an Melethil: Vielen lieben Dank für dein Review und ich bin mir auch irgendwie sicher, dass die sich noch wenigstens etwas besser kennenlernen und mögen (augenzwinker) die haben noch soooo eine lange Reise vor sich, dass es sonst nur eine Qual wäre. (g)

an Amilang: Mahal sei Dank sind alle Missverständnisse beseitigt und als Beweis kommt hier auch schon ein neues Kapitel. Jetzt gehts doch erst richtig los! (und beschmeiß mich nicht mit Wattebällchen für das, was hier kommt g)


Dordo

Die durch den Sturz am Meer von Rhûn verursachten Verletzungen waren erheblich, doch der freundliche Fischer gewährte ihnen für die Zeit der Heilung Unterschlupf in seiner Scheune, so dass sie dort mit Hilfe Pallandos ausgezeichneter Heilkünste vollständig genesen konnten.

Einige Wochen später hatten sich beide wieder auf den Weg in den Osten Mittelerdes gemacht und erreichten eine ihnen unbekannte Hügellandschaft. Riesige Felsformationen ragten zwischen den ansonsten grünen und braunen Hügeln hervor. Weder Pallando noch Alatar konnten sich erinnern, wie diese Felsen mitten im Nichts entstanden waren. Fasziniert von den Formen und Farben hätte Pallando gerne diese Gesteine untersucht, doch Alatar konnte das Wort 'Felsen' in Verbindung mit 'untersuchen' oder 'erforschen' nicht mehr ertragen und unterband jeden unnötigen Aufenthalt.

Alatar entwickelte sich zu einem guten Fährtensucher und so gelang es ihm, nicht nur kurze und bequeme Weg ausfindig zu machen, sondern dabei auch Wild zum Jagen aufzutreiben und jeder Form von bösartigen und gefährlichen Getier aus dem Weg zu gehen. Pallando war wieder und wieder überrascht. Er kannte Alatar gut und so fühlte er, dass dieser mit jedem Schritt des Weges zu wachsen schien, seine Fähigkeiten verbesserte und sogar neue hinzugewann. Alatar war schon immer ein ausgezeichneter Jäger gewesen, doch nun schien er mehr als das zu sein. Pallando glaubte manchmal, dass Alatar schon Stunden vorher wusste, wann und wo sich ein jagdbares Wild aufhielt. Selten war Alatar länger als eine Stunde unterwegs und nie war er erfolglos.

Pallando versuchte Alatar auf diese Veränderungen anzusprechen, doch Alatar reagierte nur überrascht. Seiner Meinung nach war dies alles nur eine Frage der Erfahrung, doch Pallando war skeptisch. Er selbst gewann mehr und mehr den Eindruck, dass auch seine Fähigkeiten sich veränderten. Früher hatte er sich nur für die Pflanzenwelt interessiert. Er untersuchte die Struktur einzelner Exemplare, identifizierte Gift und Heilwirkungen und analysierte Zusammensetzung und Verbreitung. Alles, was er tat, erhöhte nur sein Wissen um bestimmte Dinge, doch nun berührte er eine Pflanze und bekam das Gefühl, als würde sie mit ihm sprechen. Pallando wusste genau, dass sie das nicht tat, doch er konnte mit dieser Berührung erkennen, warum die Pflanze gerade an dieser Stelle wuchs und warum es ihr gut oder schlecht ging. Das war mehr als nur Wissen und Lernen. Das war eine neue Fähigkeit.

Möglicherweise brachte der menschliche Körper diese ungewohnten Eigenschaften hervor. Ihre bisherigen Fähigkeiten waren ihnen von Ilúvatar selbst gegeben worden als sie seinen Gedanken entsprossen, doch sie hatten diese nie wirklich entwickelt. Entweder sie beherrschten etwas oder sie beherrschten es nicht. Nur Wissen konnten sie hinzugewinnen.

Pallando dachte sehr viel über ihre neuen Fertigkeiten nach und er war auch ein wenig beunruhigt. Was wäre, wenn sie nicht nur neue Fähigkeiten hinzugewannen, sondern es noch weitere Veränderungen gab - Veränderungen, die weder vorhersehbar noch positiver Natur waren? Genau davor bekam er langsam Angst.

„Alatar?", fragte er eines Abends am Lagerfeuer. „Fürchtest du dich vor dem, was kommen könnte?"

Alatar sah ihn erstaunt an. „Fürchten? Wovor denn?" Er schüttelte den Kopf.

„Ich spreche von Angst... Von der Angst vor Veränderungen, die mit uns geschehen... Angst vor der Zukunft... einfach Angst."

„Nein. Ich hatte noch nie Angst, höchstens vielleicht ein Gefühl der Unsicherheit oder des Unwohlseins, als wir zum Beispiel am Felsen hingen... Aber Angst? Angst ist etwas für Feiglinge", erwiderte Alatar.

„Aber Angst ist es, die einen vorsichtig macht. Ist es denn so verwerflich, vorsichtig zu sein? Man kann dadurch Gefahren aus dem Weg gehen", warf Pallando zaghaft ein.

„Wer hat dir das gesagt?", fragte Alatar erstaunt.

„Olórin hat das gesagt. Er sagte auch, er habe Angst vor Sauron und deshalb wolle er eigentlich nicht nach Mittelerde kommen."

„Nun", Alatar zögerte. „Sauron ist ein sehr mächtiger Maia. Es ist keine Schande, Angst vor ihm zu haben. Aber Angst kann auch lähmen und in diesem Fall wäre man nicht mehr in der Lage, sich selbst zu helfen."

Pallando schwieg eine Weile und beobachtete, wie Alatar in aller Ruhe ein Kaninchen häutete und zum Braten über dem Feuer vorbereitete. Er mochte Fleisch, aber er wäre nie in der Lage gewesen, dem possierlichen Tier das Fell abzuziehen.

„Es gibt Dinge, die tut man, weil sie getan werden müssen", sagte Alatar plötzlich und sah Pallando eindringlich an. „Sie sind nicht immer angenehm und manchmal sogar sehr hässlich. Doch wenn sie notwendig sind, dann müssen sie eben getan werden." Er lächelte und spießte das Kaninchen auf einen Stab.

„Auch ich habe Angst vor Sauron", murmelte Pallando, als habe er die kurze Ansprache Alatars nicht gehört.

„Dann", antwortete Alatar. „ ... sieh zu, dass du deine Angst überwindest, denn du wärst mir sonst keine große Hilfe."


Der appetitanregende Duft eines Rehbratens suchte sich seinen Weg zu Agarmaethor. Diese stand noch immer bei ihrem Pferd und schaute Legolas hinterher, obwohl dieser bereits seit langem ihr Sichtfeld verlassen hatte. Agarmaethor schüttelte sich. Sie schüttelte sich, weil sie sich ihrer unangenehmen Erinnerungen entledigen wollte.

Wie konnte sie nur so gedankenlos gewesen sein? War es tatsächlich der Gestank der Orks, welcher sie dazu trieb, sich nur noch waschen zu wollen? Wohl eher nicht, denn sie hatte schon so oft nach Orkblut gerochen. Oder war es tatsächlich ihre Selbstverständlichkeit, sich vor anderen zu entkleiden? Möglicherweise ja! Doch entgegen der Vorstellung der Gemeinschaft war es nicht deren peinliches Verhalten, welches sie hastig davoneilen ließ, sondern tatsächlich ihr eigenes Schamgefühl. Agarmaethor schüttelte den Kopf über diese wahre und doch vorhandene Widersprüchlichkeit.

Nichts desto Trotz war das Verhalten der Elben lächerlich. Sandburgen bauen, untertauchen, sich einen vermoderten Stock ansehen - was waren denn das nur für seltsame Geschöpfe? Ein Reh konnten sie problemlos schlachten, doch ein wenig Orkblut ließ sie ihr Innerstes nach außen kehren und der Anblick einer nackten Elbenfrau ließ sie zu kleinen Kindern werden.

Und nun kamen sie und bettelten beinahe um ihre Rückkehr. Bettelnde Elbenmänner... diese Vorstellung gefiel ihr. Aber was ihr gar nicht gefiel war der Gedanke, dass diese Gemeinschaft tatsächlich zu glauben schien, sie sei auf sie angewiesen. Amlugûr war, ihrer Meinung nach, sicherlich nicht fehlerfrei, andererseits aber auch kein so schlechter Führer, dass es auf sie ankommen müsste. Eine kurze Erinnerung an die Mitglieder der Gemeinschaft führte ihr jedoch vor Augen, wie zartbeseitet einige von ihnen waren. Möglicherweise war die Gemeinschaft nur einsichtig genug, um ihre Schwächen durch die Anwesenheit ihrer Person wieder ausgleichen zu wollen.

Sie begann mit sich selbst zu argumentieren. Sollte sie ihre Kräfte wirklich für diese Gruppe opfern? Hatte sie nicht eigentlich Wichtigeres zu tun? Was ging sie die Gruppe eigentlich an? Andererseits gab es diesen Ork-Elben und eine gewisse Neugier befiel sie. Würde sie ohne die Gemeinschaft noch einmal auf solch ein seltsames Wesen treffen? Die Karte auf dem Leder, die sie bei den Orks gefunden hatte, konnte sie einfach abgeben, doch auch die Anwesenheit von Amlugûr war zu berücksichtigen. Er war Teil der Gemeinschaft und würde diese nicht verlassen. Vielleicht sollte sie es für ihn tun? Vielleicht sollte sie für ihn bleiben? Der alten Zeiten wegen?

Agarmaethor atmete tief ein, um in vollkommener Ruhe zu einer Entscheidung gelangen zu können, doch der Duft des Rehbratens trieb zu ihr herüber und lockte sie fort von ihrem eigenen Weg, der eigentlich keiner war. Und so sammelte sie ihre Sachen und begab sich zurück zum Lager und dem Rest der Gemeinschaft. Sie näherte sich, als wäre nichts geschehen, warf ihre Sachen zu Boden und setzte sich zwischen Lhainir und Taurol.

Viele verstohlene Blicke streiften sie. Beinahe jedem war es „gelungen", einen kurzen Blick auf ihren nackten Körper zu werfen, doch richtig angesehen hatte sie bis auf Amlugûr und Legolas noch niemand.

Taurol nahm sich ein Stück von dem Rehbraten. Gerade als er es essen wollte besann er sich jedoch und reichte es Agarmaethor hin. Diese schaute ihn nur unfreundlich an, schob dessen Hand weg und benutzte ihr eigenes Messer, um sich selbst ein Stück Braten abzuschneiden.

„Damit eines klar ist", sagte sie dabei deutlich. „Ich bestehe darauf, dass alles so bleibt wie es bisher war. Keiner behandelt mich anders und alle Regeln gelten weiterhin. Dass ich so bin wie ich bin ändert nichts daran. Hättest du mir das Fleisch gereicht, wäre ich ein ellon gewesen?", fragte sie Taurol. Dieser senkte den Blick und schüttelte seinen Kopf. „Dann unterlasse das ab jetzt!"

Kühl musterte sie noch einmal alle Anwesenden. „Wir sollten jetzt lieber über die Karte sprechen. Elladan, Haldir und Elrohir werden euch sicherlich inzwischen über die beiden Orklager und ihr plötzliches Ende berichtet haben."

Als alle nickten fuhr sie fort: „Wir haben bei den Toten des einen Lagers ein Leder gefunden. Wir wussten von dem Leder, nachdem ich ein Gespräch belauschen konnte. Dieses Leder scheint mir höchst interessant zu sein, doch ich bin mir nicht ganz sicher, denn eigentlich kenne ich euer Reiseziel gar nicht. Wie weit wollt ihr nach Süden?" Sie sah Amlugûr fragend an.

Etwas zögernd antwortete er schließlich: „Wir sind unterwegs nach Lórien. Galadriel hat uns eingeladen sie zu besuchen. Wir hatten geplant, den Rothornpass für den Übergang des Nebelgebirges zu nutzen."

Legolas wunderte sich. Einerseits schien Amlugûr Agarmaethor gut zu kennen und irgendwie auch zu vertrauen und andererseits erzählte er ihr nur die halbe Wahrheit. Er log nicht, aber die Mission erwähnte er nicht.

„Nach Lórien? Ich soll mit nach Lórien?" Agarmaethor war überhaupt nicht begeistert.

Amlugûr beugte sich zu ihr vor. „Lórien ist auch für dich ein interessantes Ziel. Galadriel ist alt und weise und kann viele Fragen beantworten. Vielleicht auch deine?", flüsterte er kaum hörbar.

Agarmaethor zögerte und schaute Legolas lange an. Legolas wusste, dass sie nach seinem Ausspruch bei Dordo ahnen musste, dass noch mehr hinter dem Ziel Lórien steckte, als Amlugûr ihr gerade weismachen wollte, denn sonst hätte er nicht so ein Geheimnis daraus gemacht.

„In diesem Fall ist die Karte tatsächlich sehr interessant." Agarmaethor holte ein Leder hervor. „Sie ist schlecht gezeichnet und der Zeichner konnte auch nicht besonders gut schreiben. Aber es geht deutlich aus der Karte hervor, dass sehr viele Orkhorden aus dem Norden des Nebelgebirges sich auf dem Weg zu einem Treffpunkt im Rothornpass befinden." Sie zeigte den Anwesenden die Linien und Pfeile.

„Sie wollen Lórien angreifen!", flüsterte Orodben entsetzt.

„Das war auch mein Gedanke", antwortete Agarmaethor, aber Legolas glaubte in ihren Augen einen Anflug von Zweifel zu sehen. „Aber was immer wir auch tun, wir werden Lórien nicht vor den Orks erreichen. Lórien und seine Grenzwächter müssen die Gefahr selbst erkennen und mit den Orks fertig werden. Das eigentliche Problem für uns ist jedoch, dass wir den Rothornpass nicht benutzen können. Wir sind zu wenige für einen Kampf und die Orks werden verschanzt sein. Ein Kampf wäre tödlich. Wir brauchen einen anderen Weg."

„Dann werden wir wohl doch über die Pforte von Rohan reiten müssen. Der Weg ist lang, aber eine andere Möglichkeit sehe ich nicht", sagte Amlugûr.

Agarmaethor nickte. „Ich denke, das ist es, was wir tun müssen. Vielleicht können wir die Anzahl unserer Pferde in Rohan wieder aufstocken. Bis dahin werden viele von uns abwechselnd laufen und reiten müssen. Die Tiere können uns nicht alle gleichzeitig tragen. Wir haben morgen einen anstrengenden Weg."

„Was könnte die dicke rote Linie östlich des Gebirges bedeuten?", fragte Legolas vorsichtig, als ihm ein Blick auf die Karte gelang.

Agarmaethor zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht." Sie erhob sich ohne ein weiteres Wort, nahm ihre Sachen und entfernte sich von der Gruppe zum Schlafen.


Dunkelheit. Als würden sich zwei Augenlider öffnen, dringt plötzlich Licht ein und ein Bild entsteht. Der Blick fällt auf einen großen Tisch. Daneben stehen einige Elben und scheinen rege zu diskutieren. Die Person, aus deren Blickwinkel alles zu sein scheint, nähert sich dem Tisch und sieht sich eine Landkarte an. Es ist die Karte des Westens von Mittelerde. Der Finger eines Elben, welcher noch vorher neben dem Tisch gestanden hatte, fährt über die Karte und bleibt bei einem Ort mit dem Namen Ost-in-Edhil stehen. Die Stadt liegt in Eregion. Eine große Straße führt hindurch zum Nebelgebirge. Der Blick richtet sich wieder auf die Elben am Tisch. Es wird gesprochen. Die Elben verbeugen sich ehrfürchtig und verlassen den Raum.


Am nächsten Morgen trat die Gruppe den Weg über den Hulsten-Kamm an. Als Ausläufer des Nebelgebirges war dieser nicht annähernd so hoch und so steil wie das Nebelgebirge selbst. Trotzdem war der Aufstieg beschwerlich und die Pferde mussten zeitweise am Zügel geführt werden. Der Weg nahm mehr Zeit in Anspruch als erhofft, doch dafür waren sie in diesen Stunden sicher, nicht zufällig auf Orks zu stoßen. Auf dem höchsten Punkt ihres Weges, hielt Amlugûr an. Nachdenklich schaute er über die sich ihm ausbreitende Landschaft.

„Eregion", murmelte er. „Einst ein reiches Land, ein Land voller Künstler und Handwerker. Ein Land voller Stolz und Schönheit."

„Auch für Khazad-dûm könnte dies gelten", murmelte Gimli.

Agarmaethor schaute mit ihnen über die Landschaft. „Ein Land voller Blindheit", fügte sie hinzu und begann den Abstieg.

Auf dem lockeren Geröll hatten es die Pferde sehr schwer. Ständig gerieten sie ins Rutschen und es bedurfte häufig guten Zuredens, um die oft panischen Tiere beruhigen zu können. Schließlich erreichten sie wieder die EbeneDie nur kurze Strecke hatte sie einen ganzen Tag gekostet, aber sie hofften, den Zugang zum Rothornpass bereits in zwei Tagen passieren zu können.

Während Agarmaethor am nächsten Tag zusammen mit Rhîon und Uiwador vorauseilte und Spuren suchte, ritten die anderen alle weiter ihrem Ziel entgegen. Legolas führte Dordo, auf dessen Rücken Gimli saß. Plötzlich stolperte das Pferd über einen Stein und wäre beinahe gestürzt. Legolas beruhigte das angeschlagene Tier und hoffte inständig, dass es die weitere Strecke durchhalten würde. Rochdil aber wäre in diesem Moment mit seinem Pferd beinahe mit Dordo zusammengestoßen.

„Blöde Steine", murmelte er für Gimli hörbar.

„Wer hat das gesagt? Wer hält Steine für blöd?", fragte dieser, empört um sich schauend. „Steine sind nicht blöd!" Er rief es mit Nachdruck.

„So? Steine riechen also nicht nur, sondern sie sind auch noch intelligent?", fragte Rochdil lachend.

„Also ich glaube ihm jedes Wort", sagte Aneru ernst. „Steine sind nicht blöd und Steine riechen auch." Gimli schenkte ihm daraufhin einen dankbaren Blick. Aneru fuhr fort: „Habt ihr denn gar keine Ahnung, was aus Zwergen wird, wenn sie tot sind?" Rochdil und Legolas schauten ihn fragend an.

„Man sagt, sie werden wieder zu dem, woraus Aulë sie geschaffen hat. Zu Steinen. Du Gimli, bist ein Zwerg. Du riechst und du bist nicht blöd. Wenn du einmal nicht mehr unter uns weilst, dann wirst du zu einem Stein, der riecht und nicht blöd ist."

Alle lachten und Gimli mit ihnen. Ihr Lachen wurde unterbrochen, als sich Uiwador näherte und der Gruppe winkte anzuhalten. Etwas atemlos erreichte er Amlugûr.

„Wir haben ein gut bewachtes Lager mit etwa einhundertfünfzig Orks entdeckt. Sie lagern genau so, dass sie nachts unsere Spuren finden werden, wenn wir weitergehen würden", berichtete er. „Agarmaethor schlägt vor einen Umweg zu machen und die Orks damit zu umgehen. Damit wäre der Weg zwar länger, doch dafür vermeiden wir den Kampf. Die andere Möglichkeit wäre, hier zu rasten, aber das hält sie für falsch. Sie meint, dass wir möglichst zügig den Rothornpass passieren sollten." Er hatte schnell und hastig geredet und musste nun tief Luft holen. „Ich soll euch die Route zeigen, die Agarmaethor vorschwebt."

Sie lenkten ihre Tiere Richtung Südwesten und trieben sie an. Legolas dachte einmal mehr über die Idee mit den Hautfetzen an den Hufen der Pferde nach und bedauerte, dass diese inzwischen weggeworfen worden waren, weil sie den Pferdegeruch schon zu sehr angenommen hatten. Hier wären sie sicherlich nützlich gewesen. Die Elben, die neben den Pferden her liefen, mussten sich schon anstrengen und allein die Tatsache, dass viele Pferde zwei Personen trugen, führte dazu, dass Pferde und Läufer ein gemeinsames Tempo fanden. Selbst Dordo, dem es inzwischen für jeden offensichtlich nicht gut ging, schien die Wichtigkeit der Geschwindigkeit zu verstehen und gab sich alle Mühe mitzuhalten.

Nach etwa einer Stunde erreichten sie Rhîon, welcher sich der Gruppe anschloss und sie den weiteren Weg führte. Er deutete nur stumm in Richtung Osten und alle verstanden, dass dort die Orkhorde lagern musste. Agarmaethor trafen sie zunächst nicht.

Obwohl die Pferde gegen Abend erschöpft waren und immer mehr von ihnen vor Müdigkeit stolperten, ordnete Amlugûr an weiterzulaufen, um den Zugang zum Rothornpass schnellstmöglich zu passieren.

Legolas war jedoch nicht seiner Ansicht und obwohl Amlugûr glaubte, bereits das letzte Wort dazu gesprochen zu haben, warf er ein: „Zurzeit ist Agarmaethor die einzige von uns, die als Kundschafter unterwegs ist. Wir wissen nicht, wo sich weitere Orks versammelt haben und wir wissen auch nicht, wo sich Agarmaethor aufhält. Ohne weitere Kundschafter laufen wir Gefahr, im Dunkeln auf andere und uns bisher unbekannte Orks zu stoßen. Ich fände es besser hier zu rasten. Die Pferde sind müde und wir auch. Die Gefahr hier ist geringer als unterwegs."

Amlugûr sah Legolas sehr unfreundlich an. „Natürlich werde ich Kundschafter aussenden. Aber ich denke schon, dass es hier gefährlicher ist."

„Ich muss allerdings Legolas Recht geben", mischte sich Mithlondion ein. „Auch ich halte es für sicherer, wenn wir hier lagern. Agarmaethor würde zwar unsere Spuren finden, aber wer weiß, ob sie nicht unsere Hilfe braucht? Wenn sie bis morgen früh nicht zurück ist, sollten wir sie suchen gehen. Reiten wir jedoch weiter, dann würden wir unter Umständen nichts über ihr Schicksal erfahren."

Die anderen Elben nickten bestätigend und auch Gimli gab einen Laut der Zustimmung. Amlugûr sah Legolas noch unfreundlicher an. Er ging zu ihm hin und zog ihm am Ärmel ein Stück von der Gruppe weg.

„Warum tust du das? Warum untergräbst du meine Entscheidungen?", fragte er ungehalten.

„Es ist nicht meine Absicht, deine Entscheidungen zu untergraben, aber darf ich dich nicht auf Fehler oder Gefahren hinweisen?", fragte Legolas.

„Ja. Du darfst mir deine Ansichten leise und unter vier Augen mitteilen, damit ich darüber nachdenken kann, wenn ich es möchte. Aber wenn du dich vor der Gruppe offen gegen mich stellst, dann ziehen die anderen nach und machen es ebenso. Wir haben aber keine Zeit für lange Diskussionen und es werden auch keine Abstimmungen durchgeführt. Wenn wir das täten, dann kämen wir nie auf ein Ergebnis. Es gibt immer jemanden, der sich benachteiligt fühlt, der der Meinung sein wird, dass seine Stimme weniger gehört oder gezählt wurde. Die Gruppe muss eine gemeinsame Gruppe bleiben und das geht nur, wenn es einen oder mit Agarmaethor zwei Entscheidungsträger gibt. Du gehörst nicht dazu. Ich erwarte ab jetzt von dir, dass du dich aus jeder Form von Beratung und Diskussion heraushältst, wenn sie nicht für alle freisteht. Hast du mich verstanden?" Amlugûrs Ton duldete keinen Widerspruch.

Legolas sah ihn nur stumm an und sein aufsteigender Zorn ließ seine Adern am Hals leicht anschwellen. Sein Zorn richtete sich dabei nicht gegen die Arroganz Amlugûrs, sondern gegen die Entscheidung, die alle in Gefahr bringen könnte. Natürlich konnten sie Glück haben und der Weg war frei, aber was, wenn nicht? Legolas unterdrückte trotzdem jede Reaktion, die ihm gerade als Erwiderung auf Amlugûrs Verhalten vorschwebte, denn Streit war zurzeit auch nicht das Richtige. Der richtige Zeitpunkt würde schon noch kommen. Er wandte sich ab und ließ Amlugûr stehen.

Dieser begab sich wieder zu der Gruppe. Sein Entschluss stand eigentlich fest. Die Reise musste fortgesetzt werden. Die Gruppe mochte zwar nicht seiner Meinung sein, aber wenn er jetzt nachgab, dann würden sie immer protestieren und tun, was sie wollten. Dann würde ihr eigentlicher Auftrag vielleicht scheitern.

Mithlondion kam auf Amlugûr zu. „Ich weiß nicht, was du gerade mit Legolas besprochen hast, aber er machte keinen sehr frohen Eindruck", sagte er.

Amlugûr schaute Legolas hinterher. „Es kann unserem Prinzen ja auch nicht immer alles Recht gemacht werden", murmelte er.

„Genau das ist es, worauf dich schon einige von uns einmal ansprechen wollten. Das ist Legolas, Prinz Legolas vom Eryn Lasgalen und einer der neun Gefährten im Ringkrieg. Du behandelst ihn wie ein kleines Kind."

„Nun, im Vergleich zu uns anderen ist er das doch auch. Er hat noch viel zu lernen", erwiderte Amlugûr unwirsch.

„Er ist jung im Vergleich zu uns, aber er ist schon sehr lange kein Kind mehr. Und er hat bereits einiges geleistet. Du kannst natürlich tun und lassen was du willst, aber fehlerfrei bist auch du nicht und du bist um so vieles älter", erwiderte Mithlondion und ging zurück zu seinen Freunden. Amlugûr schaute Mithlondion hinterher. Das war genau das, was Legolas durch sein Verhalten verursachte und was Amlugûr eigentlich vermeiden wollte.

Die anderen Gefährten hatten die Zeit der Diskussion genutzt, um ein Lager einzurichten und Amlugûr verspürte keinen Drang mehr, seinen Willen durchzusetzen. Er teilte die Wachen ein und man wartete auf die Rückkehr Agarmaethors.


Als Legolas am nächsten Morgen erwachte, war Agarmaethor bereits damit beschäftigt, sich den Magen mit kalten Fleischresten zu füllen und Amlugûr von ihrer Tätigkeit zu berichten.

„Es ist die einzige Horde gewesen, die wir finden konnten. Ab jetzt scheint der Weg nach Süden frei zu sein", erklärte sie mit vollem Mund. „Ihr hättet die Nacht hindurch wandern können."

Amlugûr schaute finster auf Legolas. Agarmaethor bemerkte das und blickte Legolas fragend an. Dieser zuckte nur mit den Schultern und entfernte sich. Er bemerkte noch, wie Amlugûr Agarmaethor etwas ins Ohr flüsterte, aber es interessierte ihn nicht, worüber sich Amlugûr bei Agarmaethor beschwerte. Er ging zu den Pferden, griff sich Dordo am Zügel und versuchte ihn durch gutes Zureden dazu zu bewegen, einige frische Kräuter zu fressen. Seit Legolas ihn zum ersten mal gesehen hatte war Dordo erschreckend schnell abgemagert. Er hatte in den letzten zwei Tagen nichts mehr zu sich genommen außer etwas Wasser und Legolas wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. Aber was sollte er tun?

„Hier, gib ihm das!", sagte Agarmaethor hinter ihm. Er wandte sich zu ihr um und sie reichte ihm einige getrocknete Kräuter. „Sie setzen seine Kräfte frei. Ich hoffe, er schafft den Weg noch bis Rohan. Dort werde ich versuchen ihn auszutauschen." Sie sagte es fast eisig und Legolas fragte sich wieder einmal, wie sie so gefühlsarm gegenüber dem Pferd sein konnte. Es litt!

„Es hat keine Schmerzen", sagte Agarmaethor, als ob sie seine Gedanken gelesen hätte. „Dafür habe ich schon gesorgt. Die Kräuter hier unterbinden dies. Wir können ihn ausnutzen, solange er noch Kraft hat. Gimli sollte als einziger auf ihm reiten und du führst das Pferd."

Sie ließ Legolas stehen. Dieser war entsetzt. Solche Begriffe wie 'ausnutzen' in Verbindung mit einem Tier waren ihm fremd und er konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, dass ein Elb gegenüber einem Tier oder anderen Elben so gefühlsarm oder vielleicht sogar gefühllos war.

Aber gleichzeitig gab ihm dieser Vorwurf, den er Agarmaethor machte, einen kleinen Stich, denn einen Moment lang war er sich nicht sicher, ob sie wirklich so gefühllos war. Immerhin war sie es, die darauf bestand, dass er, Legolas, von dem sie wusste, dass er Dordo mochte, sich um ihn kümmerte. Würde sie das wirklich wollen, wenn sie nicht dem Tier wenigstens ETWAS entgegenbringen würde?

Die anderen hatten inzwischen die restlichen Pferde zum Weitermarsch vorbereitet und die Sachen gepackt. Durch die Ruhepause hatten sie natürlich Zeit verloren, aber an diesem Tag wollten sie die Nacht hindurchwandern. Sie glaubten daran, dass sie am Abend den Rothornpass erreicht haben würden und dann über Nacht einen möglichst großen Abstand zu der Orkgruppe und dem Rothornpass hergestellt werden konnte.

Seit die 21 Gefährten den Zugang zum Rothornpass vor einigen Tagen passiert hatten, schonten sie die Pferde, um sie nicht völlig zu entkräften. Trotzdem kämpfte sich Dordo mit jedem Schritt vorwärts. Seine Müdigkeit war nun selbst für einen Zwergen mit wenig Erfahrung mit Pferden nicht mehr zu übersehen. Gimli tätschelte ihm immer wieder liebevoll den Hals, aber natürlich konnte dies das Tier nicht stärken. Legolas führte ihn am Zügel und musste ihm immer wieder gut zureden, ein Bein vor das andere zu setzen. Das Ziel des Tages war nicht mehr weit entfernt. Dort würde er sich ausruhen können, aber Legolas wusste tief in seinem Innersten, dass es mit Dordo zu Ende ging. Das Geschwür hatte sich vergrößert und Dordo hatte immer öfter Zitteranfälle wie auf dem Weg zum See am Hulsten-Kamm. Jeder Tag schien eine größere Qual für ihn zu werden.

Agarmaethor machte den Eindruck, der Zustand des Tieres würde sie nicht interessieren. Nie sah Legolas, dass sie sich um das Pferd kümmerte oder es liebkoste, aber er wusste, dass dem nicht so war. Jeden Morgen sah er an dem Geschwür eine frische Tinktur, die Dordo die Schmerzen nahm. Trotzdem erschien sie ihm nicht gerade besorgt oder liebevoll. Sie schien das Tier eben nur ausnutzen zu wollen, solange es noch am Leben war.

Am späten Nachmittag erblickten die Gefährten am Horizont eine große Ansammlung unterschiedlichster Sträucher und kleinerer Bäume. Dort wollten sie die nächste Nacht verbringen. Die Freude über eine Ruhepause ließ Pferd und Reiter wieder zügiger werden, doch Dordo konnte nicht mithalten und sowohl Legolas als auch Gimli sahen keine Notwendigkeit darin, sich zu sehr zu beeilen. Gimli stieg ab und lief neben Legolas und Dordo her und schon bald darauf vergrößerte sich der Abstand zwischen ihnen und den anderen Elben. Selbst Agarmaethor entschwand mit der Gruppe.

Legolas und Gimli erreichten die Strauchgruppe nicht mehr. Einige hundert Fuß vor ihrem Ziel knickten die Beine Dordos ein und er stürzte zu Boden. Nur Dank Legolas' schnellen Reflexen war es gelungen, Gimli vor Verletzungen zu bewahren. Dieser war überhaupt nicht darauf gefasst gewesen und wäre beinahe unter dem Pferd begraben worden, wenn Legolas ihn nicht von Dordo weggezerrt hätte, bevor dieser vollends am Boden lag.

Dordo begann zu zittern und versuchte dabei wieder aufzustehen doch es gelang ihm nicht. Bestürzt kniete Legolas vor ihm nieder und sprach ihm beruhigende Worte in Sindarin ins Ohr. Es wirkte und Dordo legte sich für einige Momente reglos hin um neue Kraft zu schöpfen. Gimli schaute Legolas verzweifelt an.

„Was passiert mit ihm? Wird er sterben?", fragte er.

Legolas sah ihm traurig in die Augen und nickte. Er hatte einen Kloß im Hals und war unfähig, ein Wort zu sprechen.

„Geht jetzt!", erklang plötzlich die kalte Stimme Agarmaethors hinter ihnen. Keiner von beiden hatte ihr Annäherung bemerkt, so lautlos musste sie gewesen sein.

Zögern erhob sich Legolas. Er griff zum Abschied in die Mähne Dordos und flüsterte: „Mach's gut, mein Freund." Auch Gimli streichelte das Tier noch einmal, bevor sie sich beide abwandten und zu der Strauchgruppe liefen.

Gerade als sie sich abwandten sah Legolas in seinen Augenwinkeln noch, wie Agarmaethor ihr Schwert zückte und bei dem Pferd niederkniete. Er wusste, was folgen würde und drehte den Kopf vollends weg. Es war richtig, Dordo nicht weiter zu quälen, aber er hätte es einfach nicht übers Herz gebracht, dem Tier ein Kurzschwert zwischen die Rippen zu stoßen. Er ignorierte das Geräusch, das schließlich an seine Ohren drang. Nur seinem Gesichtsausdruck war anzusehen, dass er Wut und Trauer empfand. Trauer um das schöne Pferd und Wut auf Agarmaethor, die offensichtlich keine Probleme damit hatte, das Tier zu töten. Wie gefühllos sie war! Wie einfach es ihr gefallen war!

Schweigend erreichten sie das inzwischen errichtete Lager. Keiner sprach Gimli oder Legolas an. Die Gesichter der beiden waren Aufforderung genug, sie in ihrer Trauer allein zu lassen. Schweigend saßen sie am Feuer und Legolas stocherte nachdenklich mit einem Stock in der Glut herum. Er wollte sich eigentlich noch einmal von Dordo verabschieden und so verließ er gegen Mitternacht das Lager. Wie erwartet lag dieser am Boden wo Legolas ihn zurückgelassen hatte. Noch immer steckte das Kurzschwert in seinem toten Körper. Aber was Legolas noch sah überraschte ihn.

Agarmaethor hatte sich mit dem Wolfsfell an das tote Tier angekuschelt, als wolle sie bei ihm schlafen. Sanft streichelte sie den Körper des Pferdes. Legolas näherte sich noch ein wenig und konnte schließlich zu seiner Verblüffung hören, wie sie leise ein sehr trauriges Lied sang. Doch sein Erstaunen bezog sich nicht nur auf die Tatsache, dass sie entgegen seiner Erwartung Trauer für Dordo empfand. Er war auch erstaunt über ihren Gesang. Er war weich und klar, voller Sehnsucht und Schmerz und einfach wunderschön. Er klang so gar nicht nach der Person, die er als Agarmaethor kannte. Er schloss die Augen um die einzelnen Töne voll in sich aufnehmen zu können. Seine Gedanken ruhten einen Moment, als wolle sein Körper seine Kraft allein auf die Wahrnehmung dieser hellen und facettenreichen Stimme verwenden, sie vollständig erfassen und in sich aufnehmen.

Erst als der Gesang endete kam Legolas wieder zu sich. Panisch blickte er auf Agarmaethor, doch die schien ihn noch immer nicht bemerkt zu haben und so beschloss Legolas, sich leise wieder zurückzuziehen. Als Gimli ihn im Lager ansprach bemerkte er, dass er diesen nur verschwommen sehen konnte. Schnell wischte er sich eine Träne aus den Augen, bevor er auf Gimlis Frage gedankenverloren antwortete.