zweite, nasse Haut. Larry hatte schon so oft so viel Blut von so vielen Menschen an den Händen kleben gehabt, aber das hier war etwas anderes – etwas ganz anderes! Das war Oranges Blut, das Blut des Jungen!
Ein Schrei brannte sich seinen Weg seine Kehle aufwärts. Larry spannte jeden Muskel in seinem Körper, um ihm zu unterdrücken. Ruhig bleiben verdammt noch mal!
„Ich kann nichts weiter für dich tun", er versuchte seine Stimme fest klingen zu lassen, „aber wenn Joe erst hier ist", er stockte, fügte schnell hinzu: „und das wird sicher bald sein, dann kann er sich um einen Arzt für dich kümmern. – Okay, wir warten hier einfach auf Joe."
Larry atmete einmal tief durch, bemüht, es so zu machen, dass der Junge es nicht hören konnte.
„Auf wen warten wir hier?", und seine Stimme klang so sanft, so zart, so zerbrechlich...
„Joe", antwortete Orange und die Silbe klang wie ein einziges, bitteres Wimmern.
Larry hielt Oranges Kopf im Nacken und sah auf ihn herab, wie auf ein Kind, wie auf einen Sohn...
„Larry...ich hab so eine wahnsinnige Angst... man! Könntest du mich...im Arm halten?"
Der Junge sah zu ihm auf...dieser Blick... Noch nie hatte ihn jemand mit so großen, flehenden Augen angesehen. Larry hätte niemals gedacht, dass ihm so etwas so nahe gehen würde. Was hatte dieser Junge nur mit ihm gemacht? Das eigene Gesicht genauso schmerzverzerrt wie Orange legte er für einen Moment seine Stirn auf die des Jungen.
„Natürlich" sprach er so leise und seine Stimme verlor entgültig jegliche Kraft...
Er rutschte an Orange heran, legte sich neben ihn. In ihm war so ein berstender Schmerz, eine brennende Ohnmacht. Larry musste den Druck irgendwie loswerden. Er biss sich auf das Innenfleisch seiner Wangen. Ruhig werden...
„Ich werde sterben, ich werde sterben!", hatte der Junge im Auto voller Panik gebrüllt und er hatte zurückgeschrieen:
„Hey, jetzt hör auf mit der Scheiße – und zwar sofort! Du bist verletzt – du bist wirklich schwer verletzt, aber du wirst nicht sterben!"

Er hatte ihm und sich selbst ins Ohr geschrieen, dass er wieder gesund werden würde – dass er davon fest überzeugt sei. Und er wusste, dass es gelogen war und der Junge wusste es auch.
Aber was hätte er bitte tun sollen? Ihm sagen: Seh' ich auch so, du wirst krepieren an deinem Bauchschuss. Tut mir ja leid für dich, Junge, aber das wissen wir beide, dass du keine 6 Stunden mehr zu leben hast.> Hätte er das vielleicht sagen sollen, gottverdammte Scheiße!
Jetzt lag er da – mit Orange – auf dieser Rampe in einer sich stetig ausbreitenden Blutlache.
Er konnte die Wärme des Blutes an seinen Hosenbeinen, seinem Hemd und seinen Händen spüren. Diese typische, klitschige Wärme von Blut, bei der man sich nur noch übergeben will.
Larry hatte Angst. Er hatte eine Scheißangst um diesen Jungen, der da in seinen Armen lag und dem vor Furcht und Schmerz Tränen in den Augen standen!
Sieh mich nicht so an, Junge. Bitte, bitte sieh mich nicht so an. Ich weiß doch auch nicht! Was soll ich denn tun? Verdammt, sag mir doch, was ich tun soll!>
Larrys Herz jagte und obwohl er keine einzige Wunde hatte, war ihm, als würde bei jedem Schlag eine Welle von Schmerz aus SEINEM Bauch springen, seinen ganzen Körper überrollen, in seinen Kopf steigen, bis er keine klaren Bilder mehr sehen konnte.
Und plötzlich musste er wieder an letzte Nacht denken.

- - THIRD CUT BACK INTO THE NIGHT - -