Warnungen: ein wenig Pathetik, die in Humor umschlägt (oder es zumindest soll)
Und Ja Ja Ja! Ich werde irgendwann aufhören, mit dem Heldengesabbel! Aber hier passt es phantastisch!
Unterwegs
Ein kühler Wind strich über die Landschaft und zerwühlte Pallandos ohnehin bereits zerzaustes Haar. Er schaute auf seinen Freund Alatar, welcher schwer bepackt mit verschiedensten Ausrüstungsgegenständen neben ihm herlief. Sie hatten die Küste des Meeres von Rhûn bereits vor einigen Tagen erreicht und wanderten nun an dessen Ufer entlang um es zu umrunden. Der salzhaltige Wind tat ihnen auf ihrer Wanderschaft gut und insbesondere Pallando genoss die frische Brise auf seiner verschwitzten Haut.
„Ist es noch weit bis zu den Bergen?", fragte Pallando.
„Warum drängelst du so?" Alatar war müde, trug er doch die größere Last von beiden. „Unser Ziel ist noch weit entfernt und es wird noch ausreichend Gelegenheit geben deinen Forscherdrang zu befriedigen."
Pallandos Blick glitt unruhig und neugierig über die Landschaft. „Curumo hatte mehr Verständnis für meine Interessen."
„Ich habe auch Verständnis für deine Interessen und sobald wir etwas Spannendes finden, werden wir anhalten und du kannst die Pflanzen und Tiere der Gegend erforschen. Aber bis dahin werde ich nicht wie ein vom Wahnsinn gepackter Esel durch die Landschaft hetzen."
„Was meist du, was Curumo jetzt wohl machen wird?", fragte Pallando weiter. „Oh und sieh mal! Dieses hübsche Vögelchen!" Er deutete auf einen kleinen braunen Vogel mit weißen Punkten.
Alatar sah ihn an, als wäre er ein kleines Kind und erwiderte gereizt: „Kannst du nicht einmal alleine deinen Gedanken nachgehen? Ist das so schwer? Ich schleppe Lasten und laufe mit diesem elenden menschlichen Körper durch ein Land mit furchtbarem Wetter. Ich schlafe auf hartem Boden, habe fast jeden Tag das gleiche zu essen und es gibt hier noch nicht einmal eine richtige Stadt, in der man einmal übernachten könnte. Ich will mir nicht irgendwelche dummen Vögel anschauen oder mir Gedanken darüber machen, was Curumo so treibt. Ich weiß auch nicht, warum du dir darüber Gedanken machst. Du hast selbst gesagt, dass du ihn nicht magst, da er sich maßlos selbst überschätzen würde. Und du mochtest es auch nicht, welche Methoden er verwendete, um Aiwendil loszuwerden. Also... Warum fragst du?" Seine Stimme war während seiner Rede laut geworden und seine Augen blitzten Pallando zornig an.
Pallando begegnete seinem Blick in aller Ruhe. Er kannte Alatars aufbrausende Natur seit sehr langer Zeit und wusste, dass Alatar es nicht so meinte. Er würde sich bald wieder beruhigt haben. Mit seiner guter Laune, die man ihm nur selten verderben konnte, ignorierte er Alatars Gerede und begann leise ein Lied zu pfeifen, welches er bei den Elben im Düsterwald aufgeschnappt hatte.
Alatar schüttelte den Kopf. „Du bist erstaunlich", murmelte er, inzwischen wieder etwas ruhiger. „Wir waren nur drei Tage dort und du merkst dir gleich eine Melodie, die du nur einmal gehört hast. Lass mich raten... Du kannst auch den Text?"
Pallando lächelte und schüttelte den Kopf. „Nur Bruchstücke."
„Eru sei Dank!", murmelte Alatar weiter. „Dann bleibe ich wenigstens von deinem Gesang verschont."
„Du hattest einfach nur Glück", erwiderte Pallando scherzend. „Mein Sindarin konnte ich in den drei Tagen bei König Thranduil nicht ausreichen auffrischen, aber das wird noch geschehen. Vielleicht treffen wir auf weitere Elben. Dann werde ich dir das Lied vorsingen."
Alatar sah in neidisch an. Er bewunderte Pallando für seine Fähigkeit, Sprachen schnell zu erlernen und zu beherrschen. Er quälte sich immer mühsam damit ab. Als könne Pallando seine Gedanken lesen, fügte dieser hinzu: „Dafür kannst du uns etwas Fleisch erjagen. Ich bin nicht einmal fähig, ein Schwert in der Hand zu behalten. Wahrscheinlich würde ich mir versehentlich sogar meinen Fuß damit aufspießen. Jeder von uns hat seine Stärken und Schwächen."
Pallando lachte Alatar an und dessen Laune erhob sich beträchtlich. Alatar mochte es, wenn man ihm schmeichelte – er mochte es sogar wenn er wusste, dass die Schmeichelei nur dazu diente, seine Laune wieder zu heben.
„Siehst du da am Horizont die dunkle Erhebung?", fragte er Pallando fröhlich. „Das ist dein ersehntes Gebirge von Rhûn. Wir werden es morgen Abend erreicht haben und können dort rasten so lange du willst." Alatar war selten so großzügig bei der Erfüllung von Pallandos Wünschen. Seine Laune hatte sich jedoch sehr verbessert und Pallando schmunzelte darüber, wusste er doch, dass Alatar spätestens nach drei Tagen weiterziehen wollte, weil dieser sich langweilen würde.
Tatsächlich erreichten sie am Nachmittag des nächsten Tages das Gebirge und liefen an dessen Ostseite daran vorbei. Auf diese Art und Weise hatten sie zu ihrer rechten Hand das Gebirge und zu ihrer linken Hand das Meer. Am Abend fanden sie in der Nähe der Küste einen geeigneten Lagerplatz und Pallando entschied, dass dies der beste Ausgangspunkt für seine Erkundungen sei.
„Was willst du hier eigentlich finden?", fragte Alatar neugierig.
„In Esgaroth erzählen sich die Menschen, dass es hier seltene Kräuter gibt, die sie bei den Elben für gute Waren eintauschen. Die Menschen wissen nicht, wofür die Elben die Kräuter verwenden und ich möchte genau dieses herausfinden. Ich liebe solche Geheimnisse und die Elben hier in Mittelerde haben davon so viele." Er lachte. „Ein alter Händler hat mir einige Kräuter beschrieben und genau diese werde ich suchen gehen."
Er begann in seinen Sachen zu wühlen und kramte allerlei Gegenstände heraus, die er für seine Forschungsarbeiten zu gebrauchen gedachte. Alatar beobachtete ihn interessiert. Pallando schaute auf.
„Und?", fragte er. „Gehst du uns heute noch einen kleinen Bären erlegen? Ich habe Lust auf Fleisch."
Alatar lächelte mild. „Einen Bären... Noch irgendwelche Wünsche?" Er erhob sich und ergriff seinen Bogen sowie einen Köcher mit Pfeilen darin. Pallando konnte gar nicht so schnell schauen, wie Alatar zwischen den Dünen Richtung Gebirge verschwunden war.
„Er ist eben ein Jäger wie Oromë", murmelte er, während er weiter in seinen Sachen nach einem kleinen Beutel für die zu sammelnden Kräuter suchte. „Oromë hat ihn sicher nicht umsonst ausgewählt und in den Osten geschickt. Es fehlt nur noch, das Melkor ihm ein Gebirge in den Weg stellt, damit er nicht mehr jagen kann."
Den Beutel in der Hand machte auch er sich schließlich auf den Weg. Seine Sachen ließ er zurück. Sie hatten seit Tagen keine Anzeichen irgendwelchen menschlichen oder nicht menschlichen Lebens gefunden, außer einigen Vögeln und Insekten. Wer sollte ihr Gepäck schon stehlen?
Pallando eilte nun auch Richtung Gebirge. Er wollte nur am Rande ein wenig suchen und noch vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein.
Das Gebirge von Rhûn war nur halb so hoch wie das Nebelgebirge es war und somit nicht annähernd so abschreckend. Der höchste Gipfel mochte 6000 Fuß hoch sein und die Wege über das Gebirge waren selbst für einen Unkundigen gut zu finden.
Doch so hoch wollte Pallando gar nicht. Ein großer Felsen versprach ihm einen atemberaubenden Blick über das Meer und sattes Grün ließ auf interessante Pflanzen schließen. Er musste sich an einigen alten Baumwurzeln hochziehen, um diesen Felsen zu erreichen, doch die Mühe lohnte sich. Etwa sechzig Fuß über dem Küstenstreifen bot sich ihm ein hinreißender Ausblick. Minutenlang stand Pallando schweigend und bewegungslos auf dem Felsen und genoss die verspielten Wellen, die das Ufer mit einer weißen Krone aus Gischt erreichten, die kreischenden Vögel, die im Sturzflug nach Fischen jagten sowie den Kontrast von weißem Sand und blauer See. Es war einfach wunderschön.
Schließlich widmete sich Pallando doch wieder dem eigentlichen Grund seiner Wanderung. Er schaute sich den Felsen genauer an. Zwischen einzelnen Rissen und Brüchen hatten sich einige kleinere grünen Pflänzchen den Weg an die frische Luft freigekämpft. Einige trugen wunderschöne und interessante Blüten, andere lockten einfach nur mit ihrem satten Grün. Pallando bückte sich und begann von jedem Exemplar eines in seinen Beutel zu verstauen. Er robbte auf Knien und Händen über den Boden, wild entschlossen, sich keine Pflanze entgehen zu lassen, doch sein Eifer ließ ihn blind werden. Er bemerkte nicht, dass er dem Rande des Felsens bereits bedrohlich nahe gekommen war.
Ein leises Knacken ließ ihn aufhorchen, doch er konnte den Ursprung des Geräusches nicht ausfindig machen. Unvorsichtig kroch er weiter auf dem Felsen umher und sein Herz begann zu rasen, als er eine kleine Blüte entdeckte, die der Beschreibung des alten Händlers sehr ähnlich war. Noch während er seine Hand gierig nach der Pflanze ausstreckte, brach ein Teil des Felsens unter ihm weg und raste der Küste entgegen. Gerade noch rechtzeitig gelang es Pallando einen alten, toten Ast zu ergreifen, welcher aus der Seitenwand des Felsens herausragte. Seine Füße suchten Halt in kleinen Felsvorsprüngen, die durch sein Gewicht immer wieder wegbrachen und seine Hände klammerten sich krampfhaft an den toten Ast.
„Alatar!", begann er zu brüllen. Pallando wagte keinen Blick nach unten, so sehr fürchtete er das, was er sehen könnte und eigentlich brauchte er auch keinen Blick zu riskieren, denn er wusste auch so, dass es mehr etwa sechzig Fuß in die Tiefe ging und er nicht im Wasser, sondern auf hartem Sand landen würde. „Alatar! Hilf mir! Ich stürzte bald ab!" Seine Kraft reichte noch für seine Schreie, aber seine Arme waren zu schwach, um sich an dem toten Geäst wieder nach oben zu ziehen. „Alatar!"
Der langsame Ritt über die weite Hügellandschaft erschien der Gemeinschaft endlos. Verteilt auf elf Pferde bewegten sich die Elben und der Zwerg Richtung Südosten und dachten dabei besorgt an die vier zurückgelassenen Krieger. Mit Amlugûr an der Spitze ritten sie alle in einer Reihe. Gimli hatte seinen altbewährten Platz hinter Legolas eingenommen und klammerte sich an dessen Gürtel.
Die Geschwindigkeit wurde nicht nur aufgrund der Tatsache gebremst, dass die Pferde eine höhere Last zu tragen hatten, sondern auch aufgrund der umwickelten Hufe, die von den Tieren als unangenehm empfunden wurden. Der beißende Geruch stieg ihnen immerzu in die Nase und der Bodenkontakt war ungewohnt. Unruhig schüttelten sie ihre Köpfe und versuchten immer wieder, sich von den anderen Tieren zu entfernen.
Seit sie aufgebrochen waren hatte sich die Hügellandschaft kaum verändert. Je mehr sie sich dem Nebelgebirge und dem Hulsten-Kamm näherten, desto grüner wurde es jedoch an einigen Stellen. Gelegentlich sah man wieder kleinere Strauchgruppen und einige Flecken grünen Grases. Es war noch immer kalt, doch die Sonne strahlte ein wohliges Licht aus, welches die noch von der letzten Nacht angespannten Gemüter beruhigte. Auch Legolas nutzte die Zeit, um seinen Gedanken nachzuhängen. Gimli versuchte ihn immer wieder in ein Gespräch zu verwickeln, aber Legolas blockte so lange ab, bis auch Gimli, nicht ohne einen abschließenden Kommentar, verstummen wollte.
„Hmpf. Ich dachte immer, Elben singen ständig Lieder. Je länger ich dich kenne, desto klarer wird mir, dass das alles nur Gerüchte sind. Ihr Elben habt sie über euch selbst in die Welt gesetzt, damit der Schein gewahrt bleibt", grummelte Gimli.
„Du meinst also, das wäre vergleichbar mit dem Gerücht, dass Zwerge Steine am Geruch unterscheiden können?", fragte Rochdil, der hinter Legolas und Gimli ritt und diesen Ausspruch gehört hatte.
„Das ist kein Gerücht. Das ist die reinste Wahrheit! Jeder Zwerg kann das von Geburt an! Mit verbundenen Augen kann ich an einem Stein riechen und dir genau sagen, was es für ein Material ist!", protzte Gimli.
„Nun denn, Gimli Glóinssohn. Sobald sich eine solche Gelegenheit ergibt, werden wir dich auf die Probe stellen. Wir wollen doch alle deine Fähigkeiten richtig einzuschätzen wissen, denn schließlich ist es möglich, dass wir diese außerordentliche zwergische Begabung einmal brauchen könnten." Rochdils Grinsen übertrug sich auf seine Stimme.
„Hast du das gehört, Legolas? Sie trauen meinem Wort nicht, diese Elben! Sie wollen mich testen!" Gimli war entrüstet.
„Lass ihnen ihren Spaß. Wenn du es kannst, dann ist das gut und wenn du es nicht kannst, dann ist es auch gut", murmelte Legolas nur.
„Du glaubst mir auch nicht? Ich werde es euch allen zeigen!", rief Gimli empört, aber Legolas beachtete ihn nicht weiter. Daraufhin schwieg Gimli betroffen. Nach einer kleinen Weile hielt er es nicht mehr aus: „Was bedrückt dich denn so? Ist es immer noch die Tatsache, dass du nicht mitgehen durftest?"
„Ja, oder besser nein oder noch besser, ja und nein. Es ist eher der Grund, warum ich nicht durfte. Agarmaethor hält mich nicht für zuverlässig. Er scheint zu glauben, ich würde alles nur tun, um auch jetzt, nach dem Ringkrieg, weiterhin ein Held zu sein."
„Und? Stimmt das? Fühlst du dich denn als Held und willst dich weiterhin so aufführen?", fragte Gimli neugierig.
„Und was ist mit dir? Fühlst du dich als Held?", gab Legolas die Frage zurück, ohne auf Gimli einzugehen.
Gimli überlegte kurz. „Ich glaube, dass ich Außerordentliches vollbracht habe - etwas, was sicher nicht jeder Zwerg geschafft hätte. Aber vielleicht war ich nur der richtige Zwerg am richtigen Ort, als die Entscheidung fiel."
„Das ist wahrlich sehr bescheiden, Gimli. Aber du wusstest doch, was auf dich zukommt? Du wusstest, du könntest sterben? Hast du keine Angst gehabt?"
Gimli lachte. „Angst? Wenn ich Angst gehabt hätte, dann würde ich mich jetzt wahrscheinlich viel mehr wie ein Held fühlen. Seine eigene Angst zu überwinden ist in meinen Augen die einzige Sache der Welt, die jeden irgendwie zum Helden macht. Und je mehr Leute Angst vor etwas haben, desto eher halten sie einen anderen, wie dich oder mich, für einen Helden, wenn dieser etwas tut, was sie selbst nie getan hätten. Aber wenn dieser Held selber gar keine Angst hatte, dann hat er auch keine Heldentat begangen, sondern wird allein von den anderen zu einem Helden gemacht. Ich glaube, das ist der große Unterschied."
„Du meist also, jemand, der vor nichts Angst hat, kann nie ein Held werden?", fragte Legolas erstaunt.
„Nun ja,..., ja. Jedenfalls nicht vor sich selbst. Die anderen machen ihn vielleicht zu einem solchen, aber er selbst sollte sich ehrlich eingestehen, dass er keiner ist, wenn er keine Ängste zu überwinden hatte.
Aber ein Held zu sein ist doch nicht wichtig. Sieh dir Elrond an. Ich selbst sehe ihn nicht als Helden, obwohl er in der letzten Allianz sehr erfolgreich kämpfte. Trotzdem achte und verehre ich ihn und sein Wissen. Und nicht nur ich tue das. Ist es nicht auch erstrebenswert, eine solche Rolle in der Welt zu haben? Wenn man keine Ängste hat, sollte man sich schon genau überlegen, was man noch tun kann, um vor sich selbst die Hochachtung zu wahren. Hattest du Angst, als du Teil der Gemeinschaft wurdest?"
Legolas schwieg einen Moment. „Nein, das hatte ich nicht. Ich habe nur die schönen Wälder gesehen und die Vögel und Blumen und ich wusste, wie es aussehen würde, wenn Sauron erst einmal Mittelerde beherrschen würde. Und das wollte ich nicht."
„Ein edles Motiv ist das. Aber siehst du dich als Helden?", bohrte Gimli weiter.
„Wenn ich deiner Argumentation folge, dann bin ich wohl keiner. Vielleicht werde ich nie einer sein."
„Wieso? Gibt es denn nichts, wovor du Angst hast?" Gimli sah Legolas erstaunt an.
Dieser lächelte. „Nein, bis jetzt bin ich nichts und niemandem begegnet, vor dem ich wirklich Angst gehabt hätte – Respekt vielleicht, aber keine Angst." Er verdrängte geflissentlich seine Erinnerungen an den Balrog in Moria.
„Ach, das glaube ich nicht. Komm! Gib es zu. Du hast vor irgendetwas Angst", forderte Gimli Legolas auf.
„Nein. Wirklich nicht... aber... es gibt schon etwas, was ich unheimlich finde, weil ich es nicht verstehen kann." Legolas schaute beschämt auf den Boden.
„Oh! Oh! Lass mich raten! Bitte!" Gimli schien sich vor Lachen fast nicht halten zu können. Legolas war peinlich berührt. „Elbenmädchen!", prustete Gimli los. „Ich erinnere mich daran, wie du manchmal angefangen hast herumzustammeln, wenn wir einmal einem hübschen Elbenmädchen begegnet sind, welches Interesse an dir hatte. Du hast sogar deine Hautfarbe gewechselt. Und einmal, da hat dich ein Elbenmädchen angesprochen! Oh und die wollte dich soooo gerne kennen lernen und du hast kein Wort zu ihr gesagt, weil es dir die Sprache verschlagen hatte. Hihihi!"
„Nein. Du verstehst das vollkommen falsch", erwiderte Legolas, aufgebracht über Gimlis Lachen. „Ich habe nicht herumgestammelt. Ich habe nur nicht gewusst, wie ich diesem Elbenmädchen erklären sollte, dass ich kein Interesse an ihm habe. Und ich bin auch nur rot geworden, weil ich in diesem Moment daran gedacht habe, wie beschämend es für sie sein musste, gleich beim ersten Versuch abgewiesen zu werden."
„So so. Und warum wolltest du keines dieser Mädchen kennen lernen?" Gimli kicherte wieder etwas leiser.
„Weil... weil..." Wie sollte er das Gimli erklären? Würde dieser das überhaupt verstehen? „Du hast das doch in Imladris gesehen und gehört. Sie fragen mich nach ihren Kleidern aus, machen sich hübsch und..."
„Du meinst, dir würde ein hässliches Elbenmädchen besser gefallen?", unterbrach ihn Gimli gespielt erstaunt.
„Nein. Natürlich nicht. Aber mir würde es besser gefallen, wenn sie selbst nicht solchen Wert auf das Äußere legen würde. Das ist so... so... so unnatürlich."
„Genau!", sagte Gimli spitz. „Es ist so unnatürlich, dass ein Elbenmädchen einem Elbenmann gefallen möchte."
„Genau", antwortete Legolas und sah Gimli dann verwirrt an. „Nein! Nicht 'genau'! Du verstehst mich nicht! SIE will MIR gefallen!"
„Ja, sagte ich doch." Gimli sah Legolas jetzt wirklich erstaunt an. „Und DU willst IHR NICHT gefallen oder wie darf ich das verstehen?"
Legolas winkte resigniert ab. „Ich habe wirklich schon oft versucht eine elleth kennenzulernen, die nicht so ist."
„Wie ist?", hakte Gimli nach.
„Kompliziert!" Legolas fiel endlich ein Wort ein, mit welchem er Gimlis Fragerei befriedigen konnte. Der verstand es ja doch nicht, worum es ihm ging. Zwerge!
Doch Gimli konnte sich nicht mehr halten. Laut dröhnte sein Lachen los, so dass die Elben sich verwundert umdrehten und Amlugûr ihm ein Zeichen gab zu schweigen. Gimli riss sich wieder zusammen.
„Junge! So muss ich dich wirklich mal nennen, auch wenn du sechs oder sieben Mal so alt bist wie ich. Was dich bekümmert ist etwas, was so ziemlich jeden Mann bekümmert. Nur die meisten gehen anders damit um. Manche nehmen es einfach hin und lassen ihre Frauen reden und manche halten sie still, indem sie ihnen das sagen, was diese hören wollen. Es gibt wahrlich nicht viele „Frauenversteher" und mein Vater Glóin sagte mir einst, dass sei nicht ein Problem unserer Generation, sondern wäre schon immer so gewesen."
Legolas drehte sich zu Gimli um und sah ihn zweifelnd an.
Dieser lachte wieder und fuhr fort: „Legolas, mein Freund. Eines kannst du mir glauben. Du kommst mit ihnen besser zurecht, wenn du verliebt bist. Das ändert deine gesamte Wahrnehmung und keine Frau der Welt erscheint dir in diesem Moment kompliziert.
Und außerdem... Eine unkomplizierte Frau ist das Langweiligste, was man sich vorstellen kann. Mein Großvater Gróin sagte einst, dass man an nichts so schnell sein Interesse verliert, wie an einer Frau, die einem alles recht macht und bei der man nichts falsch machen kann. Je komplizierter die Frau, desto besser, denn dann wirst du dein Leben lang immer beschäftigt sein und der Tod ist eine wahre Erlösung.
Vielleicht ist das bei euch Elben anders. Für euch Unsterbliche wäre ein unendlich andauernder Kampf wahrscheinlich nicht so gut."
„Nur weil wir unsterblich sind ist das bei uns nicht anders", warf Rochdil ein. „Ilúvatar hätte die Elbenfrauen nicht so unglaublich kompliziert gemacht, wenn er nicht auch mit ihnen die gleichen Ziele verfolgt hätte wie bei Menschen und Zwergen. Wie mir scheint, sollen Frauen eine süße Qual für jeden Mann sein. Und dies gehört zu Ilúvatars großem Plan. Mir ist nur unklar, wofür dieser Plan gut sein soll", sinnierte er weiter.
„Aber vielleicht war es gar nicht Erus Werk. Vielleicht hatte Morgoth seine Finger mit im Spiel", warf Gimli ein. „Heißt es nicht, dass Morgoth, den Gesang der Valar mit Missklängen und hässlichen Tönen von Streit und Disharmonie zerstörte?" Er grinste dabei über das ganze Gesicht. Das Grinsen erstarrte jedoch, als Legolas ihn fast schon verstört ansah.
„Das sollte ein Scherz sein. Ich glaube nicht, dass Morgoth solch... hm... schöne, sanfte und weiche Wesen geschaffen hätte", lenkte Gimli ein. „ Und außerdem waren die Valar an der Erschaffung der Elben und Menschen gar nicht beteiligt. Das solltest du doch besser wissen als ich!", murmelte Gimli vorwurfsvoll. „Aber du, Rochdil, scheinst die Vor- und Nachteile einer Frau schon sehr gut zu kennen?", fragte Gimli.
„Natürlich. Er ist gebunden", antwortete Legolas seinem Freund.
„So? Woher weißt du das?"
„Elben können das sehen. Wir schauen einen anderen Elben an und wissen sofort, ob er oder sie gebunden ist. Man sieht es an den Augen, an den Bewegungen... Ich kann es dir nicht wirklich beschreiben, aber es immer eindeutig. Bei den Menschen gibt es da oft Missverständnisse. Elben binden sich nur einmal im Leben und wenn der Partner tot ist, dann sind auch sie für den Rest ihres Lebens allein bis sie sich in Valinor irgendwann wieder treffen", erklärte Legolas. „Deshalb sieht man diese Bindung, auch wenn der Partner gerade in den Hallen von Mandos wartet."
Gimli war erstaunt. „Und wer ist hier noch gebunden?"
„Viele sind gebunden, aber Amlugûr, Elrohir, Elladan, Haldir und ich sind es nicht. Orodben, Lhainir, Rhavan, Rhîon und Agarmaethor auch nicht."
„Agarmaethor würde vermutlich nicht einmal ein Ork wollen", murmelte Rochdil. „Vielleicht ist er deshalb so verbittert und hart."
Plötzlich begann eine angeregte Unterhaltung über Elbenfrauen, warum sie so sind, wie sie sind und auch darüber, warum Agarmaethor wohl noch keine abbekommen habe. Die lange Reihe der Reiter hatte sich sehr schnell in eine fette Traube verwandelt und Amlugûr riss schließlich der Geduldsfaden.
„Kein Wort mehr! Wie ein riesiger Haufen menschlicher Klatschbasen seht ihr gerade aus! Treibt eure Pferde an und seht zu, dass wir den Hulsten-Kamm bald erreichen!"
Schweigend begaben sich wieder alle in eine Reihe. Der restliche Tag verlief genau so schleppend wie sein Beginn.
„Manchmal glaube ich, Elrond hat uns als Stimmungsmacher und Amlugûr als Spielverderber entsendet...", raunte Gimli Legolas noch zu.
Alatar war inzwischen am Rande des Gebirges unterwegs und hoffte, er könne dort eine Ziege oder einige Kaninchen erlegen. Wie Pallando, wollte auch er endlich einmal wieder Fleisch essen und nicht mehr von dem bass der Elben aus dem Düsterwald zehren. Leider hatten die Ufer des Celduin nur magere Vögelchen geboten und die waren eines Pfeilschusses nicht wert gewesen.
Er suchte nach einigen grünen Stellen, denn dort vermutete er am ehesten Wild. Leise pirschte er sich auf engen Pfaden durch die Felsen und suchte nach Spuren.
„Diese Leckermäuler", murmelte er, als er auf eine Spur stieß, welche ganz offensichtlich zu einer mit vielen frischen Gräsern und Kräutern bewachsenen Felserhebung führte. Er suchte sich ein Versteck um dem Wild dort auflauern zu können. Die Spuren ließen darauf schließen, dass dies ein recht belebter und beliebter Ort für Wildziegen war. Der beste Platz, wie ihm schien, lag oberhalb der Futterstelle und so kletterte er noch weiter nach oben, um dort still auszuharren. Bewegungslos lauschte er und hoffte auf das Erscheinen einer Ziege.
„Was war denn das?", murmelte er plötzlich und richtete sich auf. Hatte er gerade seinen Namen gehört? Er lauschte wieder. Tatsächlich. Er hörte seinen Namen. Alatar stöhnte auf. Das konnte nur Pallando sein, der wieder einmal blind durch die Landschaft gelaufen war. Mit der Jagd war es vorbei und so, wie sich das Geschrei anhörte, musste es wirklich dringend sein. Er erhob sich und versuchte die ungefähre Herkunft der Schreie, ausfindig zu machen. Schließlich rannte er los und fand bald einige Spuren, die nur von Pallando stammen konnten. Sie führten einen steilen Abhang hinauf.
Die Schreie erschienen Alatar immer lauter und verzweifelter je höher er kletterte. Als er die Felsenfläche erreichte blieb sein Herz einen Moment lang stehen. Pallando war deutlich zu hören, doch nicht zu sehen. Alatar warf seinen Bogen weg und stürzte zum Rand des Felsens, um hinunterzuschauen. Pallando hing, sich krampfhaft an einem toten Ast festhaltend, über dem Abgrund.
„Hilf mir!", jammerte Pallando. Seine Kräfte ließen immer mehr nach und er sah sich schon auf am Boden zerschellen.
Alatar legte sich auf den Bauch und streckte seine beiden Hände aus, um die Arme Pallandos zu erreichen, doch Pallando hing zu tief. Er konnte nicht einmal dessen Fingerspitzen berühren. Vorsichtig kroch er weiter nach vorne, um sich mit seinem Bauch noch mehr über den Abgrund beugen zu können.
Mit Panik gewahrte Pallando, dass der Felsvorsprung, auf dem Alatar gerade lag, ebenso brüchig war wie der, der zu seinem eigenen Absturz geführt hatte. Schon kamen ihm erste kleine Steine entgegen und er sah, wie sich Risse bildeten.
„Alatar! Geh zurück! Lass mich hier! Du stürzt sonst auch noch ab. Dann sind wir beide tot und können niemandem mehr helfen!", rief er ängstlich.
„Ach Unsinn!" Alatar schüttelte energisch den Kopf und schob sich Stück für Stück langsam weiter nach vorne.
„Du verstehst nicht, in welche Gefahr du..." Pallando hatte nun mehr Angst um Alatar als um sich selbst, denn seinen Absturz hatte er selbst verschuldet. Alatar würde für ihn sterben, wenn der Felsen brach.
„Ich habe verstanden!" Alatar war ungehalten. „Der Felsen bricht, aber wenn du mich noch mehr ablenkst, dann dauert alles noch länger und die Gefahr ist noch größer. Ich kann und will dich hier nicht zurücklassen. Das würde ich mir mein Leben lang vorwerfen!" Wieder kroch er Stück für Stück weiter über den Rand und hing schon bedrohlich unsicher über der Kante. Es kostete ihn viel Mut, in dieser Höhe zu agieren, aber an Mut oder Übermut hatte es ihm noch nie gefehlt. Schon oft wurde ihm das vorgeworfen. Nur Pallando hatte immer Vertrauen in seine Handlungen gehabt, auch wenn sie anderen viel zu riskant erschienen waren.
Schon berührte er die Finger Pallandos. „Kannst du meine Hand ergreifen?", stöhnte er vor Anstrengung. Pallando fühlte sich selbst ganz schwach. Er müsste schon ein wenig Schwung holen, um Alatars Hand ergreifen und sich daran festhalten zu können. Vorsichtig und mit seinen letzten Kräften gut haushaltend versuchte er sein Glück. Durch einen kleinen Abstoß mit den Füßen an einem winzigen Felsvorsprung konnte er sich ein kleines Stück nach oben recken und erreichte die Hand.
Das Gewicht, das der Felsen nun zu tragen hatte, verdoppelte sich damit. Große Steine brachen heraus, Risse wurden immer größer. Der Fels konnte das Gewicht nicht mehr tragen und mit einem lauten Krachen stürzte er in die Tiefe und riss Alatar und Pallando mit sich.
Der Geruch von frischem Heu stieg Pallando in die Nase. Langsam richtete er sich auf und sah neben sich den bewusstlosen Alatar liegen. Er war am Kopf und am Arm... eigentlich überall notdürftig verbunden und als Pallando sich selbst ansah, stellte er mit Erschrecken fest, dass auch er fast vollständig bandagiert war. Er hatte keine Schmerzen, aber das mochte auch daran liegen, dass er fast überhaupt nichts fühlte. Vielleicht wurden ihm besondere Heilkräuter verabreicht. Stöhnend warf er sich zurück ins Heu.
„Na? Aufgewacht?", fragte plötzlich eine tiefe männliche Stimme. Pallando blickte auf. Vor ihm stand ein großer, bulliger Mann. Er lächelte ihn freundlich an. „Ich habe jemanden schreien gehört und euch dann gefunden. Ihr habt verdammt großes Glück gehabt, dass ihr das überlebt habt. Ihr seid beide ganz schön zäh, oder?" Er lachte wieder und reichte Pallando eine Flasche Wasser, die dieser gierig leer trank. „Ein paar gebrochene Knochen habt ihr aber schon. Der Aufenthalt hier wird wohl länger dauern. Tut mir leid."
Nach einigen Stunden erwachte auch Alatar.
„Danke, dass du mich retten wolltest", murmelte Pallando schuldbewusst. „Bist du mir böse, weil ich uns in Gefahr gebracht habe?"
„Nein", brummte Alatar. „Du bist schließlich mein Freund. Du bist mit mir auf diesen schrecklichen Kontinent gekommen, hast dir ebenfalls einen menschlichen Körper geben lassen und nun begleitest du mich bei einer Angelegenheit, die allein meine Aufgabe sein sollte. Ich bin so froh, dass du bei mir bist, dass ich dich nicht wegen so einer kleinen Gefahr im Stich lassen würde."
Er wusste selbst, dass die Gefahr wahrlich nicht klein gewesen war, aber er war Pallando wirklich nicht böse.
„Es wäre nur schön, wenn du das nächste mal einfach ein wenig mehr Acht geben könntest", sagte er und schlief ein.
elleth Elbenfrau/Elbenmädchen
bass Brot
das hat Tolkien tatsächlich in der LACE (History of Middle Earth – Morgoth's Ring) geschrieben
