Hallo!
Die Sanierung ist zu Ende und ich kann wieder schlafen (sofern mein Troll mich nicht mit nächtlichen WoW-Tiraden wachhält) (g). Ich danke allen für die vielen guten Wünsche. Es hat geholfen. Die Sanierung hat keine schwierigeren Probleme gemacht. freu
Dafür hab ich jetzt auch wieder ein schönes Kapitel. (hust) (rotwird)
Nur so nebenbei: Ich war 9 Jahre alt, als ich das Märchen geschrieben habe. Dieses also bitte nicht zu sehr verreißen. (rotwird)(g).
So... sich den Schmalz von den Fingern an der Hose abwischt Ich hoffe, ihr habt genug Seife parat.
Viel Spaß
Euer Vypox
P.S. Möglicherweise gibt's das nächste Kapitel erst am Samstag statt am Freitag, aber das weiß ich noch nicht so genau. Mal sehen, wie ich es am Freitag schaffe.
Review-Adds:
StupidMouth: Mehr von so einem Ende? (hihi) Kannst du haben. Hier, in diesem Kapitel. (Augenzwinker). Meine Beta Limara freut sich übrigens immer richtig doll, wenn jemand Sympathie mit Amlugûr hat. (hab ich das schonmal geschrieben?) Naja. Aber um ehrlich zu sein: Er ist ja nicht böse. Er ist eben nur... unromantisch und ein bisschen männlich beschränkt. (lach)
Lia: Ja, stimmt. Fünf Monate schon und die Story ist noch lange nicht zu Ende. ;) Aber ich freue mich natürlich, dass noch immer Leser zu mir stoßen. Ich dachte irgendwann, dass es wohl damit vorbei sei, weil sich nur wenige mit 'hinterherlesen' beschäftigen wollen.
Du gibst mir deinen Segen, sofern ich Legolas und Agi zusammenführe? Hmmm. Mal sehen, was sich machen lässt. ;) Vielen lieben Dank für dein Lob und ich hoffe, die Geschichte gefällt dir auch weiterhin.
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Die Fischerhütte
Der weitere Weg der Gemeinschaft schien einfach und war doch kompliziert. Agarmaethor bemühte sich sehr, ihre Vision zu präzisieren, doch außer einem neuen Bild von Thuringwethil in einer Höhle aus rötlichem Gestein und einem weiteren Bild eines flachen Felsens, der in ein stürmisches Meer hineinragte, konnte sie keine genaueren Hinweise geben. Die Gemeinschaft war ein wenig enttäuscht über die Ungenauigkeit ihrer Vision, doch niemand vermochte dies zu ändern, und allein die Tatsache, dass Agarmaethor sich sicher war, den Felsen im Meer wiedererkennen zu können, gab ihnen Hoffnung, nicht sinnlos am umherzuwandern.
Unweit des Hauses Vorondas fanden sie einen Pferdehändler und rüsteten sich bei diesem vollständig aus, bevor sie der Meeresküste weiterhin in südlicher Richtung folgten. Selbst an Packpferde, die mit Nahrung, Trinkwasser und Futter für die Pferde beladen wurden, dachten sie, denn die karge Küste des Meeres versprach Ödnis und nur wenige Weiden für die Tiere.
Nach vielen Tagen erreichten sie die Höhenzüge im Westen des Meeres, die sich über mehr als einhundert Meilen in südlicher Richtung erstreckten. Agarmaethor konnte sich nicht an ein Gebirge erinnern, doch andererseits beinhalteten die Bilder ihrer Vision nur einen Blick über das Meer, so dass dessen Existenz auch nicht ausgeschlossen war.
Eisiger Wind blies ihnen Tag und Nacht vom Meer aus entgegen, prallte an den Gebirgshöhen ab und schien dort zu erstarren. Die kalte Luft machte das Sprechen unangenehm, sodass selbst Gimli, der jeden Morgen missmutig auf sein Pferd starrte, nicht über das Reiten murrte. Tag für Tag kämpfte sich die Gemeinschaft vorwärts und sah im Laufe der Zeit immer öfter einzelne Hütten und Häuser, deren Bewohner sie misstrauisch und mit Argwohn aus Fenstern und Türspalten beobachteten.
Gimli bemühte sich mehrmals, die Menschen zu einem Felsen im Meer zu befragen oder ein wenig Brot und Fleisch zu erhandeln, doch beides scheiterte an der Scheu der Küstenbewohner. Erst kurz bevor sie den südlichsten Punkt der Meeresbucht erreichten, fanden sie einen Felsen, den Agarmaethor aus ihrer Vision wieder zu erkennen glaubte.
Beinahe ungläubig und ratlos saßen alle auf ihren Pferden und musterten die Umgebung, doch außer dem Felsen, einer halb verfallenen Fischerhütte, einem Schuppen und einer kargen, braunen Wiese hinter einigen Netzgeflechten befand sich hier nichts, was erklären könnte, warum gerade dieser Ort in Agarmaethors Vision erschienen war.
Einige Minuten schauten alle unsicher auf den Felsen und auf die Hütte, bevor Elladan die Initiative ergriff, vom Pferd stieg und sich ihr näherte, um dort um Gastfreundschaft zu bitten.
Die Bewohner schienen von der Anwesenheit der Gemeinschaft noch nichts bemerkt zu haben. Lautes Gekreische ertönte und die Elben konnten deutlich hören wie eine Kinderstimme schrie:
„Wenn ich jetzt ins Bett muss, dann mache ich den Topf kaputt!"
Die Elben grinsten und ließen Gimli dabei im Unklaren, was sie so amüsierte.
„Uah!" Das Kind begann zu schreien. „Dann tue ich mir eben so lange weh bis... bis... bis es wehtut!"
Elladan klopfte an und mit dem ersten Schlag herrschte Stille. Leise Schritte hasteten durch die Hütte, bevor sich die Tür einen kleinen Spalt weit öffnete und die Nase einer Frau herausschaute.
Agarmaethor hatte sich schon immer darüber gewundert, wie seltsam Menschen auf Elben reagierten, wenn sie noch nie zuvor in ihrem Leben einen gesehen hatten. Oftmals erstarrten sie vor Ehrfurcht, konnten ihren Blick nicht abwenden oder brachten kein einziges Wort über ihre Lippen. Viele verspürten Angst und waren zugleich doch so fasziniert, dass sie sich nicht entscheiden konnten, ob sie lieber weglaufen oder starren sollten.
Auch diese Frau schien sich nicht schlüssig zu sein. Überrascht, angstlich und zugleich ehrfurchtsvoll schaute sie auf Elladan, der ihr den Blick auf die übrige Gemeinschaft versperrte. Nur die Geräusche der Pferde mochten ihr verraten, dass der Elb vor ihr nicht allein war.
„Mama!", schrie das Kind hinter der Frau plötzlich auf. Ein kleines, quirliges Mädchen riss der Mutter die Tür aus der Hand, schob sich an Elladan vorbei und stand mit einem Mal zwischen ihm und dem Rest der Gemeinschaft. Staunend riss das Mädchen den Mund auf und starrte die Elben an.
„Mama! So viele schöne Menschen und..." Es zögerte als es Gimli sah „...und ein kleiner, hässlicher Mensch", rief sie aus.
„Meint sie etwa mich?", fragte Gimli entrüstet. Seine Frage wurde durch ein Kichern Anerus beantwortet.
„Wir gehören anderen Völkern an als dem der Menschen", wandte sich Rochdil an das Mädchen. „Gimli ist ein Zwerg und alle anderen sind Elben."
Das Kind scharrte verlegen mit dem Fuß auf dem Boden herum. „Ihr seid so schön. Warum seid ihr so schön?", fragte es leise. „Ich möchte auch so schön sein. Kann ich auch ein Elb werden?"
„Ich fürchte, dass dies unmöglich ist. Du kannst ja auch kein Fisch oder Reh werden!", erklärte Rochdil mit einem warmen Lächeln.
Er stieg vom Pferd und hockte sich vor das Kind, um es länger zu beschäftigen und damit Elladan mehr Zeit zu verschaffen, die Frau von der Ungefährlichkeit der Gemeinschaft zu überzeugen.
„Du bist am Schönsten", flüsterte das Mädchen und sah mit seinen großen, runden Augen auf Agarmaethor.
Starr und stumm schaute diese zu Boden und versuchte damit zu verstecken, welche Unsicherheit sie dem Kind gegenüber empfand. Nicht, dass sie unter schrecklichen Erinnerungen an ihre Pflegebrüder litt, doch die Zeit mit ihnen war bereits weitgehend in Vergessenheit geraten und als Krieger besaß sie nicht viel Kontakt zu Familien und deren Nachwuchs.
„Darf ich dich mal anfassen?", fragte das Mädchen und näherte sich Agarmaethor so plötzlich, dass diese erschrocken ihr Pferd zurückriss.
Elladans frei stehendes Tier scheute und warf dabei das Kind um, sodass es grob in den Sand geschleudert wurde und hart mit dem Kopf auf den Boden prallte. Das Mädchen kreischte nicht panikartig auf, doch jeder konnte sehen, wie sich seine Augen mit bitteren Tränen füllten und sich sein Gesicht vor Überraschung und Schmerz verzerrte.
Vorwurfsvolle Blicke trafen Agarmaethor, die mit wachsendem Schuldgefühl beobachtete, wie Rochdil auf das Mädchen zueilte und nach Verletzungen suchte.
„Es tut mir leid, Kleine!", murmelte sie, stieg vom Pferd ab und hockte sich vor das Mädchen. Es fiel ihr schwer, doch als sie die verständnislosen und feuchten Augen des Kindes sah, überwand sie sich und fügte hinzu: „Natürlich darfst du mich einmal anfassen."
Scheu wich das Mädchen Agarmaethor aus und lief noch immer weinend zu seiner Mutter, schmiegte sich an ihr Bein und ließ sich das Haar kraulen, während diese die Verhandlungen mit Elladan beendete.
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Rufur fühlte bereits beim ersten Betreten des Waldes am Meer von Rhûn, dass etwas nicht in Ordnung war. Obwohl die Bäume und Sträucher vor dem kalten Wind des Meeres Schutz hätten bieten müssen, erschien es ihm eisiger und unfreundlicher, als in einem Schneesturm auf kahler Steppe.
Diese Kälte war nicht echt. Er kannte sie, wusste, dass es sich um die dunkle Aura der Grünaugen handelte. Sie waren in der Nähe. Unruhig hielt er immer wieder sein Pferd an und lauschte in die beginnende Dunkelheit, doch kein Geräusch drang an sein Ohr – nicht einmal das Flattern eines aufgeschreckten Vogels.
Zögernd lenkte er sein Pferd tiefer in das Innere des Waldes, wo er Haunar und die fünfzig zurückgelassenen Krieger zu treffen hoffte. Etwas anderes blieb ihm auch kaum übrig, außer sich allein auf den Rückweg in den Osten machen – als Feigling und gescheitert an seiner Aufgabe, die Schwarzhaarige zu töten.
Verbittert erinnerte er sich an seinen Fehlschlag in Rumlak, als die Schwarzhaarige dem Gift widerstanden hatte. Er hatte sie nur zufällig auf dem Marktplatz entdeckt und an ihren einzigartigen silbernen Haarsträhnen erkannt. Geschickt war es ihm gelungen ihr zu folgen und seinen Tarnmantel sowie seine Schuhe in dem dunklen Gasthaus zum Einsatz zu bringen und während einer kleinen Ablenkung, die irgendetwas mit Lederplanen zu tun hatte, das bereits von ihm in der Küche vergiftete Essen auf den Tisch zu stellen. Doch sie überlebte und musste nicht einmal eine Woche krank im Bett verbringen.
Das war Magie! Er war sich sicher, dass es sich hierbei nur um eine kleine Kostprobe ihrer überaus großen Macht gehandelt hatte, die sie tief in sich verbarg. Bizar-kûn und seine Könige fürchteten sich sicherlich nicht ohne Grund vor ihr.
Vollkommen in Gedanken trieb er sein Pferd weiter und wäre dabei beinahe an einem seltsam rötlichen Fleck auf dem Boden achtlos vorbeigeritten. Überrascht stieg er ab und beugte sich nach unten.
Barthaare... in der Art seines Volkes geflochten. Verwirrt schaute er wieder noch oben und lenkte dabei seinen Blick gen Himmel. Er konnte gerade noch einen Schreckensschrei unterdrücken, als er einen Zwergen kopfüber an einem Baum aufgehängt sah – tot. Starr vor Schreck hing sein Blick an den vor Wut und Hass verzerrten Gesichtszügen seines Kameraden Mansi, den er bereits seit so vielen Jahren kannte. Grünaugen! Das waren Grünaugen!
Ein lautes Knacken aus einem Gebüsch rechts vor ihm ließ ihn herumfahren. Mit beinahe rasendem Tempo brachen zwei Reiter und ein mitgeführtes Pferd aus dem Gesträuch, hetzten an ihm vorbei und verschwanden in der Dunkelheit. Trotzdem hatte er sie erkannt: Gemoor und Dolgi, zwei weitere Kameraden.
Hastig saß er wieder auf und wollte ihnen folgen, doch in diesem Moment griff eine Hand nach den Zügeln seines Pferdes. Er erstarrte.
„Bist du von Sinnen, Haunar? Wie kannst du nur...!", fauchte er, als er erkannte, wer gerade nach den Zügeln seines Pferdes gegriffen hatte. „Du solltest dich lieber um Mansi kümmern und ihn vom Ast nehmen!"
Es war der Schreck, der ihm noch immer in den Gliedern saß und ihn so aufbrausen ließ. Haunar warf ihm einen abweisenden Blick zu und stieg dann unter Zuhilfenahme einer Axt auf den Baum.
„Sein Leben war hart. Er war hart. Sein Tod war hart!", verabschiedete er sich, löste das Seil und ließ den toten Zwerg grob zu Boden fallen.
„Ja, und sein Aufprall auch!", knirschte Rufur verärgert. „Aber einen... einen Baum..." Er spie das Wort 'Baum' verächtlich aus. „...hatte er nicht verdient. Und seinen Bart hätte er auch behalten müssen! Verfluchte Grünaugen! Ihn derart zu beleidigen! Was geschieht hier überhaupt?"
„Hörst du den Schlachtlärm nicht?", fragte Haunar trocken, holte aus einem angrenzenden Gebüsch sein eigenes Reittier und verfrachtete Mansi auf dessen Rücken. „Wir sterben gerade."
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Während die Elben Fisch über dem Lagerfeuer brieten und Gimli der Frau ein kleines Entgelt übergab, näherte sich Agarmaethor dem Felsen im Meer und atmete die salzige Luft tief ein. Kalter Wind blies ihr ins Gesicht und trug kleine Tropfen salzigen Wassers mit sich.
„Du schaust über das Meer, als würdest du dich nach Valinor sehnen", sagte Amlugûr plötzlich hinter ihr. Er reichte ihr einen gebratenen Fisch. „Ich dachte, du könntest Hunger haben", fügte er erklärend hinzu.
Agarmaethor nahm den Fisch und begann lustlos mit den Fingern kleine Stückchen abzuzupfen und und zu essen.
„Hast du dich etwa entschieden, was deine Zukunft betrifft? Ist es Valinor?", hakte Amlugûr nach.
„Valinor ist ein Ort, zu dem jeder von uns irgendwann einmal reisen wird", erwiderte Agarmaethor leise. „Irgendwann einmal wird es keine Elben mehr in Mittelerde geben."
Amlugûr schaute nachdenklich auf die verspielten Wellen, die Holz und Muscheln an den Strand spülten, um diese darauf wieder mit zurück ins Meer zu nehmen.
„Das wäre bedauerlich, denn was würde in Mittelerde ohne uns Elben geschehen? Noch nie gab es ein wichtiges Ereignis, welches nicht von uns beeinflusst wurde", murmelte Amlugûr.
„Die Menschen lernen, auch ohne uns zu überleben." Agarmaethor lächelte.
„Und sie werden uns vergessen... ", fügte Amlugûr hinzu. „Irgendwann werden sie glauben, dass es außer ihnen niemals andere Kinder Ilúvatars gegeben hat."
„Möglich, doch das kümmert mich nicht." Agarmaethor schaute über das Meer und beobachtete den ruhigen Flug einer Möwe.
„Mich quält der Gedanke, dass die Menschen womöglich glauben könnten, sie hätten alleine für die Erhaltung ihrer Existenz gesorgt, dass sie glauben könnten, ihr gesamtes Dasein habe immer nur allein in ihrer Hand gelegen."
Agarmaethor schmunzelte.
„Warum schmunzelst du? Auch du hast Jahrtausende im Kampf gegen die dunklen Mächte verbracht! Auch du hast deinen Teil dazu geleistet, dass die Menschen heute sicher in ihren Stuben hocken und ein Glas Wein genießen können. Würde es dich tatsächlich nicht stören, wenn sie vergessen, wem sie das zu verdanken haben?"
„Vielleicht würde ich es bedauern, doch in Valinor neben den Valar zu leben birgt den großen Vorteil in sich, von all diesen Gedanken der Menschen nichts mehr zu erfahren, gerade wenn es in Mittelerde keine Elben mehr gibt, die mir nach ihrer Ankunft in Valinor davon berichten könnten. Und außerdem... im Gegensatz zu dir kämpfte ich nie für Ruhm und Ehre, sondern für Mittelerde selbst. Ich werde hoffentlich immer daran zurückdenken können, dass ich meinen Beitrag dazu leistete, diese Welt hier zu erhalten. Das genügt mir."
„Ja! Dir, die du dich immer in den Schatten anderer gestellt hat, um niemals aufzufallen! Aber das ist nun vorbei!" Amlugûr musterte sie. „Selbst diesem winzigen Menschenkind fällst du inzwischen auf. Anfassen wollte es dich sogar, und ich war wirklich beeindruckt, dass du es ihm erlaubt hast. Hat es Sehnsüchte in dir geweckt? Nach einer Familie vielleicht?"
Agarmaethor runzelte die Stirn. „Amlugûr!"
„Ja, ja... ich weiß!", wehrte Amlugûr jede weitere Bemerkung Agarmaethors ab. „Du musst dich noch entscheiden, wohin dich dein Weg führen soll. Ich weiß und verstehe das wirklich. Und ich habe auch verstanden, dass es die Brücke zwischen den zwei Welten nicht geben kann, die ich mir ersehne. Doch du... du liegst mir so nah am Herzen, dass ich dir die Entscheidung überlassen wollte. Du bestimmst deinen Weg und ich folge dir – wohin auch immer."
„Und du würdest für mich den Wunsch nach Ruhm und Ehre aufgeben?", fragte Agarmaethor überrascht.
„Nun... Ja, das würde ich!"
Dieses Zugeständnis kostete ihn Überwindung und sie fühlte, wie ehrlich er es meinte. Gequält sah sie ihn an und versuchte in Worte zu fassen, was sie darüber dachte.
„Amlugûr! Ich will wirklich nicht..."
„Ich dränge dich nicht!", sagte er hastig. „Denk in Ruhe darüber nach!"
„Nein! Hör doch bitte zu!"
Beinahe fluchtartig ließ er sie stehen, eilte davon und ließ sie mit dem eisigen Wind im Gesicht zurück.
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Alatar hielt Wort. Pallando bekam die Gelegenheit, sich im Roten Gebirge auszuleben, Pflanzen zu sammeln und Untersuchungen vorzunehmen, während Alatar und Lútholwen im Lager auf ihn warteten. Doch Pallandos Blick weilte dabei immer öfter auf den hohen Gipfeln des Gebirges, wo er noch seltenere Pflanzen zu finden hoffte. Allein die Vorstellung, wie Alatar auf seine hehren Wünsche reagieren würde, wirkte jedoch so ernüchternd, dass er gar nicht darum bat, auch in höheren Regionen forschen zu dürfen.
Umso überraschter war er, als Alatar nur wenige Tage später und einige hundert Fuß höher erneut vorschlug, längere Zeit zu rasten und Pallando dadurch die Möglichkeit zu geben, die Gegend zu untersuchen. Die Gelegenheit war tatsächlich günstig. Eine kleine Höhle in einer Felswand bot ausreichend Platz für ein bequemes Lager und selbst Holz für ein kleines Feuer war vorhanden. Trotzdem zweifelte Pallando allmählich an den Hintergründen von Alatars Verhalten.
„Alatar? Geht es dir gut? Willst du, dass ich ein Heilmittel für irgendetwas suche? Ist das der Grund, warum du...?", fragte er.
Lútholwen unterdrückte ein Kichern und Alatar wehrte heftig ab.
„Nein! Mir geht es gut. Ich wollte nur entgegenkommend sein, aber wenn du mein Angebot nicht annehmen willst..."
Etwas missgelaunt wollte sich Alatar wieder auf den Weg machen, doch Pallando hielt ihn auf.
„Ich habe mir nur Sorgen gemacht. Natürlich würde ich hier gerne eine Weile rasten und Pflanzen sammeln", beschwichtigte er.
Hastig legte er sein Gepäck ab und machte sich auf den Weg, bevor Alatar es sich möglicherweise anders überlegte. Mehr als eine halbe Stunde kletterte er über Felsen und kleinere Abgründe, bevor eine zarte, rote Blüte seine Aufmerksamkeit erregte. Erfreut, wieder eine ihm bisher unbekannte Pflanze entdeckt zu haben, pflückte er sie und wollte sie in seinen Sammelbeutel stecken, doch dieser hing wider Erwarten nicht an seinem Gürtel.
Mit einem beklemmenden Gefühl eilte er den Weg zurück. Ein endgültiger Verlust des Beutels würde ihn treffen, denn es befanden sich bereits viele Proben darin, die er nie wieder ersetzen könnte. Allein dieser seltsame Pilz, den er nur bei vollkommenem Sonnenschein wirklich deutlich sehen konnte und der in der Dunkelheit der Nacht Schutz zu suchen vermochte, indem er sich besonders unauffällig und unscheinbar darin versteckte, wäre ein gewaltiger Verlust.
Vollkommen außer Atem erreichte er die Höhle.
„Alatar?", rief er laut. „Lútholwen? Habt ihr meinen Sammelbeutel gesehen?"
Er erklomm den kleinen Anstieg zum Höhleneingang und hielt inne. Befremdliche Geräusche drangen an sein Ohr, Geräusche, die seine Neugier weckten. Leise schlich er näher und spähte in die Höhle. Für einen kurzen Moment glaubte er, sein Herzschlag würde aussetzen, um dann von Neuem so heftig zu rasen, dass ihm beinahe schwindlig wurde.
Lútholwens nackte, weiß schimmernde Haut umschloss makellose, weiche Rundungen...
Das war das Einzige, was Pallando im ersten Moment überhaupt wahrnehmen konnte, als sein gesamtes Blut sich in einer Region seines Körpers zu sammeln schien und ihn in eine Euphorie versetzte, die er bis dahin gar nicht gekannt hatte. Doch dieses Gefühl wechselte in heftigen Ekel, als Lútholwens Kopf unter dem langen, blauen Mantel Alatars verschwand.
Pallando benötigte einige Sekunden, um wirklich zu erfassen, was da gerade geschah. Ein tiefer Stich schien sein Herz zu durchdringen, als ihm bewusst wurde, dass sein alter Freund Alatar sich seiner Kräutersuche gegenüber allein deshalb so aufgeschlossen und entgegenkommend verhielt, um Zeit für die Auskostung menschlicher Gelüste zu gewinnen.
Pallando schob den Gedanken, wie sehr auch er für einen kurzen Moment den Anblick Lútholwens genossen hatte beiseite und ersetzte ihn durch die Frage, ob sie Alatar wohl gerne gefällig war. Oder tat sie es nur, weil Alatar es von ihr verlangte?
Enttäuscht und verletzt zog sich Pallando zurück und begab sich erneut auf seine Kräutersuche. Auf gar keinen Fall sollten die beiden wissen, dass er sie beobachtet hatte.
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Agarmaethors Schrei hallte durch die Nacht und ließ die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft erschrocken auffahren. Einige Sekunden lang wurde sie von allen angestarrt.
„Es war nur ein Traum!" Hilflos schaute sie sich um. „Nur ein schlechter Traum!"
Hastig erhob sie sich von ihrem Lager und eilte fort – weg von den neugierigen Blicken der anderen. Am Ufer des Meeres blieb sie stehen und setzte sich. Die kühle Luft beruhigte sie ein wenig, während sie nervös den Sand durch ihre Finger gleiten ließ.
Mehr als 4500 Jahre war es her, als sie den brennenden Schmerz eines zärtlichen Kusses auf ihrer Haut kennen gelernt hatte. Damals hatte sie ebenso laut durch die Nacht geschrien wie heute – so gellend, als zöge man ihre bei lebendigem Leibe die Haut ab.
Hände ringend hatten ihre Pflegeeltern viele Heiler um Rat und Hilfe gebeten, doch niemand hatte etwas dagegen unternehmen können, dass jede noch so sanfte Berührung neue Wellen des Schmerzes auslösten. Selbst Elrond kannte kein Heilmittel, doch seine Worte zerstörten ihre Hoffnung auf ein friedliches und ruhiges Leben.
Ganze zehn Sekunden hatte er sie angesehen. Seine Augen glühten, als er sein Urteil fällte. Ganze zehn Sekunden hatte er sie angesehen und es dabei nicht gewagt sie zu berühren. Ganze, endlos erscheinende zehn Sekunden vergingen, bevor er sich zu dem äußerte, was er in ihr zu sehen glaubte: nämlich nichts.
Doch die Konsequenz seiner Äußerung war letztlich ihr Kriegerdasein – ohne Familie, ohne echte Nähe zu anderen und vor allem ohne die so schmerzenden Zärtlichkeiten – nur dem Tode nahe, um wenigstens anderen, mit einer aussichtsreicheren Zukunft als der ihren, ein schönes Leben zu ermöglichen.
Vor allem dieser letzte Vorsatz half ihr zeitweise über die Schwierigkeiten und Unwegsamkeiten ihrer Existenz hinweg, denn eigentlich sehnte sie sich nach der ihr versagten Nähe und Geborgenheit. Ihre Einsamkeit war nur eine Notwendigkeit, um den Schmerz nicht mehr zu fühlen, der wie ein Echo nachhallte, wenn sie auch nur daran dachte, jemanden ernsthaft in ihr Herz zu schließen. Wie eine Erinnerung durchflutete er ihren Körper, wenn sie davon träumte, in den Armen eines anderen zu liegen. Der Schmerz schien es darauf abgesehen zu haben, jede auch nur mögliche Partnerschaft zu verhindern und widerstand selbst den stärksten Betäubungsmitteln.
Sie hätte Freunde haben können – einfach nur Freunde. Sie besaß Freunde, aber keine engen, denn die Grenze zwischen wirklich enger Freundschaft und einer tiefer gehenden Beziehung konnte zu schnell verwischen. Amlugûr war ein klassisches Beispiel dafür - jahrelang nur ein guter Kamerad, doch kaum bot sich ihm eine Gelegenheit, sprach er von Nähe und Partnerschaft, von Berührungen und Zärtlichkeiten...
Und schon begann sie erneut von den Schmerzen zu träumen – und das, obwohl sie diese bereits seit nunmehr neun Monaten nicht mehr gespürt hatte. Seit neun Monaten! Sie hätte sich darüber freuen müssen, doch die Angst vor neuen Schmerzen saß ihr beinahe unentwegt im Nacken. Sie war so groß, dass sie die Wahrheit oftmals selber noch nicht glauben konnte, dass sie sogar anderen gegenüber noch vorgab, der Schmerz wäre vorhanden – so wie nach Galadriels Berührung in Lórien, Amlugûrs Versuch, im Nebelgebirge ihre Hände zu ergreifen oder aber auch im Eryn Lasgalen...
„Du solltest wieder zur Ruhe kommen!" Legolas Stimme schreckte sie auf. „Seit beinahe zwei Stunden sitzt du hier. Dabei solltest gerade du wirklich schlafen. Du siehst bereits erschöpft aus und bald wirst du vermutlich eine weitere Vision haben, die dir Kraft raubt."
Er brachte ihr einige Decken und ihr Wolfsfell und begann für sie ein Lager herzurichten.
„Ich kann jetzt nicht schlafen. Du hattest wohl noch nie einen Albtraum?", murmelte Agarmaethor unwillig.
„Doch. Natürlich. Aber auch ein Albtraum ist nur ein Traum. Die Ängste, die er hervorruft, kann man verscheuchen."
Agarmaethor verschränkte die Arme und schaute ihn herausfordernd an.
Legolas musterte sie amüsiert. „Du wirkst wahrlich so, als würdest du nicht einen einzigen Weg kennen, Albträume zu bezwingen! Dabei ist das ganz einfach. Man trinke einen Becher Milch mit Honig und denke an etwas Schönes."
„Ein wunderbares Rezept!" Agarmaethor rümpfte die Nase. „Nicht nur, dass es mir an Milch und Honig mangelt, mir fällt noch nicht einmal etwas ausreichend Schönes ein, um DIESE Gedanken zu verdrängen!"
„Wie armselig!", murmelte Legolas und erntete einen erbosten Blick Agarmaethors. „Ich meinte natürlich, wie traurig! Kannst du nicht beispielsweise daran denken, wie du deinen Freund Amlugûr kennen gelernt hast?"
Agarmaethor runzelte die Stirn. „Sagtest du nicht, ich sollte an etwas Schönes denken?"
Legolas unterdrückte ein Lachen. „Nun gut. Es gibt noch andere Möglichkeiten. Du könntest dein Lieblingshaustier streicheln oder ein gutes Buch zur Hand nehmen... oder... als Kind bin ich oft zu meinem Ada unter die Decke gekrochen, habe mich angekuschelt und mir Geschichten erzählen lassen."
„Nur schade, dass weder dein ada noch seine Decke hier sind!", grinste Agarmaethor.
„Oh Elbereth! Du machst es einem aber auch schwer!", schmunzelte Legolas. „Hier! Das ist eigentlich meine eigene Decke." Er hielt ihr eine warme Wolldecke entgegen. „Ich schenke sie hiermit meinem ada. Wenn du dich jetzt hinlegst und zudeckst, bist du unter seine Decke gekrochen, und in Ermangelung seiner Anwesenheit unterbreite ich dir hiermit ein wirklich einmaliges Angebot. Ich werde etwas tun, was ich noch nie getan habe. Ich werde dir eine Geschichte erzählen. Du musst dich nur hinlegen!"
Zögernd musterte Agarmaethor Legolas. Eigentlich benötigte sie keine Ablenkung mehr, doch das Angebot erschien ihr zu verlockend.
„Wehe, sie ist nicht spannend!", forderte sie scherzhaft, kuschelte sich in das zurecht gemachte Lager, deckte sich zu und sah ihn erwartungsvoll an.
Legolas hatte nicht den Hauch einer Vorstellung davon, was sie als spannend empfinden würde. Trotzdem brüstete er sich selbstbewusst: „Ich fürchte, du wirst nach meiner Geschichte erst recht nicht schlafen können."
„Welche schrecklichen Geschichten hat Thranduil dir denn erzählt?", fragte Agarmaethor entsetzt. „So etwas will ich nicht hören. Ich möchte eine lustige Geschichte... oder eine mit einem schönen Ende!"
Fieberhaft dachte Legolas nach. „Kennst du die Geschichte von dem Rattenjungen?", fragte er unsicher.
„Nein!", erwiderte Agarmaethor gedehnt. „Das klingt... seltsam... irgendwie..."
Legolas errötete, legte sich jedoch auf den Rücken neben sie und schöpfte seine Kreativität aus dem Leuchten Eärendils. Agarmaethor tat es ihm gleich. Beide schauten in die Sterne, als Legolas ansetzte:
„Es war einmal eine Rattenfrau. Die bekam ein Kind... ein richtiges Kind. Alle Ratten kamen angerannt, weil sie noch nie eines gesehen hatten. Die Eltern veranstalteten eine große Feier und jeder durfte das Kind einmal halten. Als jedoch der Vater, der bereits etwas angetrunken war, versehentlich etwas Met über dem Kopf des Kindes verschüttete, erstarrten alle. Auf einmal wuchs das Kind zu einem wunderschönen Jüngling heran. Dieser war so schön, dass sogar eine Rattenprinzessin ihn sofort zum Manne genommen hätte... Schade, dass es keine mehr gab."
Sekunden des Schweigens vergingen in denen Agarmaethor keine Miene verzog.
„Oh Elbereth!", seufzte sie. „Das war... gut! Nur fürchte ich, dass ich nach dieser Geschichte tatsächlich nicht mehr schlafen kann!" Wieder vergingen Sekunden des Schweigens. „Noch eine! Bitte!"
„Ich... nein... Mir fällt gerade keine weitere ein, es sei denn, du äußerst einen Wunsch." Beschämt schaute er zur Seite. Er glaubte ihr kein Wort, doch dass sie nicht schallend gelacht hatte, freute ihn.
Agarmaethor schaute weiterhin in die Sterne. Ihre Hand begann mit dem Sand am Meer zu spielen.
„Diese Sterne... sie erinnern mich an einen Ring, den ich an einer Kette um deinen Hals hängen sah", sagte sie nachdenklich. „Erzähle mir die Geschichte dieses Ringes! Er hat doch sicherlich eine, oder?"
Legolas konnte selbst im Nachhinein nicht sagen, was ihn mehr überraschte: die Erwähnung seines Ringes oder die Tatsache, dass Agarmaethor scheinbar ohne es selber zu bemerken beim Spielen mit dem Sand seine Finger berührte.
„Ich..", stammelte er ein wenig nervös und ließ seine Hand bewegungslos liegen, um ihr sachtes Spiel nicht zu unterbrechen. „Die Geschichte ist traurig und hat eigentlich kein wirkliches Ende."
„Ich würde sie trotzdem gerne hören", erwiderte Agarmaethor, blickte weiterhin in den Himmel und strich verspielt über seine Fingerspitzen.
Unsicher schaute Legolas sie von der Seite an. Noch immer wusste er nicht, ob es sich für sie nicht um ein überaus peinliches Versehen handelte.
„Es war einmal ein etwas... exzentrischer Prinz – nicht mehr ganz jung an Jahren, doch noch immer ungebunden und recht einsam", begann er leise. „Neben seinem weithin bekannten Verlangen nach Silber, Mithril und Juwelen war er auch für die Liebe zu seiner Heimat bekannt. Er lebte in einem großen und stellenweise so unwegsamen Wald, dass viele diese Liebe nicht nachvollziehen konnten, doch der Prinz hätte diesen Wald für keinen Schatz und keine Elbenfrau der Welt verlassen.
Er schätzte die Ruhe, die nur durch das Zwitschern der Vögel und das Rauschen der Blätter im Wind unterbrochen wurde. Er mochte das satte Grün unter dem strahlend blauen Himmel Mittelerdes, und niemand durfte diesen für ihn so idyllischen Zustand stören, der dem Wald nicht mindestens ebenso viel Liebe entgegen brachte wie er. So lebte er recht abgeschieden mit seinem Vater und dessen Volk, doch die Suche nach einer Partnerin, die seine Liebe und seine Leidenschaften teilte, trieb ihn immer wieder fort."
Legolas hielt inne, als Agarmaethors Finger über die Innenfläche seiner Hand strichen und einen leichten Schauer auslösten.
„Eines Tages begegnete er einer Frau, die sein Herz im Sturm eroberte. Anmutig und schön schien sie beinahe über den Boden zu schweben. Ihre Haare waren hell wie Licht, so dass sie nicht zu Unrecht den Namen Aglaniel trug. Sie liebte duftende Blumen und Blüten und trug immer einen Kranz, der sich in seiner Farbenpracht so wunderbar von ihrem hellen Haar absetzte, dass der Prinz sie deshalb immer 'seine Blume' nannte.
Er warb um sie, doch er war nicht der einzige, der Interesse an ihr besaß. Ein lórischer Elb, ein Künstler, bemühte sich ebenfalls. Ja, ja... Genau dieser Künstler, der einst das von mir verunstaltete Jagdbild gemalt hat. Dieser Künstler überhäufte Aglaniel mit Geschenken – meist Bildern, in die er selbst viel Arbeit und Mühe gesteckt hatte. Der Prinz jedoch besaß solche Fertigkeiten nicht – nur eine gefüllte Schatzkammer. Liebend gerne hätte er alles für ihr Herz weggegeben, doch weder die Gemälde des Künstlers noch die Schätze des Prinzen erwärmten ihr Herz."
„Oh, das ist gut!", murmelte Agarmaethor.
Legolas lächelte und öffnete seine Hand, um ihr das Streichen zu erleichtern. Sein Herz raste. Er hoffte, sie würde seine Geste richtig verstehen, würde nicht vor ihrer eigenen Tat zurückschrecken, doch sie zögerte. Entschlossen, an seinem Wunsch keinen Zweifel zu lassen, ließ er seinen Daumen sacht über ihren Handballen gleiten. Er konnte ihre Panik fühlen, doch sie entzog ihm ihre Hand nicht und gewährte ihm weitere Berührungen bis sie sich nach und nach entspannte.
„Die Jahre vergingen", fuhr Legolas fort, um die Stille zu überbrücken. „und sie erhörte den Prinzen nicht. Im Gegenteil! Ihm schien, dass sie mehr und mehr Zeit mit dem Künstler verbrachte. Frustriert und hoffnungslos zog er sich zurück und überließ dem Künstler das Schlachtfeld. Das war eigentlich nicht seine Art, doch er war ein Mann des Schwertes und kein Mann schöner Worte. Traurig und enttäuscht ritt er wieder einmal durch die Wälder und Gärten Mittelerdes und suchte nach Ablenkung. Als er dabei eines Tages in den Gärten der Entfrauen an einem kühlen Bach rastete, trat eine von ihnen auf ihn zu. Sie hieß Fimbrethil. Der Prinz kannte sie, denn sein Weg führte oft durch ihre Gärten, während er umher reiste. Sie überreichte ihm ein kleines Kästchen mit diesem Ring, richtete einige aufmunternde Worte an ihn und verschwand wieder. Sie wollte keine weiteren Fragen beantworten."
Legolas hielt den Atem an, als Agarmaethor ihre Hand vollständig auf seine legte und ihre Finger vorsichtig mit seinen verschränkte. Er fühlte ihren Puls rasen, fühlte den Angstschweiß und ihre Nervosität. Sacht koste er weiterhin ihre Haut.
„Was... was genau sagte die Entfrau?"
Legolas konnte sich nicht daran erinnern, Agarmaethor jemals stottern gehört zu haben.
„Sie sprach davon, dass er nicht mehr nach einer Frau seines Herzens suchen müsse, die dieselben Interessen teile wie er. Er solle ihr nur dabei helfen, Barrieren zu überwinden denen sie allein nicht gewachsen sei, ihr einen Weg bereiten und eine günstige Gelegenheit nutzen!", fuhr er fort.
„Das ist wirklich traurig!", seufzte Agarmaethor. „Der Ring stammt von einer anderen Frau, die mit diesem Geschenk auf sich aufmerksam machen wollte und deren Botschaft mit Sicherheit eindeutiger gewesen wäre, wenn sie von Aglaniel gewusst hätte!"
Legolas schmunzelte. „Ja, das sagte ich ihm auch, und im Nachhinein gibt er mir Recht. Doch damals war sein Herz so voller Liebe zu seiner Blume, dass er die Worte falsch verstand. Als die Nacht hereinbrach, die Sterne schienen und die Worte der Entfrau noch immer in seinem Kopf nachhallten, holte er den Ring hervor. Sein Leuchten erfüllte ihn mit Hoffnung und neuer Kraft und am nächsten Morgen machte er sich auf den Weg zu Aglaniel und... ähm... in seiner etwas exzentrischen Art lockte er sie in den Großen Grünwald, damit sie dort endlich einmal die Gelegenheit haben würde, seinem unwiderstehlichen Charme zu erliegen." Legolas hüstelte gekünstelt. „Das waren seine Worte, nicht meine!", betonte er.
„Meinst du mit 'locken' eigentlich 'entführen'?", hakte Agarmaethor nach.
„Nun... genau genommen... ja!", erwiderte Legolas verlegen. „Sie befand sich mitten in einem Stelldichein mit dem lórischen Künstler. Wie eine Raubkatze soll sich der Prinz angeschlichen und auf einen geeigneten Moment gelauert haben. Der Galadhrim war in seiner Arglosigkeit nur einen Moment lang unaufmerksam. Lautlos und schnell raubte sie der Prinz und brachte sie in den Großen Grünwald. Sie lebten dort einige Monate nur zu zweit, und was genau dort geschah, erfuhr ich nie. Das blieb für immer ein Geheimnis. Zumindest bedurfte es einiger Kämpfe gegen handtellergroße Spinnen, vor denen sie sich sehr fürchtete."
„Oh! Und das, da doch später die Riesenspinnen den Großen Grünwald heimsuchten!"
„Ja. Sie litt sehr darunter, doch es waren nicht nur die Spinnen. Überhaupt wurde der gesamte Wald von dunklen Kreaturen überflutet. Schwarze Eichhörnchen, Orks, Fledermäuse... Der Große Grünwald wurde zum Düsterwald und sie verkraftete diesen Wandel nicht. Obwohl der Prinz, der inzwischen König geworden war, erbittert gegen dieses Gezücht vorging, fühlte sie sich von Jahr zu Jahr bedrohter. Viele Bekannte und Freunde fielen in den Schlachten. Manche konnten gerettet werden, doch sie waren verstümmelt, und allein dieses Leid jeden Tag zu sehen, machte ihr sehr zu schaffen. Sie war ein Blumenkind – so jedenfalls erklärte es mir der König – und Blumen welken. Allein die Liebe zu ihm ließ sie noch sehr lange ausharren, doch selbst die Geburt ihres Sohnes konnte sie letztlich nicht davon abhalten, langsam dahin zu schwinden. Und so verließ sie den Düsterwald, ihren König und ihren Sohn, als dieser gerade fünf Jahre alt war."
Legolas konnte die Trauer in seiner Stimme kaum unterdrücken.
„Sie hat dich nicht im Stich gelassen. Sie wollte nur vermeiden, dass du in deinen jungen Jahren deine eigene Mutter dahinwelken siehst. Das wäre für dich sehr viel schlimmer gewesen als ihre Abreise. Und dich nicht mitzunehmen war aus ihrer Sicht richtig. Sie wollte dir die Erfahrungen dieser Welt nicht vorenthalten. Nach Valinor kannst du jederzeit reisen, zurück jedoch nicht. Sie wollte dir keine Wege verbauen."
„Ich weiß! Man müsste glauben, wir Elben würden derartigen Schmerz nach so vielen hundert Jahren verkraften oder gar vergessen, doch so ist es leider nicht", murmelte Legolas.
„Im Gegenteil", stimmte Agarmaethor ihm zu. „Es wird mit den Jahren immer schlimmer, denn ständig begegnet man neuem Leid, neuen Problemen und neuen Hindernissen, die wie eine Flut über einen hereinbrechen und einem die Kraft rauben können."
„Und wenn es einem nicht gelingt, etwas zu finden, an dem man sich festhalten kann, wird man einfach fortgespült!", fügte Legolas leise hinzu.
Minutenlang lagen sie schweigend im Sand und schauten in die Sterne. Ihre verschränkten Finger lösten sich voneinander, doch nicht vollständig. Zärtlich und sanft begannen sie zu spielen – miteinander.
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Lichtwesen
Weidenast/Birkenreis
