Frohe Weihnachten!

Jaja, das ist das letzte Kap in diesem Jahr. Die nächsten kommen erst 2006. Der Zwerg braucht auch Mal Urlaub. °seufz° Wer mich kennt weiß, dass ich ziemlich gestresst war in den letzten Wochen.

Ich danke allen, die mich mit ihren Reviews aufgemuntert und motiviert haben, mich beinahe jeden Abend nach der Arbeit/Bibliothek nochmal an die Kaps zu setzen! °knuddel gaaaaanz fest°

Ich hoffe, das Kapitel gefällt euch so als vorübergehender Abschluss. Es ist zumindest kein Cliffie, oder?

Liebe amarie, Amilang, Lessien, Lia, Melethil, Rhabarber, StupidMouth, Winnia, Zita und alle anderen ca. 20 Leser (ich sehs an den Klicks °grins°) (Ich hoffe, ich hab jetzt niemanden übersehen – wenn ja VERZEIHT MIR!)

Alles Liebe und einen guten Rutsch! Freue mich schon auf eure Reviews in diesem und nächsten Jahr.

°knuddel all°

Euer Kampfzwerg

Lia: Danke! °knuddel°

StupidMouth: Tut mir leid, dass es ein bissl wenig Legolas und Agarmaethor gab. Wird in diesem Kap nachgeholt, wenn auch nicht gleichzeitig. °Augenzwinker° Im nächsten geht's dann aber wieder etwas runder zu hinsichtlich der beiden... oder eckiger oder naja.. Wie auch immer... °g°

Das macht gar nichts, dass du bei Pallando und Alatar noch nicht so genau weißt, wohin ich mit denen will. Wenn es denn soweit ist, dann verstehst du, warum ich es so gemacht habe.

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Klüfte

Nicht nur Agarmaethor trieb es fort. Auch Gimli wollte am liebsten fliehen. Zwar liebte er Gesellschaft und genau genommen war er auch jemand, der gerne mit anderen Freude und Leid tragen konnte, aber ihm stand nicht der Sinn nach bedrückender Stille, wie sie sich mit dem über die Elben gelegt hatte, nachdem Agarmaethor und Anara baden gegangen waren und Apfelblüte unterwegs war, um Avari zu der geplanten Beratung hinzuzuziehen.

Selbst Legolas schien seinen Gedanken nachzuhängen, und Gimli empfand durchaus Verständnis dafür. Auch ihn betrübten die Schicksale der Entfrauen und der Avari sehr, doch der leuchtend blaue Himmel, der in der Luft liegende Duft der Blumen, das Zwitschern der Vögel und selbst die Farbenpracht der Blumen hoben seine Stimmung so ungemein, dass er beinahe ein schlechtes Gewissen dabei empfand, nicht gemeinsam mit den Elben niedergeschlagen und nachdenklich am Ufer des Sees sitzen zu wollen. Was hätte das denn auch an der Vergangenheit geändert? Nichts! Auf die Zukunft kam es an! Elben!

Und so schlich er sich davon, um in gehöriger Entfernung zum Rest der Gemeinschaft laut aufzuatmen und beinahe fröhlich durch die Hügellandschaft zu spazieren, um sich auch ohne das Vorhandensein von Felsen und Steinen an der lebendigen Natur zu erfreuen. An einem kleinen Bach zog er seine Stiefel aus, erfrischte seine Füße in dem kühlen Nass und fühlte sich plötzlich so wohl, dass er sogar damit begann, Lieder zu singen – laut und aus voller Brust.

„Ich bin etwas verwirrt...", erklang plötzlich eine weiche und warme Stimme hinter ihm und ließ ihn erschrocken herumfahren. „Ein Zwerg, der die wachsende Natur zu lieben scheint und doch ununterbrochen von Äxten und Hämmern, Steinen und Gold und irgendwelchen Königen unter der Erde singt?"

Gimli glaubte die Stimme einem Flieder zuzuordnen, war sich jedoch nicht sicher, als er seine Worte an den Strauch richtete:

„Es tut mir leid, aber so unwahr die Behauptung ist, Zwerge seien allein mit Steinen und Felsen glücklich, so wahr ist es leider auch, dass wir nur wenige Lieder über Pflanzen besitzen... genau genommen keine. In unseren Höhlen und Schächten wachsen nur Pilze und Moose. Doch davon singen wir Zwerge nicht." Er verbeugte sich höflich. „Mein Name ist Gimli Glóinssohn."

„Rispe, die Reiche", erwiderte der Flieder. „Aber alle nennen mich nur Rispe. Dann scheine ich mein Leben mit Vorurteilen verbracht zu haben, denn auch ich glaubte immer, Zwerge würden das Wachstum fürchten!"

„Mit Verlaub, dieser Witz ist alt!" Gimli schmunzelte breit und hörte ein leises Kichern unter den Blüten und Blättern des Flieders hervordringen. „Aber um ehrlich zu sein... Bäume... Bäume sind mir suspekt!"

„Wegen ihrer Größe?", hakte Rispe nach, und aus dem Schmunzeln Gimlis wurde ein schallendes und dröhnendes Lachen.

Er setzte sich in den Schatten der Entfrau und spielte einen Moment lang mit seinen nackten Zehen im Gras, bevor er amüsiert erwiderte. „Ja genau! Wenn sie zu nahe beieinander wachsen – wie ich hörte, bezeichnet man diese Gegend dann als Wald – ist es zu düster, zu eng und zu erdrückend für mich. Da lobe ich mir doch diese wunderschöne, weite Hügellandschaft." Er lächelte und glaubte dabei erneut ein leises Kichern zu hören.

„Du hast wohl nicht sehr gute Erfahrungen mit hohen Bäumen gemacht?", fragte Rispe leicht spottend. „Bist du oft von ihnen heruntergefallen?"

„Nein! Nie!", rief Gimli gespielt entrüstet aus. „Wie käme ich denn dazu, von einem Baum herunter zu fallen, wenn ich doch nie einen ersteigen würde!" Er lachte. „Um ehrlich zu sein... gemeinsam mit den Ents waren sie vor gar nicht langer Zeit recht tauglich, um Sarumans Reich zu zerstören."

Rispe schwieg einen Moment lang und fragte schließlich leise und ernst: „Du hast Ents und Huorns gesehen? Wo? Wann? Und wer ist Saruman?"

Gimli erwiderte den ernsten Tonfall und erzählte recht ausführlich von den Begebenheiten des Ringkriegs, von den Schlachten der Menschen, der Zwerge, der Elben... und vor allem denen der Entmänner.

Rispe sagte lange Zeit nichts. Ganz in sich gekehrt rührten sich ihre Zweige noch nicht einmal im leichten Wind, der über Gimlis nackte Füße strich.

„Geht es Euch gut?", fragte Gimli schließlich besorgt und verunsichert.

„Baumbart, dieser alte Narr, lebt also noch?", flüsterte Rispe fassungslos und ging dabei nicht auf Gimlis Frage ein. „Und vermutlich läuft er den ganzen Tag im Wald umher, streichelt Eichhörnchen und dichtet...!"

„Dem kann ich kaum widersprechen", erwiderte Gimli verlegen und erinnerte sich an die Berichte der Hobbits, die sich stundenlang durch seine Verse hatten... unterhalten lassen... müssen.

„Er hatte bereits früher nichts anderes im Sinn – nur hohe Bäume und Gedichte!", fuhr Rispe verbittert fort. „Und mit ihm die anderen Entmänner!"

„Nun ja... nicht nur Bäume und Gedichte!", beschwichtige Gimli. „Immerhin haben sie gegen Saruman gekämpft – gegen Sauron und seine Orks und für diese Welt... und sie... vermissen euch Entfrauen. Er räusperte sich. „Die Ents haben Euch viele Jahre lang gesucht. Sie sehnen sich nach Euch und wollen wieder ganz viele kleine Entlinge haben. Jetzt, da Ihr wisst, dass es sie noch gibt, wollt Ihr da nicht vielleicht zu ihnen zurückkehren?"

„Zurückkehren? Zu DENEN? NIE!", rief Rispe entrüstet aus. „Du musst wissen, dass wir nicht erst durch den Krieg voneinander getrennt wurden. Genau genommen haben wir uns bereits vorher entzweit, und die Folge davon war, dass wir unsere Gärten am anderen Ufer das Anduin angelegt haben. Es hat uns einfach irgendwann gestört, dass sich bei den Männern immer alles nur um Bäume gedreht hat. Bäume, Bäume nichts als Bäume. Kannst du dir das vorstellen?"

„Ja, irgendwie schon", murmelte Gimli leise, doch Rispe hörte ihm gar nicht zu.

„Und irgendwann sind sie genau so schwerfällig und unbeweglich geworden, wie die Gewächse, die sie gehütet haben – nicht nur in Hinsicht auf ihre körperlichen Aktivitäten, sondern auch geistig! Vermutlich kannst du dir gar nicht vorstellen, wie viel Zeit vergehen muss, damit so ein Entmann eine Entscheidung trifft!", fuhr sie energisch fort.

„Doch, kann ich", murmelte Gimli erneut in seinen Bart.

Er stellte zum wiederholten Male fest, wie lebhaft und entschlussfreudig die Entfrauen im Vergleich zu den Entmännern waren, und er glaubte, tatsächlich einen Zusammenhang darin zu sehen, welche Gewächse sie betreuten. Die Blumen, Sträucher, Kräuter und Gräser der Entfrauen waren sehr viel kurzlebiger als die Bäume der Entmänner, und bedurften daher der 'hastigen' Pflege. Es war gar kein Wunder, dass die Entfrauen sich die lang anhaltenden Diskussionen, wie die Entmänner sie nur zu gerne führten, nicht erlauben konnten.

„Mir ist nicht bekannt, ob die Entmänner in ihrer Blindheit und ihrer beinahe ausschließlichen Sorge um die Bäume überhaupt wahrgenommen haben, wie unsere Gärten vernichtet und unsere Angehörigen getötet wurden – und selbst wenn sie es wahrgenommen haben sollten, dann hat es vermutlich MONATE gedauert, um sich zur Überquerung des Anduin aufzuraffen!"

„Das glaube ich nicht!", versuchte Gimli einzuwerfen.

Auch ihm war bewusst, dass die Entmänner erst in den Krieg eingegriffen hatten, als Baumbart die verheerenden Zerstörungen des Waldes durch Saruman entdeckt hatte, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass die Entmänner ihre Frauen und vielleicht auch Kinder einfach so im Stich gelassen hätten, nur weil sie zu schwerfällig waren sich zu bewegen oder eine Entscheidung zu treffen.

„Und selbst wenn es so wäre", fuhr er fort, „so würde es sich nicht wiederholen! Dann nämlich hätten sie aus ihrem herben Verlust gelernt. Ihr könnt Euch kaum vorstellen, wie oft sie harmlose Wandersleute fragen, ob sie euch Entfrauen gesehen haben! Das grenzt bereits an Belästigung!"

Er übertrieb schamlos, aber die Entmänner taten ihm so unendlich leid. Vielleicht kannten sie die Vorwürfe der Entfrauen gar nicht? Das wäre schließlich nicht der erste Fall von weiblicher und männlicher Verständigungsstörung...

„Dann haben die Entmänner euch viel von uns erzählt?", fragte Rispe ungläubig.

„Nein", hüstelte Gimli. „Wenn ich ehrlich bin, dann erinnern sich die Entmänner nicht einmal mehr an Euer Aussehen."

„Buh!", rief Rispe verärgert aus. „Männer! Man sagt ihnen etwas, und nach nur achthundert Jahren haben sie es bereits wieder vergessen! Wer weiß, wie lange sie unser Aussehen in ihrem holzwurmlöchrigen Gedächtnis behalten haben?"

Aber vielleicht hatten die Entmänner die Vorwürfe der Entfrauen auch einfach nur vergessen. Gimli zuckte hilflos mit den Schultern. So lang anhaltend und tief gehend die Streitigkeiten zwischen Entfrauen und Entmännern miteinander gewesen waren, so unüberbrückbar schien nun die Kluft zwischen ihnen zu sein. Schweigend schaute er wieder auf seine Füße im Gras und spürte, dass die Entfrau vieles überdachte, Gefühle ordnete und Erinnerungen hervorsuchte.

„Dir scheint viel daran zu liegen, dass wir Ents uns wieder miteinander verbinden, Gimli Glóinssohn!", stellte Rispe schließlich fest. Sie klang wehmütig und ließ ihre Blätter hängen. „Aber dir wird nicht entgangen sein, dass es hier, in dieser Hügellandschaft, anders ist als außerhalb des Waldes. Es ist unsere Magie, die das bewirkt. Hier läuft die Zeit etwas anders, und das Wetter entspricht unseren Vorstellungen. Anders wäre hier im Osten ein Überleben unserer Gärten auch nicht möglich. Die Winter wären viel zu lang und kalt und die Sommer viel zu heiß und trocken. Und um unsere Wünsche und Pläne umzusetzen, sind wir mit der Erde verwurzelt. Aus ihr ziehen wir die Kraft.

Würden wir in den Westen zurückkehren, müssten wir diesen Ort aufgeben – für Männer, die den Grund unserer Streitigkeiten vermutlich nie begreifen werden. Ich denke ich spreche für alle Entfrauen, wenn ich sage: Diese Hügellandschaft, unsere Heimat, können und wollen wir nicht aufgeben – nie mehr!

Wenn unsere Männer tatsächlich Interesse an uns besitzen, dann sollen sie zu uns kommen. Unmittelbar angrenzend an unsere Hügellandschaft wächst ein großer Wald. Du musst ihn durchquert haben, Gimli Glóinssohn. Diesen könnten sie bewohnen, ihn hegen und pflegen... und uns dabei auch vor vielleicht zukünftigen Angriffen schützen." Rispes Laub rauschte leise und klang dabei in Gimlis Ohren wie ein Seufzen. „Sag du ihnen, wo sie uns finden, und dass sie zu uns kommen dürfen, wenn ihnen noch etwas an uns liegt! Ein besseres Angebot kann ich nicht machen."

„Und was ist mit dem Geheimnis um Eure Existenz?", fragte Gimli vorsichtig.

„Was soll damit sein? In zwanzig Jahren haben die Entmänner ohnehin wieder vergessen, was du ihnen erzählt hast! Sie sollten sich daher besser schnell entscheiden und eilen!", erwiderte Rispe ungehalten.

Gimli nickte verständnisvoll. Er, ein Zwerg, würde sich um die Wiedervereinigung von sprechenden Bäumen und Sträuchern kümmern! Nun ja, es handelte sich um Ents und nicht um Bäume und Sträucher, aber sie waren wie Bäume und Sträucher... obwohl er nach längerem Nachdenken durchaus Ähnlichkeiten mit Zwergen und Zwerginnen sah. Aber diesen Gedanken würde er wohl nie einem Zwerg offenbaren – NIE!

Höflich verabschiedete er sich von Rispe und wanderte zurück zum Lager der Gemeinschaft.

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Als Agarmaethor vom Bad mit Anara zu der Gemeinschaft zurückkehrte, ging die Sonne bereits unter. Die Elben hatten ein kleines Feuer entzündet und in einem Kessel etwas Suppe zubereitet, deren Duft Appetit weckte. Gimli und Legolas schienen sie bereits erwartet zu haben, denn lebhaft miteinander schwatzend schauten sie ihr beide immer wieder entgegen, sodass sie ihre Schritte in ihre Richtung lenkte.

Kaum hatte sie das Lager erreicht, erblickte sie zwischen den Elben der Gemeinschaft Apfelblüte und noch zwei weitere, ihr vollkommen unbekannte Gestalten, die sich in einem regen Gespräch mit Elladan und Elrohir befanden. Apfelblüte übersetzte fleißig, doch sie schienen sich noch bei der Vorstellung zu befinden, so dass Agarmaethor nicht fürchtete, viel verpasst zu haben.

„Das sind Menel und Aldarir, mit denen Apfelblüte vor wenigen Minuten hierher zurückgekehrt ist", erklärte Legolas leise und zog sie zum Feuer, um dort dem Gespräch zu lauschen.

„... Dreihundert Sangwa umrunden gerade den Wald", hörte sie Aldarir sagen. „Noch nie waren es derart viele, und das bereitet uns ungemeine Sorgen."

„Das klingt, als sei es nicht das erste Mal, dass die Sangwa hier in Erscheinung treten. Wie kommt das? Ich glaubte, dieser Ort wäre ein großes Geheimnis?", hakte Elladan nach.

„Jaaaaa", erwiderte Apfelblüte gedehnt. „Da wären wir bei der Lüge, welche ich vor einigen Stunden erwähnte. Die Existenz der Entfrauen ist ein Geheimnis... wenn man von euch und den Avari absieht. Die Sangwa wissen nichts von uns – glaube ich - doch sie wissen von den Elben." Sie hüstelte verlegen. „Als vor etwa sechshundert Jahren mehrere kleine Familien vor unserem Wald lagerten, hielt ich es zunächst für geboten, sie zu belauschen, um Näheres zu erfahren. Ich hörte von ihrer Flucht vor den Sangwa, die sich bereits in unmittelbarer Nähe befanden, und ihrer Suche nach einer Heimat. Und ich hörte auch die schrecklichen Schreie hungriger Kinder und sah hastig verbundene, eitrige Wunden und durch Schlafmangel hervorgerufene, tief liegende Augen.

Ich empfand Mitleid, und so begab ich mich zu den anderen Entfrauen. Ich erzählte ihnen von den Elben, erwähnte jedoch mit keinem Wort die Sangwa oder gar die Tatsache, dass diese sich bereits in der Nähe befanden." Sie senkte verlegen den Blick. „Dornenstolz hätte ihre Erlaubnis nie erteilt, wenn sie die Gefahr, die die Avari mit sich brachten, gekannt hätte. Doch ohne dieses Wissen, stimmte sie nach langen Diskussionen und unter der Bedingung, die Elben hätten jeden Kontakt zur Außenwelt abzubrechen, zu."

Einen Moment lang lag Schweigen über allen Anwesenden, bevor Amlugûr murmelte: „Das heißt, Ihr habt Euer eigenes Volk oder das, was davon noch übrig ist, für ein paar kleine Elbenfamilien riskiert? Entgegen des ausdrücklichen Wunsches der anderen Entfrauen?"

„Ja." Apfelblütes Antwort war kurz und eindeutig.

„Hast du es nicht gehört? MITLEID! Wäre es dir denn lieber gewesen, die Elben wären gestorben? Angehörige DEINES Volkes?", fuhr Gimli ihn an.

„Ja", erwiderte Amlugûr ebenso knapp. „Denn woher wissen wir, dass nicht doch das Blut der Sangwa in den Avari steckt? Sagte Apfelblüte nicht selbst, viele der Sangwa würden Jahre oder gar Jahrhunderte im Verborgenen leben und erst später durch Verrat auf sich aufmerksam machen? Elladan bändelt mit Anara an... weiß denn einer von euch, ob er damit nicht das Gift in den Westen schleppt?"

Wieder lag einen Moment lang erdrückende Stille über allen Anwesenden bevor Elladan mit einem Wutschrei blitzschnell auf Amlugûr zusprang, als wolle er sich mit ihm ebenso prügeln wie einst Legolas. Doch Elrohir und Aneru hielten ihn fest.

„So ungern ich es sage, aber das ist ein Gedanke, den du nicht von der Hand weisen solltest!" Elrohir sah seinem Bruder ernst in die Augen.

„Ich muss gestehen, dass auch ich das nicht aus vollster Überzeugung ausschließen kann", fügte Apfelblüte verlegen hinzu. „Ich kann nur sagen, dass seit der Ankunft der Avari noch kein Verrat begangen wurde - von niemandem, und sie leben immerhin bereits seit sechshundert Jahren hier."

„Und was wollen die Sangwa? Handelt es sich denn um einen reinen Vernichtungsfeldzug? Warum hält dieser bereits sechshundert Jahre lang an?", fragte Agarmaethor.

Elladan tat ihr ungemein leid, doch sie wusste nicht, wie sie ihm anders helfen könnte, als auf das eigentliche Thema zurückzuführen und seine Kräfte zunächst auf die Rettung der Avari zu lenken. Ihr Vorgehen schien auch zu fruchten, denn Elladan riss sich aus dem festen Griff seines Bruders und setzte sich wieder, jedoch nicht ohne Amlugûr noch einen zornigen Blick zuzuwerfen.

„Sie wollen uns", erwiderte Menel, der Agarmaethors Worte offenbar auch ohne Übersetzung durch Apfelblüte verstanden hatte. „Unser Blut. Wie es scheint, fühlen sie sich bisher noch nicht vollendet. Wir glauben, dass sie uns für ihre Fortentwicklung benötigen, um so elbengleich wie nur möglich zu werden. Seit wir in diesem Wald leben, sind sie alle fünfzig Jahre gekommen, um einen Teil unserer Familien zu rauben. Mit vergifteten Pfeilen fügen sie uns kleine Verletzungen zu und betäuben uns damit. Dann wählen sie gezielt ihre Opfer aus: ungebundene Elben jeden Alters – und einmal sogar eine Schwangere, um an das Kind zu gelangen. Die übrigen lassen sie zurück, um unseren... Fortbestand zu gewährleisten.

Wir sind hin und her gerissen zwischen der Entscheidung, keine Kinder mehr zu zeugen und zu gebären oder aber bei jedem Kind aufs Neue zu hoffen, es nicht in den Händen der Sangwa zu sehen. Und leider werden immer seltener neue Kinder geboren. Anara ist die Jüngste von allen."

„Und trotzdem seid ihr geblieben?", fragte Aneru entsetzt. „Ihr hättet weiter fort fliehen können!"

„Wohin denn?", fragte Aldarir verbittert. „In den Westen? Dorthin, wohin wir nie wollten und auch heute nicht wollen?"

Agarmaethor lauschte dem daraufhin entstehenden Disput mit wachsendem Erstaunen. Menel und Aldarir schienen an ihrer Abneigung gegen die Valar so sehr festzuhalten, dass selbst der Valinor nahe gelegene Westen Mittelerdes für sie keine Alternative zu ihrem lang anhaltenden und nahezu tödlichen Kampf gegen die Sangwa darstellte. Hinzu kam ihre Furcht vor der Beeinflussung ihrer Lebensweise durch andere Elben oder vielleicht sogar Menschen, mit denen sie sich Jahrtausende lang im Krieg befunden hatten. Sie liebten ihre freie Lebensweise in ihren kleinen Familienverbänden, ohne Herrscher und ohne an die große Politik anderer gebunden zu sein.

Und doch wusste Agarmaethor aus ihrem Gespräch mit Anara, dass zumindest sie einer Reise in den Westen nicht abgeneigt war. Vielleicht gab es noch mehr unter ihnen, die durchaus bereit wären fortzugehen, wenn sie damit nicht den Rest ihrer Familien im Stich lassen würden. Vielleicht aber fehlte ihnen auch nur ein festes Ziel, das es anzusteuern galt, ein Ziel, das man ihnen zeigen könnte?

„Ihr seid willkommen!", beendete Elladan die Diskussion und ignorierte dabei Amlugûrs vorwurfsvollen Blick, der ihn an seinen Einwand hinsichtlich der weiter verschleppten Vergiftung erinnern sollte.

Aldarir und Menel neigten höflich ihre Köpfe. „Wir danken Euch für dieses Angebot, doch unser Anliegen bestand nicht darin, Euch um ein neues Heim zu bitten, sondern uns Eure Schwerter und Bögen zur Verfügung zu stellen, denn unsere Waffen durchdringen die Rüstungen der Sangwa nicht, sodass wir uns einer solchen Überzahl nicht gewachsen fühlen – und dieses Mal sind es viele, wirklich viele, die uns überfallen werden. Zudem erscheinen sie vollkommen unerwartet. Sie waren erst vor drei Jahren zum letzten Mal hier. Daher fürchte ich, dass es sich um einen Todesstoß für uns alle handelt. Offenbar benötigen sie uns nicht mehr."

Betreten schauten sich alle an. Todesstoß! Und die Rüstungen der Sangwa waren für die Avari undurchdringlich! So gut vergearbeitet waren sie der Gemeinschaft während ihrer bisherigen Zusammenstöße mit den Ork-Elben gar nicht erschienen.

„Welche Waffen benutzt Ihr?", fragte Agarmaethor vorsichtig.

„Steinschleudern!", erwiderte Menel knapp und schien zu wissen, dass diese Antwort nicht nur Erstaunen sondern vielleicht auch ein mitleidiges Lächeln hervorrufen würde, doch letzteres blieb zu seiner Freude aus.

„Sie besitzen keinen Zugang zu Metall oder einer Schmelze", erklärte Apfelblüte. „Alles, was sie besitzen, sind Knochen, Holz und Steine, doch die Pfeilspitzen aus Knochen fügen den Rüstungen der Sangwa keinen Schaden zu. Die Steine halten sie zumindest auf."

„Oh!", entfuhr es Gimli nur. „Dann besitzt ihr auch keine Messer, Schwerter oder Äxte?"

„Wir wissen sehr wohl, was das ist!", fuhr ihn Aldarir empfindlich an. „Wir besitzen einige Reste, die wir während unserer Flucht vor sechshundert Jahren mit uns geführt haben, aber wir setzen sie nicht im Kampf ein. Sollte der Krieger fallen, wäre die Waffe, die wir so dringend für unser Überleben im Wald benötigen, für immer verloren. Die Sangwa lassen nichts zurück. Nicht einmal ihre eigenen Pfeile. Sie kenne ihre Vorteile genau!"

„Und die Magie der Ents?", fragte Elrohir. „Sagte Dornenstolz nicht, dass ein Ork die Durchwanderung des Waldes nie überlebt hätte?"

„Ja, das sagte sie", erwiderte Apfelblüte bedrückt. „und für einen einzelnen Ork könnte das auch zutreffen, aber...", sie dehnte das letzte Wort, „der Wald steht weniger unter unserem Einfluss als die kleinen Pflanzen und Gewächse. Unsere Männer waren die Hüter der Bäume. Wir pflegten die Gärten: die Blumen, Sträucher, Farne, Moose, Pilze und Kräuter – schwache Gewächse, wenn es darum geht, sie im Kampf einzusetzen. Nicht ohne Grund ist es den Heeren Saurons gelungen, unsere Gärten zu vernichten.

Hinzu kommt, dass es nie in der Absicht der Entfrauen lag, den Wald brutal über Reisende herfallen zu lassen. Das hätte viel zu viel Aufmerksamkeit erregt und möglicherweise Neugierige angelockt, die das Geheimnis hätten ergründen wollen. Ihr Anliegen aber bestand darin, den Wald unheimlich, abweisend und düster erscheinen zu lassen und eine Durchwanderung mit Hilfe von vielen Wurzeln und peitschenden Ästen so unangenehm wie nur möglich zu gestalten. Er sollte von außen unattraktiv wirken und jedes unerwünschte Lebewesen abschrecken, ihn zu betreten." Apfelblüte seufzte. „Die Sangwa jedoch schlagen sich mit Hilfe von Schwertern durch das Gestrüpp und durchtrennen die Wurzeln, die sie halten. Einen einzelnen oder auch zwei oder drei könnten wir mit Sicherheit aufhalten, aber mehr leider nicht, und während besonders harter Kämpfe legen sie manchmal sogar Feuer, um sich der Fußfallen zu entledigen."

„Daher der abgebrannte Wald", murmelte Legolas.

„Ja und nein. Die Sangwa brannten ihn nieder, um den Lebensraum der Avari zu zerstören. Um das Geschehen zu erklären, musste ich Dornenstolz erzählen, dass es sich bei den Übeltätern um vorüberziehende Menschenhorden gehandelt habe. Aber der eigentliche Grund, warum der äußere Rand des Waldes noch immer schwarz und tot ist, ist der, dass wir keinerlei Bemühungen unternommen haben, ihn wieder zum Wachsen und Blühen zu bringen. Der Wald, so wie er jetzt ist, soll vorüberziehenden Menschen und Zwergen noch viel uninteressanter und abstoßender erscheinen als zuvor. Selbst ihr seid nur deshalb tiefer in den Wald gegangen, weil ich euch gerufen habe."

„Das heißt, die Entfrauen können gar keinen Beitrag leisten?", fragte Aneru entsetzt.

„Vielleicht könnten sie, aber sie werden keinen Beitrag leisten", korrigierte ihn Agarmaethor betrübt. „Sie wissen doch gar nichts von der drohenden Gefahr, und wenn ich Apfelblüte richtig verstanden habe, sollen sie auch gar nichts erfahren, um das Zusammenleben zwischen Avari und Entfrauen nicht zu gefährden."

„Ich will gar nicht wissen, wie sie reagieren, wenn sie von meiner Lüge oder der Gefahr erfahren, die die Avari mitgebracht haben!", ergänzte Apfelblüte bedrückt.

„Wie sollen sie denn reagieren?", erwiderte Amlugûr bitter. „Ihnen den Aufenthalt hier verbieten? Sie davonjagen? Dafür ist es zu spät. Sie müssen jetzt mit vollendeten Tatsachen leben!"

„Vielleicht", murmelte Apfelblüte. „Aber mit einem Zustand zu leben, kann auf Dauer anstrengend, unangenehm und für die Zukunft wenig fruchtbar sein. Viel besser wäre es, wenn sie die Anwesenheit der Avari trotz der Wahrheit akzeptieren würden!"

„Und der Unterschied wäre welcher?", fragte Agarmaethor mit einem flauen Gefühl im Bauch.

„Den Zustand in gewisser Weise zu bejahen, ihm zuzustimmen, und ihn nicht nur als gegeben hinzunehmen", erklärte Apfelblüte.

Agarmaethor fühlte einen tiefen Stich in ihrem Inneren. Es war eine ernüchternde Erkenntnis, die sie gerade getroffen hatte, denn obwohl Apfelblüte in keinster Weise von ihr gesprochen hatte, glaubte sie dennoch gemeint gewesen zu sein.

Nachdenklich zog sie sich vom Feuer zurück. Mit einem Blick auf Menel und Aldarir flüsterte sie Legolas noch ein knappes „Ich werde mit den Avari kämpfen!" zu und verschwand in der Dunkelheit.

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Pallando, Alatar und Lútholwen liefen weiter gen Norden. Zu ihrer linken Hand erstreckte sich das Rote Gebirge, dessen Überquerung sie so viel Zeit und Mühe gekostet hatte, und vor ihnen schimmerte das satte Blau eines großen Gewässers, dessen Ufer sie bereits wenige Stunden nach Verlassen der menschlichen Siedlung erreichten.

Die Luft roch nach Salz, Möwen flogen kreischend über ihre Köpfe hinweg, Algen und Muscheln wurden durch rauschende Wellen an die Küste gespült, die dabei die von den drei Wanderern hinterlassenen Spuren im weichen Sand überschwemmten.

„Das Helcar-Meer?", fragte Pallando fasziniert und erstieg einen hohen Felsen, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen.

Tatsächlich schien es sich bei dem vor ihnen liegenden Gewässer nur um die große Bucht eines Meeres zu handeln, denn die nach Westen verlaufende Küste machte noch vor dem Roten Gebirge einen Bogen und verlief dann weiter nach Norden, während das sich nach Osten erstreckende Ufer am Horizont verschwand.

Verträumt schaute Pallando über das Meer, dessen kleine Wellen in der Spiegelung des blauen Himmels wie winzige Wolken wirkten.

„Hier ist es schön!", murmelte er.

„Ja, das ist es", raunte Alatar, der Pallando auf den Felsen gefolgt war. „Es ist viel zu schön für diese verkommenen Menschen und Zwerge hier im Osten. Wir müssen die Avari aufsuchen, um endlich Hilfe dabei zu finden, diese wundervolle Welt zu retten. Sie sind meine letzte Hoffnung. Wenn nicht sie, dann weiß auch ich nicht mehr weiter!"

Seine Stimme klang verbittert und verzweifelt.

„Oh Alatar!", versuchte Pallando ihn zu trösten. „Sei guten Mutes! Auch die Zwerge und Menschen sind Hoffnung wert."

Alatar schüttelte den Kopf. „Als die Valar mich baten, Mittelerde zu bereisen und den Völkern im Kampf gegen Sauron und seine Schergen beizustehen, habe ich geglaubt, man würde mich in eine Gegend entsenden, in welcher es überhaupt noch zu mobilisierende Kräfte gibt! Immerhin ist der Dunkle Herrscher seit etwas mehr als eintausend Jahren verschollen, und auch wenn er sich bereits wieder regt, so hat doch genug Zeit bestanden, um sich von seinen Lehren und Einflüssen abzuwenden und zu befreien... oder nicht? Stattdessen sind Zwerge wie auch Menschen verdorben und verkommen.

Stell dir vor was geschieht, wenn diese schier unendliche Zahl an zahnlosen und hohlköpfigen Menschen des Ostens mit von Zwergen geschmiedeten Äxten und Schwertern in den Westen zieht und sich dort holt, was sie begehrt? Kann der Westen dem überhaupt standhalten?"

Pallando verstand nicht so recht, worauf Alatar mit seiner Furcht hinaus wollte, doch noch ehe er nachfragen konnte, hatte sich Alatar bereits abgewandt und legte einen zügigen Schritt Richtung Westen vor. Er schien die Bucht umrunden zu wollen, um weiter im Norden die Avari zu finden.

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Die Entscheidung der Gemeinschaft für einen Kampf gegen die Sangwa fiel schnell, vor allem nachdem auch Agarmaethor durch Legolas ihre Bereitschaft dazu geäußert hatte.

Jeder in der Gemeinschaft wusste, dass es eigentlich eine andere Aufgabe zu bewältigen galt, als sich gemeinsam mit nur sechsundvierzig Avari gegen dreihundert Sangwa zu stellen. Doch der Gedanke an den vermutlich bestehenden Zusammenhang zwischen den Sangwa und ihrer eigentlichen Gegnerin Thuringwethil sowie die Vorstellung davon, diese kleine und vielleicht einzige noch verbliebene Elbensiedlung des Ostens im Stich lassen zu müssen – ganz zu schweigen von den Entfrauen - war ihnen zuwider.

So vergingen Stunden intensiver Beratungen, und nach und nach entwickelte die Gemeinschaft gemeinsam mit Menel, Aldarir und Apfelblüte einen Abwehrplan. Keiner von ihnen wusste, ob er Erfolg bringen würde, doch die Hoffnung Apfelblütes und der beiden Avari war mit dem Beginn der Verhandlungen so heftig entflammt, dass sie den Kampfgeist Gimlis und der Elben entzündeten.

Allein Legolas hielt sich zurück. Er lauschte den Worten der anderen und hörte Menel davon berichten, wie die Sangwa üblicherweise einen Flusslauf benutzten, um leichter ins Innere des Waldes zu gelangen, wie sie noch vor Erreichen der die Hügellandschaft schützenden Hecke in den Wald eindrangen, um sich dort mit Äxten und Schwertern einen Weg zu der Siedlung zu bahnen und diese zu zerstören, wenn sich dort kein geeignetes Opfer aufhalten sollte.

Alle Versuche, sich vor den Sangwa zu verstecken, die Siedlung zu verlagern oder für die Zeit des Überfalls den Wald vollständig zu verlassen waren bisher gescheitert – nicht zuletzt daran, dass auch die Avari die Entfrauen in ihren Gärten nicht im Stich hatten lassen wollen und eher bereit gewesen waren, ihr Leben zu geben.

Je mehr Legolas über all das Geschehen nachdachte, desto bedrückter fühlte er sich. Er wollte den Avari nicht unterstellen, keine Opferbereitschaft zu besitzen, doch ihm drängte sich der Gedanke auf, dass der wahre Grund für ihr Verhalten an einem schlechten Gewissen lag.

In dem Bewusstsein, nur durch eine Lüge Apfelblütes eine neue Heimat gefunden zu haben, schienen sie sich verpflichtet zu fühlen, eben die Gefahren abzuwenden, die sie selbst hierher gebracht hatten. Natürlich hätten sie dem Angebot Apfelblütes nicht zustimmen müssen, aber in ihrer Not hatten sie vermutlich gar keine andere Alternative gesehen - und nun lastete die Lüge auf ihren Schultern und zog weitere mit sich.

Möglicherweise konnten die Avari den Entfrauen deshalb nicht ehrlich in die Augen schauen, vielleicht fürchteten sie aber auch, sich zu versprechen oder durch eine unbedachte Handlung das streng gehütete Geheimnis Preis zu geben... Tatsache war jedoch – und das erschreckte Legolas am meisten – dass zwischen den Elben und den Entfrauen kaum Kontakt bestand.

In all den Jahrhunderten hatten die Elben immer wieder herbe Verluste in ihren Familien erleiden müssen, Tränen vergossen, neue Kinder geboren und auch diese teilweise wieder verloren. Und trotzdem hatten die Entfrauen kein Gesicht vermisst – wie auch, wenn sie die Elben nicht kannten? Anara, als derzeit jüngste und damit vielleicht auch unbefangenste der hier lebenden Elben, schien die einzige zu sein, die in den Hügeln umher wanderte, mit den Entfrauen lachte und scherzte und offenbar für die anderen Elben Handel trieb.

Nachdenklich zog sich Legolas mehr und mehr von den Beratungen der anderen zurück, bis auch er in der Dunkelheit der Nacht verschwand. In ihm war ein Entschluss gereift, den er - ohne die anderen um Rat oder Beistand zu bitten – umzusetzen gedachte.

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Die Stille der Nacht tat Agarmaethor gut. Sie benötigte ein wenig Ruhe und Zeit, um Apfelblütes Äußerungen zu überdenken. Gedankenvoll setzte sie sich auf einen Stein am Ufer des Sees und schloss die Augen, um einen klareren Kopf zu bekommen.

Die Geschehnisse vor inzwischen mehr als zehn Monaten hatten ihr gesamtes Leben von Grund auf verändert. Nicht, dass sie in ihrem Leben davor sonderlich glücklich gewesen wäre, doch zumindest hatte sie in ihrer Rolle als Krieger etwas Halt finden können – trotz ihrer fehlenden Erinnerungen und der Berührungsschmerzen.

Doch nachdem die Kugel aus ihrem Bauch heraus gebrochen war, hatte sie sich plötzlich gefühlt, als drifte sie einsam und allein in einem unendlich großen Meer, dessen Wogen sie brutal hin und her stießen.

Vollkommen haltlos war sie dieser Macht ausgeliefert gewesen und hatte dabei unter unbeschreiblichen Schmerzen zusehen müssen, wie Körper und Geist grausam auseinander gerissen wurden. Im ersten Moment war ihr dieser Zustand so unerträglich erschienen, dass sie ihm in einem Anflug von Wahnsinn durch die Vernichtung ihres eigenen Körpers ein Ende hatte setzen wollen.

Amdir hatte sie davor bewahrt sich selbst zu töten und ihr dabei die kurze Atempause verschafft, sich beruhigen und ihr Vorhaben überdenken zu können. Sie dankte ihm dafür, so wie sie Amlugûr aus tiefstem Herzen dafür dankte, dass dieser ihren Geist wiedererkannt und sie trotz dieser Zerrissenheit in die Gemeinschaft geführt hatte. Ohne ihn hätte sie keinen neuen Halt mehr im Leben finden können, und ohne ihn hätte sie Legolas nie kennen gelernt.

Agarmaethor erinnerte sich daran, wie sie Legolas in der Überzeugung, gerade er würde sie vollends zerstören, noch vor Betreten der großen Ebene zurückgewiesen hatte. Überfordert von ihrer gesamten Lebenssituation hatte sie die Schreie von Körper und Geist nicht gehört, die gemeinsam nach etwas verlangt hatten – nach ihm. Und dabei war dieses gemeinsame Bedürfnis seit Monaten der erste schmale Steg über die zwischen ihnen bestehende Kluft gewesen – der allererste!

Doch sie hatte nur die Gefahr gesehen, dass Gefühle für Legolas sie erneut in ein Meer stoßen könnten, dessen unkontrollierbare Wogen sie an einem Felsen zerschellen lassen oder endgültig unter Wasser drücken würden. Es hatte erst der Ereignisse im Sumpf bedurft um zu begreifen, dass er gemeinsam mit ihr in diesem Meer treiben und er ihr deshalb den von ihr so dringend benötigten Halt bieten würde – so wie sie vielleicht auch ihm. Nur loslassen durfte keiner von ihnen! Aber bisher sah sie darin auch keine Gefahr, sodass eigentlich alles bestens war... eigentlich.

Bedrückt schaute Agarmaethor über die vom Wind gekräuselte Wasseroberfläche des Sees und fühlte wieder die innere Leere, die sie so oft heimsuchte und die selbst Legolas' Nähe nicht auszufüllen vermochte. Viel zu selten lachte sie aus vollem Herzen und viel zu selten konnte sie seine Zärtlichkeiten so sehr genießen, wie sie es gerne täte - ganz zu schweigen davon, diese in irgendeiner Weise zu erwidern.

Natürlich war ihr bewusst, dass der Spalt in ihr noch immer klaffte und sich wohl erst in Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten vollends schließen würde - wenn überhaupt. Doch der Zweifel daran, dass es Legolas gelingen würde, mit seinen Zuwendungen Stück für Stück alles wieder miteinander zu verbinden, hatte in den letzten Wochen an ihr genagt und schließlich in Apfelblütes Worten seine Bestätigung gefunden:

Es machte einen Unterschied, sich mit etwas abzufinden oder etwas zu akzeptieren.

Wenn sie ihre eigene Entwicklung rückwirkend betrachtete, dann hatte sie – wenn auch in großen Schritten - tatsächlich nur gelernt, mit den neuen Lebensumständen zu leben und sich ihnen zu fügen, denn eigentlich fehlte es ihr noch immer an der Zustimmung der inzwischen wohl unveränderlichen Folgen der für sie so einschneidenden Ereignisse.

Es war nicht so, dass sie auf Legolas und seine Zuneigung verzichten oder gar wünschen würde, alles wäre wieder beim Alten – beileibe nicht. Allein der Gedanke daran ließ ihr einen Schauer über den Rücken fahren. Aber noch immer erfassten sie Ängste und Unsicherheiten, wenn er sich ihr näherte und sie sich dabei des Gefühls nicht entledigen konnte, er sehne sich nach mehr, als nur ihren Hals, ihre Wangen oder ihren Bauch kosen zu dürfen.

Und genau dieses 'mehr' war das Problem. Sie konnte Legolas nicht geben, was sie nicht besaß, weil sie der Existenz von diesem 'mehr' noch nicht zugestimmt hatte.

Agarmaethor hatte Anara dabei beobachtet, wie diese sich sorgsam gewaschen, jede einzelne Stelle ihrer Haut behutsam mit Sand abgerieben und dabei jeder Blüte ihrer Schönheit besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Anara schien ihren Körper für einen kostbaren und zerbrechlichen Schatz zu halten, den sie liebte und deshalb pflegte und umsorgte.

Agarmaethor hingegen hatte sich zwar gewaschen, jedoch nur um nicht zu stinken. Zu mehr hatte sie sich nicht hinreißen lassen können. Selbst in den Spiegel hatte sie in den letzten zehn Monaten nur ganze zwei Mal geschaut, war dann jedoch jedes Mal vor ihrem eigenen Anblick geflüchtet, weil sie die unveränderliche Wahrheit nicht hatte sehen wollen.

Nachdenklich schaute sie über den See. Der Wind kräuselte seine Oberfläche nicht mehr und es schien, als wolle er sie einladen, das Wasser als Spiegel zu benutzen und sich endlich zu stellen. Der Mond erhellte den nächtlichen Himmel, und die Sterne schienen ihm dabei zu helfen, ihr einen ungestörten Blick auf sich selbst zu ermöglichen. Zögernd näherte sich Agarmaethor dem Ufer, beugte sich über das Wasser und musterte ihr eigenes Spiegelbild.

Schwarzes Haar mit silbernen Strähnen umrahmte ein schmales Gesicht mit grauen Augen, aber das war ihr nicht neu. Um das festzustellen hatten ihr die beiden flüchtigen Blicke in den Spiegel genügt. Eindringlich schaute sie auf die Wasseroberfläche und kämpfte dabei gegen den inneren Zwang an, den Blick abzuwenden und erneut zu flüchten.

Minuten vergingen, bis sie ihrer hohen Wangenknochen gewahr wurde. Sie hatte sie bereits vorher gesehen, aber ihr war nie bewusst gewesen, dass sie ein nahezu perfektes V mit ihrer Nasenspitze bildeten. Vorsichtig zog sie mit ihren Finger diese markanten und doch weichen Linien nach, die gedanklich verlängert unmittelbar an ihren Ohrenspitzen endeten – ein seltsamer Zufall, wie Agarmaethor fand, doch das Gesicht wirkte dadurch ungemein harmonisch... wenn die Augenbrauen nicht einen so kantigen Schwung am äußeren Rand besessen hätten.

Agarmaethor runzelte die Stirn und beobachtete zu ihrer eigenen Überraschung, wie sehr ihre Augenbrauen dabei ihre Gesichtszüge belebten. Sie konnte gar nicht anders, als einige Grimassen zu ziehen, um ihre Beobachtung zu prüfen und Bestätigung zu finden. Diese Augenbrauen gefielen ihr, und wenn sie nur lang genug übte, würde sie sie hervorragend einsetzen können, um sich leichter durchsetzen zu können.

Agarmaethors Blick wanderte über ihren schlanken Hals zu ihrem Oberkörper. Ihre Arme hatten an Muskelmasse abgenommen und waren schmaler geworden. Bereits während des Kampfes gegen den Olog-hai war ihr aufgefallen, wie schwer es ihr inzwischen fiel, die Kurzschwerter über längere Zeit einzusetzen – und dabei war der Kampf gegen den Olog-hai recht kurz gewesen.

Unruhig rieb sie sich mit den Händen die Oberarme und ließ sie dann langsam abwärts über ihre Brüste gleiten. Gequält fühlte sie dabei die Ausbeulungen, die dem Druck der Hände so schrecklich leicht nachgaben. Sie waren nicht sonderlich groß, und doch störten sie beim Bogenschießen ungemein.

Anara schienen ihre eigenen sogar noch zu klein zu sein, denn am See hatte Agarmaethor verblüfft feststellen müssen, dass Anara offenbar an ihrer Kleidung geschickt angebrachte Nähte und helle Farbstreifen verwendet haben musste, um über die wahre Größe ihrer Weiblichkeit hinweg zu täuschen.

Agarmaethors Augen weiteten sich bei der Erinnerung daran, wie pikiert Anara über die Erwähnung unbequemer Kleider und Schuhe gewesen war. Innerlich gab sie jedoch zu, dass es eher das Wort 'zwingen' war, welches Anara so entsetzt hatte. Nein, zwingen würde sie niemand, und nur weil sie glaubte, Elladan fände größeren Gefallen an ihr, solange er mehr unter ihrem Oberteil erwartete, war das noch lange kein 'zwingen'... oder gefiel sich Anara selbst damit besser? War das etwa eine Handlung, um sich selbst ein wenig mehr zu mögen?

Agarmaethor seufzte. Etwas... vorteilhaftere Kleidung täte ihr mit Sicherheit ebenfalls gut. Nachdenklich löste sie ihre Zöpfe, die sie als Krieger beinahe ihr Leben lang getragen hatte, und flocht ihr Haar neu. Obwohl es reizvoll gewirkt hätte, die silbernen Strähnen dabei hervorzuheben, verbarg sie sie in ihrem dicken, dunklen Haar, so gut es nur ging. Sie wollte sie nicht mehr sehen, riefen nur Erinnerungen hervor, die sie nicht brauchte, die sie vergessen wollte.

Wieder musterte sie ihr Spiegelbild im Wasser – ohne Scheu. Möglicherweise würden Legolas ihre neuen Zöpfe nicht gefallen, ihr jedoch gefielen sie... irgendwie. Sie würde sie behalten – gleichgültig, was er dazu sagte.

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Als Legolas Dornenstolz erreichte, war es noch dunkel, doch die ersten Strahlen der Sonne schimmerten bereits in der Ferne und nahmen dem Sternenlicht den Schein. Sie weckten Vögel und öffneten die Knospen, sodass lautes Gezwitscher und der Duft von Blumen und Blüten die Luft schwängerte. Alles war voller Leben und Bewegung, nur Dornenstolz stand unbeweglich in der kleinen Senke nahe dem Seeufer.

Legolas zögerte, musterte sie von weitem und fragte sich, ob sie vielleicht schlief, doch als er unmittelbar vor ihr stand herrschte sie ihn grob an:

„Habe ich nicht erst gestern darum gebeten, mich alleine zu lassen?"

Legolas lächelte bewusst sympathisch und öffnete mit seinen Händen die Zweige, die auch Anara tags zuvor verschoben hatte, um Dornenstolz einen besseren Blick zu verschaffen.

„Ich grüße Euch!" Er verbeugte sich höflich. „Ich wollte Euch nicht stören, doch dringende Angelegenheiten trieben mich zur Eile an!"

„Was redest du so geschwollen?", erwiderte Dornenstolz gereizt. „Wer so redet, will etwas!"

Legolas unterdrückte einen verlegenen Blick. Dornenstolz konnte man nur mit Selbstbewusstsein begegnen, sodass er ihr direkt in die Augen schaute und aufrichtig erwiderte:

„Ihr habt Recht. Ich will etwas anbieten und ich will etwas haben – beides im Austausch miteinander."

„So?" Er schien Dornenstolzes Neugier geweckt zu haben, denn ihre Frage klang nicht mehr annähernd so abweisend wie zuvor. „Was gibt es denn, das DU mir anbieten kannst?"

Legolas zögerte. Trotz seines zunächst so fest gefassten Entschlusses fühlte er sich plötzlich unsicher und begann zu fürchten, sein Verhalten würde das Verhältnis zwischen Avari und Entfrauen vollkommen zerstören.

Er fühlte, wie sein Zögern seine Verhandlungsposition schwächte, und in dem Bewusstsein etwas zu besitzen, das die Kluft zwischen den Elben und den Entfrauen zu schließen vermochte, erwiderte er: „Die Macht dieses Ringes."

Mit einer leichten und beinahe selbstverständlichen Bewegung holte er den Ring seines Vaters unter seinem Hemd hervor und zeigte ihn Dornenstolz.

Einen Moment lang herrschte ein beinahe erdrückendes Schweigen, währenddessen Dornenstolz starr auf das durch das Mond- und Sternenlicht funkelnde Ithildin starrte.

„Wie kannst du es wagen, mir etwas anzubieten, was nicht dir gehört?", fauchte sie plötzlich los, doch als Legolas' Finger daraufhin den Ring umschlossen, ihn damit des Sternenlichts beraubten und Dunkelheit beide umhüllte, schob Dornenstolz beinahe beschwichtigend hinterher: „Erkläre mir das bitte!"

„Der Ring gehörte einst meinem Vater... Thranduil. Vielleicht sagt Euch dieser Name etwas...", erwiderte er ernst.

„Oh ja!" Dornenstolz klang nicht begeistert. „Aber das bedeutet nicht, dass er ihm rechtmäßig zustand!"

„Entfrauen haben ihm den Ring überbracht!" Legolas war sowohl überrascht als auch entrüstet, wie beharrlich Dornenstolz sein Eigentum an dem Ring leugnete. „Als Geschenk!"

„Ja! Als Brautgeschenk! 'Wenn du mich nimmst, dann darfst du ihn haben!' war damit gemeint gewesen. Und nicht 'Nimm ihn und suche dir eine andere Frau!'" Dornenstolz klang verbittert.

Legolas zögerte erneut. Das alles war so viele tausend Jahre her, dass er weder dem Gedächtnis der Entfrau noch dem seines Vaters wirklich traute. Doch wirklich zu lösen waren die Widersprüche nicht, sodass er knapp und selbstbewusst erwiderte:

„Mein Vorhaben würde die Zustimmung der Elbenfrau finden, die ihm den Ring hat überbringen lassen."

„So?" Dornenstolz klang erstaunt und belustigt zugleich, und Legolas verstand nicht, was an seiner Äußerung so erheiternd war. „Angenommen es wäre so: Was gäbe es denn, was ich dir für den Ring bieten könnte?"

Legolas lächelte siegesgewiss in sich hinein. Dornenstolzes Interesse schien groß zu sein, groß genug jedenfalls, dass ihr plötzlich die Eigentumsfragen nicht mehr so wichtig erschienen. Ruhig und besonnen begann er deshalb von den Avari und ihrem Schicksal zu berichten, betonte das Elend und die Not, in welcher sie sich befunden hatten, die Gefahr, die sie zu zerstören drohte und die Hilfe, die ihnen Apfelblüte geboten hatte... und er berichtete von den Sangwa, die erneut vor dem Wald lagerten und offenbar einen endgültigen Vernichtungsschlag planten.

Er beobachtete Dornenstolz während seines Berichtes, erwartete einen Zornesausbruch oder eine wütende Bemerkung, doch stattdessen wurde ihr Blick immer trauriger, enttäuschter und verletzter. Es tat ihm selbst weh das zu sehen, vor allem weil er wusste, dass dieses Gefühl von Verletztheit die Kluft zwischen den Avari und den Entfrauen endgültig aufgerissen hatte.

„Und was willst du jetzt von mir?", fragte Dornenstolz verbittert.

Legolas holte tief Luft. Sein Begehren zu formulieren war wohl das Schwierigste an seinem gesamten Vorhaben.

„Mir ist bewusst, dass die Lüge und die Gefahr, in die Euch diese Lüge gebracht hat, ein ungemeines Hindernis für ein friedliches und vor allem freundschaftliches Zusammenleben zwischen Euch Entfrauen und den Avari darstellt. Ich weiß, dass diese Lüge nicht zu rechtfertigen ist und fühle, wie groß Eure Enttäuschung ist.

Und doch liegt mir sehr viel daran, dass die Avari ihr Heim hier behalten können und dabei nicht nur neben Euch leben, sondern mit Euch leben – etwas, was sie sich selber in den letzten sechshundert Jahren vorenthalten haben. Ich wünsche mir einfach – im Austausch gegen die Macht des Ringes – dass Ihr sie trotz Eures neuen Wissens nicht nur duldet oder gar vertreibt, sondern Eure Zustimmung dafür gebt."

„Dein Wunsch klingt... äußerst... naiv", murmelte Dornenstolz in ihr Blattwerk.

„Mag sein, aber das ist es, was ich verlange. Ich weiß, dass ich nichts erzwingen kann, aber ich glaube auf Euer redliches Bemühen hoffen zu dürfen."

Legolas öffnete seine Hand und zeigte Dornenstolz noch einmal das Objekt ihrer Begierde, lockte sie sein wenig und verschloss seine Hand erneut.

„Ja gut! Einverstanden!", erwiderte Dornenstolz hastig. „Das ist es mir wert... mein redliches Bemühen!"

So gut es nur ging streckte sie einen kleinen Ast aus, um den Ring an sich zu nehmen, doch Legolas wich einen Schritt zurück.

„Nein, nein. So naiv bin ich mit Sicherheit nicht!" Seine Augen blitzten sie energisch an.

„Willst du mir Betrug unterstellen?", fauchte Dornenstolz ihn an.

„Natürlich nicht, aber ich glaube nicht, dass der von mir erwünschte Zweck – trotz Eures redlichen Bemühens - eintritt, wenn ich Euch den Ring einfach so gebe." Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich habe nie davon gesprochen, Euch den Ring zu geben. Ich versprach Euch die Macht dieses Ringes, und daher werde ich ihn Aldarir geben... wenn Ihr Euer Einverständnis zu dem Zusammenleben mit den Avari dadurch unter Beweis gestellt habt, indem ihr ihnen im Kampf gegen die Sangwa beisteht!"

„Was für eine bodenlose Frechheit!", rief Dornenstolz aus.

„Nein, das ist es nicht. Die Avari brauchen Euch und Euren Schutz. Ihr jedoch könnt auch ohne sie gut leben. Das habt Ihr in den vergangenen tausenden von Jahren bewiesen. Besäßen die Avari jedoch diesen Ring, dann bestünde ein ausgeglichenes Geben und Nehmen. Wäre es denn nicht wunderbar, sich gelegentlich einmal entwurzeln zu können, um dann über die Hügel zu wandern und sein eigenes Werk zu betrachten?", lockte Legolas.

„So mächtig ist der Ring nicht!", murmelte Dornenstolz. „Das Wetter kann er nicht beeinflussen!"

„Das Wetter nicht, aber dafür viele andere Dinge, die Ihr hier vollbringt!"

Als würde er Dornenstolz einen kleinen Teil der Macht des Ringes vorführen wollen, schob er ihn sich über den Finger. Mit einer sanften Bewegung strich er mit der Hand über seinen eigenen Fußabdruck im Gras, fing dabei das letzte Licht der Sterne ein und richtete die niedergedrückten Halme wieder auf, sodass sie in stolzer Pracht weiterwachsen konnten wie bisher.

„Ja, ja! Ich werde es mir überlegen!", knurrte Dornenstolz gereizt und schloss ihre Augen, um das Gespräch zu beenden.

„Mehr durfte ich auch nicht erwarten", erwiderte Legolas und verabschiedete sich mit einer höflichen Verbeugung, die sie wohl kaum noch wahrnahm. Doch er war kaum zwanzig Schritte gelaufen, da hörte er, wie Dornenstolz ihm noch unbeherrscht etwas hinterher rief:

„Du bist wie dein Vater! Genau so schonungslos! Nimm du dir aber wenigstens das Prinzesschen, wenn er das schon nicht getan hat!"

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