Eine neue Gemeinschaft
Kalter Oktoberwind rauschte durch die Spalten der spitzen Gesteinsformationen der letzten Ausläufer der Hithaeglir, den einst von Morgoth aufgetürmten Felsen, um Oromës Jagdritte zu verhindern. Oben, an den etwa 12.000 Fuß hohen Gipfeln des Gebirges, sammelten sich Unmengen von Wolken, die wie große Nebelfelder die Sicht versperrten. Bedrohlich und abwehrend wirkte das Nebelgebirge auf alle, die sich entschließen wollten, es zu überqueren. Es gab nur wenige Wege über die roten und grauen Felsen und die meisten waren nicht zu jeder Jahreszeit passierbar. Immer wieder war es eine Herausforderung, sich den ständigen Wetterumschwüngen, der schlechten Sicht und den beschwerlichen Wegen zu stellen, aber dennoch fanden sich mutige Wanderer, die den langen Umweg über die Pforte von Rohan scheuten und der Natur trotzten.
Zwei von ihnen hatten vor wenigen Tagen den Höhepunkt des „Hohen Passes" passiert und liefen nun an einem der Quellflüsse des Bruinen entlang, um die Furt über den Bruinen zu erreichen. Ihr Ziel war Imladris, eine kunstvoll gebaute Elbenhochburg unter der Herrschaft Elronds.
Der hintere der beiden war ein Zwerg. Seine rotbraunen lockigen Barthaare waren zu einem Zopf geflochten. Trotz der damit entstandenen Ordnung in seinem Gesicht, war dieses kaum zu erkennen. Ein prachtvoll verzierter Helm rutschte ihm tief über die Ohren und wildes Haar schaute darunter hervor. Zu sehen waren nur ein Paar gutmütiger und lustig dreinschauender Augen. In der Hand hielt der Zwerg eine prachtvolle doppelschneidige Kriegsaxt. Die Rüstung an seinem Körper machte seine höchstens fünf Fuß kleine Gestalt noch gedungener und schwerfälliger. Es musste schon sehr erstaunen, dass der Zwerg so gut in der Lage war, den leichtfüßigen Schritten der vor ihm gehenden Gestalt zu folgen.
Dieser war ein hoch gewachsener, schlanker Elb, ein Mann vom „schönen Volk", und wäre der erstere nicht ein Zwerg, dann hätte wohl auch er zugeben müssen, dass diese Bezeichnung der Elben auch hier durchaus zutreffend war. Langes, leuchtend blondes Haar, teilweise zu Zöpfen geflochten, fiel ihm über die Schultern und verbarg, zusammen mit einem prall gefüllten Pfeilköcher, zwei Kurzschwerter auf seinem Rücken. Zwischen den Haaren lugten spitze, wie ein Baumblatt geformte Ohren hervor. In der Hand hielt er einen wundervoll verzierten Bogen, wie ihn nur Elben haben. Seine Haut war elfenbeinfarben und ohne Makel. Sein Alter war nicht zu erkennen, aber wäre er ein Mensch, so hätte man ihn mit Sicherheit auf etwa zwanzig Jahre geschätzt.
Seine blauen Augen musterten aufmerksam und konzentriert die Umgebung des Waldes, den die beiden Wanderer gerade erreicht hatten. Es war nicht mehr weit bis zur Furt. Die Gegend erforderte jedoch trotzdem höchste Aufmerksamkeit, denn auch wenige Monate nach der Zerstörung des EINEN RINGS streunten noch immer plündernde Orkhorden, Südländer und andere Räuber durch die Landschaften. Nur wenige Teile Mittelerdes waren seitdem wirklich befriedet worden und diese Gegend hier gehörte noch nicht dazu.
„Der Wald schweigt heute. Es wird einen blutigen Kampf geben", sagte der Elb plötzlich. Hoch aufgerichtet spähte er durch die Äste, bevor er wieder die nächste Waldlichtung betreten wollte. Der Zwerg versuchte sich an ihm vorbeizudrängen, wurde aber vom Elben an der Schulter zurückgehalten.
„Hörst du es nicht oder ist dein Kopf zu nah am Boden, dass das Wachsen der Gräser alle anderen Geräusche übertönt, Gimli?", sagte er.
„Hören? Was? Ich habe nicht so große Ohren wie du, Herr Elb! Wenn ich Ohren wie ein Olifant hätte, wäre ich sicher besser dran."
Aber er versuchte zu lauschen. Beim besten Willen, er konnte einfach nichts wahrnehmen. Er wandte sich mit dem Gesicht zur Seite, als er überraschenderweise in seinen Augenwinkeln einen Schatten vorbeihuschen sah. Dieser war jedoch so schnell, dass Gimli nicht genug Zeit hatte, seine Axt auch nur in Position zu bringen.
„Legolas!", flüsterte er. „Hast du das auch gesehen?" Der Elb legte ihm die Hand vor den Mund, bevor Gimli auch nur ein weiteres Wort von sich geben konnte. Jetzt konnte selbst er die Geräusche hören. Einige Zweige knackten und das Keuchen von mehreren Personen war zu hören.
„Renn!", rief Legolas plötzlich und begann zwischen den Bäumen hindurch zu spurten.
Gimli versuchte Legolas so gut wie möglich zu folgen, aber seine kurzen Beine trugen ihn nicht annähernd so schnell, wie die von Legolas. Er fühlte schon, wie sein Atem immer schwerer ging. Die Lunge schien ihm fast zu platzen und so entschloss er sich, sich dem Gegner zu stellen. Seine Axt hebend wandte er sich um und erblickte eine Horde Orks, vielleicht fünfzig, die sich ihm äußerst schnell näherten. Gimli fühlte den Windzug einiger Pfeile, die Legolas, verborgen zwischen den Bäumen des Waldes, abgeschossen haben musste. Gimli war immer wieder von der Geschwindigkeit und Treffgenauigkeit seines Begleiters beeindruckt. Ohne diese Fähigkeiten hätten die Gefährten des Ringträgers sicherlich einen schwereren Stand gehabt.
Er sah, wie die ersten Orks stürzten und die Reihen sich lichteten, aber da waren sie auch schon über ihm. Schwungvoll holte er aus und ließ die Axt auf die Rüstungen der Orks niedersausen. Blutend und schreiend fielen die Getroffenen, aber Gimli wusste auch, dass es trotzdem viel zu viele waren, um sie allein zu bekämpfen, auch wenn Legolas fleißig weiter seine Pfeile auf die Orks niederprasseln ließ.
Die Horde Orks schien von Gimlis Gegenangriff nicht beeindruckt und obwohl sich ihre Gruppe um zehn Orks verkleinert hatte, drangen alle weiter in seine Richtung. Doch zu Gimlis und Legolas' Überraschung, rannten sie an Gimli vorüber zum nächsten Waldabschnitt hin.
„Was soll das? Wo wollt ihr hin? Das macht doch keinen Spaß!", rief Gimli scherzend hinterher, aber doch eigentlich froh, dass der Kampf nicht angedauert hatte. Missmutig beobachtete er, wie Legolas ihm winkte, den Orks zu folgen.
„Warum hinterher? Sollten wir nicht froh sein, dass die kein Interesse an uns hatten?"
„Willst du, Gimli Glóinssohn, nicht auch wissen, was die vorhaben?"
„Äh... Nein? Um nichts in der Welt! Dann müsste ich mich vielleicht noch einmischen und helfen – und wohin das führt, habe ich mit dir leider vor kurzem erst erfahren müssen..."
Der Elb lächelte ihn während des Laufens amüsiert an. „Du meinst, es hat dir leid getan, die schöne Zwergin an ihrem Bart aus dem Loch zu ziehen, in das sie hineingefallen war? Du wirst das nächste mal nicht auf ein solch herzerweichendes Wimmern hören? Hat dir die Nacht danach mit ihr nicht gefallen?"
Er hörte nur ein grummelndes „Hrmpf!" von dem Zwerg links unten neben sich. „Erstens hätte ich sie nie am Bart aus dem Loch gezogen, wenn ich gewusst hätte, dass sie das in irgendeiner Weise falsch verstehen könnte. Außerdem hat sie gesagt, ihre Arme seien durch den Sturz verletzt und es würde schmerzen, sie daran zu ziehen. Und wer hätte ahnen können, dass das alles nur eine Falle war, um einen neuen Vater für ihre sieben kleinen Zwerge zu finden. Heiraten! Weiber!", kam eine entrüstete Antwort von Gimli hinterher geschoben.
Während sie rannten, hörten sie ein immer lauter werdendes Kampfgetöse. Auf einer vor ihnen liegenden Lichtung spielte sich ein grausames Schauspiel ab. Orks lagen schreiend und blutend am Boden, weitere hieben auf eine hoch gewachsene Person ein, die sich intensiv mit je einem elbischen Kurzschwert in einer Hand gegen den Angriff wehrte. Legolas und Gimli blieben überrascht stehen. Die Gestalt hatte schon mehr als zehn der angreifenden Orks scheinbar ohne jede Hilfe allein beseitigt oder zumindest kampfunfähig gemacht.
Legolas riss sofort seinen Bogen von der Schulter und erlegte gezielt einzelne Orks. Gimli hob erneut seine Axt und drang auf die Orkschar ein. Irgendwie hatte er jedoch das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Während er auf die Orks einschlug wurde er plötzlich von einem kräftigen Hieb am linken Bein getroffen, so dass er in die Knie gehen musste. Mit all seiner Kraft schlug er mit der Axt auf alles und jeden ein, der sich ihm zu nähern versuchte. Als er schon glaubte, dass seine Kräfte ihn gleich verlassen würden, wurde es ruhiger um ihn. Er schaute sich um und sah, wie die wenigen, übrig gebliebenen Orks die Flucht ergriffen, während um ihn herum das Blut aus den Wunden der Toten und Verletzten sickerte. Legolas stand noch immer am Waldrand und schoss ihnen Pfeile hinterher. Als sich Gimli zu der kämpfenden, unbekannten Gestalt umwandte, gewahrte er nur noch, wie diese wie ein Schatten im Wald verschwand.
„Uff. Das war knapp", stöhnte er, aber das Stöhnen bezog sich mehr auf den Schmerz in seinem linken Bein als auf die Tatsache, dass er nur knapp dem Tod entronnen war.
Legolas eilte zu ihm und untersuchte die Wunde. „Nur ein kleiner Kratzer, mein Freund. Das heilt wieder, aber wie machst du das nur? Da kämpfst du im Ringkrieg gegen Tausende von Orks und hier holst du dir bei so einer kleinen Horde gleich eine Verletzung. Ich wollte sowieso rasten, da es schon dunkel ist und wir Imladris heute nicht mehr erreicht hätten. Ich werde mich dann um die Wunde kümmern." Sein fröhliches, sympathisches Lächeln hob die Stimmung des Zwerges erheblich.
„Aber können wir nicht wenigstens..."
Er unterbrach seinen Redefluss, als sich die dunkel gekleidete, hoch gewachsene Gestalt wieder zwischen den Bäumen hervor schob. Legolas schien sie mit seinem feinen Gehör schon bemerkt zu haben, denn er hielt seinen Bogen bereit. Neugierig und aufmerksam beäugte er den Ankömmling. Größe und Statur der Gestalt wiesen auf einen Elben hin, aber der lange Umhang, der fast auf dem Boden schleifte, war geschlossen, so dass man außer den Lederstiefeln nichts von der Kleidung darunter sehen konnte und eine große Kapuze verdeckte das Gesicht und die Ohren. Die Gestalt hatte ein aufwendig verziertes Kurzschwert in jeder Hand. Sie waren elbisch, aber Legolas kannte die Machart nicht. Vielleicht waren sie schon sehr, sehr alt.
Obwohl es offensichtlich war, dass der Unbekannte in voller Wahrnehmung der beiden anderen auf die Lichtung trat, vermittelte er ihnen das Gefühl, als wären sie nicht vorhanden. Das Gesicht des Unbekannten war in die Richtung des Nebelgebirges gewandt, in welche die überlebenden Orks geflüchtet waren. Er schien aufmerksam zu lauschen und auch Legolas konzentrierte sich mit seinem Gehör in die Richtung, in die der Unbekannte schaute.
„Sie entfernen sich", stellte Legolas nach einigen, Gimli endlos erscheinenden Minuten, fest.
Der Fremde nickte. „Schert euch, so schnell es geht, nach Imladris – auch wenn der Zwerg verletzt ist." Es war ein harscher Befehlston, gesprochen im saubersten Sindarin. „Hier!"
Eine Hand des Fremden griff in eine Tasche des Umhangs und zog einen kleinen Beutel daraus hervor. Der Beutel war schwarz und mit goldenen und silbernen Fäden reich bestickt. Der Fremde warf den Beutel zu Legolas, welcher ihn geschickt auffing. Dann wandte er sich um und verschwand lautlos wieder im Wald. Zurück ließ er nur einen verblüfften Zwerg und einen Elben, der in dem Beutel Heilkräuter und Verbandszeug fand, die er sogleich an Gimli ausprobierte.
„Was war denn das?", grummelte Gimli, nachdem er sich wieder etwas gefasst hatte. „Nun, wer oder was auch immer, er hat uns keine Befehle zu geben. Wir waren Krieger im Ringkrieg. Wir wissen selber, was zu tun ist." Auch Legolas blickte verstimmt dem Fremden hinterher.
Nachdem die Verletzung versorgt war machten sie sich auf, um noch so viel Wegstrecke wie möglich bis zum Abend zu schafften.
In einem tiefen Tal, verborgen vor flüchtigen Blicken vorbeiziehender Wanderer, befand sich Imladris, von den Menschen auch Bruchtal genannt. Es war das Reich von Elrond, gegründet mit Hilfe der überlebenden noldorischen Elben aus Eregion, über welches einst Sauron mit Brachialgewalt herfiel. Imladris war inzwischen zu einem wunderschönen Ort der Ruhe, der Künstler, des Feierns und der Heilung geworden. Müde Wanderer konnten sich hier erholen und Elrond half allen, die sich gegen die dunklen Mächte wandten. Man konnte Imladris nur über einen kleinen Pfad, welcher schließlich über eine Steinbrücke führte, erreichen. Hatte man diesen Weg gefunden, so eröffnete sich einem ein Blick auf eine wundervolle Landschaft, die die Seele bezauberte und die Zeit vergessen ließ. Linker Hand stürzte sich ein Wasserfall in den Bruinen. Die Schönheit dieser Naturgewalt ließ Imladris noch überirdischer erscheinen. Zu rechter Hand befand sich ein Terrassenpfad, der zu einem Steinsitz führte. Er erlaubte es Spaziergängern, über den Ufern des Bruinen entlang zu wandeln und die Ruhe und Natur sowie die prachtvollen Gärten zu genießen. Im vorderen Bereich des Tales stand ein großes Haus. Es war bei weitem das größte in Imladris. Es war der Sitz Elronds.
Dorthin zog es Legolas und Gimli. Beide waren erschöpft. Gimlis Verletzung war zwar nicht schlimm und die Kräuter des Unbekannten hatten ihm geholfen, trotz allem sehnte er sich nach Ruhe und Erholung.
Sie überschritten die kleine Steinbrücke und folgten dem Pfad, der zu Elronds Haus gehörte. Legolas war schon öfter hier gewesen und die Schönheit der Umgebung zog ihn nicht mehr so sehr in den Bann, wie es bei Gimli der Fall war. Aber da er sich nach einem Bad und einer Nacht gesunden Schlafes sehnte, zog er Gimli immer wieder an dessen Schulter und trieb ihn zur Eile an. Schließlich erreichten sie die Stufen zur westlichen Terrasse.
Wie Legolas erwartet hatte, stand ein Elb zu ihrem Empfang bereit. Nicht, dass Elrond über die Ankunft der beiden Gefährten informiert gewesen wäre, aber eine der interessantesten Fähigkeiten Elronds war neben der Heilung die Fähigkeit, die Zukunft vorhersehen zu können. Er konnte bestimmte Ereignisse zumindest erahnen oder auch besser einschätzen. Dies machte ihn zu einem guten Berater im Kampf gegen die dunklen Mächte.
Erinnerungen keimten in Gimli und Legolas auf. Hier war es gewesen, als beide eine schicksalhafte Entscheidung getroffen hatten, eine Entscheidung, welche den Tod hätte bedeuten können. Hier war es, als sich die neun Gefährten zusammenfanden, um gemeinsam den Ring nach Mordor zu bringen. Vieles hatte sich anders entwickelt, als sie es zu Beginn der Reise erwartet hatten, aber alles hatte sich zum Guten gewendet. Der EINE RING war zerstört und mit ihm Sauron. Nie mehr würde sich dieser abtrünnige Maia über Mittelerde erheben können. Sein Gedankengut und das seines Meisters Morgoth würden für immer verschwinden.
Der Elb, der sie auf der Treppe empfing lächelte sie freundlich und würdevoll an. „Seid willkommen. Ihr werdet bereits auf der östlichen Terrasse erwartet."
Gerade als Legolas sich in die entsprechende Richtung wenden wollte, huschte eine blaue Gestalt auf ihn zu.
„Prinz Legolas! Ich habe gehört, dass ihr kommen würdet. Ich freue mich ja so. Freut ihr euch auch?", hauchte eine hübsche Elbe. Sie hatte braune Haare, die ihr über die Schultern fielen. In das Haar war aufwendig verzierter Schmuck eingeflochten, der perfekt zu ihrem blauen Kleid und ihren Augen passte. Alles in allem war sie sehr attraktiv und anziehend.
Legolas sah sie einen Moment lang verwirrt an und wendete dann seinen Kopf ab. „Ähm. Ich bin mir nicht sicher", murmelte er und wollte an der Elbe vorbei, aber sie hielt ihn sanft am Arm fest.
„Oh. Es ist so wundervoll. Wollen wir heute Abend zusammen speisen? Ich werde mein schönstes Kleid anziehen", zwitscherte sie, seine Antwort ignorierend. Gimli stützte sich inzwischen auf seine Axt und grinste über diese Szene.
„Ähm... Ich denke nicht", murmelte Legolas wieder und sah die Elbe noch immer nicht an. Dann blitzten seine Augen auf und er starrte in ihre. „Aber vielleicht wollt ihr mit meinem Freund Gimli speisen. Er würde sich sehr geehrt fühlen." Er hörte Gimli entrüstet japsen, aber die Elbe lachte nur herzlich.
„Ihr beliebt zu scherzen. Ich liebe es, wenn ihr scherzt."
Legolas spielte nervös mit seinen Fingern und sah wieder auf den Boden. „Oh!", sagte er plötzlich zu Gimli. „Man hat uns gerufen. Man erwartet uns!", und ohne einen Abschied oder einen weiteren Blick zu verschwenden lief er an der Elbe vorbei und eilte zur östlichen Terrasse. Traurig sah ihm die Elbe hinterher. Sie hatte es doch nur gut gemeint.
Die östliche Terrasse war eine Steinplattform, die einen atemberaubenden Blick auf die Gärten von Imladris erlaubte! Sowohl Gimli als auch Legolas erinnerten sich an diesen Ort der Beratung, den Ort, an dem sie die Entscheidung trafen, Gefährten des Ringträgers zu werden. Angespannt folgten sie dem Elben, der sie durch die Halle am Glockenturm vorbeiführte.
Überrascht hielt Legolas inne, als er einen ersten Blick über eine Gruppe von Elben gleiten ließ, die sich hier versammelt hatten. Zu frisch waren die Erinnerungen an den Rat Elronds vor dem Ringkrieg.
Ein dunkelhaariger Elb von zeitlosem Aussehen wandte sich zu ihnen um. Er trug einen silbernen Stirnreif. Edler Stoff umschloss seinen schlanken Körper. Seine Augen blitzen vor Energie und er strahlte eine Erhabenheit aus, die man von einem Herrscher erwarten würde. Elrond.
„Seid gegrüßt, Prinz Legolas vom Eryn Lasgalen und Gimli Glóinssohn! Ich freue mich, dass ihr zu dieser Ratssitzung noch rechtzeitig eingetroffen seid. Wir haben euch schon erwartet."
Er winkte mit einer Hand und einige Elben eilten herbei und brachten den Neuankömmlingen etwas Erfrischendes zu trinken. Elrond wies mit einer Hand auf zwei freie Sitzplätze und Legolas und Gimli ließen sich nieder. Aufmerksam musterte Legolas die anwesenden Elben. In der hintersten Ecke sah er ein Zwillingspärchen, Elrohir und Elladan, die Söhne Elronds, die sich lebhaft unterhielten. Sie schienen seine Anwesenheit noch nicht bemerkt zu haben – oder wollten es nicht. Es waren zwei lustige Burschen, dunkelhaarig wie ihr Vater. Jugendlich war ihr Äußeres, auch wenn sie etwa drei Mal so alt waren wie er selbst. Er kannte sie nicht nur aus Imladris, sondern auch aus dem Ringkrieg. Die beiden Orkhasser hatten es sich nicht nehmen lassen, auch in die Schlacht zu ziehen.
Auf der entgegen gesetzten Seite erblickte er Haldir. Der blonde Elb war nach Legolas' Meinung ein sehr zuverlässiger Kamerad. Aber er war immer ein wenig steif und sehr korrekt in allem, was er tat. Haldir unterhielt sich mit Amlugûr, einem Krieger aus der Grenzwache Elronds. Amlugûr war eigentlich nicht viel älter als die Zwillingssöhne Elronds, aber er nahm sich selbst viel zu ernst. Seine Liebesaffären mit Elben waren weithin bekannt und er glaubte von sich selbst, er sei in jeder Hinsicht perfekt. Das spiegelte sich in seinen Gesichtszügen wieder.
„Die dunklen Zeiten, verursacht durch Sauron, sind vorüber", wurde Legolas aus seinen Gedanken durch den Beginn der Rede Elronds gerissen.
„Sauron ist besiegt und mit ihm der größte Teil seiner Armeen. Gute Zeiten scheinen nun für die Völker Mittelerdes anzubrechen, für die Menschen, die Zwerge und die Elben, aber vor allem für die Menschen", fuhr Elrond fort.
„Die Zeit der Elben neigt sich dem Ende zu. Mehr und mehr verlassen Mittelerde und gehen nach Valinor und doch... das Schicksal Mittelerdes darf uns nicht unwichtig sein. Es geht uns etwas an, uns alle. Es streift uns nicht nur wie ein Lufthauch – es ist die Luft selbst, die wir atmen, denn unser Sein hängt vom Sein Ardas ab. Und so betrifft es uns auch, dass neue dunkle Zeiten drohen."
Elrond schaute in die Runde, um die Reaktionen der Anwesenden abzuschätzen. Auch Legolas nutzte diesen Moment, um sich die Gesichter genauer anzusehen. Die meisten blickten sehr angespannt und interessiert auf die Lippen Elronds. Nur dessen Söhne, Elladan und Elrohir, sowie Amlugûr und Haldir wirkten sehr gelassen. Wahrscheinlich kannten sie die Nachrichten bereits. Legolas selbst fühlte sich bei dem Bericht Elronds wie erschlagen. Anstrengend, sehr anstrengend waren die Zeiten mit den Gefährten gewesen. Wie viel Blut hatte er sehen müssen! Menschen und Elben starben dafür, dass der Halbling Frodo die Chance bekam, den Ring in den Vulkan zu werfen. War alles umsonst gewesen?
Als hätte Elrond die Gedanken des jungen Elben lesen können fuhr er fort.
„Der Ringkrieg war nicht umsonst. Sauron ist geschlagen und er war ein mächtiger Gegner. Die dunklen Zeiten stehen heute nicht so unmittelbar bevor wie zurzeit des Rates noch vor einem Jahr, aber... sie sind bereits sichtbar – in Galadriels Spiegel."
Er machte eine bedeutungsvolle Pause, bevor er weitersprach.
„Undeutlich und verschwommen sind die Bilder, schwer zu deuten und zu verstehen und doch... Galadriel ist sich sicher, dass etwas unternommen werden muss. Und auch ich vermag es in mir zu spüren – eine Unruhe, deren genauen Grund ich noch nicht kenne. Etwas Neues, bisher noch nie Gesehenes, hat seinen Weg hierher in den Westen Mittelerdes gefunden. Auch ich bin sicher, dass es unsere Aufgabe ist, sich darum zu kümmern. Wir müssen herausfinden, welcher Art die dunkle Macht ist, welche Gefahr uns droht. Nicht ein großes Heer von Elben kann diese Aufgabe lösen - es gibt auch keine großen Elbenheere mehr. Nur eine Gemeinschaft, so wie die Gemeinschaft des Ringes, muss aufbrechen und die Geheimnisse versuchen zu lüften. Und deshalb sind wir hier versammelt – um eine solche Gemeinschaft zu bilden."
Elrond pausierte wieder, um den Anwesenden ein wenig Zeit zum Nachdenken zu geben. Erwartungsvoll blickte er in die Runde.
„Zweifel spricht aus Euren Gesichtern und er ist nachzuvollziehen. Es gibt bisher keine weiteren Erkenntnisse und deshalb muss der Weg zunächst nach Lórien führen, zu Galadriel und ihrem Spiegel. Ihrem weiteren Bemühen wird es hoffentlich zu verdanken sein, wenn wir mehr über den weiteren Weg der Gemeinschaft und über die drohende Gefahr erfahren."
„Aber von wem sollte diese Gefahr ausgehen? Sauron, der Diener Morgoths, ist vernichtet und auch Morgoth selbst weilt nicht mehr auf Mittelerde. Wer könnte so mächtig sein, eine Gefahr für Mittelerde darzustellen?", fragte ein Elb, der Legolas vollkommen unbekannt war.
Elrond sah den Elben ernst an.
„Ihr stellt eine weise Frage, Mithlondion, Sohn der grauen Anfurten. Eine Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Morgoths Arm war lang... sehr lang und er ist nicht wirklich verschwunden. Er hat den Samen seiner Gedanken in ganz Mittelerde verbreitet. Viele solcher Samen gibt es und sie müssen nur aufgehen, wachsen und gedeihen. Schaut euch Sauron an. Einst war er ein Schüler Aulës, doch die Gedanken Morgoths wuchsen auch in ihm wie ein kleines Pflänzchen und so wechselte er die Seiten und wurde ein Diener Morgoths, selbst darauf bedacht die Ziele seines Herren weiterzuführen. Niemand ist vor diesen Gedanken wirklich geschützt und der Samen kann in jedem wachsen. Es ist Teil der Aufgabe der Gemeinschaft, diese Frage zu beantworten."
„Welche Art von Hilfe bekommen wir?", fragte ein anderer Elb.
Elrond sah ihn lange und durchdringend an.
„Leider erreichten mich die Nachrichten, die mir Haldir von Galadriel überbrachte, recht spät. Gandalf und die vier Hobbits sind bereits vor einigen Wochen zurück ins Auenland aufgebrochen und werden schwer zu finden und einzuholen sein. Diese Art von Hilfe kann ich nicht gewähren. Aber natürlich werde ich Ausrüstung zur Verfügung stellen, soweit ich kann und ich bin sicher, dass auch Galadriel dieses tun wird."
Elrond machte eine Pause und wartete auf weitere Fragen. Die Köpfe der meisten Anwesenden waren gesenkt. Legolas konnte verstehen, warum die Gemeinschaft sich nicht so schnell bildete, wie vielleicht von Elrond erhofft. Zu ungenau waren die Einzelheiten der Aufgabe, die sie zu lösen hatten.
„Nun, mir ist bekannt, dass sowohl meine Söhne Elrohir und Elladan als auch Amlugûr daran interessiert sind, der Gruppe beizutreten", fuhr Elrond schließlich fort. „Auch Haldir o Lórien und seine vier Begleiter werden zumindest den Weg bis Lórien einschlagen, da sie dorthin zurückkehren wollen."
Legolas kämpfte innerlich mit sich. Er war gerade erst aus dem Ringkrieg zurückgekehrt. Die letzten Monate waren zwar nicht sehr anstrengend gewesen, denn immerhin war der Ring bereits seit sieben Monaten zerstört und in dieser Zeit war er mit Gimli durch Mittelerde gereist, ein wenig rastlos zwar, doch nun sehnte er sich eigentlich nach etwas Ruhe. Aber konnte man so eine bestehende Bedrohung einfach ignorieren? Er beobachtete, wie einige der anwesenden Elben die Köpfe schüttelten, andere wiederum energisch aufeinander einredeten.
„Hähm!", räusperte sich Gimli plötzlich. „Meine Axt für diese Aufgabe!", rief er dann laut aus.
Legolas blickte überrascht auf seinen Freund. Hatte dieser wirklich gerade zugestimmt? Gimli schaute verlegen zur Seite, als er Legolas' fragenden Blick bemerkte. Galadriel! - durchfuhr es Legolas und er lächelte mild über die Schwäche seines kleinen Freundes. Gimli konnte einer Bitte der schönsten Frau auf Mittelerde, jedenfalls nach Gimlis Meinung, nicht widerstehen. Noch immer trug er die blonden Haarlocken von ihr in einem kleinen Beutelchen ganz nah an seinem Herzen und Legolas, der sich sonst über viele Angewohnheiten der Zwerge lustig machte, vermied es immer, auch darüber zu scherzen. Zu nah würde es dem Zwerg gehen und Legolas respektierte diese Schwäche.
Sich ohne seinen Freund von den Strapazen zu erholen, das lag Legolas fern. Er konnte Gimli nicht allein in die Ungewissheit laufen lassen. Was hatte er selbst auch schon Besseres zu tun?
„Auch meinen Bogen für diese Aufgabe!", rief er laut und deutlich Elrond zu, dessen angespanntes Gesicht sich plötzlich löste und fast schien es, als sei er erleichtert über die Entscheidung der beiden. Kaum hatte Legolas genickt, meldeten sich weitere Elben, die sich der Gruppe anschließen wollten. Als sich die Unruhe, die dabei entstanden war, wieder gelegt hatte, waren es insgesamt zwanzig Elben und ein Zwerg, einschließlich der fünf lórischen Boten, die bereit waren, sich für den Aufbruch zu rüsten.
„Nun, Legolas!", flüsterte Gimli dem Elben zu. „Wie es scheint, bist du hier die Führungsperson." Legolas nickte stolz. Dass seine Zustimmung so eine Wirkung haben würde, hätte er nicht gedacht.
Elrond schien zufrieden zu sein. „Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass Vieles bisher unbekannt ist. Trotzdem bestehen Galadriel und ich darauf, dass hierüber äußerste Diskretion gewahrt wird. Zu niemandem ein Wort!" Er bat alle Elben, die sich nicht freiwillig gemeldet hatten, die Terrasse zu verlassen, da nun eine Besprechung folgen sollte, die nicht mehr für ihre Ohren bestimmt sei.
Als die Terrasse sich geleert hatte und Ruhe eingekehrt wa, trat Elrond wieder vor die Gruppe: „Zunächst würde ich alle Anwesenden bitten, sich kurz vorzustellen. Ich denke es ist in aller Interesse, dass man sich vor so einer großen Reise kennen lernt. Danach möchte ich gerne mit allen über den einzuschlagenden Weg sprechen."
Einer nach dem andern erhob sich, nannte seinen Namen und aus welcher Region Mittelerdes er stammte. So erfuhr Legolas, dass neben Haldir Orodben, Berion, Galwion und Valarin aus Lórien kamen, neben Amlugûr, Elladan und Elrohir noch Aneru, Talfbenn, Maethrim, Lhainir und Rhavan in der Umgebung von Imladris wohnten und Mithlondion, Degilrim, Taurol, Rochdil, Rhîon und Uiwador den weiten Weg aus Lindon bzw. den Grauen Anfurten angetreten waren. Es überraschte ihn, da doch die Nachricht von der Herrin Galadriel vor kurzem erst eingetroffen war. Erst später erfuhr er, dass die Gruppe aus Lindon eigentlich nur einen Besuch in Imladris geplant hatte und deshalb eher zufällig dazugestoßen war.
„Über den „Hohen Pass" wird die Reise fast unmöglich sein", teilte Legolas den Anwesenden nach einer heftigen Diskussion über die Frage, ob man über die Pforte von Rohan gehen sollte, mit. Die Pforte von Rohan war weit und man hatte mehr als sechshundert Meilen Weg hinter sich zu bringen.
„Gimli und ich hatten bereits jetzt große Schwierigkeiten, den Pass zu überwinden. Nicht nur, dass der Winter in den höheren Bereichen bereits ausgebrochen ist, es hat auch einige Steinschläge hinter uns gegeben und man muss wahrscheinlich im Frühling sehen, wie begehbar der Weg ist."
„Nun, da gäbe es den Weg durch Moria!", schlug Gimli vor. Wie erstarrt schauten ihn die Elben an, als ob sein Verstand seinen Körper verlassen hätte.
„Moria?", fragte Legolas völlig entgeistert. „So einen Vorschlag kann auch nur von einem Zwerg kommen! Schon einmal sind wir durch Moria gegangen. Nicht nur, dass es dort vielleicht noch Horden von Orks gibt! Es ist einfach nur...", ihm fehlten die Worte.
Gimli war überrascht über die Heftigkeit, mit welcher Legolas diesen Vorschlag ablehnte. Er war ein wenig beleidigt und wollte gerade etwas erwidern, als Amlugûr sich einmischte.
„Diese Diskussion ist überflüssig. Ihr habt wohl beide vergessen, dass der Eingang nach Moria durch den Kampf mit der Krake eingestürzt ist. Er muss erst neu geschaffen werden." Es gelang ihm damit, beide zu beschwichtigen.
„Es bleibt nur noch der Weg über den Rothornpass", fuhr Amlugûr fort. Alle nickten, waren aber nicht begeistert. Der Pass war zu dieser Jahreszeit noch begehbar, aber der Weg war gefährlich und nicht so sicher, wie es beim „Hohen Pass" der Fall gewesen wäre. Man konnte die Pferde nicht reiten, sondern nur führen.
„So soll es sein", entschied Elrond. „Amlugûr kennt sich bei den Wegen zum und über den Rothornpass hervorragend aus. Er wird die Führung der Gruppe nach Lórien übernehmen. Die Schmiede steht für alle bereit, die ihre Waffen noch schärfen oder verbessern wollen. Bei Sonnenaufgang geht es los!"
Damit war die Besprechung beendet und alle wollten den Rest des Tages nutzen, um sich für die Abreise vorzubereiten.
Legolas war sprachlos. Irgendwie hatte er erwartet, dass Elrond, nachdem dieser so großen Wert darauf legte, dass er mitkam und nachdem er die Zugkraft war, die die anderen Elben zum mitkommen bewegte, ihn zum Führer der Gruppe bestimmen würde. Auch er hätte die Gruppe über den Rothornpass führen können. Etwas gelähmt saß er noch immer auf seinem Platz, als die anderen Anwesenden schon alle die Terrasse verlassen hatten. Auch Gimli stand etwas ungeduldig am Ausgang.
Elrond bemerkte die Situation. Er winkte Gimli freundlich, sich zu entfernen, damit er allein mit Legolas sprechen konnte.
„Mein Freund! Ich weiß, was dich bedrückt. Du möchtest gerne erfahren, warum gerade du und warum du gerade nicht – nicht wahr?" Legolas hatte schon oft geglaubt, dass Elrond auch Gedanken lesen könne, aber dieser schüttelte den Kopf. „Man muss keine Gedanken lesen können, es genügt, dir ins Gesicht zu schauen." Er lächelte mild. „Ich werde dir sagen, warum ich sehr froh darüber bin, dass du dich der Aufgabe stellen möchtest. Ich glaube, dass du, Legolas, Sohn von Thranduil, einen sehr wichtigen Beitrag zum Gelingen dieser Unternehmung leisten wirst, einen Beitrag, den nur du allein erbringen kannst. Und deshalb solltest gerade du Teil dieser Gruppe sein. Aber genau aus demselben Grund sollst gerade du nicht eine Führungsrolle übernehmen. Du wirst mit Deinen anderen Aufgaben ausreichend beschäftigt sein. Die Folgen einer schwierigen, aber notwendigen Entscheidung sollen dich nicht noch zusätzlich belasten. Ich glaube, alles zusammen könnte dir doch zu viel abverlangen." Elrond schmunzelte bedeutungsvoll.
„Zu viel abverlangen? Aber der Ringkrieg. Habe ich da nicht bewiesen, was ich leisten kann?", warf Legolas ein.
„Aah... der Ringkrieg! Der Ringkrieg hat dich sicherlich erfahrener gemacht und du hast dich als Krieger bewähren können. Aber sage mir, welche Krieger hast du in die Schlacht geführt?"
Legolas war etwas verunsichert. Er hatte seinen Anteil bei der Ringgemeinschaft nie beleuchtet.
„Weshalb hast du mich dann bei einer so wichtigen Aufgabe, wie der Zerstörung des EINEN RINGES mitgehen lassen? Gute Krieger, die sich hätten bewähren können, gab es doch genug?"
„Du missverstehst mich. Es war nicht Deine Aufgabe, jemanden in die Schlacht zu führen." Elrond sah Legolas ernst und durchdringend in die Augen. „Du warst die Augen und die Ohren der Gruppe. Die Gruppe brauchte einen Elben, denn nur so konnte man sie vor vielen Gefahren rechtzeitig warnen. Aber Deine Fähigkeiten in dieser Hinsicht waren nicht besser oder schlechter als die anderer Elben. Nein. Der eigentliche und wahre Grund, gerade dich mitzuschicken war der, dass ich wusste, dass du bis zu Deinem Tode loyal zu der Gruppe stehen würdest. Von dir war weder Verrat zu erwarten, noch dass du einen aus der Gruppe bei Gefahr zurücklassen würdest. Auch jetzt kommst du mit, weil du Gimli nicht im Stich lassen möchtest. Du bist ein naturverbundener Elb, der sich auch früher nie um Politik oder Geschichte gekümmert hat – du weißt herzlich wenig über die geschichtlichen Gegebenheiten vor Deiner Zeugung. Aber gerade das macht dich wichtig für eine Gruppe, denn du lässt dich von Deinem Gefühl in Deinem Herzen und in Deinem Bauch leiten. Du lässt dich von der großen Politik nicht beeinflussen, sondern gehst Deinen Weg, den Weg, der Mittelerde bereits einmal gerettet hat und vielleicht wiederholst du diesen Erfolg."
„Aber warum Amlugûr? Was qualifiziert ihn?"
„Nun, neben der Tatsache, dass Amlugûr den Weg über den Rothornpass bestens kennt, ist er auch ein erfahrener Krieger. Er hat bereits in Fornost und vielen anderen Kriegen gekämpft und ist dabei nicht von einem so unkontrollierten Hass besessen, wie ihn meine Söhne gegen die Orks hegen. Ein solcher Hass kann blind machen und führt zu schlechten Entscheidungen. Amlugûr lässt sich von Nebensächlichkeiten und Streitereien nicht zu vorschnellen Entscheidungen verleiten. Das qualifiziert ihn zu einem guten Führer. Du wirst dich in der Gruppe wohl fühlen. Meine Söhne sind zwar deutlich älter als du, aber schau in ihre Gesichter! Sie sehen nicht älter aus als du, weil sie im Herzen noch jung sind."
Legolas, der bemerkte, dass Elrond das Gespräch zu beenden wünschte, erhob sich langsam. Auch wenn er nicht mit allem einverstanden war, was Elrond ihm mitgeteilt hatte, konnte er doch ein gewisses Verständnis für dessen Ansichten aufbringen. Was hatte er auch erwartet? Vom Bogenschützen zum Heerführer berufen zu werden? Natürlich musste er sich erneut beweisen.
Gedankenversunken ließ er sich von einem Elben sein Zimmer zeigen, wo er sich bis zur Abreise erholen wollte.
