PROLOG

„Tot ist er... Tot!"

Seine Stimme klang gefährlich und Angst einflößend und doch so weich und singend wie die eines Elben. Erregt schritt er in der großen Halle auf und ab. Seine Augen blitzten vor Hass und Zorn und seine Gesichtszüge waren so sehr verzerrt, dass man sie kaum noch erkennen konnte. Der Elb strahlte eine kaum beschreibbare Macht aus, einschüchternd, dunkel... und doch... seine aufgeregten Schritte passten nicht zu ihm. Er wirkte damit so... unecht, so künstlich.

„Leg' endlich diese unsägliche Gestalt ab! Sie steht dir überhaupt nicht." Eine junge Frau erschien aus dem Schatten der hinteren Bereiche des Raums. Ruhig hatte sie sich bisher das Verhalten des Elben angesehen.

Der Elb blieb stehen und starrte sie undeutbar an. Blitzschnell kam er dann auf sie zu, packte sie an den Haaren und zerrte diese brutal hinter ihrem Rücken so weit nach unten, dass die Frau gezwungen war, ihm direkt in die Augen zu schauen.

„Niemand... Hörst du? Niemand gibt mir Befehle", sagte er kalt und langsam betonend. Sein Blick schien die junge Frau zu durchbohren. Ein Hauch von Angst, den sie jedoch unter Kontrolle zu haben schien, glänzte in ihren Augen und der Elb spürte dies. Ein böses Grinsen erschien auf seinem Gesicht und er ließ wieder von ihr ab.

„Nichts ist so verlaufen, wie es sollte. Gar nichts. Hintergangen hat er mich!", fuhr er im aggressiv-kühlem Tonfall fort. „Dreihundert Jahre lang habe ich Celebrimbor gelehrt, wie man Macht an Gegenstände bindet, dreihundert. Und schließlich habe ich hundert Jahre damit zugebracht, ihm zu zeigen, wie man die Ringe herstellt, die ich für meine Pläne brauchte..."

Der Elb knirschte mit den Zähnen. „Dieser Celebrimbor, dieser Elbenschmied, Herr von Eregion... er war so viel klüger als von mir vermutet. Ich hätte es wissen müssen. Jemand, der in der Lage ist, nach einfachen Anweisungen die Ringe der Macht zu schmieden, beherrscht es danach auch allein. Kaum hatte ich Eregion für nur kurze Zeit verlassen, da schuf er drei mächtige Ringe für die Elben, mächtiger als alle anderen. Und sie sind weg... verschwunden. Celebrimbor hat sie versteckt oder weitergegeben, als er erkannte, wer ich wirklich bin."

„Du bist vor wenigen Tagen über Eregion hergefallen. Warum hast du ihn nicht gefangen genommen, gefoltert und gefragt?" Die Frau ging zu ihm hin und sah ihm direkt in die Augen.

„Wenn ich dich nicht noch bräuchte, ich würde dich töten für dein unverschämtes Verhalten", fauchte der Elb und eine Eiseskälte schwang in seiner Stimme mit.

Die Frau lächelte ihn unschuldig und gewinnend an. „Und? Hast du ihn gefragt?"

„Das habe ich. Aber er hat nichts preisgegeben. Ausgelacht hat er mich, als ich ihn nach den Ringen fragte. Seine Schmerzen müssen unvorstellbar gewesen sein – du kennst mich schon lange und weißt, dass ich ein Meister darin bin, Schmerzen zuzufügen. Und doch hatte er den Mut, mir in die Augen zu schauen und zu lachen. Aber ich weiß, er hat mich hintergangen... Noch viel mehr, als nur mit den drei Elbenringen."

Er stieß die vor ihm stehende Frau beiseite und ging wieder erregt auf und ab.

„Noch mehr als nur mit den drei Ringen? Woher weißt du das?", hauchte die junge Frau erstaunt.

„Ich habe es in seinen Augen gesehen... Sie blitzten auf als ich ihn fragte und ich wusste... es gibt noch mehr und er hat sie geschmiedet. Kannst du mir nicht sagen, was es gewesen sein könnte?", fragte er gefährlich kalt.

Die junge Frau zuckte hilflos mit den Schultern und schüttelte den Kopf. „Ich dachte immer, ich hätte sein Vertrauen genossen. Aber in den letzten Monaten war er sehr in sich gekehrt. Ständig bat er mich um irgendwelche belanglosen Gefallen, damit ich nicht in seiner Nähe sein konnte. Aber es schien nicht Boshaftigkeit oder Misstrauen mir gegenüber zu sein. Sorge lag immer auf seiner Stirn..." Nachdenklich wog sie ihren Kopf hin und her. „Und was geschah dann?"

„Dann? Dann starb er. Seine Wunden waren schwer, aber nicht so schwer, dass er daran hätte sterben müssen. Er wollte es. Nichts hielt ihn mehr am Leben und er hielt es für klüger seine faule Hülle hier zulassen und damit meinen Fragen zu entgehen. Er wusste, dass ich ihn in den Hallen von Mandos nicht erreichen kann. Zu gerne wüsste ich, was Celebrimbor heimlich getrieben hat", fuhr er fort. „Aber meine Orks haben alle anderen Elben in der Schmiede und im Palast Celebrimbors getötet und die Gebäude danach niedergebrannt – diese hirnlosen Kreaturen. Niemanden kann ich mehr fragen!"

„Und nun?", fragte die junge Frau schließlich und ging zu einem kleinen Tisch, um sich dort ein Glas Wasser aus einer Karaffe einzugießen. Mit Genugtuung beobachtete der Elb ihre animalischen Bewegungen und folgte ihr. Mit seinem Zeigefinger hob er ihr Kinn an und zwang sie so wieder, in seine Augen zu schauen.

„Du bist schön, wunderschön - für alle Völker Mittelerdes." Seine Stimme klang wieder ruhig und melodiös, aber auch gefährlich hoffnungsvoll. „Wie kann man nur so schön und doch so falsch und verdorben sein." Seine Hand glitt durch ihr schwarzes Haar, doch es war keine Geste der Zärtlichkeit, sondern vielmehr die Auskostung der Genugtuung, dass sein Plan durch sie umgesetzt werden könnte. „Jeden kannst du täuschen, wenn du es willst. Deine silbergrauen Augen werden jeden Furcht lehren, wenn du es willst... Und jeder wird sich in dich verlieben, wenn du es willst." Ein bösartiges Grinsen glitt über sein Gesicht. Er ließ wieder von ihr ab.

„Nimm diese vier Ringe hier und bringe sie zu den Zwergen. Schenke sie ihnen, versuche alles, damit sie sie an sich nehmen... Ich weiß, dir wird das gelingen. Die Ringe... sie werden sie verderben... werden ihren Geist wandeln... Sklaven ihrer Gier werden sie sein. Und wenn es soweit ist..." Er sprach nicht weiter. „Ich werde mich um die anderen drei Zwergenvölker kümmern."

Verstehend steckte die junge Frau die Ringe ein. „Ich werde mich sogleich auf den Weg machen. Der Weg ist lang genug."

„Ich habe noch etwas für dich, ein Geschenk", sagte er und holte aus einem kleinen Beutel einen weiteren Ring. „Hier. Auch diesen Ring hat mir Celebrimbor geschmiedet. Er tat dies nach meinen Anweisungen und es war einer der ersten dieser Art, die er je schuf. Du wirst dich ab jetzt im Hintergrund halten und unauffällig sein und dieser Ring wird dir helfen zu verbergen, wer du wirklich bist. Keiner wird dich erkennen und nur, wenn du ihn abnimmst oder mein Ring, den ich mir selbst schuf, zerstört wird, nur dann wird dieser Ring auch seine Macht verlieren."

„Warum bindest du die Macht dieses Ringes an Deinen Ring? Es wäre doch viel sinnvoller..."

„Schweig!" Er klang leise und bedrohlich. „Es war nie mein Plan, dass dieser Ring zum Einsatz kommt. Er war einer der ersten, an denen Celebrimbor üben sollte. Natürlich musste ich dafür sorgen, dass auch dieser Ring an meinen gebunden sein würde. Wie hätte ich später Celebrimbor erklären sollen, warum die anderen Ringe anders geschmiedet werden sollen? Ich gebe ihn dir, weil ich ihn habe und weil er dir nützlich sein könnte. Meine Identität ist jetzt bekannt, er nutzt mir nichts mehr. Dir aber wird er nutzen. Trage ihn!"

Die Frau ergriff den Ring und ihre Augen funkelten auf. „Man nennt dich nicht ohne Grund, den Herrn der Geschenke", flüsterte sie ehrfürchtig. „Ich werde jetzt gehen und dein Werk fortführen, solltest du scheitern. Aber was ist mit Celebrimbor? Was ist mit seinem Geheimnis?"

Der Elb sah sie scharf an. „Was soll damit sein? Er war ein Künstler und Handwerker... und er war sehr von sich eingenommen. Ehrgeiz und Wissensdurst haben ihn geblendet und obwohl er alle Möglichkeiten der Welt hatte, schmiedete er die Elbenringe in einer Art, dass sie allein dem Aufbau und Erhalt seiner Rasse dienten. Diese Ringe sind gefährlich, denn sie machen die Elben als Rasse stark, aber sie können nicht dabei helfen Feinde zu besiegen... oder mich zu besiegen. Was immer Celebrimbor noch geschaffen hat, es wird genau so sein."

Der Elb bemerkte den zweifelnden Blick der Frau nicht und sah nur, wie sie sich den Ring auf den Finger schob. Dann lächelte sie dem Elben noch einmal zum Abschied zu und verschwand.

Mehr als 4700 Jahre vergingen. Das Geheimnis um die Frau und um den von Celebrimbor geschaffenen Gegenstand schien verschollen.

Doch am 25. März des Jahres 3019 im dritten Zeitalter der Sonne nahm sie den Ring wieder ab und sie setzte etwas in Gang, was selbst einen Teil der müden Gefährten des Ringträgers Frodo betreffen sollte.