Disclaimer und sonstige Kommentare:

Nichts gehört mir und ich bin arm wie eine Kirchenmaus und werde auch nicht reich.

Allen Mittelerde Sprachkennern sei versichert:

Ich habe keine Ahnung von Sindarin, noch weniger von Quanya und schon gar nicht von Khuzdul. Habt Erbarmen mit mir, wenn etwas falsch ist. Ich geb mir Mühe. :)

Vielen lieben Dank für dein Review, zita. Ich hoffe, ich bekomme noch mehr. (bettel)


So. Nun viel Spaß mit dem nächsten Kapitel!


Aufbruch

„A vanta as márë órelyar! Nai eleni siluvar antalyannar!", sagte Elrond zum Abschied.

Er sah Legolas dabei so direkt und durchdringend an, dass dieser fast glaubte, Elrond wolle ihm damit noch etwas mehr sagen als nur einen Abschiedsgruß. Doch warum in Quenya, einer Sprache, welche doch nur noch in Liedern oder von Gelehrten benutzt wurde? Er selbst verstand nur Wortfetzen aus den alten Liedern und es erging den anderen der neuen Gemeinschaft wohl ebenso. Sie sahen Elrond verwundert an und nickten ihm zum Abschied nur kurz zu.

Schweigend ritt die Gemeinschaft durch das letzte kurze Stück Wald bei Imladris, bevor sie auf einen langen Weg über niedrige Hügel wechselten. Ein richtiger Weg war es eigentlich nicht. Immer den geringsten Anstieg wählend trabten sie zwischen den einzelnen Erhebungen hindurch.

Zu ihrer linken Hand erhob sich das Nebelgebirge, welches sie nun 150 Meilen weiter südlich überqueren wollten. Rote und graue Gesteinsformationen boten ein beeindruckendes Bild, insbesondere jetzt, am frühen Morgen, als die Sonne aus dem Osten die Steine mit ihrem warmen Licht beleuchtete. Bei diesem Anblick mochte man kaum glauben, dass dieses Gebirge ein so schwer zu überbrückendes Hindernis darstellte. Die Vegetation war karg. In den Hügellandschaften fanden sich vereinzelte Baumgruppen oder auch Sträucher, aber je mehr man sich dem Nebelgebirge näherte, desto spärlicher wurden diese auflockernden grünen Inseln. Aus diesem Grunde hatte Amlugûr beschlossen, den nach Süden führenden Weg nicht zu nah am Gebirge einzuschlagen.

Das Schweigen der Gruppe hatte nichts mit dessen Stimmung zu tun. Diese hatte sich seit dem Scherz mit Gimli scheinbar langfristig gebessert. Es gab derzeit einfach nichts zu sagen. Alle strotzten vor Energie, waren erholt und motiviert. Gimli und Legolas waren die einzigen, die nicht ganz so gut gestimmt waren. Legolas kämpfte noch mit den Folgen seiner schlaflosen Nacht und Gimli war unglücklich über das Fortbewegungsmittel Pferd. Er rutschte auf seinem Rappen unruhig hin und her und machte sein Reittier zunehmend nervöser. Auch die Verletzung an seinem Bein machte ihm noch zu schaffen, aber Gimli wollte kein großes Aufheben darum machen. Er war von dem Gedanken beseelt, die schöne Galadriel wieder zusehen und scherte sich deshalb nicht um seine Schmerzen. Mit besorgten Blicken ritt Legolas neben seinem Freund. Gimli konnte ihm nichts vormachen.

Da die Sonne im Oktober schon zeitig am Horizont verschwand und das Nebelgebirge im Westen ins Dunkel tauchte, ordnete Amlugûr schon nach wenigen Stunden die Nachtruhe an. Vor ihm bot sich gerade wieder einmal ein kleiner Hain zwischen den Hügeln an. Günstiger konnte man sich einen Rastplatz kaum vorstellen. Er ließ die Gruppe lagern.

Der Hain war nicht groß. Er hatte vielleicht einen Durchmesser von fünfhundert Fuß. Aber es genügte, um vor neugierigen Blicken zu schützen. Im Zentrum befand sich eine kleine Lichtung mit einem winzigen Tümpel und etwas Gras für die Pferde. Einige Elben begannen trockenes Holz zu sammeln, andere beschafften Wasser. Jeder hatte größere Rationen an Lembas bei sich, die Haldir noch aus Lórien mitgebracht hatte, so dass sie sich nicht um die Jagd kümmern mussten.

Während alle eifrig beschäftigt waren, ließ sich Gimli wie tot auf ein Fleckchen Moos fallen. Es ging ihm nicht besonders gut. Legolas beugte sich besorgt über ihn.

„Gimli! Lass dir doch helfen!", sagte er sanft und zog den Beutel, den er von dem Unbekannten erhalten hatte, aus seiner Tasche. Das Gezeter des Zwerges ignorierend, öffnete er dessen seitliche Verschlüsse des Hosenbeines und zerkleinerte in einer kleinen Schale einige Kräuter aus dem Beutel.

„Dieses elbische Stinkzeug kommt mir nicht nochmal auf meine Haut, Herr Elb!", rief er schließlich laut aus, als ihm Legolas mit einer schwarzen, übel riechenden Paste gefährlich nahe kam.

Das zog die Aufmerksamkeit der anderen auf sich und auch Amlugûr näherte sich dem Geschehen. Legolas achtete nicht auf die anderen, sondern ergriff blitzschnell das Fußgelenk des Zwerges mit der linken Hand und schmierte mit der rechten Hand die Paste auf die entzündete Verletzung Gimlis.

Gimli konnte nicht schnell genug reagieren, aber als die Paste dann auf seinem Bein war, fauchte er den Elben wieder an. „Stinkzeug! Willst du, dass die wilden Tiere hier auf uns aufmerksam werden?"

„Was redest du da? Es duftet wie eine Butterblume, nicht wahr?" Die Frage war an die umstehenden Elben gerichtet, die eifrig zu nicken begannen. Es war einfach zu schön, den Zwerg an seiner eigenen Nase zweifeln zu sehen, noch dazu, nachdem man ihm vorgeworfen hatte, er könne ein Stinktier nicht von einer Butterblume unterscheiden. Gimli schniefte noch ein paar Mal die Luft ein, um sicherzustellen, dass es wirklich nicht an ihm lag. Legolas wühlte indessen wieder in dem Beutel, um frisches Verbandszeug herauszufischen. Dabei fiel der Blick Amlugûrs auf den Beutel.

„Wo hast du den her? Er gehört doch nicht dir!" Amlugûrs Stimme klang aufgebracht.

Erstaunt über diesen Gefühlsausbruch wandte sich Legolas um. „Nein. Du hast Recht. Er gehört nicht mir. Aber ich weiß auch nicht, wie ich ihn zurückgeben soll", erwiderte er ruhig. Er wollte mit Amlugûr keinen Streit und Ruhe bewahren war da die beste Möglichkeit.

„Du gibst es also auch noch zu? Dann erkläre mir, wie du zu diesem Beutel kommst!"

Der Tonfall Amlugûrs gefiel Legolas gar nicht. Fast schien es, als würde Amlugûr ihn des Diebstahls bezichtigen. Eine Ungeheuerlichkeit unter Elben! Sich beherrschend beschloss er, Amlugûr einfach die Begebenheit in der Nähe von Elronds Haus zu erzählen. Gespannt hörten alle Elben zu. Als er fertig war, starrte Amlugûr ihn einige Sekunden stumm an.

„Warum hast du uns davon nicht schon früher berichtet?", fragte er unwirsch.

„Ich habe Elrond alles berichtet. Wenn er es nicht für nötig hält, dich darüber zu informieren, wird er schon seine Gründe dafür gehabt haben", erwiderte Legolas wieder ruhig, aber sein Temperament drohte auszubrechen. Der Tonfall und die Kritik Amlugûrs waren einfach unangebracht.

„Sehr alte Kurzschwerter, sagst du?", fragte Amlugûr noch einmal nach. „Und der Unbekannte konnte gut damit umgehen?"

Legolas spürte, dass es wohl eine ihm an Amlugûr unbekannte Aufregung sein musste, die diesen so reden ließ. Er nickte nur kurz und drehte sich wieder Gimli zu, um dessen Verband richtig anzubringen. Auch Amlugûr wandte sich ab. Mit keinem Wort erklärte er, warum er so aufgeregt war. Er teilte einige Nachtwachen ein, die in unregelmäßigen Abständen um den kleinen Wald patrouillieren und im Zwei-Stunden-Takt gewechselt werden sollten. Gimli ließ er dabei bei seiner Planung aus, weil dieser noch verletzt und zudem ein Zwerg war, welcher sowieso eine Gefahr recht spät sehen oder hören würde, aber auch Legolas wurde in die Wache nicht einbezogen. Legolas störte sich nicht daran, da ihm noch die Müdigkeit der letzten Nacht in den Knochen steckte.

Den Geruch Gimlis ignorierend, legte er sich neben diesen, was dieser dankbar zur Kenntnis nahm, denn die anderen Elben hatten sich in einem gehörigen Abstand zu ihm gruppiert. Ihr Schlafplatz lag abseits der anderen am Rande der kleinen Lichtung, zwischen einigen Sträuchern, während die übrigen Elben sich um das Feuer versammelt hatten. Das hatte aber auch den Effekt, dass sie unter sich waren.

Legolas rollte sich in seine Decke ein und wollte kein weiteres Wort sprechen. Er hatte während des Gesprächs mit Amlugûr keine Miene verzogen. Dies hieß aber nicht, dass er die Beschuldigungen Amlugûrs auch so gelassen hinnahm. Gimli kannte Legolas inzwischen gut genug, um mitzubekommen, dass es in Legolas brodelte. Er hatte dessen Selbstbeherrschung immer sehr bewundert, auch wenn er sie manchmal für unangebracht hielt.

„Ich wäre ihm schon lange an die Kehle gegangen", brummte er Legolas zu.

„Was hätte das gebracht?", fragte Legolas leise.

„Zumindest hätte er gemerkt, dass er so nicht mit dir umzugehen hat."

„Er hat keine hohe Meinung von mir. Vielleicht hält er mich für zu jung. Ich bin der einzige, neben dir, der die 1000 Jahre noch nicht überschritten hat, der sogar noch ziemlich weit entfernt davon ist. Wenn ich ihm an die Kehle gegangen wäre, dann hätte er sich nur in seiner Meinung bestätigt gesehen."

„Weise Worte für einen solchen Jungspund", grinste Gimli.

Legolas antwortete nicht mehr und so legte sich auch Gimli nieder und schon bald begann er vor sich hin zu schnarchen.

Die Nacht war schon einige Stunden alt. Gimli schnarchte noch immer leise. Legolas hatte auch einige Stunden geschlafen, aber nun war er wach. Er hatte das Gefühl, als würde er beobachtet. Da er den Wachen vertraute und es auch sonst keine Hinweise auf Gefahren gab, nahm er an, dass er sich entweder täuschte oder aber einer der Elben ihn beobachtete, vielleicht Amlugûr. Legolas drehte sich auf den Rücken und sah die Sterne an, die bei dieser klaren Oktobernacht wundervoll leuchteten.

Plötzlich spürte er eine warme Hand auf seinem Mund und eine kalte Klinge an seinem Hals. Gerade als er sich dagegen wehren wollte, hörte er nur ein leises Zischen: „Psst. Es geschieht dir nichts."

Legolas hielt in seiner Bewegung inne und harrte, was geschieht.

„Geht es dem Zwerg gut? Oder braucht ihr den Beutel noch eine Weile?", flüsterte die Stimme, nahm die Hand wieder von seinem Mund und die Klinge von seiner Kehle. Legolas wusste nun, um wen es sich handelte.

„Er hat Schmerzen, aber die Wunde ist gut abgeheilt. Der jetzige Verband reicht aus. Vielleicht braucht er noch ein wenig Athelas."

„Gut. Dann gib mir meinen Beutel wieder!"

Legolas erhob sich leise, suchte den Beutel aus seinem Gepäck und reichte ihn in das dunkle Gestrüpp. Als eine Hand den Beutel entgegennahm, fragte er noch: "Bist du verletzt?"

Die Hand hielt einen Moment inne. „Was geht dich das an?", fragte die Stimme kühl.

„Nun, nichts. Aber es wäre eine weitere Mitteilung, die ich Amlugûr machen werde, wenn ich deine Anwesenheit melde. Und nun du kannst mir auch den Mund nicht mehr zuhalten." Legolas wandte sich ab, um zu Amlugûr zu gehen.

„Warte! Zähle bis dreißig, bevor du zu ihm gehst!"

Legolas zählte nicht bis dreißig, aber er verlangsamte seine Schritte bis zu Amlugûr. Obwohl ihm der Fremde soeben noch ein Schwert an die Kehle gehalten hatte, war sich Legolas merkwürdigerweise sicher, dass keine Gefahr von diesem Unbekannten ausging. Der Unbekannte würde genug Vorsprung bekommen. Als er Amlugûr erreichte, schüttelte er dessen Schulter und weckte ihn. Noch mit Schlaf in den Augen hörte sich dieser Legolas' Bericht an.

„Warum hast du nicht laut gerufen, als die Hand nicht mehr an deinem Mund war?", fragte Amlugûr streng, aber noch flüsternd.

„Es drohte keine Gefahr."

Amlugûr erhob sich von seinem Schlafplatz. „Wie willst du das beurteilen? Jahrelange Erfahrung, wie?" Amlugûr war zwar dieses mal ruhiger als beim letzten Disput, aber ein gewisser Zynismus in seiner Stimme ließ sich nicht verbergen.

„Stellt ein Einzelner eine Gefahr dar? Wären es viele, so würden die Wachen diese doch wohl bemerkt haben! Oder hast du kein Vertrauen in die von dir aufgestellten Wachen?", erwiderte Legolas beherrscht. „Und bei deiner Erfahrung als Krieger und Führer hätte ich angenommen, dass du sofort nach meiner Meldung alle auf die Beine getrieben hättest, um den Unbekannten zu suchen. Aber du glaubst selber, dass es keine Gefahr gibt. Du kannst es nur nicht akzeptieren, dass wir ausnahmsweise Mal einer Meinung sind."

Das war ein offener verbaler Angriff. Legolas konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal eine Konfrontation von sich aus begonnen hätte, aber er war überzeugt davon, dass die Gruppe in ihrer Mission scheitern würde, wenn die Fronten untereinander nicht geklärt sind.

Amlugûr erhob sich von seinem Lagerplatz und baute sich regelrecht vor Legolas auf. Er war nicht größer als Legolas, aber seine Statur war etwas kräftiger. Legolas wusste, dass Amlugûr noldorischer Abstammung war. Diese waren immer irgendwie kräftiger gebaut als andere Elben. Amlugûr erhob nun seine Stimme zu normaler Lautstärke.

„Du hast vollkommen Recht. Hätte ich die Wahl gehabt, ich hätte dich nicht in die Gruppe aufgenommen. Es war Elrond, der auf deine Anwesenheit so großen Wert legte. Er hat mich mit seiner Entscheidung überrascht und nur wegen dir fand der Rat so spät statt. Leider muss ich zugeben, dass deine Zustimmung der letztendliche Grund für viele war, der Gruppe beizutreten. Aber trotzdem glaube ich, dass ich bessere Begleiter und erfahrenere Krieger als dich für eine Mission dieser Wichtigkeit hätte gebrauchen können."

„So? Wen denn, zum Beispiel?" Nun flüsterte Legolas nicht mehr und die umliegenden Elben, die noch geschlafen hatten, wurden nun auch vollends munter.

„Fainrhiw, zum Beispiel." Die Antwort Amlugûrs erfolgte ohne großes Nachdenken. „Er war ein hervorragender Krieger, Spurensucher und Führer, da er die Landschaften hier sehr gut kannte. Er ist seit einigen Monaten verschollen – vielleicht im Ringkrieg gefallen." Den letzten Satz sprach Amlugûr wieder recht leise aus und wandte sich ab, um das Gespräch zu beenden.

„Dann kann er ja nicht so gut gewesen sein", murmelte Legolas.

Amlugûr wandte sich wieder Legolas zu. Seine Augen blitzten und Legolas konnte Wut und eine gewisse, innere Verletzung darin sehen.

„Du...! Du nennst dich selber wohl Held, weil du den Ringkrieg überlebt hast? Weißt du, was ein Held ist? Ein Held ist jemand, der mehr als nur seine Pflicht tut oder der etwas Außergewöhnliches leistet, wozu kein anderer in der Lage gewesen wäre. Was eine Pflicht ist, hängt davon ab, zu welcher Handlung gegenüber anderen man sich selbst verpflichtet und was man als Pflicht erwarten kann. Es ist die Pflicht einer jeden Mutter, sich um ihr Kind zu kümmern. Es ist keine Heldentat. Eine Heldentat wäre es, wenn sie dazu noch für zehn arme Waisenkinder sorgen würde, denn das erwartet man nicht von ihr.

Die Pflicht eines Kriegers ist es, seine und die Familien anderer zu schützen. Wer Krieger wird, übernimmt diese Pflicht, wie eine Mutter sich um ihr Kind kümmert - und es ist keine Heldentat, ein Krieger zu werden. Es entsteht aus der Notwendigkeit.

Diese Krieger sterben, ohne dass man sich an ihre Namen erinnert. Man erinnert sich an den Krieg, an den Sieg oder an die Niederlage, aber gewürdigt werden immer nur die Heerführer und die Helden. Aber hast du dir schon einmal Gedanken gemacht, dass diese Heldentaten vielleicht gar nicht möglich gewesen wären, wenn es nicht die vielen, namenlosen Krieger gegeben hätte? Wer weiß, ob der Heerführer seine Schlacht gewonnen hätte, wenn es diesen einen normalen Krieger nicht gegeben hätte, der einen Ork zur Strecke gebracht hat, der fünf Minuten später den Heerführer getötet hätte? Vielleicht sind es die einfachen Krieger, die es ermöglichen, dass eine Frau ein Kind gebärt, welches einmal ein König wird und sein Volk reicher und glücklicher macht.

Was wäre denn aus Mittelerde geworden, wenn sich nicht 6000 Krieger vor den Toren Mordors aufgestellt hätten, um die Armee von Frodo wegzulocken, damit dieser den Ring in den Schicksalsberg werfen kann? Das war todesmutig, aber keine Heldentat. Es war eine Notwendigkeit, um die eigene und andere Familien vor Sauron zu schützen." Amlugûr winkte mit einer Hand ab, wohl wissend, dass auch Legolas, Elrohir und Elladan bei der letzten Schlacht dabei waren.

„Das Traurige ist doch eigentlich", fuhr er fort, „dass man sich manchmal an Namen von Personen erinnern wird, die nur deshalb in den Geschichtsbüchern stehen, weil sie einfach nur dabei waren, ohne dass sie wirklich etwas Außergewöhnliches geleistet haben oder weil sie zufällig neben dem Helden standen, als die Masse den Sieg feierte. Nur weil man sich an die Namen der vielen Opfer in den Kriegen nicht erinnert, heißt es nicht, dass sie schlechte Krieger waren.

Fainrhiw war ein hervorragender Krieger, zuverlässig und treu. Ein Einzelgänger zwar, aber sehr vertrauenswürdig. Er war ein Schleifer, einer, der es solchen jungen Heißspornen wie dir, Legolas, beigebracht hat, bescheidener zu sein und das zu lernen, was man wirklich zum Überleben braucht. Er hätte beim Anblick eines Balrog seinen Bogen nicht panisch fallen lassen." Amlugûr schaute spöttisch auf Legolas. „Dass man Fainrhiw nicht kennt, hat keine Bedeutung, denn er hat sich nicht um Ruhm bemüht, wie so manch anderer hier anwesender Elb." Amlugûr schaute Legolas wieder intensiv an. „Er hat seine Arbeit getan und ist wohl dafür gestorben. Keiner wird Fainrhiw nachtrauern, weil er keine Verwandtschaft hatte. Ich aber fühle mich verpflichtet, zumindest eine gewisse Zeit sein Andenken zu schützen. Also wage es nicht, schlecht von ihm zu reden, wenn du keine Ahnung hast, von wem du eigentlich redest!"

Amlugûr hatte seine Rede beendet. Er wandte sich wieder ab und ließ Legolas stehen. Dieser war betroffen. Er war nicht darüber betroffen, dass Amlugûr ihn nicht als Helden bezeichnete. Das hatte er selbst nie von sich gedacht, auch wenn es ihn schmeichelte, dass andere ihn oft als solchen sahen. Er war auch nicht darüber bedrückt, dass Amlugûr eine so schlechte Meinung von ihm hatte. Es betrübte ihn einfach, dass er sich nie wirklich Gedanken um die „Bauernopfer" der Kriege gemacht hatte, dass er zwar immer traurig zusammenzuckte, wenn er hörte, dass vor Minas Tirith tausende von Menschen gefallen waren, aber über ihre Schicksale, ihre Leistungen... Natürlich waren sie unentbehrlich. Im Großen und Ganzen wurden auch sie geehrt, aber auch schnell wieder vergessen – und die Familien der toten Krieger blieben mit ihrem Schmerz allein zurück.

Elladan, Elrohir und Haldir bemerkten die gebeugte Körperhaltung von Legolas und errieten wohl, was in ihm vorgehen mochte.

„Manchmal hat er hat den Charme einer toten Fliege. Nimm es nicht so schwer! Das ist seine Meinung und die muss nicht richtig sein. Und glaube mir, er meinte nicht nur dich mit seiner Rede", versuchte Elrohir ihn aufzumuntern.

„Und überhaupt... was hat ER denn so Tolles geleistet?", ereiferte sich Elladan.

„Nichts", fügte Haldir leise hinzu. „Er ist nur ein Krieger. Er legt keinen Wert darauf, Heldentaten zu begehen und wahrscheinlich ist seine Teilnahme hier nicht einmal seine eigene Idee gewesen, sondern Elronds Wunsch, weil dieser einen erfahrenen Führer für die Gruppe brauchte."

Legolas antwortete nicht. Er wandte sich wieder in die Richtung seines Nachtlagers, neben welchem Gimli noch immer fest schlief. 'Er hat auch zu viele Haare in den Ohren', dachte Legolas lächelnd, aber richtig fröhlich fühlte er sich nicht. Die Rede Amlugûrs würde ihm noch einige Zeit zu schaffen machen.


Mit der Trauer eines endgültigen Abschieds schaute Odan sich noch einmal um. Es war dunkel hier. Es brannten zwar einige Kerzen, aber das Licht reichte nur, um die Möbel dunkle Schatten werfen zu lassen. Gemütliche Decken lagen unaufgeräumt herum und das Geschirr stand auf allen Möbeln verteilt. Es war die Ordnung eines Heimes – seines Zuhauses. Wehmütig fragte er sich, ob er hier wohl jemals wieder seine Füße auf einen Tisch legen konnte oder mit Freunden schwatzen würde – wohl kaum bei seinen Plänen.

Etwas schwermütig drehte er sich der Tür zu. Dort stand seine vollständige Ausrüstung, Waffen, Rüstung, ein Rucksack mit Nahrungsmitteln und allerlei Krimskrams und natürlich der lange dunkle Umhang, der so besonders war, wie es wohl sonst in Mittelerde keinen gab. Nun ja. Es gab noch viele davon, aber sie alle waren hier in seiner Heimat.

Mit einem müden Lächeln entdeckte er noch ein Paar Schuhe unter dem Rucksack. Schleicherschuhe nannte er sie. Sie waren nicht sehr gut zum Wandern geeignet, aber man konnte sich damit fast lautlos bewegen. Er selbst konnte nie etwas hören, wenn ein anderer sie trug, aber die Grünaugen hatten ein gutes Gehör. Schon einige Male hatten sie die fast lautlosen Schritte vernommen und er wäre ihnen beinahe in die Fänge geraten. Ein Schauer lief ihm bei diesem Gedanken über den Rücken.

„Musst du wirklich gehen?" Aus dem Schatten trat Milia, seine Schwester. „Warum gerade du? Es ist so gefährlich! Mutter und Vater brauchen dich hier!"

Er ging langsam auf sie zu und strich ihr mit der Hand über die Wange. „Du bist so zäh und hart. Du hast mich immer stolz gemacht, Schwester. Wenn du schon keinen Freier annimmst und bei unseren Eltern bleibst, dann kannst du mich hier auch sehr gut vertreten", antwortete er sacht.

„Ja, aber ich..."

„Pscht! Die Zeiten sind hart und schwer für uns – schon seit so vielen Jahren. Es gibt für uns nur noch den Kampf und ich kann mich an nichts anderes erinnern. Wann hatten wir je Frieden? Wir alle wissen doch, dass das nie enden wird, wenn wir nichts dagegen tun. Unsere Brüder haben uns schon vor vielen Jahrhunderten im Stich gelassen und vielleicht gibt es sie auch gar nicht mehr. Wir tragen jetzt diese Last auf unseren Schultern. Wir sind es selbst, die für unser weiteres Dasein verantwortlich sind. Wir sind unseres eigenen Glückes Schmied. Darum gehe ich."

Milia drückte ihm zum Abschied die Hand. „Dann geh! Es ist weit besser, stets ein festes Herz zu haben und seinen Teil am Schaden zu erleiden, als stets zu fürchten, was geschehen möge. Aber ich bin nicht überzeugt von dem Erfolg deines Auftrages", sagte sie leise.

„Blase keine Trübsal. Ich komme wieder und vielleicht bringe ich dir ein Geschenk mit – vielleicht sogar einen Freier, den selbst du mögen wirst!" Er grinste und Milia stieß ihn unfreundlich zur Tür hinaus.


Die Spannungen zwischen Amlugûr und Legolas drückte auf alle Gemüter. Nur Gimli hatte keine Ahnung von den Geschehnissen der letzten Nacht und pfiff fröhlich ein Lied vor sich her. Legolas dankte Eru, dass der Zwerg nicht zu singen begann.

Kurz vor dem gemeinsamen Ritt rief Amlugûr noch einmal alle Elben zusammen und hielt insbesondere den in der Nacht zuständigen Wachen eine Standpauke darüber, wie ihnen das Eindringen eines Fremden in das Lager hatte entgehen können. Die Elben waren betroffen, hatten sie doch wirklich gar nichts mitbekommen. Auch Legolas schaute betroffen auf Amlugûr. Dieser bemerkte den Blick.

„Du musst nicht so betrübt schauen. Du hattest keine Wache", versuchte Amlugûr Frieden zu stiften.

„Ich bin nicht betrübt, denn mich trifft keine Schuld", erwiderte Legolas ruhig und leise. „Ich habe nur gedacht, dass ich den Unbekannten auch nicht bemerkt hätte, weil dieser sich wahrscheinlich schon im Hain aufhielt, als wir hier ankamen."

Amlugûr durchbohrte ihn mit seinen Blicken, abschätzend, ob das von Legolas Gesagte stimmen könnte. „Nun, es ist ein guter Hinweis darauf, dass wir unsere Lagerplätze besser sichern sollten", sagte Amlugûr schließlich und Legolas bewunderte ein wenig Amlugûrs Fähigkeit zur Selbstkritik.

Sie machten sich auf den Weg. Amlugûr begann nun, zu Fuß laufende Späher voraus zu senden, die sich mit anderen Elben in der Gruppe abwechselten, um nicht zu schnell zu ermüden. Auch hier setzte er Legolas nicht ein. Diesem war es Recht. So konnte er Gimli weiter beobachten, ob es dem Zwerg besser oder schlechter ging. Aber Gimli schien es gut zu gehen. Sein Gesicht war nicht so von Schmerzen verkrampft wie am Vortag. Allerdings brabbelte er immer wieder etwas in seinen Bart, was Legolas erst beim dritten oder vierten Mal als „Elbisches Stinkzeug!" identifizieren konnte. Er lächelte. „Butterblume, Gimli, Butterblume." Die Antwort war zunächst nur ein leises Grunzen. „Ich hoffe, ich muss der schönen Frau Galadriel nicht in diesem Geruch gegenübertreten", folgte nach einer kleinen Pause.

Nach einigen Stunden hielten sie an. Zwei Späher waren zurückgekommen und berichteten, ein verlassenes Lager, vermutlich von Orks, gefunden zu haben. Das Lager sei schon etwa zwei Tage alt. Ein Späher führte die Gruppe zu dem verlassenen Rastplatz, um die Spuren dort genauer zu untersuchen.

„Sie haben tagsüber hier gelagert, um nachts weiter zu reisen", sagte Haldir. „Was treibt sie aus dem Nebelgebirge? Noch dazu mit der Gefahr, dem Sonnenlicht ausgesetzt zu sein?"

Elladan merkte an: „Wenn sie ein bestimmtes Ziel verfolgen, kriechen sie immer aus den Löchern. Es ist Oktober. Die Sonne ist oft von Wolken verhangen. Wahrscheinlich verstecken sie sich während des Tages unter großen Lederdecken und warten den Abend ab. Bei der derzeitigen Jahreszeit haben sie mehr Dunkelheit als Licht. Das macht sie schnell."

„Vielleicht sind es auch Reste aus Isengarts Armee. Einige von den Orks dort konnten das Sonnenlicht ertragen", fügte Elrohir hinzu. „Aber was auch immer das für Orks sind, sie gehen in die gleiche Richtung wie wir – nach Süden. Das gibt mir viel eher zu denken."

Amlugûr dachte einen Moment nach. „Legolas?", fragte er schließlich. Legolas näherte sich. „Du sagst, es waren etwa fünfzig Orks und mindestens die Hälfte von ihnen ist gefallen, damals auf dem Weg zu Elronds Haus?"

„Ich bin mir sicher, dass wir nicht mehr als zwanzig am Leben gelassen haben."

„Also kann es sich nicht um die Orks handeln, die euch angegriffen haben. Es scheint, als ob hier mehrere Horden unterwegs sind. Wir werden hier lagern. Es ist noch mitten am Tag, aber wir werden von hier aus Späher entsenden, die die gesamte Umgebung nach weiteren Spuren absuchen werden. Ich habe das ungute Gefühl, die Orks sammeln sich hier ganz in der Nähe."

Er teilte die Elben in Gruppen ein und entsendete sie in alle Richtungen, insbesondere zum Nebelgebirge. Legolas schickte er zusammen mit Haldir in den Süden, um herausfinden, wie nah sich die Orkhorde befand. Die Pferde ließen sie im Lager zurück, da es mit ihnen viel schwieriger war, sich zwischen den ansteigenden und abfallenden Hügeln zu verstecken. Mit ihrem leichtfüßigen Gang legten die ausgesandten Elben, wenn sie rannten, enorme Strecken zurück. Ab und zu blieben sie stehen und schauten sich die Spuren an, in der Hoffnung, doch noch weitere Erkenntnisse zu erhalten. Legolas wünschte, er könnte die Spuren wie Aragorn lesen, aber hier war ihm der Waldläufer um Längen voraus. Dennoch hatte Legolas genug Erfahrungen gesammelt, um die Horde auf ungefähr vierzig Orks zu schätzen.

Nach einiger Zeit wurden die Spuren etwas frischer, waren aber alt genug, um davon ausgehen zu können, dass diese Orks zunächst keine Gefahr für die Gruppe darstellten.

„Wenn wir auf den gleichen Weg zurückgehen, den wir gekommen sind, dann ist das Zeitverschwendung. Ich schlage vor, wir wenden uns Richtung Osten zum Nebelgebirge und finden von da aus einen Weg zum Lager. Vielleicht finden wir unterwegs noch weitere Spuren", schlug Haldir vor. Legolas stimmte zu und gemeinsam liefen sie etwa eine Stunde lang Richtung Osten, bevor sie sich wieder zum Lager begaben.

Sie waren nur sehr kurz unterwegs, als Legolas ein Schnaufen hörte. Auch Haldir hatte es vernommen. Beide warfen sich auf den Boden, um sich vor Blicken zu schützen. Sie lauschten und vernahmen seltsame Geräusche. Sie lagen genau auf dem Anstieg eines Hügels und konnten so nicht in das anschließende flache Tal schauen. Legolas erhob sich vorsichtig und kroch langsam den Hügel hinauf. Als er fast oben angekommen und gerade bereit war, den Blick über die Hügelkuppe zu riskieren, drückte ihn eine Hand wieder ins Gras.

Legolas wandte sich überrascht um und wollte Haldir gerade fragen, was denn los sei, als er wieder die Gestalt des Fremden neben sich sah. Dieses Mal war es jedoch mitten am Tage. Legolas gelang es, einen kurzen Blick unter die Kapuze des langen Umhanges zu werfen und er erschrak. Das Gesicht des Elben war vollständig entstellt. Aber auf den zweiten Blick erkannte er, dass der Elb sich mit Asche oder etwas ähnlichem die Haut geschwärzt hatte und die Ungleichmäßigkeit der Färbung den Eindruck der Entstellung verursacht hatte. Legolas hatte von Aragorn gehört, dass es im Süden Mittelerdes Völker gab, die sich das Gesicht färbten. Es gab dafür viele Gründe. Einige wollten Trauer ausdrücken, andere Angst und Schrecken verursachen, wieder andere wollten damit die Kriegssituation darstellen.

Aber dies hier war eindeutig ein Elb! Die Gesichtszüge waren zwar durch die Asche kaum zu erkennen, aber Legolas war sich jetzt sicher. Doch warum sollte ein Elb sein Gesicht schwarz färben? Während er sich das alles fragte, bemerkte er auch die grauen Augen des Elben, die ihn kalt fixierten. Legolas fasste sich wieder und deutete mit seiner Hand an, dass er sich weiter nach oben begeben wolle, um über die Kuppe zu schauen.

Die eine Hand des Unbekannten drückte ihn jedoch energisch zu Boden während die andere Hand in Richtung Süden deutete. Legolas lauschte. Er konnte Haldir hören, der inzwischen auf gleiche Höhe zu Legolas gekrochen war. Als sich Legolas konzentrierte hörte er schließlich leise Tritte aus dem Süden kommen. Er hob die Hand und zeigte seine fünf Finger. Der Unbekannte nickte und hielt ihn mit der Hand weiter am Boden, als ob er befürchte, Legolas würde einfach aufspringen und

in die Gefahr rennen. Ein wenig ärgerte es Legolas und er versuchte, die Hand abzuschütteln. Der Unbekannte ließ ihn daraufhin auch los. Er deutete mit der nun freien Hand an, sich wieder den Hügel herunter zu begeben, damit sie miteinander reden konnten.

Vorsichtig krochen sie wieder abwärts. Als sie unten waren, legte der Unbekannte seine Finger auf die Lippen, um somit alle zum Schweigen zu bringen, aber weder Haldir noch Legolas hätten ein Wort gesagt. Mit der Hand erklärte er ihnen, dass sie einen Bogen schlagend in Richtung Lager laufen sollten, um dort auf ihn zu warten.

Haldir überlegte nicht lange; er setzte sich in Bewegung und forderte Legolas auf ihm zu folgen. Sich dabei zu dem Fremden umwendend, um festzustellen, was dieser zu tun gedachte, folgte Legolas schließlich auch. Der Fremde wartete kurz und eilte auf den ostwärts führenden Spuren von Haldir und Legolas entlang.

„Er scheint unseren Spuren gefolgt zu sein und uns eingeholt zu haben, als wir auf das Orklager trafen", sagte Haldir etwas atemlos.

„Woher weißt du, dass es ein Orklager war? Wir haben doch weder etwas gehört oder gesehen, dass uns davon hätte überzeugen können?", fragte Legolas.

„Der Fremde hat es mir gesagt, bevor er zu dir gekrochen ist."

Schweigend liefen sie den Rest des Weges zum Lager, um dort Amlugûr alles zu berichten.


Übersetzung aus dem Sindarin

1. Geht mit guten Herzen! Möge das Licht der Sterne Eure Gesichter erleuchten!

2. Königskraut