Warnungen: Ein bisschen Gewalt und Blut, aber nicht so schlimm wie andere Szenen vorher und ein bisschen Humor (hihi)

In Gefahr

Als die Sonnenstrahlen gerade den Nebel um einige Gipfel des Gebirges zersprengten und das rosafarbene Licht des Morgens die Gemüter erhellte, war es wieder Zeit aufzubrechen. Alle waren Agarmaethor dankbar dafür, dass sie ihnen die Sicherheit gegeben hatte einige Stunden wirklich ruhen zu können.

„Viel Zeit haben wir nicht. Durch die Rast werden sie uns schon ein ganzes Stück näher gekommen sein, aber die Rast war für alle bitter nötig." Agarmaethor schaute Richtung Osten. „Gestern Nacht hatten wir ein kleines Gefecht. Ein Vortrupp der Uruk-hai hatte sich von der restlichen Horde abgesetzt und ist uns erschreckend nahe gekommen. Die anderen Uruk-hai lagerten gestern noch mehrere Wegstunden von uns entfernt. Wenn wir Glück haben, dann sind auch sie erst jetzt aufgebrochen. Wenn wir Pech haben, vermissen sie die Toten und haben sich schon früher auf den Weg gemacht. Ich werde wieder die Nachhut bilden. Ihr werdet den Weg Richtung Osten fortsetzen bis es dunkel wird. Wo auch immer ihr dann seid, ihr wartet dort zwei Stunden auf mich und geht dann weiterhin ostwärts. Alles andere ergibt sich von selbst."

Agarmaethor nahm ihre Waffen um sogleich aufzubrechen, doch Amlugûr folgte ihr und hielt sie auf. Leise und mit eindringlichen Gesten begann er auf sie einzureden. Legolas fühlte sich unwohl dabei, dass er immer wieder Gespräche oder Situationen wahrnahm, die ihn überhaupt nichts angingen und er einfach unfähig war, seine Augen und Ohren zu verschließen. Sein Blick hing an der Szene, als wäre er magisch gefesselt worden und in seinen Gedanken rätselte er, was Amlugûr ihr wohl so Wichtiges zu sagen habe.

Worum auch immer es ging, Agarmaethor wehrte während des gesamten Gespräches alles ab, schüttelte den Kopf und versuchte immer wieder aufzubrechen bis Amlugûr schließlich sanft und doch energisch ihre Hände ergriff und an seine Brust drückte. Mit fast schmerzverzerrten Gesichtszügen riss sie sich los und fauchte deutlich hörbar: „Ich mag das nicht und ich will das nicht!" Sie stieß ihn grob beiseite und ließ ihn stehen. Sekunden später war sie in der Felsenlandschaft verschwunden.

„Ei, ei", witzelte Elladan hinter Legolas. „Da hat wohl jemand einen Korb gekriegt?"

„Aber was für einen! Mit Schlägen und blauen Flecken!", fügte Rochdil schmunzelnd hinzu.

Einige andere lachten und Legolas fühlte sich erleichtert darüber, dass er offensichtlich nicht der einzige war, der Amlugûr und Agarmaethor gerade beobachtet hatte.

„Was er ihr nur für einen Vorschlag unterbreitet haben mag, dass sie so heftig darauf reagierte?", fragte Lhainir scheinheilig.

„Oh! So wie ich ihn kenne, hat er sie wahrscheinlich gefragt, ob sie ab heute nicht lieber gemeinsam mit ihm unter seiner Decke schlafen möchte anstatt allein unter ihrem Wolfsfell." Elladan kicherte vor sich hin.

Legolas sah nur, wie Amlugûr hinter Agarmaethor herschaute und den Kopf schüttelte. Schließlich wandte Amlugûr seine Aufmerksamkeit wieder der Gemeinschaft zu und in kühlen und abweisendem Tonfall trieb er sie wieder weiter den Berg hinauf. Viele Stunden hetzten sie vorwärts bis sie mit Einbruch der Dunkelheit erneut eine kleine Plattform erreichten.

Zwei Stunden Rast waren nicht viel. Talfbenn übernahm dieses Mal die Wache und Legolas legte sich neben Gimli, der bereits leise schnarchte. Gimli schlug sich wacker und auch wenn die Elben eigentlich die höhere Ausdauer hatten, blieb er nie zurück. Dafür verschwanden die Lembasvorräte der Gemeinschaft rasend schnell in seinem Magen und er nutzte jede freie Minute um zu schlafen.

Legolas lauschte der Atmung seines Freundes und hing dabei seinen Gedanken nach. Was auch immer das hier für ein Weg sein mochte, er hatte den enormen Vorteil, dass er nicht so hoch führte, wie der Hohe Pass oder auch der Rothornpass. Dafür war er gewunden und ohne rechten Pfad und damit umso beschwerlicher. Vielleicht war dies der Grund, warum er so lange unbekannt geblieben war.

Unfähig zu schlafen erhob er sich wieder und löste Talfbenn ab, welcher sich dankbar in die Reihe schlafender Elben legte. Fest in eine Decke gehüllt setzte sich Legolas auf einen Stein und schaute in den Himmel. Kein Stern war zu sehen. Die Gemeinschaft war bereits so tief in das Nebelgebirge vorgedrungen, dass die Wolken an den Bergspitzen den Blick in den klaren Himmel verhinderten und somit den hoffnungsgebenden Schimmer der Sterne Elbereths raubten. Aber Legolas war nicht ohne Hoffnung. So schnell konnte man ihm diese nicht rauben. Selbst vor den Toren Mordors war Hoffnung in ihm. Gespannt richtete er seinen Blick westwärts und fragte sich, ob Agarmaethor es auch dieses Mal rechtzeitig schaffen würde zu der Gruppe zu stoßen. Sie schien ein Gespür für Zeit zu haben. Kurz, bevor Legolas die anderen wecken wollte, sah er ihr silbernes Haar zwischen einigen Felsen auftauchen.

„Hast du etwas Lembas?", fragte sie ihn, als sie das Lager erreicht hatte. Legolas suchte kurz in seiner Tasche und reichte ihr ein Stück des lórischen Brotes. Abgehetzt und müde setzte sie sich neben ihn und knüllte mit der Hand ein schwarzes Tuch zusammen, welches sie wohl dafür zu benutzen schien, ihr silbernes Haar vor ungewollten Blicken wie denen der Orks zu schützen. Sie nahm das Lembas entgegen und knabberte sogleich daran.

„Wie nah sind sie?", fragte Legolas nach einer kleinen Pause.

„Sehr nah. Vielleicht eine Stunde hinter uns. Wir müssen bald aufbrechen."

Obwohl sie nicht danach gefragt hatte, reichte er ihr seine Wasserflasche hin. Sie ergriff diese und trank. Legolas beobachtete sie dabei und die Neugier über das beobachtete Gespräch zwischen Amlugûr und ihr keimte wieder auf.

„Du willst mich etwas fragen?", sagte sie plötzlich und sah ihn an. Legolas schreckte zusammen und fühlte sich ein wenig durchschaut.

„Nein, ja, also ja, aber ich hielt die Frage dann schließlich doch für unangemessen", sagte er ehrlich.

Agarmaethor, die ihm dabei direkt in die Augen geschaut hatte, nickte verstehend. Ohne weiter darauf einzugehen erhob sie sich. Mit einem lauten Ruf weckte sie die Schläfer und trieb wieder alle zur Eile an.

„Wenn es euch aufmuntern sollte", rief sie, „wir haben die Hälfte der Wegstrecke geschafft. Aber das heißt nicht, dass es danach abwärts geht."

Sie verließ die Gruppe wieder und verschwand westwärts. Wieder ging es stundenlang bergauf. Der Weg war mit Geröll übersät und schlängelte sich an großen Felsen und Steilwänden vorbei. Immer nur nach vorne schauend, um keinen Fehltritt zu riskieren, sahen sie Agarmaethor nicht, die ihnen hastig hinterher gerannt kam. Nur ein lauter Ruf machte auf sie aufmerksam und alle drehten sich um. Mit ihren Händen wild gestikulierend näherte sie sich. Amlugûr schien sofort zu verstehen.

„Verschanzt euch hinter den Felsen. Macht eure Bögen bereit. Sie sind nahe!", rief er.

Schnell fanden alle Elben ein Versteck zwischen den Felsen. Legolas packte Gimli am Kragen und zerrte ihn mit zu einer Felsspalte, die Gimli fast vollständig aufnehmen konnte.

„Wenn sie nahe genug sind, dann kommt deine Zeit, mein Freund", sagte er dabei.

Agarmaethor hatte inzwischen auch einen Felsen zum Verschanzen gefunden. Sie mussten nicht lange warten, da erschien eine Gruppe von zwanzig Uruk-hai. Legolas versuchte die Positionen der anderen Bogenschützen auszumachen. Gut waren sie nicht, aber es musste reichen.

Die Uruk-hai rückten näher. Man konnte ihr Schnaufen und ihre Schritte hören, aber sie waren von den hohen Felsen verdeckt und zeitweise nicht zu sehen. Agarmaethor ließ sie deshalb nahe herankommen, damit auch die hintersten Bogenschützen einen guten Schuss abgeben konnten.

Mit Agarmaethors erster Bewegung surrten die Pfeile durch die Luft und trafen ihre Ziele. Die meisten durchbohrten sogar die Rüstungen der Uruk-hai, doch nur sechs von ihnen fielen bei diesem ersten Angriff.

Überrascht blieben die Uruk-hai einen Moment lang stehen, doch mit ihren Skimitaren in den Händen stürmten sie schließlich auf die von ihnen gesichteten Bogenschützen zu und begannen auf diese einzuschlagen. Auch Agarmaethor standen zwei Uruk-hai gegenüber, die jedoch ohne Waffen auf sie einzuschlagen versuchten und dabei mehr mit der Abwehr ihrer Gegenangriffe beschäftigt waren. Sie hatte inzwischen ihre Kurzschwerter in die Hände genommen und schlug zügig und gefährlich um sich. Agarmaethor traf mit jedem Hieb und schwächte ihre Gegner.

Legolas zerrte Gimli wieder aus der Felsspalte. Mit einem zwergischen Kriegsschrei und seiner Axt in der Hand stürzte sich der Zwerg in das Gemenge. Gimli schien sich so richtig über diesen Kampf zu freuen und steckte Legolas damit an. Der ganze Frust, der durch diese elende Hetzjagd entstanden war, die Wut darüber, dass man gezwungen war, andere Wege einzuschlagen, der Zorn über andere Begebenheiten seit dem Aufbruch aus Imladris - alles musste von der Seele gekämpft werden.

„Gimli! Zähl deine toten Feine! Ich habe schon zwei!", rief er laut in das Kampfgetöse.

Legolas benutzte weiterhin seinen Bogen und versuchte von seinem recht günstigen Standpunkt aus auf alle Uruk-hai zu schießen, die Gimli oder einen Elben zu sehr bedrängten.

Die Uruk-hai fielen einer nach dem anderen. Ihre Schmerzensschreie schallten als Echo zwischen den Felswänden hin und her, aber auch die Elben waren nicht unverletzt. Legolas beobachtete, wie es einem Uruk-hai gelang, Talfbenn das Schwert zu entwenden und gerade, als der Uruk-hai mit seiner eigenen Waffe auf Talfbenn einschlug, schoss Gimli mit seiner Axt heran und traf diesen tödlich am Rücken. Aber Talfbenn erlitt doch noch eine klaffende Wunde am Oberarm und man konnte sein Blut aus der Verletzung pulsieren sehen. Galwion rannte zu ihm und schnürte die Wunde mit einem abgerissenen Stück seiner Tunika ab. Legolas hielt mit seinen Pfeilen einen weiteren Uruk-hai davon ab, auf Talfbenn und Galwion einzuschlagen.

Schließlich lag auch der letzte Gegner tot am Boden. Agarmaethor lief durch die Reihen um die Verletzten zu begutachten. Die Skimitare waren brutale Waffen. Sie hinterließen keine kleinen Schnitte. Trafen sie, so sah die Wunde so aus wie die Talfbenns. Kleinere Verletzungen waren nur durch Rempeleien und Berührungen mit den Rüstungen der Uruk-hai zustande gekommen. Talfbenn, Rhavan und Taurol hatten einen Hieb einstecken müssen und bluteten ernsthaft. Mit Hilfe von Elladan und Elrohir wurden alle versorgt.

„Seid froh, dass ihr nicht am Bein getroffen wurdet", sagte Agarmaethor schlicht und alle erinnerten sich an ihre Rede über das Zurücklassen schwacher Mitglieder der Gemeinschaft.

Während die Verletzten behandelt wurden flüsterte Gimli Legolas ins Ohr: „Und? Wie viele hast du?"

„Drei", antwortete Legolas ebenfalls leise. Er hatte mit seinen Pfeilen mehr getroffen, aber wirklich gestorben waren nur drei.

„Ebenso wie ich", murmelte Gimli und fuhr fort, „Ich habe etwas entdeckt. Da in der Spalte. Ich komme nur nicht ran, weil ich... ähm... etwas zu breit gebaut bin."

Legolas sah ihn verwundert an. „Was denn? Und warum flüsterst du so?"

„Wasser. Frisches Quellwasser. Und ich flüstere, weil es mir peinlich ist, dass ich nicht in den Spalt hineinpasse."

Legolas schmunzelte und nahm seine Wasserflasche. Das mitgeführte Wasser der Gemeinschaft war fast alle und wer wusste schon, wie viel man noch benötigen würde. Allein der Blutverlust der Verletzten erhöhte den Verbrauch erheblich. Legolas folgte Gimli zu der Spalte und kroch hinein. Zunächst kam er nur so weit hinein, wie er Gimli in den Spalt gezwängt hatte, aber als er in dem Spalt stand, konnte er es riechen. Es roch wirklich nach frischem Wasser. Mit der Hand tastete er sich vorwärts und erkannte Gimlis Problem. Doch mit etwas Glück könnte er durch das Loch hindurchzwängen. Es war mühselig, aber es gelang. Schließlich befand er sich in einer winzigen Höhle ohne weiteren Zugang. Höchstens zwei Personen hätten hier stehen können. An der Rückwand der Höhle plätscherte das Wasser am Felsen hinunter um am Boden in einem kleinen Loch zu verschwinden.

„Gimli!", rief er. „Bring mir die Flaschen der anderen!" Seine Stimme klang irgendwie seltsam.

Eine Hand reichte ihm eine Flasche hinein und Legolas begann nun, alle Flaschen, die ihm gegeben wurden, aufzufüllen. Einige von ihnen schienen sofort geleert worden zu sein, wahrscheinlich durch die Verwundeten, die ihren Flüssigkeitshaushalt durch den Blutverlust wieder ausgleichen mussten. Als ihm keine weiteren Flaschen übergeben wurden, zwängte sich Legolas wieder aus dem Spalt in die Freiheit.

Amlugûr und Agarmaethor standen vor dem Ausgang.

„Gut gemacht, Legolas", sagte Amlugûr und bemühte sich ernstlich Legolas freundlich anzusehen.

„Das war nicht mein Verdienst. Gimli hat das Wasser gefunden. Ich habe es nur geholt", erwiderte Legolas schlicht.

Amlugûr konnte sich jedoch nicht durchringen, auch Gimli zu loben, aber Agarmaethor sah Legolas kurz und forschend in die Augen. Dann ging sie zu Gimli, gab ihm einen kleinen Klaps auf die Schulter, beugte sich zu ihm herunter und sagte etwas zu ihm. Legolas konnte nur sehen, dass Gimli rot wie eine Erdbeere wurde. Gimli verriet ihm nie, was sie zu ihm sagte.


„Stoßen wir an! Auf dass die Schwarzwarge in den Bergen bleiben und die Frauen in unseren Küchen! Hä Hä! Hä!"

Ein schmutziger, bulliger Mann hob einen großen Krug mit einem für Pallando und Alatar nicht definierbaren Getränk, aber es roch gut und benebelte die Sinne. Alatar war dem Gebräu besonders zugeneigt und die Wirkung war für Pallando offensichtlich. Nicht nur, dass sein Freund immer lustiger wurde, er konnte auch fast nicht mehr gerade stehen und gehen.

„Was sind Schwarzwarge?", raunte Pallando Alatar zu. „Und welche Berge? Es gibt hier keine Berge!"

„Ach, das ist doch nur ein Trinkspruch. Stoß mit an, Freund!", erwiderte Alatar und erhob nun seinen Krug zu Pallando, der verbissen lächelnd etwas aus seinem Krug nippte. Sein Blick fiel dabei auf eine Tänzerin, die viel Haut zeigend auf einem Nachbartisch ihre Hüften schwang.

„Und? Wohin seid ihr unterwegs?", fragte der Mann. Seine Gefolgsleute lärmten um ihn herum und genossen die freie Zeit, die ihnen in der kleinen Siedlung zur Verfügung stand.

„Osten!" Alatars Antwort war nur deshalb so kurz, weil es ihm schwer fiel zu sprechen.

„Osten? Da seid ihr doch schon. Hier ist der Osten?", lachte der Mann und stieß mit Alatar erneut an.

Alatar blickte verwirrt. „Warum? Osten ist doch immer da, wo man gerade nicht ist. Man läuft und läuft und läuft und trotzdem kommt man nie in den Osten."

Pallando schaute Alatar verblüfft an. In diesem Zustand hätte er ihm derartige Geistesblitze gar nicht zugetraut. Nur die Augen Alatars machten ihm Sorgen. Sie schauten so trübe und gebrochen.

Der bullige, schmutzige Mann hob wieder einen neuen Krug zum Trinken hoch und stieß mit Alatar an.

„Ich liebe es, mit klugen Männern zu dis.. diskutieren. Auf dass wir immer Freunde bleiben und die Verbindung aufrecht erhalten... halten!"

Auch der Mann war nicht mehr ganz nüchtern, aber sein Blick war noch verhältnismäßig klar. Er erhob sich torkelnd, schlug Alatar freundschaftlich auf die Schulter, so dass dieser beinahe mit dem Oberkörper auf den Tisch knallte und drehte sich zu einem seiner Kumpane weg.

Pallandos Blick fiel wieder auf die Tänzerin, welche zu dem lauten Rhythmus einer Fiedel und eines Trommlers herumwirbelte. Es erschien ihm, als sei es kein Zufall, dass dabei ihr Busen immer weiter aus ihrem Kleid rutschte, denn die Männer, die grölend um den Tisch herumsaßen, warfen mehr und mehr Münzen zu ihr hin. Etwas verunsichert senkte Pallando seinen Blick. Die Bewegungen der Frau hatten irgendetwas in ihm verändert, was er nicht zu deuten wusste – es war ein Gefühl eines unbekannten Bedürfnisses und es schien seine Gedanken zu vernebeln. Das wollte er nicht.

Auch in Valinor hatte es viel Vergnügen, Unterhaltung, berauschende Getränke und andere... Reize gegeben, aber nun steckten sie in diesen neuen Körpern und die gesamte Wahrnehmung verschiedener Dinge, Stoffe und Reize hatte sich geändert. Manchmal schien es ihm, als habe er noch nie Alkohol getrunken, Müdigkeit verspürt oder irgendwelche anderen Gelüste gehabt und mehr und mehr verstand er, warum die Valar ihnen menschliche Körper gaben und sie nicht in ihren eigenen Verkörperungen in Mittelerde wandeln ließen. Sie sollten die Menschen besser verstehen lernen... vor allem die Menschen, denn der Elben war man sich im Kampf gegen Sauron sicher. Die Menschen waren es, die überzeugt werden mussten. Lange hing er darüber seinen Gedanken nach und schließlich wandte er sich wieder Alatar zu.

„Alatar. Du hast jetzt genug getrunken!", raunte Pallando ihm zu. Besorgt berührte er seinen Arm.

„Ach! Ich fühle mich wohl. Curumo hat selbst gesagt, dass man als Mensch viele neue körperliche Annehmlichkeiten haben würde. Eine davon habe ich gerade und ich fühle mich großartig!" Er grinste Pallando an. „Und wenn ich mich nicht täusche, hast auch du bereits eine Idee von einer anderen gewissen Annehmlichkeit, die Curumo erwähnte." Und er deutete mit dem Finger auf die Tänzerin.

Pallando ignorierte Alatars Andeutung. Wenn Alatar nicht so klar gesprochen hätte, wäre Pallando viel unsicherer geworden, so aber verglich er dessen Verhalten mit dem anderer Menschen und stellte fest, dass sich Alatar noch recht gut hielt.

„Er hat auch noch von anderen Annehmlichkeiten gesprochen. Was mag er wohl gemeint haben?", fuhr Alatar fort.

Er schaute sich im Raum um und erblickte einen großen Schweinebraten. Die Zunge über seine Lippen gleiten lassend, sprang er gierig auf und langte kräftig zu. Pallando sah sich das alles beunruhigt an. In den letzten Monaten interessierte sich Alatar erstaunlich viel für die Belange und Annehmlichkeiten der Menschen. Pallando konnte es ihm nicht verübeln, war es doch eine seiner Aufgaben, einen guten Kontakt zu den Menschen aufzubauen, ihr Vertrauen zu gewinnen und sie in den verschiedensten Dingen zu beraten. Welchen Weg er dafür wählte, war Alatar selbst überlassen. Aber dass er manchmal so tat, als habe er noch nie einen Schweinebraten gegessen...

Pallando hätte diesen Weg nicht gewählt und wartete lieber auf einen geeigneteren Moment, als in Wirtshäusern und Bierstuben der Menschen mit schmutzigen, bulligen Männern anzustoßen. Er schaute sich die Menschen an. „Ostlinge" wurden sie im Westen genannt – Menschen aus dem im Westen fast unbekannten Osten, die immer wieder für ihre Teilnahme an Kriegen der dunklen Mächte korrumpiert wurden. Und nun, da Saurons Macht wieder erstarkte, war es an ihnen, die Ostlinge davon abzuhalten, sich auch an diesem Versuch der Machtübernahme zu beteiligen. Aber war es sinnvoll, sich in Wirtshäusern zu betrinken?

„Was wollt ihr denn noch weiter im Osten?" Der bullige Mann wandte sich wieder Pallando und Alatar zu und trank einen großen Schluck aus seinem Krug. „Sucht ihr Schätze im Roten Gebirge?"

Alatar schüttelte den Kopf. Seine Stimmung war schlagartig vom Lustigen ins Trübselige abgesunken und er blickte deprimiert sein Spiegelbild im Gebräu an.

„Wir wollen verhandeln", murmelte er. „Mit Königshäusern und Fürsten und Stammeshäuptlingen oder was auch immer ihr hier so habt."

Die Augen des Mannes blitzten auf. „So? Da müsst ihr aber mit reichlich Geschenken kommen, denn ohne Geld und Gold werdet ihr nicht einmal in die Paläste kommen. Habt ihr denn so viel?"

Bei Pallando schrillten die Alarmglocken. Der Raubtierblick des Mannes erschien ihm äußerst gefährlich.

„Wir glauben, dass auch kluge Worte genügen um Einlass zu erhalten", sagte er ruhig.

Alatar sah ihn erstaunt an. „Und wenn nicht...", fügte er selbstsicher hinzu, „haben wir auch etwas Geld dabei."

Pallando war sich nun sicher. Dieser Mann führte nichts Gutes im Schilde. Er glaubte schon in den Gedanken des Mannes zu lesen, wie dieser auf einen geeigneten Moment warten wollte um den beiden Freunden die Kehle aufzuschlitzen.

„Wir sollten jetzt besser gehen!", sagte Pallando deshalb laut, gespielt freundlich und scheinbar arglos. „Wir müssen morgen sehr früh weiter und es ist spät." Er zog Alatar am Arm, der ihn jedoch böse und provokativ anstarrte.

„Du hast mir gar nichts zu sagen und wir können auch erst morgen Mittag weiterziehen. Und überhaupt will ich hier nicht weg, denn hier ist es warm und gemütlich. Du willst nur wieder auf dem harten Boden an der kalten Luft schlafen. Nein, nein, nein!" Seine Stimme wurde bedrohlich und Pallando begann sich ein wenig vor einem Wutausbruch zu fürchten.

„Heda! Wirt!", rief der bullige Mensch plötzlich. „Habt ihr nicht noch ein Zimmer im ersten Stock für meine beiden Gäste übrig? Ich werde natürlich zahlen." Er lächelte und eine lückenhafte Zahnreihe entblößte sich vor Pallando.

„Genau!", sagte Alatar.

Ohne Widerwillen zuzulassen zog er kräftig an Pallandos blauer Robe und zerrte ihn zu dem Wirt, der mit fettigen Fingern auf die Treppe verwies. Pallando konnte gerade noch ihr gemeinsames Gepäck ergreifen, bevor er fast grob an die Theke geworfen wurde. Er folgte dem Finger des Wirts mit seinen Augen. Oben gab es nur eine Tür und dahinter musste wohl der mietbare Raum sein.

„Alatar! Bitte! Die Luft draußen ist viel besser für uns beide. Hier ist es laut und schmutzig."

Pallando versuchte es mit logischen Argumenten, aber Alatar hörte ihm gar nicht zu. Er zerrte ihn zuerst die Treppe hinauf, stieß mit einer erstaunlichen Geschicklichkeit die Tür auf und schubste Pallando in den Raum.

Ein staubiges, unaufgeräumtes Zimmer umgab Pallando. Ein kleines Fenster ohne Glas befand sich direkt über einem Bett, welches mit Stroh belegt war. Federdecken oder Kissen gab es hier wohl nicht. Pallando berührte das Stroh und stellte mit Ekel fest, dass es feucht war. Den Grund dafür wollte er am liebsten gar nicht wissen.

Alatar ergriff seinen Wanderstab, tippte ihn einige Male auf den Boden und schon gab der Stab ein kleines Licht ab, welches gerade ausreichte um den restlichen Schmutz in diesem Zimmer zu bemerken. Mit Freude bemerkte Pallando jedoch, dass neben und unter dem Bett noch trockenes Stroh lag, welches er mit dem feuchten Stroh auszutauschen gedachte.

„Mach ein paar Kerzen an!", knurrte Alatar schläfrig. „Ich will nicht die ganze Nacht mit dem Stab hier herumstehen."

Pallando hielt das für eine ausgezeichnete Idee. Es würde die Ratten, Kakerlaken und Wanzen davon abhalten, nachts über sie herzufallen, weil sie denken würden, niemand schläft – und er meinte damit nicht die possierlichen Tierchen, die über den Boden krochen.

Er zündete einige Kerzen an und verteilte sie im Zimmer. Eine auf den kleinen Tisch neben dem Bett, einige auf dem Boden... Als er damit fertig war, wollte er das Stroh austauschen, doch Alatar warf sich, ohne weiter darüber nachzudenken, in das feuchte Bett und breitete sich so aus, dass Pallando es sich auf dem Boden bequem machen musste.

Pallando setzte sich und schaute sich traurig um. „In was für eine Räuberhöhle hast du uns da nur gebracht, Freund."

Ein letzter Blick aus dem Fenster zeigte ihm eine große, dunkle, ebenmäßige Fläche in einer Entfernung von vielleicht zehn bis fünfzehn Minuten Fußweg. Ein See vielleicht. Er kuschelte sich in seinen Mantel, klammerte sich an seinen Wanderstab und versuchte die Augen zu schließen – mit der Hoffnung, sie am nächsten Morgen wieder öffnen zu dürfen. Einen Moment lang dachte er darüber nach, ob er Alatar einfach hier zurücklassen sollte, um mit dem Gepäck nach draußen zu gehen. Dann gab es nichts, was man Alatar hätte stehlen können und dies könnte dessen Leben schützen. Aber dann dachte er daran, dass die Ostlinge, blind vor Wut über den Betrug, noch viel Schlimmeres mit Alatar anstellen könnten, der aufgrund der gewaltigen Menge Alkohols zurzeit so hilflos war. Pallando selbst traute sich einen echten Kampf mit mehreren Räubern nicht zu. Er konnte viel und er konnte viel, was Menschen beeindrucken vermochte, aber er konnte nicht kämpfen. Wahrscheinlich wäre seine Hülle schneller tot als er 'Gondor' sagen konnte. Und doch blieb er bei Alatar sitzen.


Wieder hetzte die Gemeinschaft Tag und Nacht durch die Berge. Wegen der entkräfteten Verletzten ging es zwar nicht mehr ganz so schnell aber doch viel besser als vermutet. Man unterstützte sich gegenseitig, indem man die drei am schwersten Verwundeten streckenweise trug, aber das entkräftete auch die anderen Mitglieder der Gruppe und allgemeine Müdigkeit und Erschöpfung griff um sich.

Agarmaethor war inzwischen dazu übergegangen, andere Elben in die Nachhut zu schicken um die Orks zu beobachten. Sie selber führte die Gruppe an, weil sie die Wege einfach am besten kannte und sich dadurch ein höheres Tempo erhoffte.

Die Nachhut, zu der gelegentlich auch Legolas gehörte, wagte sich nicht allzu nah an die Orks heran, stellte jedoch immer sicher, dass man einen Abstand von etwa zwei Stunden halten konnte. Dies war allein dem Umstand zu verdanken, dass die Uruk-hai nicht so behände und geschickt über die Felswände klettern konnten wie die Elben und Gimli. Aber ein Abstand von zwei Stunden erlaubte auch keine längere Rast.

Vereinzelt kam die Frage auf, ob man sich nicht doch lieber den Uruk-hai stellen sollte, aber die Mehrheit musste nur einen Blick auf die drei Verletzten werfen, um sich darüber bewusst zu werden, dass nur zwanzig Gegner solch einen Schaden anrichten konnten und es waren mehr als einhundert, denen sie sich stellen müssten. Agarmaethor schwieg dazu, als wäre ihr auch ein Kampf recht und doch führte sie die Gemeinschaft weiter durch das Gebirge.

Sie schätzte, dass sie noch etwa zwei bis drei Tage bei diesem Tempo benötigen würden, um den Fangorn zu erreichen. Zwei bis drei Tage! Die Glieder waren schwer und die Muskeln schmerzten erheblich. Einige Elben erleichterten sich bereits von ihrem Gepäck und doch schien es nicht zu helfen. Die Bewegungen wurden einfach immer langsamer und niemand vergeudete mehr unnütz Energie, indem er sinnlos redete.

Selbst die halbstündige Rast, die gelegentlich eingelegt wurde, konnte nicht wirklich genutzt werden, wenn man ständig daran dachte wie nahe die Uruk-hai waren und tatsächlich berichteten zurückkehrende Späher, dass diese bis auf eine Stunde an die Verfolgten herangekommen waren.

Eine leichte Panik kam auf und nun ging es nur noch darum, den Abstand wieder zu vergrößern. Immer einen Fuß vor den anderen setzend zwangen sie sich dazu, wieder davon zuhasten. Legolas hielt sich dicht hinter Agarmaethor und ihm folgten Gimli und die restlichen Elben. Der Weg war zeitweise eben, ohne große Anstiege oder Abhänge. Legolas sah sich auf der rechten Seite die steilen Felswände an. Man konnte sie nicht ohne geeignete Hilfsmittel besteigen um so den Uruk-hai zu entfliehen.

Aus seinen Augenwinkeln heraus nahm er eine unerwartete Bewegung Agarmaethors war und seine Hände schossen schnell nach vorne um sie am Gürtel festzuhalten. Sie war gestolpert und beinahe gestürzt. Gereizt - ob über sich selbst oder über ihn, konnte er nicht sagen - schüttelte sie seine Hand am Gürtel wieder ab und lief weiter.

Legolas war besorgt. Alle waren erschöpft, aber Agarmaethor hatte noch wesentlich weniger geschlafen als der Rest der Gemeinschaft. Er fragte sich, ob sie möglicherweise am Ende ihrer Kräfte war. Andererseits konnte sie das Tempo jedoch gut halten. Wäre sie dazu in der Lage, wenn sie tatsächlich schwächelte? Er beobachtete sie und wieder schien es ihm, als würde sie schwanken. Einen kurzen Moment lang konnte er dabei ihre Augen sehen und erschrak. Sie wirkten, als würde sie derzeit ihre Umgebung gar nicht wahrnehmen, als würde sie etwas ganz anderes sehen als die Felsen und Steine.

Agarmaethor begann sich zu schütteln, als wolle sie sich selbst wecken oder wach halten. Schließlich drehte sie sich um und winkte Amlugûr, ihren Posten zu übernehmen. Amlugûr eilte zu ihr und sie überließ ihm ihren Platz um sich an das Ende des Zuges zu begeben.

Legolas beunruhigte es innerlich, dass Agarmaethor sich nun hinten befand. Zurzeit waren keine Späher zu den Uruk-hai geschickt worden. Wollte sie das etwa übernehmen? In ihrem Zustand? Er wandte sich immer wieder um und hielt nach ihr Ausschau, aber sie lief am Ende des Zuges und machte keine Anstalten als Späher zurückzubleiben. Als er sich nach einigen Minuten erneut umwandte war sie weg. Erschrocken blieb er stehen und Gimli und Talfbenn prallen auf ihn. Alle mussten nun bremsen und Amlugûr rügte Legolas laut.

„Sie ist weg!", rief Legolas nur, Amlugûrs Kritik ignorierend.

„Na und? Sie geht wieder spähen", knurrte Amlugûr.

„Das glaube ich nicht. Ich denke sie ist zurückgeblieben, weil sie nicht mehr kann", erwiderte Legolas und alle starrten ihn überrascht an.

„Was heißt, sie kann nicht mehr? Bis jetzt hat sie keine Schwäche gezeigt!", erwiderte Amlugûr beunruhigt und ungläubig.

„Doch!" Auch Legolas war unruhig. „Sie ist vorhin gestolpert und dann schwankte sie, als sei ihr schwindelig. Lasst uns doch suchen. Sie war vor fünf Minuten noch da."

Er lief, ohne auf Amlugûr zu achten, den Weg zurück. Alle folgten ihm und tatsächlich, hinter der nächsten Kurve sahen sie ihren Körper liegen – in vollkommen verkrampfter Haltung und mit starren in den trüben Himmel gerichteten Augen. Amlugûr suchte am Hals ihren Puls.

„Sie lebt noch und ist unverletzt", murmelte er.

Elladan beugte seinen Kopf über ihr Gesicht. „Sie atmet, als bekäme sie nicht genug Luft. Wir sollten ihre Rüstung öffnen." Gimli öffnete die Verschlüsse, doch ihre Atmung war weiterhin schlecht. Ihre Augen - weit aufgerissen - wirkten wieder, als wäre sie in einer vollkommen anderen Welt.

„Was auch immer mit ihr ist, wir müssen weiter", sagte Amlugûr nervös. „Die Orks warten nicht auf uns." Amlugûr sah sich die erschöpfte Gemeinschaft an. „Wir müssen tun, was wir tun müssen - sie hier zurücklassen. Wir können sie nicht tragen. Die drei Verletzten sind uns schon eine Last." Haldir sah Amlugûr betroffen an, der aber fort fuhr: „Aber immerhin können diese selber laufen. Wenn wir sie tragen, würde uns das nur noch langsamer machen."

„Du willst sie hier lassen?", brauste Legolas auf. „Wie kannst du nur? Bist du so kaltherzig, weil sie mit dir das Bett nicht teilen wollte?"

Legolas wusste selbst nicht, warum er seine Gedanken über den Streit zwischen Agarmaethor und Amlugûr so offen aussprach, aber er konnte sich auch nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal eine derartige Kälte für jemanden empfunden hatte. Amlugûrs fassungsloses Gesicht hätte ihm eigentlich alles sagen müssen und Rochdil und Elladan begannen zu kichern, obwohl die Situation gar nicht komisch war.

„NIE würde ich SIE auch nur anfassen wollen!", fauchte Amlugûr Legolas an. „Du kennst sie nicht so wie ich sie kenne. Würdest du es tun, dann wäre es offensichtlich, dass ich überhaupt kein Interesse daran habe, mir mein Bett mit ihr zu teilen! Und DU würdest es auch nicht tun." Seine Antwort erfolgte derart heftig, dass Legolas erheblich an deren Inhalt zweifelte.

„Ich werde sie tragen!" Er schrie Amlugûr fast an. „Wie oft hat sie jetzt unser Leben gerettet und du willst sie opfern, willst sie vielleicht sogar dafür benutzen, die Orks eine Weile aufzuhalten!"

Kühl und berechnend erwiderte Amlugûr: „Du hast ja keine Vorstellung, wie oft sie solche wie dich schon zurückgelassen hat, wenn es notwendig war. Ihre Entscheidungen in dieser Hinsicht waren immer richtig. Wenn es gar nicht anders geht, dann muss ein verletzter oder sterbender Krieger zurückgelassen werden und jetzt müsste ich die Entscheidung darüber treffen und ich sage, sie bleibt hier. Es war ihre eigene Regel und sie ist auch die meine. Wenn wir wegen ihr zu langsam sind und die Uruk-hai uns erreichen, dann wird keiner von uns überleben!"

Trotzig hob Legolas den fast leblosen Körper Agarmaethors auf und warf ihn sich über die Schulter.

„Gimli?", sagte er. „Wenn es dir nichts ausmacht, würdest du bitte meine Sachen und die Sachen Agarmaethors tragen, damit ich die nicht auch noch habe?" Gimli griff sich die Tasche Agarmaethors. Er stopfte das Wolfsfell hinein und nahm die Kurzschwerter, Bögen und Köcher.

Elladan sah Legolas etwas hilflos an. „Wenn du willst, wechseln wir uns ab", murmelte er und auch Elrohir, Rochdil und Aneru boten ihre Hilfe an. Legolas nickte nur kurz und eilte Amlugûr, welcher sich ohne ein weiteres Wort wieder auf den Weg gemacht hatte, hinterher.

Leicht war es nicht. Obwohl ihm Elladan, Elrohir, Rochdil und Aneru tatsächlich gelegentlich die Last abnahmen, verlangsamte sich das Tempo der Gruppe – vor allem, wenn es steil bergauf ging. Leichter Unmut machte sich breit. Keiner wollte Agarmaethor einfach so im Stich lassen, aber die Gefahr saß ihnen fast wortwörtlich im Nacken. Als Legolas wieder einmal zurückfiel, kümmerte sich niemand mehr um ihn. Elladan und Maethrim hielten kurz an und er winkte ihnen zu, zu ihm zu kommen.

„Ich bleibe zurück. Ich kann das Tempo nicht halten. Sagt Amlugûr, er möge bitte fünf Tage und Nächte im Fangorn auf mich warten. Ihr braucht die Zeit sowieso um euch zu erholen und die Wunden zu kurieren. Wenn ich bis dahin nicht dort bin, könnt ihr ohne mich weitergehen", sagte er atemlos.

„Du wirst hier sterben, Legolas", versuchte Elladan Legolas zu überzeugen. „Nicht nur, dass dein Vater uns den Hals umdrehen wird, wenn er das erfährt... wir sind alle am Ende unserer Kräfte und schaffen es vielleicht auch ohne Agarmaethor als Gepäck nicht, aber mit ihr ist es noch viel schwerer. Es tut mir wirklich leid für sie, aber ich sehe keinen..."

Legolas schüttelte nur energisch den Kopf. Elladan zögerte noch kurz folgte dann aber traurig Maethrim, welcher wieder Anschluss zur Gruppe suchte.

Legolas schaute sich um. Was sollte er jetzt tun? Die Orks waren wahrscheinlich schon bis auf eine halbe Stunde herangekommen. Er atmete tief ein. War es nicht wirklich falsch, Agarmaethor beschützen zu wollen? Es war doch so sinnlos. Die Uruk-hai würden sie beide zerfleischen. Und gehörte er nicht eigentlich zu einer Gemeinschaft, die eine Aufgabe zur Abwendung einer Gefahr für Mittelerde hatte? Schädigte er damit nicht alle? Es klang so richtig, was Elladan und auch Amlugûr sagten, aber es fühlte sich einfach nicht richtig an. Wollte er denn immer das Gefühl haben, falsch gehandelt zu haben?

Während er sich umsah, hörte er ein lautes Schnaufen aus der Richtung, in welche die Gemeinschaft soeben gelaufen war. Legolas wandte sich um und erblickte Gimli, voll beladen mit seinen und Agarmaethors Sachen und noch einigem mehr, was Legolas nicht sofort erkennen konnte.

„Ich danke dir, mein Freund, aber willst du wirklich ohne Sinn dein Leben aufs Spiel setzen?", fragte er mit einem freudigen Lächeln

„Ach was, ohne Sinn! Allein, etwas gegen den Willen Amlugûrs zu tun, macht schon Sinn. Ich habe dir versprochen, dass ich bei dir bleibe, wenn du, aus welchem Grund auch immer, zurückbleibst. Dass der Grund ein hübsches Elbenmädchen sein würde, hätte ich nicht gedacht... Aber Elben sind manchmal komisch."

Legolas lächelte über diesen Satz, aber dann besann er sich wieder auf ihre Situation. „Was machen wir?", fragte er.

„Wenn du mich nicht hättest!", rief Gimli stolz aus. „Folge mir!" Legolas schleppte sich, Agarmaethor wieder über der Schulter, einen weiteren Hang hinauf. Oben angelangt erkannte er, was Gimli im Sinn hatte. Direkt über dem Hang befand sich ein gewaltiger Felsvorsprung, der seine Schatten auf den eigentlich nicht vorhandenen Pfad warf. Man musste an der Felswand etwa dreißig Fuß hochsteigen um ihn zu erreichen.

„Hast du ein Seil dabei?", fragte Legolas.

„Eins? Zwei habe ich. Ich konnte Elladan sicherheitshalber noch eines abnehmen. Ich habe von ihm und Rochdil auch eine größere Menge Lembas und Wasser erhalten."

Er reichte Legolas die Seile. Geschickt bestieg Legolas den Felsen. Einfach war es nicht, aber er war unverletzt und ein Elb. Oben angekommen knüpfte er die Seile zusammen und befestigte das eine Ende an einem großen Stein. Das andere ließ er an dem Felsen herunter. Gimli umschlang damit Agarmaethors Körper und Legolas zog sie vorsichtig nach oben während Gimli von unten schob so weit er konnte. Legolas legte sie auf den Felsvorsprung und ließ das Seil wieder hinunter.

„Kannst du mir vorher die Sachen hochwerfen?", fragte er und Gimli schleuderte mit seiner ganzen Kraft die Kurzschwerter, Bögen, Taschen und alles andere nach oben.

Schließlich umwickelte auch er sich mit dem Seil und Legolas zog auch ihn nach oben - und er war so schwer! Oben angelangt, sahen sie sich erst einmal um. Der Felsvorsprung hatte eine beachtliche Größe. Vom Pfad aus hätte man meinen können, dass die drei gerade so Platz gefunden hätten, aber der Felsvorsprung war eher eine kleine Plattform, die sich wie eine Nische noch überraschend tief in den seitlichen Felsen schlug. Man konnte so den Blicken der Verfolger auf dem Weg fast vollständig entrücken und war zumindest teilweise windgeschützt. Schnell griff Legolas den Körper Agarmaethors und trug ihn in diese Nische. Gimli folgte ihm keinen Augenblick zu früh. Schon konnte man die stampfenden Schritte der Uruk-hai hören. Sie näherten sich.

Legolas lehnte Agarmaethor an die Wand und nahm selber seinen Bogen in die Hand. Auch Gimli hatte seine Axt bereit. Der Wind konnte ihren Geruch nicht zu den Orks tragen. Die Felswände schützten sie davor, aber auf keinen Fall durften sie gesehen werden. Die Orks waren nun schon fast da. Agarmaethor bewegte sich und begann plötzlich zu stöhnen. Legolas ließ vor Schreck seinen Bogen fallen und hielt ihr mit der Hand den Mund zu. Sie erwachte nicht, sondern fiel wieder in ihren ursprünglichen Zustand.

Gimli und Legolas lauschten. Hielten die Orks an? Hatte man ihre Spuren an der Felswand gerochen? Sie hörten ein lautes Kratzen und Poltern. Offensichtlich versuchte jemand, die Felswand zu erklimmen. Gimli hielt zeitweise den Atem an. Minuten vergingen, aber kein Kopf erschien über der Kante. Nur das Kratzen an der Felswand und vereinzeltes Knurren der Orks war zu hören. Gelegentlich rasselte eine der Rüstungen. Ansonsten war es erstaunlich ruhig. Schließlich setzten sie sich wieder in Bewegung und verschwanden.

„Was war das? Was haben die gemacht?", fragte Gimli leise.

Legolas schlich auf allen vieren zur vorderen Kante des Felsvorsprunges. Er schaute nach unten und ekelte sich.

„Sie haben sich hier von innerem Ballast befreit", meinte er. Anders wusste er sich in diesem Moment nicht auszudrücken, aber der Geruch, der von unten nach oben stieg, war widerwärtig. „Wir müssen diesen Gestank Wohl oder Übel für einige Tage erdulden. Wenn die Uruk-hai in vier Tagen nicht wieder zurück sind, dann sind sie im Fangorn getötet worden. Dank dir haben wir ausreichend Wasser und Lembas."

Es war inzwischen Mitte November und die Kälte biss sich durch ihre Knochen. Elben machte Kälte nichts aus, aber sie mochten sie nicht und Gimli erging es ähnlich. Während der Hetzjagd hatten sie keine Zeit, den eisigen Wind zu spüren. Die Bewegung hielt sie warm. Aber nun, da sie auf dem öden Felsen hockten, war sie in jedem Glied zu spüren.

Agarmaethor war noch immer nicht aus ihrer Ohnmacht erwacht. Gelegentlich hatte sie einige etwas hellere Momente und Legolas und Gimli flößten ihr dann etwas Lembas und Wasser ein, aber meistens lag sie mit offenen oder geschlossenen Augen da und bewegte ihre Lippen lautlos. Legolas und Gimli hatten sie zwischen sich gelegt, um sie möglichst gut zu wärmen. Sie wussten nicht, was mit ihr geschah und hofften, dass Wärme ihr wohl nicht schaden würde. Sie selbst schien jedoch überhaupt nichts davon zu spüren.

Zwei Tage waren nun schon vergangen bis sie eines Nachts plötzlich damit begann, sich am Boden zu winden und zu krümmen. Ihr Gesicht war so von Schmerz verzerrt und ihre Hände derart auf den Bauch gedrückt, dass Gimli und Legolas sich ernsthaft besorgt über sie beugten und hilflos betrachteten.

„Was ist mit ihr? Stirbt sie?", fragte Gimli zaghaft.

„Nein. Ich glaube nicht." Legolas zögerte erst, entfernte dann aber die bereits gelockerte Rüstung vollständig. Unter der Rüstung trug sie eine Tunika, die ihr bis zu den Oberschenkeln reichte. Erst wollte er auch diese öffnen, hielt sich dann aber doch zurück. Schließlich legte er seine Hand auf ihren Bauch und versuchte etwas zu fühlen.

„Und? Ist sie schwanger? Bekommen wir bald ein kleines Spitzohrkind?", fragte Gimli daraufhin aufgeregt.

„W.. Was? Wie kommst du denn darauf?" Legolas war völlig entgeistert.

„Na ihr Elben könnt doch sonst alles! Ich dachte, wenn du die Hand auflegst, dann stellst du fest, ob sie schwanger ist oder nicht!"

„Ich kann das nicht feststellen!", murrte Legolas. „Und überhaupt... Sie ist nicht schwanger."

„Also kannst du es doch feststellen!"

„Nein, kann ich nicht, aber sie ist nicht an jemanden gebunden."

„Ach! Elben bekommen nur Kinder, wenn sie gebunden sind?"

„Natürlich, wie sollte das auch anders gehen?" Legolas schüttelte den Kopf.

Er wollte lieber nicht nachfragen, wie sich Zwerge fortpflanzten, denn Gimlis Fragerei ließ ihn tief blicken. Gimli selbst verstummte verwirrt. Er wollte Legolas nicht weiter nach der elbischen Fortpflanzung fragen, denn Legolas Verhalten ließ auch ihn tief blicken - wie er glaubte.

„Warum fasst du dann ihren Bauch an?", fragte er schließlich doch.

„Ich möchte feststellen, ob ihre Schmerzen körperlich sind oder nur in ihrem Kopf. Sie hat überhaupt keine Krämpfe oder ähnliches. Ich glaube, sie träumt nur von den Schmerzen. Ich habe das schon einmal bei ihr gesehen."

„Mein Großvater Gróin hat einmal gesagt, wiederkehrende Träume sind Erinnerungen an etwas, womit man in seinem Leben noch nicht abgeschlossen hat, Begebenheiten deren Folgen noch nicht beendet sind", murmelte Gimli.

Agarmaethor beruhigte sich bald wieder. Legolas nahm die Hand wieder weg und sah sie lange nachdenklich an.

„Sie ist sehr geheimnisvoll und ich bin sicher, sie hat ihren Weg als einsame Kämpferin nicht gewählt, weil sie es gerne so wollte. Vielleicht hängen ihre Träume mit ihrem Geheimnis zusammen. Vielleicht reitet sie immer entgegen der Windrichtung, weil sie die Lösung dafür sucht."

Er erhob sich, um sich die Beine zu vertreten. Agarmaethor begann wieder, sich zu krümmen und zu winden.

„Ich kann das gar nicht mit ansehen. Ich glaube, es ging ihr besser, als du ihren Bauch gestreichelt hast", meinte Gimli schließlich.

„Ich habe ihn nicht gestreichelt." Legolas war pikiert und deshalb etwas laut.

„Dann solltest du das vielleicht tun!", erwiderte Gimli fordernd und baute sich vor ihm auf. „Du willst doch wohl nicht zulassen, dass dieses arme Elbenmädchen sich derart quält!"

Legolas zog seinen Kopf ein. Das Letzte, was er jetzt wollte, war ein Streit. Er hängte sich das Wolfsfell über seinen Rücken und lehnte sich an die kalte Wand. Dann zog er Agarmaethor über seine gespreizten Beine, so dass sie vor ihm sitzen konnte, und lehnte ihren Rücken und Kopf an seinen Brustkorb und Bauch. Seine Hände glitten zögerlich zu ihrem Bauch, drückten sanft zu und bewegten sich vorsichtig über die Tunika.

„Siehst du!", sagte Gimli schließlich, als Agarmaethor sich wieder zu beruhigen schien. Legolas schaute ihn etwas giftig an. Der Gedanke daran, was er gerade tat, kam ihm selbst absurd vor. DAS konnte er niemandem erzählen und schon begann er sich auszumalen, was Agarmaethor wohl mit ihm anstellen würde, wenn sie es erfahren sollte. Eine leichte Gänsehaut bildete sich auf seinen Armen.

Gimli hatte sich inzwischen wieder hingelegt und versuchte einzuschlafen. Er hatte noch viel nachzuholen. Legolas langweilte sich jedoch schon bald. So begann er an Agarmaethors Haaren zu riechen.

„Was schnüffelst du so an ihr herum?", fragte Gimli schließlich.

„Estel hat mir einmal gesagt, die Menschen würden bei Elben immer den Geruch von Blumen oder Bäumen wahrnehmen."

„Ach, DAS ist der komische Geruch, den ihr immer mit euch herumtragt?", fragte Gimli schläfrig.

„Warum? Können Zwerge Elben auch riechen?", fragte Legolas erstaunt.

„Natürlich können Zwerge Elben nicht riechen", murrte Gimli schläfrig. „Aber ja, ja. Du riechst nach Blumen und Kräutern..." Er gähnte. „Und wonach riecht sie?", fragte er schließlich.

„Ich weiß es nicht. Mir ist bisher nie aufgefallen, dass Elben nach Blumen oder Kräutern riechen." Er schob seine Nase noch einmal in ihr Haar. „Zurzeit riecht sie wohl nach... Orkblut."

„Wie niedlich...", brummte Gimli und schlief nun endgültig ein.