Warnungen: Gewalt und Ekel (aber das hat dieses mal meine Beta Ela verfasst. Danke auch für die kurzfristige Korrektur)

Überraschung

Agarmaethor, Elladan, Elrohir und Haldir bewegten sich zu Fuß Richtung Norden. Der Nordostwind war günstig. Kalt und frisch vertrieb er den anhaftenden Orkgeruch. Auch wenn sie sich mit Ork-Blut besudelt hatten war es sicherer, gar nicht gerochen zu werden. Nach einer Weile trennten sie sich und jeder lief in Sichtweite zum nächsten weiterhin nördlich. Je weiter die vier nach Norden kamen, desto vorsichtiger wurden sie. Es war inzwischen zwar helllichter Tag und man konnte davon ausgehen, dass die Orks wieder unter ihren Planen rasteten, wenn jedoch, wie bei dem Ork-Angriff in der Nacht zuvor, Uruk-hai in den Gruppen waren, dann würden diese vermutlich die Lager bewachen.

Vorsichtig erklommen die Kundschafter jeden Hügel, beobachteten erst einige Momente die Umgebung und lauschten mit dem Ohr am Boden, bevor sie sich auf den nächsten Hügel begaben. Ihre Augen waren besser als die der Menschen oder Zwerge, trotzdem war die Gefahr zu groß, als dass man sich auf flüchtige Beobachtungen hätte verlassen dürfen.

Immer, wenn sie einen Hügel erreicht hatten hielten sie auch Ausschau nach einander und gaben sich Zeichen, dass alles in Ordnung war.

Gegen Mittag lag Elladan wieder auf einem der Hügel und erwartete Haldir, der sich links neben ihm befinden musste. Rechts von ihm hatte Elrohir bereits sein Zeichen gegeben. Elladan lauschte angespannt und schaute in die Richtung, aus welcher er Haldir erwartete. Die Zeit erschien ihm allmählich verdächtig lang, doch er hatte Geduld. Schließlich erblickte er einen kleinen Punkt über einem weit entfernten Hügel, viel weiter weg, als er Haldir vermutet hätte. Zunächst wollte er sich aufrichten, um Haldir das Zeichen zu geben, doch im letzten Moment mahnte er sich zur Vorsicht.

Orks stammten von Elben ab, geschaffen durch Morgoth's dunkle Macht und sowohl Sauron als auch Saruman hatten dessen Züchtungen perfektioniert. Die Orks hatten die meisten Fähigkeiten der Elben verloren – spätestens nachdem man sie mit Menschen kreuzte um ihre die Geschwindigkeit ihrer Fortpflanzung zu erhöhen. Doch immer wieder gab es vereinzelte Kreaturen, von denen man sagte, sie seien unsterblich. Wenn das stimmte, dann bestand auch die zumindest geringe Möglichkeit, dass vereinzelte Orks Elbenaugen oder Elbenohren hatten. Immerhin konnte Saruman mit einer weiteren Ork-Mensch-Kreuzung zwar schwächere, aber auch dem Sonnenlicht resistente Untiere züchten, die er Halborks nannte.

Elladan verharrte am Boden und beobachtete den Punkt. Dieser war so bewegungslos als würde jemand Wache stehen. Elladan wurde langsam unschlüssig, wie er weiter verfahren sollte. Ein leise keuchender Atem ließ ihn aufschauen und er erblickte Haldir, der sich ihm vorsichtig, aber zügig näherte. Dessen Handzeichen waren unmissverständlich. Er hatte ein Orklager entdeckt und Elladan war nun klar, dass er mit seinem Verdacht Recht behalten hatte. Gemeinsam liefen sie zu Elrohir und Agarmaethor und erst, als sie selbst den dunklen Punkt am Horizont nicht mehr erkennen konnten, richteten sie sich voll auf, um schneller laufen zu können.

Sie hatten es nicht weit. Schon bald trafen sie auf Elrohir, welcher mit Agarmaethor bereits auf sie zu warten schien.

„Ein Orklager!" sagte Elrohir, als Elladan und Haldir nahe genug waren.

„Auch bei uns", erwiderte Elladan etwas außer Atem.

„So nah, wie sie dem Nebelgebirge sind, werden sie unsere Spuren spätestens am Hulsten-Kamm finden. Wenn sie sich zusammentun, dann ist es erneut eine halbe Armee, so wie gestern Nacht", fügte Agarmaethor hinzu.

„Es sind zwei Uruk-hai, die Wache schieben", berichtete Haldir. „Mir ist ein kurzer Blick auf das Lager gelungen und es scheint sich um etwa dreißig Orks zu handeln. Ich bin mir aber nicht sicher, da sie sich unter großen Planen vor dem Sonnenlicht verbergen."

„Auch bei uns sind es etwa dreißig. Mich besorgt diese umfangreiche Planung. Die meisten Orks sind dumm und einen so langen Marsch im Sonnenlicht durchzuführen... Das kann nicht einfach nur ein Raubzug sein", sagte Elladan. „Wie finden wir jetzt heraus, was diese Untiere planen?"

Elrohir grinste. „Wir sind schon etwas weiter als ihr. Agarmaethor und ich haben mit zwei gezielten Pfeilschüssen die zwei Wachen – wirklich hässliche Halborks - getötet. Aber bevor das geschehen ist, konnten wir noch ein paar Sätze belauschen. Stellt euch vor, unter den Schlafenden befindet sich ein Ork mit dem Namen Gruzschak. Er soll immer ein geheimnisvolles Leder in der Hand halten und die Gegend mit den Bildern auf dem Leder vergleichen. Mir scheint, es ist eine Karte. Die wollen wir uns aneignen."

„Und wie? Wollen wir zu viert über eine Horde schlafender Orks herfallen?", fragte Haldir skeptisch.

Agarmaethor erhob das Wort: „Dass ihr so nah noch ein weiteres Orklager entdeckt habt, kommt uns sehr entgegen. Orks dienen meistens einem Herren, was dieser Gruzschak bestimmt nicht ist. Sie haben unter sich selbst ständig Streitigkeiten und Kämpfe und nur Anweisungen ihres Herren halten sie häufig davon ab, sich gegenseitig zu zerfleischen."

„Ich ahne, was kommt", stöhnte Elladan und er behielt recht. Sie besprachen kurz Agarmaethors Plan. Dieser sah zunächst vor, die beiden Uruk-hais des anderen Lagers zu töten. Damit dies möglichst geräuscharm vonstatten ging, wollten alle vier gleichzeitig agieren. Der Angriff musste plötzlich, überraschend und schnell sein - mit Pfeil und Bogen.

So liefen sie in die Richtung des von Haldir entdeckten Lagers. Die beiden Uruk-hai hatten sich an verschiedenen Punkten des Lagerrandes postiert und schauten gelangweilt auf die Hügellandschaft. Agarmaethor und Elrohir umrundeten es vorsichtig - immer von Hügeln gedeckt. Haldir und Elladan näherten sich dem anderen Uruk-hai.

„Der Hals ist empfindlich, und auch wenn sie nicht sofort sterben sollten, so können sie kaum noch einen Laut von sich geben", riet Elladan als wüsste Haldir dies nicht selbst.

Die mitgebrachten Orkbögen wurden gespannt. Das Surren der abgeschossenen Pfeile musste in den Ohren eines ungeübten Hörers wie das Summen einiger fliegender Wespen klingen. Der Uruk-hai hatte sich gerade den beiden Schützen zugewandt, als ihn die Pfeile direkt am Hals trafen. Ein leises Gurgeln und Krächzen ertönte und er fiel in sich zusammen. Vorsichtig näherten sich die beiden Elben und Haldir stach zur Sicherheit noch einmal seinen Dolch in die Brust des Orks. Schließlich zogen sie ihn unter Aufwendung aller Kräfte vom Hügel in die anschließende Senke. Mit Hilfe seines eigenen Skimitars wurde der Uruk-hai geköpft. Den Kopf und das Skimitar nahmen sie mit zum Treffpunkt wo bereits Agarmaethor und Elrohir warteten - ebenfalls mit einem abgeschlagenen Kopf in der Hand.

„Die beiden Halborks hatten Speere bei sich. Wir werden die Köpfe der Uruk-hai unmittelbar vor dem Lager der Halborks platzieren, damit die anderen sie sofort sehen und ihrer Wut freien Lauf lassen", legte Agarmaethor fest und so wurde es auch ausgeführt.

„Elrohir und Elladan, ihr werdet euch auf der östlichen Seite des Lagers in Pfeilschussweite positionieren und fliehende Orks erlegen. Haldir und ich erledigen den Rest. Es wird bald dunkel. Wir müssen uns beeilen."

Sie eilten wieder zum Lager der Uruk-hai-Wächter. Dort erwarteten sie die Dämmerung. Die Orks regten sich langsam und erwachten. Unappetitliche Geräusche ließen die Luft vibrieren, die nach Meinung der Elben schon nicht mehr als Luft hätte bezeichnet werden dürfen.

„Die Orks sind dumm. Sie werden den Unterschied nicht bemerken und uns in unseren Kostümen für echte Orks halten", flüsterte Agarmaethor Haldir zu. „Es ist waghalsig, aber es wird gelingen."

Als die ersten Orks, auf der Suche nach den Uruk-hai-Wachen, die an das Lager angrenzenden Hügel betraten, richteten sich Agarmaethor und Haldir auf und schossen ihre Pfeile auf die noch verschlafenen wirkenden Orks ab. Wie unabsichtlich trafen sie dabei nicht tödlich, sondern verursachten Verletzungen, welche markerschütternde Schreie zur Folge hatten. Eine größere Anzahl weiterer Orks rannte auf den Hügelkuppen und sah nicht nur die angeschossenen Artgenossen, sondern auch einen der geköpften Uruk-hai in der Senke liegen.

„Los jetzt!" Agarmaethor und Haldir sprangen auf. Die Orkhäute mit den Orkschädeln fest um den Körper gebunden eilten sie davon. Für die Angegriffenen musste es im ersten Moment aussehen, als würden zwei ihnen unbekannte Orks davonrennen. Der Geruch, den Agarmaethor und Elrohir hinterließen, konnte sie auch nichts anderes glauben lassen. Wutentbrannt setzte sich die gesamte Horde in Bewegung und nahm die Verfolgung auf.

Die verkleideten Elben waren nicht so schnell wie üblich, behindert durch die Orkhaut und den schweren Schädel, aber doch noch erheblich schneller als die Orks hinter ihnen. Geschwind eilten sie in die Richtung des anderen Orklagers. Lautes Gebrüll hallte ihren Elbenohren bereits entgegen. Die Orks vor ihnen hatten wohl ihre toten Gefährten und möglicherweise auch die aufgespießten Schädel entdeckt.

Für die verfolgenden Orks musste es wie Kampfgebrüll geklungen haben, denn sie erhöhten ihr Tempo und schienen dabei völlig zu ignorieren, dass sich die Hautbefestigung Haldirs gelöst hatte und nun im Wind wehte. Blind vor Wut und Hass sahen und rochen sie nur zwei feindliche Orks. Sie schossen ihre Pfeile hinter den beiden Davonlaufenden her – ohne Ergebnis.

Die Gefahr für Agarmaethor und Haldir bestand jedoch gar nicht in den Verfolgern. Sie mussten sich so weit wie möglich den anderen Orks nähern, ohne auch von diesen noch angegriffen zu werden. Das Wutgebrüll aus dem Lager warnte sie. Agarmaethor winkte Haldir zu, damit dieser sein Tempo erhöhte. Er sollte nach Möglichkeit außer Sichtweite der Verfolger gelangen und einen Bogen machen, um zu Elladan und Elrohir vorzudringen. Kurzzeitig waren die beiden Verfolgten von einer Hügelkuppe verdeckt und Haldir scherte nach links aus und verschwand. So schnell er konnte eilte er zu den anderen beiden Elben.

Der Trick gelang. Als die Verfolger die Hügelkuppe erreicht hatten, sahen sie nur noch einen einzigen Ork wegrennen. Ihre Wut ließ sie jedoch nicht denken und so ignorierten sie das Fehlen Haldirs. Sie rannten einfach dem hinterher, den sie sehen konnten.

Agarmaethor wusste von Beginn an, dass er keine Chance hatte ungesehen zu entkommen. Der Überraschungseffekt war wichtig. Die Orks des angestrebten Lagers mussten glauben, dass er zu ihnen fliehen würde. Hastig erklomm Agarmaethor einen weiteren Hügel und konnte schon die aufgespießten Köpfe erkennen. Offenbar hatten die Orks diese noch nicht entdeckt, denn sie standen noch immer in der Senke oder bei den getöteten Halborks.

Agarmaethor blieb bis auf einhundert Fuß stehen und wartete, bis auch die Verfolger ihm sich auf etwa weitere einhundert Fuß genähert hatten. Schließlich brüllte er, so laut er konnte aus: „Uruk-hai! Uruk-hai!"

Seine Stimme klang nicht annähernd so, als wäre er ein Ork, aber darauf kam es jetzt nicht an. Es galt, die Aufmerksamkeit der anderen zu wecken und dies gelang. Sie eilten in seine Richtung und erblickten, wie ein Ork auf einem Hügel stand und scheinbar panisch auf eine Gefahr hinwies, bevor er sich bei ihnen in Sicherheit bringen wollte, indem er, weiter rufend, auf sie zukam.

Erst dann gewahrten sie die Verfolger, die brüllend, mit Waffen in den Händen, auf das Lager zurannten. Die Verfolger Agarmaethors hatten die aufgespießten Köpfe der beiden Uruk-hai im selben Moment bemerkt, wie die Orks des Lagers, aber es gab keine Zeit mehr für Verhandlungen und Diplomatie, sofern ihnen dies überhaupt ein Begriff war. Sie fielen übereinander her. Schleim und Blut spritzte auf den Boden und färbte ihn schwarz, vergiftete ihn für einige Jahre. Das Geschrei und Gebrüll ließ jedes noch so kleine Tier in der Nähe die Flucht ergreifen. Schweißgestank und der metallische Geruch frischen Blutes vermischte sich mit dem Geruch von Fäkalien, die die aufgeschlitzten toten Orks hinterließen.

Agarmaethor konnte nicht auf den Kampf achten. Er war inzwischen zu den Orks des Lagers gerannt und ehe diese realisieren konnten, dass die Haut des Orks nur ein Kostüm war, waren die Verfolger schon über sie hereingebrochen. Sie hatten keine Möglichkeit mehr, sich um das seltsame Geschöpf in der Orkhaut zu kümmern. Agarmaethor strebte geradewegs durch das Lager hindurch. Keiner schenkte ihm mehr Beachtung. Er hastete hinter den nächsten Hügel zu den wartenden Elben, wo er sich mit Pfeilen und Bogen bereit machte.

Lange mussten die vier Elben nicht warten, bis sich das Kampfgeschehen beruhigt hatte. Die Verfolger hatten den Sieg davon getragen und schlachteten die Gegner und Verletzten der eigenen Reihen dahin, bevor sie sich dem Lager zuwandten, um es plündern. Auch von ihnen waren nicht mehr viele übrig - Vielleicht eine Hand voll. Das Summen von Wespen erklang wieder in der Luft. Vollkommen überrascht wichen sie nicht einmal aus, als die Ork-Pfeile der Elben auf sie niederprasselten. Nach weniger als einer Minute war alles vorbei.


„Wo bleibst du denn nur so lange?" Rufur und Haunar standen schon unruhig in der großen Vorhalle. Sie waren ähnlich bepackt wie Odan und wollten endlich losgehen.

„Bizar-kûn hat mich aufgehalten. Er wollte noch mit mir sprechen", erwiderte Odan nur kurz.

„Huah!", stöhnte Rufur auf. „Ich habe immer eine so unglaubliche Angst vor seinem Schatten. Der wirkt immer so bedrohlich."

„Ich erschrecke mich vor ihm, wenn er mich überrascht, aber warum sollte ich Angst haben? Bizar-kûn ist doch immer sehr freundlich und gütig", erwiderte Haunar.

„Ja doch!" Rufur sah sich um und begann zu flüstern. „Aber ich könnte schwören, dass ich einmal gesehen habe, wie der Schatten ohne den Körper durch die Gegend wandelte."

„Du hast den Schatten ohne den Körper gesehen?", ächzte Haunar erschrocken auf.

„Wahrscheinlich hat er den Körper ohne den Schatten gesehen", sagte Odan kühl. „Rufur... Ich habe wirklich eine hohe Meinung von dir und deinen Talenten, aber eines solltest du wissen: wenn es viel Licht von allen Seiten gibt, dann gibt es keinen Schatten. Und seit wir unsere Gänge und Wohnräume zum Teil mit diesem klebrigen, grünlichen Zeug bestrichen haben, leuchtet es von allen Seiten. Da gibt es keinen Schatten."

„Aber da war doch nur eine Kerze", murmelte Rufur kleinlaut.

„Dann war es zu dunkel für einen Schatten. Rufur, das ist Kinderkram!" Odan sprach unwirsch.

„Aber habt ihr euch nie gefragt, warum er so viel weiß?", fragte Rufur.

„Er ist alt und weise. Ich wüsste auch mehr, wenn ich so alt wäre." Haunar klopfte Rufur ermutigend auf die Schulter. „Was wollte der alte Mann von dir?"

„Er gab mir etwas zur Unterstützung und einige Tipps."

„Na wenigstens... Das Heer im Feld vermag wenig ohne guten Rat von zuhause. Kommt schon, die anderen warten draußen!" Haunar trieb sie an und führte sie zu einer kleinen Tür.

„Bist du schon aufgeregt, weil du endlich einmal eine wichtige Aufgabe übertragen bekommen hast?", fragte Odan Haunar, der nervös von einem Bein auf das andere trat.

„Oh ja. Und ich plane, mich für die Geschichtsschreiber unvergesslich zu machen!"


Die Gemeinschaft strebte indessen immer weiter dem Hulsten-Kamm und somit dem Nebelgebirge entgegen. Der Hulsten-Kamm, ein langer, sich nach Westen hinstreckender Ausläufer des Nebelgebirges, bestand vor allem aus Felsen, bedeckt durch Moose und Farne. Nur an seinen nördlichen und südlichen Seiten konnte man dichtere Vegetation, wie Bäume und Sträucher finden, meist an Stellen, die sich nahe dem Wasser befanden. Ansonsten war die Gegend genau so tot, wie die Hügellandschaft, über welche die Reiter sich bewegten. Die massive Abholzung in den früheren Zeitaltern war schuld daran, dass neben dem Eryn Lasgalen, dem Alten Wald, Lórien und Fangorn keine wirklich großen Waldflächen im Westen Mittelerdes mehr existierten. Dort, wo einst viele Bäume standen, trug nun der Wind den spärlichen fruchtbaren Boden ab und die Gegenden versandeten oder verwandelten sich in weite Graslandschaften. Der Hulsten-Kamm selbst hatte für die Gegend die wunderbare Eigenschaft, dass er die Nord-Süd- und Süd-Nord-Winde behinderte und somit vor der Abtragung des fruchtbaren Bodens schützte. Dies war wohl auch einer der Gründe, warum sich unmittelbar am Hulsten-Kamm Bäume und Sträucher befanden.

Die Pferde mussten zur Eile angetrieben werden, da sie aufgrund der umwickelten Hufe das Tempo immer wieder drosselten. Die Landschaft änderte sich allmählich. Die Hügel wurden steiler und immer öfter erschienen Sträucher und kleinere Bäume. Auch Wildspuren wurden gesichtet und die Freude auf eine Jagd und ein wenig Fleisch bewegte die Gemüter der Reiter ebenso wie der Gedanke, sich endlich reinigen zu können.

Nur Legolas blickte besorgt drein. Dordo schien völlig abgekämpft zu sein. Schaum stand vor seinem Maul und oft zitterte sein gesamter Körper, bevor er sich wieder fangen konnte, um seinen Weg fortzusetzen.

Gegen Abend waren sie dem Hulsten Kamm so nahe, dass sie sich sicher waren, diesen noch vor der Dunkelheit zu erreichen. Doch je näher sie ihrem Ziel kamen, desto müder wurde Dordo und er begann zu stolpern. Legolas sprang mitten im Trab vom Pferd und lief nun neben ihm, um es zu entlasten. Dies schien dem braven Tier auch gut zu tun. Nur der Zwerg war etwas unglücklich darüber, dass er sich nicht mehr am Elben festhalten konnte, doch auch ihm tat das Tier leid und er wäre lieber ebenfalls gelaufen, wenn er damit nicht die Gemeinschaft aufgehalten hätte.

Schließlich erreichte die Gemeinschaft die erste Baumgruppe, welche man beinahe als kleinen Wald hätte bezeichnen können. Der von Agarmaethor beschriebene See konnte nicht mehr weit sein.

„Ich rieche Wasser, frisches Wasser", hauchte Aneru plötzlich.

Alle suchten gespannt mit ihren Blicken nach dem Wasser während ihre Pferde ohne ihr Zutun das Tempo beschleunigten, um selbst zum Wasser zu gelangen. Und tatsächlich... Nachdem sie sich einige Minuten zwischen den Bäumen hindurchgeschlängelt hatten, erblickten sie einen kleinen See, welcher durch eine Quelle aus einer Felswand an seiner hinteren Seite gespeist wurde. Die Felswand selbst gehörte direkt zum Hulsten-Kamm. Sie umschloss den See fast vollständig und nur ein kleiner Zugang, etwa vierzig Fuß breit, erlaubte es, den See überhaupt zu nutzen. Dieser Zugang bestand jedoch aus angenehm weichen Sand mit einer angrenzenden Grasfläche, welche sich hervorragend zum Übernachten eignete. Auf der linken Seite befand sich ein Felsvorsprung in dreißig Fuß Höhe. Er war gerade so hoch, dass man von dort aus über die Baumwipfel schauen konnte. Man konnte ihn gut über einige kleinere Stufen erreichen, die sich fast wie eine Treppe zu ihm hoch wanden. Legolas hatte den Eindruck, als wären die Stufen vor langer, langer Zeit künstlich angelegt worden.

Die Elben und der Zwerg sprangen von ihren Pferden und ließen diese frei grasen. Die meisten Tiere strebten zunächst zum See und bedienten sich am Wasser. Legolas führte den Braunen Agarmaethors ebenfalls dorthin. Dordo schien keine Lust mehr zu haben, sich heute überhaupt noch zu bewegen und musste fast gezwungen werden. Als koste es ihn Überwindung nahm er nach gutem Zureden doch noch etwas Wasser zu sich. Legolas streichelte ihn besorgt.

Nachdem die Pferde versorgt waren, begannen sich die Elben um sich selbst zu kümmern. Lachend und scherzend rieben sie sich im Wasser mit Sand ab, um auch den letzten Gestank loszuwerden. Planschend und dabei brüllend wie Raubtiere robbten sie durch das eiskalte Wasser. Nur Gimli hielt sich etwas verschämt abseits und schaute weg, während auch er sich reinigte.

Die Sonne strahlte noch vom Himmel herab und erwärmte die ausgekühlten Körper. Auch wenn die Luft im Oktober nicht warm war, genügte es doch, um auch die gewaschene Kleidung schnell zu trocknen. Legolas war als einer der ersten bereit zum Jagen. Ihm schlossen sich noch Galwion und Valarin an und gemeinsam gelang es ihnen, ein kleines Reh zu erlegen, welches zerteilt und genüsslich über einem kleinen Lagerfeuer gebraten wurde. Wäre nicht die bange Frage gewesen, was aus den vier Kundschaftern geworden war, die Stimmung wäre die eines Nachmittagausfluges im warmen Spätsommer gewesen.

Amlugûr erkannte den strategischen Vorteil des Felsvorsprunges als Aussichtspunkt und übernahm selbst die erste Wache. Über die Nacht waren weitere Elben an der Reihe. Legolas musste erst am nächsten Morgen eine Schicht übernehmen. Gegen Mittag konnte er über die Baumwipfel hinweg vier kleine schwarze Punkte am Horizont, erkennen. Sie bewegten sich auf den See zu und auch Amlugûr war, nachdem er durch Legolas informiert wurde, der festen Überzeugung, es könne sich nur um die vier zurückgelassenen Kundschafter handeln.

Tatsächlich erreichten diese bald das Lager. Legolas hatte sich an den Rand des Felsvorsprungs gestellt und begrüßte die stinkenden Ankömmlinge ebenso mit lautem Rufen wie die anderen Elben am Ufer des Sees. Die vier Kundschafter hatten unterwegs bereits die Orkhäute abgeworfen, um ihr Fortkommen zu erleichtern und wollten sich jetzt nur noch waschen.

Hastig entkleideten sich alle und liefen in das Wasser. Plötzlich hörte Legolas, der sich wieder dem Horizont gewidmet hatte, einen lauten Ausruf des Erschreckens. Schnell wandte er sich um und blickte zum See. Einige Elben liefen hastig Richtung Wald und auch Gimli entfernte sich mit einem hochroten Kopf und irgendetwas vor sich hinmurmelnd. Andere Elben standen am Ufer und schienen sich plötzlich mit völlig belanglosen Dingen zu beschäftigen. Taurol und Rochdil, beispielsweise, begannen eine Sandburg zu bauen und Uiwador sah sich scheinbar genüsslich ein schmutziges Stück Holz an. Rhîon begann ein Lied zu pfeifen und blickte auf die öde Felslandschaft. Amlugûr rannte, noch komplett bekleidet, hastig ins Wasser zu den vier Kundschaftern.

Bis auf Agarmaethor waren diese komplett untergetaucht und somit aus Legolas' Blickfeld verschwunden, der nunmehr nur noch Agarmaethor, bis zu den Knien im Wasser stehend, sah. Aber was er dabei noch sah, ließ ihn so erschrecken, dass er auf dem Felsvorsprung das Gleichgewicht verlor und mit einem lauten Klatsch ins Wasser fiel. Triefend nass kam er wieder an die Wasseroberfläche und starrte dabei zwangsläufig einen langen Moment in die hellgrauen, fragenden und erstaunten Augen Agarmaethors. Peinlich berührt über den Vorfall schoss Legolas aus dem Wasser zu seinem Lagerplatz hin. Er bemerkte noch, wie Amlugûr Agarmaethor erreichte und irgendetwas ins Ohr flüsterte. Schlagartig warf sich Agarmaethor ebenfalls ins Wasser und robbte zum Ufer. Legolas, der sich inzwischen überwinden konnte, wieder einen kurzen Blick auf den See zu werfen stellte fest, dass Elladan, Elrohir und Haldir schwimmend das Weite suchten.

Er ergriff seinen Mantel und lief zum Ufer. Mit geschlossenen Augen, nicht einen kleinen Blick wagend, reichte er ihr den Mantel hin, den sie stumm entgegennahm. Sie wickelte sich vollständig ein und ebenfalls stumm verließ sie die Gruppe und eilte davon.

Erst als sie weg war, lockerte sich die verkrampfte Situation. Elladan, Elrohir und Haldir kamen nun ebenfalls ans Ufer und trockneten sich ab, doch keiner von ihnen sagte ein Wort. Mit hochroten Köpfen schauten sie niemandem in die Augen. Amlugûr ergriff ein paar Decken und begann Agarmaethor zu suchen, doch Legolas war sich sicher, dass er sie nicht finden würde, wenn sie nicht gefunden werden wollte. Vorsichtig schlich er zu ihrer schmutzigen Kleidung, die noch am Boden lag.

„Sollten wir sie nicht waschen? Sie hat sonst kein Gepäck und damit auch keine Wechselkleidung", warf er ein, den Punkt überspringend, dass es doch auch ihn sehr erstaunen musste, Agarmaethor gerade als nackte Elbenfrau gesehen zu haben.

Uiwador beugte sich nach unten und begann behutsam einzelne Kleidungsstücke auszuspülen. Legolas ging ihm dabei zur Hand und gemeinsam rieben sie schließlich mit Sand und viel Geduld das getrocknete Blut und den Dreck von der Kleidung. Nur Dank der hohen elbischen Stoffqualität hinterließen die Orks keine bleibenden Erinnerungen auf dem Material. Sie breiteten die Kleidungsstücke in der Sonne aus und ließen sie trocknen. Amlugûr war inzwischen zurückgekehrt, alleine und noch immer mit den Decken in der Hand. Er war tatsächlich erfolglos gewesen.

Legolas hatte eine grobe Vorstellung davon, wo sich Agarmaethor wahrscheinlich gerade aufhielt - genau dort, wo Amlugûr sie bereits gesucht und nicht gefunden hatte. Sollte er zu ihr hingehen und mit ihr sprechen? Was sollte er ihr sagen?

Er ergriff die inzwischen getrocknete Kleidung, ihre abgewaschene Metall-Leder-Rüstung sowie eine Decke und bewegte sich langsam zu den grasenden Pferden, die sich leicht außerhalb des Wäldchens befanden. Als er den Braunen Agarmaethors erreichte war er sich sicher, dass sie irgendwo in der Nähe war. Er legte die Kleidung auf den Boden direkt neben dem Pferd ab und begann das Tier zu streicheln. Dordo beantwortete seine Liebkosungen mit einem sanften Anschmiegen an seinen Hals und versuchte an Legolas' Ohr zu knabbern. Legolas spürte dabei, wie sich jemand hinter ihm bewegte und ignorierte es. Einen Moment später sah er auf den Boden. Dort lag sein Mantel. Agarmaethors Kleidung war verschwunden.

Er atmete tief durch, verließ den Schauplatz und kehrte zum Feuer zurück. Dabei passte er gerade noch ab, wie die anderen Amlugûr über Agarmaethor ausfragten:

„Du hast doch gewusst, dass sie eine elleth ist, oder?", drängelte Mithlondion.

„Jaaaa." Amlugûr dehnte das Wort etwas gereizt.

„Und warum hast du es uns nicht gesagt?", wollte Elrohir wissen.

„Sie hat mich darum gebeten. Wie es scheint, wollte sie es euch... auf ihre Weise selber mitteilen." Amlugûrs Stimme klang zynisch.

„Aber wie kann man denn so eine Elbenfrau vergessen? Warum hast du sie denn nicht sofort wiedererkannt als du sie getroffen hast?", fragte Berion. Die Antwort auf diese Frage interessierte auch Legolas.

Amlugûr zögerte zunächst. „Ich kannte sie aus alten..., sehr alten Tagen. Damals hatten wir eine... eine typische Kriegerkameradschaft. Wir kämpften in Fornost und auch in einigen anderen Schlachten. Aber es ist wirklich lange her, seit ich sie das letzte mal sah und sie hat sich seitdem... sehr verändert."

Legolas wunderte sich über die besondere Betonung des Wortes „sehr".

„Ich habe einfach einen Moment gebraucht, und wie ihr zugeben müsst, die Asche in ihrem Gesicht hat es schwer gemacht, überhaupt Gesichtszüge zu erkennen", fuhr Amlugûr fort.

Er erhob sich zum Zeichen, dass dieses Thema jetzt für ihn nun beendet sei und eilte noch einmal zu den Pferden, um Agarmaethor zu finden. Kaum war Amlugûr verschwunden, begannen die anderen Elben über das Geschehene zu tuscheln.

„Warum hat sie es uns nicht gesagt? Das wäre doch besser gewesen, als es uns sooo offensichtlich mitzuteilen?", murmelte Mithlondion.

„Wieso besser? Sie war doch ein schöner Anblick." Rhîon grinste über das ganze Gesicht.

„Hattet ihr nicht auch den Eindruck, dass sie selbst über diese Situation überrascht war? Vielleicht war sie es so gewohnt, sich unter Männern nackt auszuziehen, so dass sie sich gar keine Gedanken gemacht hatte? Und dann bemerkt sie unsere kindische Reaktion und es ist ihr peinlich. Dabei müsste es uns peinlich sein, wie wir uns verhalten haben. Wie kleine Kinder. Als ob wir noch nie eine nackte Elbenfrau gesehen hätten", fügte Elladan hinzu.

„Du hast es nötig. Du bist selber untergetaucht, damit sie ja nicht zuviel von dir zu sehen bekommt", grummelte Elrohir. „Haldir wollte gar nicht wieder auftauchen, bis seine rote Gesichtsfarbe verschwunden war." Alle sahen auf Haldir, welcher erneut einen hochroten Kopf bekam.

„Wir sollten uns Gedanken machen, wie wir weiter verfahren", sagte Maethrim plötzlich. Alle schauten ihn erstaunt an. „Ich meine, wollt ihr, dass sie bei uns bleibt, obwohl sie eine elleth ist? Wollt ihr, dass sie weiterhin die Führung hat? Über uns?", fügte er hinzu. Seine Stimme klang etwas kratzig und rau.

Alle schwiegen und sahen sich gegenseitig an.

„Also ich habe überhaupt nichts dagegen", polterte Gimli plötzlich. „Ich finde das alles zwar ein wenig seltsam, aber ich mochte ihn... also ich meine sie... von Anfang an." Gimli hustete, als habe er sich verschluckt. „Sie ist doch nett!", brachte er in seinem Husten noch unter.

„Nett?" Legolas war fassungslos und amüsiert zugleich. „'Nett' ist nun wahrlich das falsche Wort. Gimli... Irgendwann wird man dir noch den Beinamen Elben-Freund geben", fügte er mit einem kleinen Schmunzeln hinzu.

„Oder vielleicht Elbenfrauen-Freund?", witzelte Rochdil.

„Wenigstens ist sie nicht so ein Zwergenhasser wie Amlugûr", grummelte Gimli über den Spott.

„Ich habe zwar nicht den Hauch einer Ahnung, wie sie sich so viele Jahre verbergen konnte, dass wir nicht einmal von ihr gehört haben, aber sie ist ein guter Führer, besser als Amlugûr", fügte Mithlondion leise hinzu und schaute sich dabei nach Amlugûr um, welcher jedoch noch nicht zurückgekehrt war.

„Bei Éowyn hat es doch auch niemand bemerkt, als sie in voller Kriegerrüstung gegen den Hexenkönig antrat", merkte Gimli an.

Haldir, noch immer rot im Gesicht, nickte. „Es wäre schade, wenn sie geht und wir sollten unseren Stolz und unsere Eitelkeit beiseite schieben und uns auch von einer elleth anführen lassen. Was wäre daran auch so besonders? Meine Herrin Galadriel führt ein ganzes Volk!"

„Ja", stimmte Elladan zu. „Sie hat uns großartig durch den Kampf geführt und ihre neuen Methoden der Orkverwirrung werde ich mir auf jeden Fall merken."

Noch einmal schaute sich die Gemeinschaft gegenseitig an und schließlich nickten sich alle einwilligend zu.

„Und nun?", fragte Elrohir. „Wenn sie nur deshalb gegangen ist, weil wir uns so albern verhalten haben, dann wäre es vielleicht gut, wenn einer von uns zu ihr geht und sie bittet, bei uns zu bleiben. Wir sollten uns entschuldigen und ihr mitteilen, dass sie keinen Grund hat, von uns fernzubleiben. Ich meine... wir waren doch einfach nur überrascht und sonst nichts! Legolas wird mit ihr sprechen", legte er fest.

„Was? Ich?" Legolas war vollkommen erstarrt und entsetzt. „Warum denn ausgerechnet ich? Was habe ich mit ihr zu schaffen?"

Elladan beugte sich verschwörerisch zu ihm vor und blickte ihn mit einem kleinen Grinsen an.

„Zum einen, weil du dich am peinlichsten von uns allen verhalten hast. Du bist ins Wasser gefallen!

Damit bist du das beste Beispiel für albernes Verhalten und hast am meisten Grund dich zu entschuldigen. Und zum anderen... sie kann dich nicht leiden. Wenn sie jemand fragt ob sie bleibt, den sie nicht leiden kann, dann wird sie denken, dass ihre Anwesenheit doch wichtig und wirklich erwünscht ist."

Legolas schnappte entrüstet nach Luft. „Das ist vollkommener..."

„Aber wenn sie mit uns kommt, dann könnte es noch oft solche peinlichen Situationen geben", unterbrach Maethrim Legolas' Widerspruch.

Rhîon war begeistert. „Was soll's? Hast du nicht das Wasser an ihren wohlgeformten Brü..."

Legolas bemerkte einen Schatten zwischen den Bäumen und winkte ihm schnell, damit er seinen Mund hielt und tatsächlich trat Amlugûr zwischen den Bäumen hervor. Er schaute etwas resigniert drein und schüttelte den Kopf. Alle verstanden, dass seine Versuche mit ihr zu reden oder sie zurückzuholen wohl nicht mit Erfolg gekrönt waren. Amlugûr ging zum Ufer des Sees. Dort lagen noch die Stiefel Agarmaethors, die Legolas vergessen hatte. Amlugûr hob sie auf und steuerte erneut Richtung Wald.

Die Elben und selbst Gimli begannen daraufhin Legolas zu knuffen und zu stoßen und ihn auf seine Beine zu schieben. Etwas widerwillig erhob er sich und ging auf Amlugûr zu, dem die Bewegung am Lagerfeuer nicht entgangen war und der deshalb erstaunt stehen blieb.

„Lass es mich mal versuchen", murmelte Legolas, ohne ihm in die Augen zu sehen. Er nahm die Stiefel und ging zu den Pferden. Agarmaethor stand ihm mit dem Rücken zugewandt bei Dordo und wartete offensichtlich nur noch auf ihre Stiefel. Legolas blieb hinter ihr stehen und betrachtete sie. Das lange, schwarze Haar lag ungeflochten über ihren Schultern und die Silbersträhnen glänzten im Sonnenlicht. Sie gaben ihrem Kopf einen eigentümlichen Schimmer. Außer dem langen, schwarzen Mantel und den Stiefeln war sie wieder vollständig bekleidet.

Legolas wurde mit einem Mal bewusst, warum er sie nicht sofort als Elbenfrau erkannt hatte. Ihre ohnehin schon angehaucht knabenhafte Figur, die so viele Elben hatten, wurde durch ihre Rüstung vollständig versteckt. Jegliche Weiblichkeit blieb dadurch verborgen. Der lange, schwarze Mantel tat sein Übriges.

Agarmaethor bemerkte seine Anwesenheit und wandte sich um. Erwartungsvoll streckte sie die Hände nach den Stiefeln aus. Legolas rührte sich nicht und sie musste die ausgestreckte Hand wieder zurückziehen. Er sah das erste Mal ihr wirkliches Gesicht und verstand jetzt, warum sie sich mit Asche schwärzte. Ihre Gesichtszüge waren überhaupt nicht männlich, sie waren weiblich. Und die Asche hatte es ausgezeichnet verborgen.

„Was ist, gibst du mir jetzt die Stiefel?", fragte sie unwirsch und hart. 'Ihre Stimme!', dachte er. Selbst die Stimme war einer elleth nicht zuzuordnen, wenn sie immer so hart und im Befehlston sprach. Nur einmal hatte er über Agarmaethors Stimme gestutzt, als sie über Dordo sprachen, doch nie im Traum wäre er auf die Idee gekommen...

Er reichte ihr die Stiefel und beobachtete sie, wie sie diese anzog.

„Die anderen haben mich gebeten dich zu fragen, ob du nicht bei uns bleiben möchtest", sagte er schließlich mit kratziger und unsicherer Stimme.

Sie hielt inne. „So? Die anderen? Und warum kommst dann du?", fragte sie zynisch.

„Sie sind der Meinung, dass du am ehesten auf mich hörst, weil du mich nicht leiden kannst."

„Du weißt schon, was du da für einen Unsinn redest, oder?", fragte Agarmaethor kühl.

„Wie? Du kannst mich leiden?" Etwas überrascht über sich selbst fasste er sich dabei an den Kopf. Er wusste selber, dass er gerade kompletten Unsinn von sich gab und wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken.

Agarmaethor wirkte etwas ungeduldig über Legolas' derzeitige Auffassungsgabe. „Wenn du mir gesagt hättest, dass du mich nicht leiden kannst und trotzdem willst, dass ich zurückkomme, dann hätte ich das eher verstanden."

Legolas sah sie verlegen an und verstand. „Nun gut. Ich kann dich nicht leiden. Und trotzdem wäre es mit recht, wenn du dich uns wieder anschließt."

„Wenn du mich nicht leiden kannst, warum willst du dann, dass ich bleibe?"

Legolas biss sich kurz auf die Lippen bevor er sagte:

„Seit du dabei bist, fühlt sich die Gruppe sicherer geführt als allein mit Amlugûr. Unser Weg ist noch sehr lang und gefährlich. Wir sehen alle ein, dass wir uns sehr unreif benommen haben und es tut uns leid. Nur weil wir etwas überrascht über etwas waren, was für dich selbstverständlich zu sein scheint, solltest du nicht weggehen. Und wenn du gerne nackt baden möchtest, dann kannst du das natürlich tun" Wieder biss er sich auf die Lippen und schüttelte über sich selber den Kopf.

Agarmaethor sah ihn einen Moment nachdenklich an. Zu gerne hätte Legolas gewusst, was gerade in ihr vorging. „Bisher weiß ich noch nicht einmal, wohin ihr euch bewegt. Ihr wollt nur nach Süden", fragte sie. „Wie soll ich euch führen, wenn ihr Geheimnisse habt?"

Das war immerhin kein „Nein" mehr.

„Jeder hat Geheimnisse, auch du. Sonst wären wir nicht in dieser Situation. Aber es steht mir nicht zu, dir mehr zu erzählen. Wenn du zurückkommst, wird das Amlugûr tun", erwiderte er nur schlicht.

Er musste sie jetzt alleine lassen, damit sie die Möglichkeit hatte, eine eigene Entscheidung zu treffen. Legolas kehrte zum Lagerfeuer zurück und signalisierte auf die fragenden Blicke hin mit seinen Händen, dass man nun abwarten müsse.


Elleth bedeutet Elbenfrau/Elbenmädchen

Kommentar

Wenn ihr mich jetzt dafür hasst, dann benutzt die Steine da links neben eurem Computer um sie auf mich zu werfen. (gg) Mehr kann ich euch nicht anbieten. Aber glaubt mir, die Geschichte ist bis zum Ende durchdacht und alles, was euch komisch vorkam MACHT SINN und wird noch aufgeklärt.

tbc