Hallo, ihr Lieben!
Also vorab möchte ich euch allen, die mich mit meiner FF für den FF-Oscar nominiert haben, GAAAAAANZ herzlich danken! knuddel
Ich hab mich riesig gefreut!
Ansonsten möchte ich euch noch bitten mir nicht böse zu sein. Mir steht das Wasser bis zum Hals, und ich kann nicht so gut und schnell, wie ich gerne möchte. Ich weiß, dass viele in diesem Kap auf die große Schlacht gewartet haben, und ich war auch schon dabei, aber Kopf schüttel Tut mir leid. Wenn ihr aber das Ende lest, dann seht ihr, dass ich im nächsten Kap nicht drumrum komme. zwinker
Euer Kampfzwerg
Melethil: Hi du! Hast du meine e-mail eigentlich bekommen? Ich hätte dich so gerne getröstet. knuddel Dieses Kap ist auch ein bisschen traurig, aber ich verspreche, es geht wieder aufwärts. Und genau genommen willst du ja Legolas SO! ;) Und Amlugûr? (kreisch) Also geliebt werden soll er ja nicht! Ich glaub, ich muss ihn was Übles tun lassen! (lach). Vielen, lieben Dank für deine treuen Reviews. (knuddel).
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Hey! Und ihr anderen! Traut euch mal! Ich beiße nicht! Wenn ihr wollt, könnt ihr mir ja auch einmal eine mail schicken an vypoxgmx.de
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Gifte
Die Waffen der Avari waren schäbig. Elrohir hatte vor der anstehenden Schlacht wenigstens einen kurzen Eindruck ihrer Kampftauglichkeit gewinnen wollen und stellte nun mit Erschrecken fest, dass Menel und Aldarir in keiner Weise untertrieben hatten.
Die Dolche, Schwerter und Äxte waren schartig und stumpf, sodass Gimli sich sofort an die Arbeit machen musste, um sie zu schleifen und zu reparieren, doch das änderte nichts daran, dass sie alt waren und zudem nicht einmal einen Bruchteil der Avari mit ihnen ausgerüstet werden konnte.
Elrohir hatte darüber nachgedacht, den Avari die Waffen seiner Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen und unter ihnen aufzuteilen, sich jedoch letztlich dagegen entschieden. Die Waffen wären den Avari unvertraut gewesen – in Gewicht, Schliff und auch in ihrer Verwendung. Schwert war nicht gleich Schwert und Axt nicht gleich Axt.
Immerhin hielten die Bögen einer kurzen Überprüfung weitestgehend stand, doch die Pfeile befanden sich in einem grauenhaften Zustand – gerade noch geeignet, um vielleicht einen Hasen oder ein kleines Reh damit zu erlegen, doch nie würde eine der aus Knochen bestehenden Spitzen eine Rüstung durchdringen können.
Er seufzte leise und warf einen Blick auf die sechsundvierzig Frauen und Männer, aus deren Augen Mut und Kampfbereitschaft blitzten.
„Gemeinsame Feinde sollte man gemeinsam bekämpfen", murmelte er zu sich selbst und wandte sich einigen Elben seiner Gemeinschaft zu, um ihnen dabei zu helfen, spitze Holzpfähle in den Boden zu rammen und große Mengen trockener Äste um sie herum zu stapeln und Gras anzuhäufen.
Er ahnte, dass die Entfrauen im Inneren des Waldes die beiden geplanten Feuer bemerken würden, aber auch nach langer Diskussion am Vorabend hatte niemand einen besseren Vorschlag vorbringen können, wie man in der kurzen, noch verbliebenen Zeit vor der Schlacht die Ork-Elben auf ihrem Weg entlang des schmalen Flusses hätte aufhalten können.
Zumindest hatten sie zwei geeignete Stellen für die Feuermauern finden können – Orte, an denen der Wald nicht mehr als fünfzig Fuß vom Ufer des Flusses entfernt in die Höhe ragte und genug Verstecke für die Bogenschützen bot, deren Pfeile in dieser Enge auf die Ork-Elben nieder regnen sollten.
„Besitzen die Avari kein Gift?" Die Stimme Rochdils riss Elrohir aus seinen Gedanken.
„Gift?", fragte er etwas überrascht, doch dann verstand er. Die knöchernen Pfeile der Avari waren zwar ungeeignet um Rüstungen zu durchdringen, aber sie konnten die Ork-Elben an Armen und Beinen verletzen.
Begeistert wandte er sich an Aldarir und versuchte ihm verständlich zu machen, was er benötigte, doch dieser schaute ihn nur bedrückt an und erklärte sein Bedauern darüber, dass sich nur äußerst geringe Mengen Giftes im Vorrat der Heiler befanden – noch dazu nicht sehr schnell wirkendes. Doch wenig war besser als gar nichts, und die Heiler spendeten es gerne, um wenigstens einen Teil der Knochenpfeile kampftauglich zu machen.
Elrohir plante, den Fernkampf so lange wie nur möglich aufrecht zu erhalten, doch allerspätestens wenn die Ork-Elben die hohe Hecke vor den Hügeln der Entfrauen erreichen sollten, würde es zu einem Nahkampf kommen. Dreihundert elbengleiche Krieger gegen nur einundsechzig... wenn man Agarmaethor hinzu rechnete.
Agarmaethor! Erschrocken fuhr Elrohir zusammen.
„Sie darf nicht hier sein!", sagte er laut. „Sie darf nicht in die Hände der Ork-Elben fallen. Wo ist sie? Wir müssen ihr sagen, dass sie sich bei den Entfrauen verbergen muss!"
„Du wirst sie kaum davon überzeugen können." Amlugûr rammte den letzten Pfahl in den Boden und beendete damit den Bau der Feuermauer. „Sie wollte kämpfen, und sie wird eher sterben, als sich von den Ork-Elben fangen zu lassen."
„Legolas wird in der Lage sein..."
„Legolas wird dazu nicht in der Lage sein", unterbrach ihn Amlugûr und reinigte seine schmutzigen Hände im Wasser des Flusses. „Nicht, solange er nicht dringend vorher einige andere Dinge klärt."
Verwundert musterte er seine roten Hände. Das Wasser war wesentlich kälter gewesen, als er es erwartet hatte.
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Legolas wusste nicht, wie viele Stunden er damit verbracht hatte, Dornenstolz und Apfelblüte von Agarmaethor zu erzählen, doch es war bereits Nachmittag, als er seinen Bericht schloss.
Es hatte ihm gut getan, über alles zu reden ohne von jemandem unterbrochen oder mit überflüssigen Bemerkungen gestört zu werden. Dadurch hatte er sich Vieles noch einmal bewusst vor Augen führen und in einem anderen Licht betrachten können, und je mehr er alles noch einmal überdachte, desto schlechter fühlte er sich.
„Obwohl sie selbst den Anfang gemacht hat, hätte ich sie nicht küssen dürfen", flüsterte er mehr zu sich selbst. „Aber sie sah in der Morgenröte so bezaubernd aus..."
„Ich verstehe. Und dann haben deine Triebe Überhand genommen, und du konntest dich nicht mehr beherrschen!", erwiderte Dornenstolz bissig.
„Triebe?", wiederholte Legolas und schaute Dornenstolz etwas pikiert an.
Vielleicht hatte Dornenstolz Recht. Vielleicht auch nicht. Legolas wusste es nicht so genau und wollte sich deshalb auch nicht den Kopf zerbrechen, aber Agarmaethors kleine Geste der Zuneigung hatte ihn tatsächlich so sehr berauscht, dass es ihn nach mehr verlangt hatte, und er hatte sich dieses 'mehr' sanft aber bestimmt genommen... bis sie sich hatte erbrechen müssen.
Die Erinnerung an sein Verhalten trieb Legolas die Schamesröte ins Gesicht. Er hatte sich wirklich nicht mehr beherrschen können – sowohl während seines Kusses als auch während seines Gespräches mit Agarmaethor. Doch während es beim Kuss die Begierde gewesen war, die ihn jegliche Selbstkontrolle hatte vergessen lassen, war es beim Gespräch die Frustration gewesen.
Aufgewühlt und fassungslos hatte er Agarmaethor unterstellt, sie habe ihn absichtlich demütigen wollen und dabei vollkommen übersehen, wie demütigend diese Behauptung für sie gewesen sein muss, denn versteckt und unterschwellig hatte er damit Zweifel an ihren Gefühlen geäußert – Zweifel, die er überhaupt nicht besaß.
Nichts bereute er mehr als diese Worte, die so falsch und überflüssig waren, dass er sich ihrer schämte. Sie hatten nur für größeren Schmerz als für eine echte Klarstellung gesorgt, denn der Grund seiner Trennung waren nicht Zweifel an ihren oder gar seinen Gefühlen gewesen, sondern allein die Enttäuschung darüber, wie wenig Vertrauen sie besaß – Vertrauen, welches er in einer glücklichen Beziehung für unentbehrlich hielt.
Ihre Flucht war es gewesen, die ihm diesen Mangel offenbart hatte. Sie war nach ihrem Erbrechen davongelaufen, als habe sie böse Worte gefürchtet... oder gar ein Verstoßen. Hätte er nur dieses verfluchte Wort nicht gehört! Schließlich war es nicht für ihn bestimmt gewesen. Doch er hatte es gehört, und es hatte ihn zutiefst getroffen.
Dieses eine Wort war es gewesen, welches noch immer so sehr schmerzte, dass es ihm den Atem raubte, wenn er nur daran dachte. Und dieses eine Wort war es auch gewesen, welches ihm den letzten Anstoß dazu gegeben hatte, von Agarmaethor zu verlangen ihm endlich von ihrer Vergangenheit zu erzählen.
Verstoßen! Als würde er sie verstoßen! Warum? Warum sollte er so etwas tun? Warum glaubte sie, dass er zu so etwas fähig sein könnte? Was verbarg sie nur, dass sie sich so sehr vor seiner Reaktion fürchtete?
In der Hoffnung, ihre Erklärung würde ihm den Schmerz und die Enttäuschung nehmen, hatte er sie unter Druck gesetzt, doch ihr Schweigen hatte einem bohrenden Dolch in einer offenen Wunde geglichen.
„Und dabei hat sie nicht einmal erkannt, wie grausam sie damit war", flüsterte Legolas leise, „zu sich selbst und zu mir."
„Wie bitte?", fragte Dornenstolz verwirrt. „War der Kuss so schlimm?"
Legolas schreckte hoch. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass er seine letzten Gedanken laut ausgesprochen hatte.
„Nein, nein...", erwiderte er. „Ich meinte, Agarmaethors Schweigen ist grausam gewesen. Sie hat nicht verstanden, wie wichtig gegenseitiges Vertrauen in einer Beziehung ist, hat alles aufs Spiel gesetzt und verloren. Wir beide haben verloren, aber ich... ich kann einfach ohne Vertrauen nicht mit ihr zusammen sein. Das geht nicht!"
Traurig kauerte Legolas im Gras und starrte auf einige Halme zu seinen Füßen.
„Vertrauen braucht Zeit, Thranduilion", sagte Dornenstolz bedächtig. „Wie lange kennt ihr beide euch? Wie lange seid ihr bereits ein Paar? Glaubst du denn wirklich, dass du bereits so viel Vertrauen beanspruchen kannst, dass eine Trennung berechtigt ist weil es fehlt? Ihr seid Elben, und deshalb habt ihr beinahe unendlich viel Zeit, um euch kennen zu lernen – auch körperlich." Sie hüstelte verlegen.
Legolas' Augen weiteten sich bei Dornenstolzes Worten. Natürlich hatte Körperlichkeit auch etwas mit Vertrauen zu tun! Ohne ein Mindestmaß an Vertrauen würde man wohl kaum einer anderen Person gestatten, seine Haut an Stellen zu berühren, wie zuletzt die eigene Mutter beim Windeln wechseln... von Heilern vielleicht abgesehen.
Von Agarmaethors Körper hatte er bisher nicht viel genießen dürfen. Wie auch? Noch vor Wochen hatte sie sich davor gescheut, sich von ihm überhaupt am Bauch berühren zu lassen, obwohl damit die Krämpfe während ihrer Visionen verschwanden. Selbst ihr Spiel mit seinen Fingern, ihr Anschmiegen und ihr Entgegenstrecken von Hals und Wangen hatten sie viel Überwindung gekostet, und nie hatte sie sich dabei wirklich fallen lassen und sich an der trauten Zweisamkeit einfach hemmungslos erfreuen können.
Es war, als fürchte sie sich davor verletzt zu werden, als vertraue sie ihm nicht, dass er ihr nichts Böses antun wollte...
Legolas vergrub sein Gesicht in seinen Händen und flüsterte: „Oh Elbereth, ich habe mit meinem Kuss ihr Vertrauen missbraucht! Sie hat sich darauf verlassen, dass ich mir nicht nehme, was ich begehre!"
„Also warst du doch von deinen Trieben gesteuert!", stellte Dornenstolz schnippisch fest. „Und dann sagst du ihr, sie habe kein Vertrauen und trennst dich, nur um mir jetzt zu erzählen, du hättest ihr nicht vorhandenes Vertrauen missbraucht. Thranduilion, besinne dich!"
Er musste sich nicht mehr besinnen. Langsam nahm er die Hände wieder von seinem Gesicht und starrte auf seine Fußspitzen. „Doch, sie hatte Vertrauen!", murmelte er niedergeschlagen und versuchte sich dabei die beinahe fünftausend Jahre vorzustellen, während derer ihr niemand auch nur sanft durchs Haar gefahren war, niemand sie einmal hatte umarmen und trösten können und selbst in den Heerlagern niemand nahe genug neben ihr hatte liegen dürfen, um ihr in kalten Nächten Wärme zu spenden.
Welch erhebliche Veränderungen hatten da die letzten Wochen mit sich gebracht? Und was waren diese wenigen Wochen im Vergleich zu beinahe fünftausend Jahren? Ein Wimpernschlag!
Jede körperliche Nähe in dieser kurzen Zeit war mehr gewesen, als Agarmaethor in den letzten fünftausend Jahren hatte erfahren dürfen. Jede zärtliche Berührung musste für sie deshalb viel aufregender und abenteuerlicher sein, als sie es ohnehin bereits war. Alles war neu und unbekannt.
Natürlich besaß sie da nicht das Vertrauen, welches wohl jede andere Person an ihrer Stelle entwickelt hätte. Und doch hatte sie ihm, einem damals Fremden, gestattet, sie während ihrer Visionen auf eine für sie äußerst intime Weise zu versorgen, hatte es von sich aus gewagt, mit seinen Fingern zu spielen und Hals und Wangen von ihm kosen zu lassen.
Für sie war es Vertrauen gewesen, als sie ihre Lippen auf seine gelegt hatte. Sie hatte ihm vertraut, er würde ihre neue Nähe zu ihm nicht für sich auszunutzen, und sie hatte ihm vertraut, er würde ihr die versprochene Zeit geben, um kleine Zärtlichkeiten in große zu verwandeln
„Sie hat mir ihren Körper anvertraut", erwiderte Legolas leise. „Es ist nur..." Er zögerte und wusste nicht, wie er sich verständlich ausdrücken sollte. „Es gibt für mich einen Unterschied darin, ob man sich körperlich in die Hände eines anderen begibt oder ob man ihm auch Geheimnisse verrät."
Selbst die Erkenntnis, wie viel Vertrauen ihm Agarmaethor bereits geschenkt hatte, half ihm nicht über den Schmerz hinweg zu wissen, dass sie fürchtete von ihm verstoßen zu werden.
„Natürlich gibt es da einen Unterschied!", ereiferte sich Dornenstolz. „Eine Offenbarung körperlicher Natur kann sogar noch sehr viel weniger Vertrauen erfordern als eine Offenbarung persönlicher Natur! Nicht umsonst kann dieser Mückenschlächter Amlugûr durch die Betten vieler Elbenfrauen hüpfen, ohne dass jemand ihn wirklich kennt und durchschaut!"
Etwas verwundert musterte Legolas Dornenstolz. Woher ihr die Gerüchte über Amlugûr bekannt waren, hätte ihn durchaus interessiert. Vermutlich hatte sie diese in den letzten fünf Tagen erlauscht. Doch ihre anderen Worte fesselten Legolas viel mehr.
„Ihr meint, es wäre leichter sich von jemandem streicheln und küssen zu lassen als ihm nur ein paar Worte zu sagen?", fragte Legolas ungläubig.
„Nicht immer, aber ja." Dornenstolz schaute ihm fest in die Augen. „Schwulstige Sätze während einer wilden Kissenschlacht sind natürlich sehr viel einfacher auszusprechen als düstere Geheimnisse. Das liegt einfach daran, dass es sehr viel angenehmer ist, sich von warmen Händen kosen zu lassen als unangenehme Dinge auszusprechen, die man selbst am liebsten vergessen würde."
Legolas schaute stumm über die vom Wind aufgewühlte Oberfläche des Sees. Was Dornenstolz gerade gesagt hatte war ihm nicht wirklich neu. Natürlich fiel es jedem schwer, unangenehme Themen anzusprechen oder zu diskutieren. Auch Agarmaethor hatte bereits einmal dazu angesetzt und ihm von der silbernen Kugel in ihrem Bauch berichtet, doch sie hatte ihm den wichtigen Rest nicht erzählen können. Und doch hatte Dornenstolz auch Unrecht.
„Aber sollte es ihr denn nicht viel leichter fallen, gerade weil sie weiß, welche Gefühle ich für sie hege? Gerade weil sie sich dadurch in der Sicherheit hätte wiegen können, dass ich ihr zuhöre und Verständnis habe... jedenfalls mehr als jeder andere?", fragte Legolas unsicher.
Hilfe suchend schaute er zu Apfelblüte, die seit dem Ende seines Berichtes über Agarmaethor kein Wort gesagt hatte. Müde und kraftlos hing ihr Laub an den Zweigen und verbarg ihr trauriges Gesicht so gut es nur ging.
„Es liegt an dem Geheimnis selbst", sagte Apfelblüte leise. Ihre Stimme klang erstickt, so als habe sie geweint, doch Legolas konnte keine Tränen entdecken. „Es ist so einzigartig, dass sie nicht weiß, wie du darauf reagieren wirst, wie überhaupt jemand darauf reagieren würde."
„Aber um das herauszufinden, MUSS sie es mir erzählen, und immerhin hat Amlugûr es recht gelassen hingenommen", erwiderte Legolas und musterte Apfelblüte mit einem Stirnrunzeln. So wie sie redete schien sie das Geheimnis zu kennen.
„Amlugûr ist Teil ihrer Vergangenheit und vielleicht auch noch Teil ihrer Gegenwart. Aber er ist definitiv kein Teil ihrer Zukunft. Er weiß das und Agarmaethor weiß das auch. Für ihre Zukunft bist du interessant, und deshalb kann sie mit Amlugûr über ihr Geheimnis reden und mit dir nicht." Apfelblütes Stimme klang wieder etwas fester.
„Das klingt, als wüsstest du, was sie verbirgt?", fragte Dornenstolz erstaunt.
Legolas war froh, dass nicht er diese Frage gestellt hatte, doch neugierig und angespannt wartete er auf Apfelblütes Reaktion.
„Ich weiß nicht mehr als ihr beide, doch ich habe mir aus allem, was Legolas uns erzählt hat, ein Bild gemacht, welches nur eine Schlussfolgerung zulässt."
Apfelblüte wurde wieder traurig und nachdenklich und schwieg, schwieg so lange, dass Legolas ungeduldig wurde.
„Welche Schlussfolgerung? Ich habe so viel über alles nachgedacht und komme nicht einmal zu einer möglicherweise falschen! Mir fehlt einfach jegliche Vorstellungskraft, was diese silberne Kugel in ihrem Bauch getan haben könnte."
„Du hältst dich zu sehr mit dem Gedanken an diese Kugel auf", erwiderte Apfelblüte. „Ich habe meine Schlussfolgerung eher aus ihren Berührungsschmerzen gezogen... und der Frage, warum sie so lange Zeit von wirklich niemandem als Tochter Celebrimbors wiedererkannt wurde. Aber die Berührungsschmerzen erscheinen mir am wichtigsten... wegen ihrer Konsequenzen... und Agarmaethor sagte dir doch, dieser Schmerz habe im Nachhinein einen Sinn ergeben, nicht wahr?"
Legolas nickte, doch er verstand nicht, worauf Apfelblüte hinaus wollte.
„Folter dann wohl eher nicht", sagte er leise. „Folter ergibt keinen wirklichen Sinn. Mein erster Gedanke war, dass Celebrimbor eine Bindung verhindern wollte. Sie sollte keine Familie gründen dürfen, aber ich verstehe nicht warum. Warum war sein Wunsch abhängig von Saurons Existenz? Warum durfte sie nach seiner Vernichtung plötzlich wieder ein normales Leben führen? Und warum dieses Mittel? Ist ihm nichts Besseres eingefallen?"
„Ich kann es dir nicht sagen, Legolas", murmelte Apfelblüte entschuldigend. „Es ist nicht nur so, dass ich mich irren und damit vielleicht alles noch schlimmer machen könnte. Es ist auch so, dass Agarmaethor es dir doch lieber selber erzählen sollte... oder auch nicht. Meine Gedanken sind einer Art, die ich nicht hinter ihrem Rücken äußern würde, auch wenn ich mir beinahe sicher bin, dass ich mit meiner Überlegung Recht habe."
Legolas biss sich auf die Lippen, um nichts Unbedachtes zu sagen. Das Gespräch hatte einen vollkommen anderen Verlauf als erhofft. Er hatte sich gewünscht, die Entfrauen würden ihm Rat erteilen, ihm vielleicht einen Hinweis auf Agarmaethors Geheimnis geben können oder es ihm sogar offenbaren, doch stattdessen fühlte er dieselbe Leere wie zuvor und besaß zudem noch die Gewissheit, Agarmaethor Unrecht getan und den Bruch vollkommen sinnlos herbeigeführt zu haben.
„Was soll ich denn jetzt tun?", fragte er kläglich. „Ich kann doch nicht zu ihr zurück und sagen: Vergessen wir all meine Vorwürfe! Verzeih mir! Lass uns wieder gemeinsam..."
„Natürlich nicht!", knurrte Dornenstolz. „Der Apfel ist bereits vom Baum gefallen! Du kannst ihn nicht wieder anbringen, denn der Bruch wird immer zwischen euch stehen. Du kannst nur noch ein neues Bäumchen züchten."
Legolas knirschte mit den Zähnen. „Wie, bitte, soll ich denn ein neues Bäumchen züchten? Ich kann doch nicht so tun, als wäre nichts gewesen und mich wie vor vielen Wochen zu ihr vorarbeiten und... und ihr Vertrauen gewinnen, das ich gerade selbst zerstört habe!"
„Und warum nicht? Der erste Schritt wäre eine Entschuldigung und das Eingeständnis, einen Fehler begangen zu haben. Ihr Männer macht das so ungern und selten, dass Agarmaethor diese Handlung zu würdigen wissen wird. Alles Weitere wird sich schon ergeben."
Dornenstolz sprach, als gäbe es nur diesen einen Weg, doch Legolas fühlte sich unbefriedigt. Natürlich würde er sich entschuldigen und seinen Fehler eingestehen, aber dieses 'Weitere', welches sich schon ergeben würde...
„Und die Phiole? Ich kann ihr die Geschichte über ihre Erinnerungen doch nicht vorenthalten? Ich darf ihr doch nicht das Recht nehmen, selber darüber zu entscheiden?", fragte er leise.
„Thranduilion!", seufzte Dornenstolz. „Wir sind keine guten Lebens- und Beziehungsberater! Oder siehst du etwa Männer an unserer Seite? Frage jemanden anderen oder tue, was du für richtig hältst!"
Die Entfrauen schienen das Gespräch nicht weiter vertiefen wollten. Versteckt hinter dem Laub ihrer Zweige schwiegen sie und beobachteten Legolas dabei, wie dieser lange Zeit nachdenklich über den See schaute, bevor er sich schließlich erhob, um zum Lager der Gemeinschaft zurück zu kehren.
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Alatar redete nicht mehr. Tagelang sprach er kein Wort mit Pallando oder Lútholwen und schenkte ihnen nicht einmal einen freundlichen Blick. Es schien, als wolle er sie für sein Scheitern bei den Avari verantwortlich machen, aber Pallando wusste es besser. Inzwischen kannte er seinen Freund nicht nur mehr aus der gemeinsamen Zeit in Valinor, sondern auch aus der Zeit seiner Wanderung durch Mittelerde – als Mensch mit Stärken und Schwächen.
Hätte Alatar ihn oder Lútholwen tatsächlich verantwortlich gemacht, dann hätte er dies lauthals bekundet – mit Vorwürfen, Schmähungen und Beschimpfungen, und obwohl Pallando froh darüber hätte sein sollen, dass dem nicht so war, sorgte er sich.
Nachdenklich musterte er immer wieder das finstere Gesicht seines Freundes und beobachtete jede seiner Regungen, aber sein Bemühen zu verstehen, was hinter der Stirn seines Freundes vorging, schlug fehl. Pallando vermochte noch nicht einmal erkennen, ob Alatar sich überhaupt dafür interessierte, wie er ihm gemeinsam mit Lútholwen über jeden noch so schwierigen Ziegenpfad des Roten Gebirges folgte.
Nur eines erkannte er: Alatar ging westwärts – nach Hause.
Doch mitten im Roten Gebirge brach über die drei Wanderer der Winter herein. Die hohen Felsen vermochten sie nicht vor den eiskalten Winden zu schützen, die schmalen Spalten des Bergmassivs sie nicht vor dem Schnee zu bewahren. Es wurde glatt und gefährlich, und jeder weitere Schritt kostete ungemeine Kraft und Konzentration.
Lútholwen entkräftete mehr und mehr, bis sie die Geschwindigkeit Alatars nicht mehr halten konnte und sich schließlich in den weichen Schnee warf und bitterlich weinte.
Entsetzt und verärgert packte Pallando Alatar am Handgelenk und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. Noch nie in seinem Leben hatte er einem Freund Gewalt angetan, aber der Ärger darüber, dass Alatar die Frau, die ihm noch vor kurzen unter seiner blauen Robe dienlich gewesen war, so schlecht behandelte, hatte es herausgefordert.
Die beißende Kälte verstärkte den Schmerz auf Alatars Wange zu einem heftigen Brennen und riss ihn aus seiner Teilnahmslosigkeit. Erschüttert starrte er einige Sekunden lang in Lútholwens rote und verquollen Augen, beugte sich dann aber zu ihr herunter und hob sie aus dem Schnee.
„Es tut mir leid!", flüsterte er weich und wandte sich wieder seinem Weg in den Westen zu.
Lútholwen schluchzte leise, schmiegte sich jedoch an und ließ sich von ihm tragen, bis auch er ermüdete und eine Rast einlegte.
„Wollen wir uns nicht einen Unterschlupf suchen?", fragte Pallando vorsichtig und erhitzte über einem kleinen Feuer etwas Wasser und Kräuter zum Trinken. „Eine Höhle vielleicht? Nur für ein oder zwei Tage, nur um uns ein wenig zu erholen..."
„Willst du hier im Gebirge und mitten im Winter eine Höhle suchen gehen?", erwiderte Alatar mit einem sorgenvollen Blick auf Lútholwen. „Das ist beinahe noch gefährlicher, als das Gebirge endlich zu überwinden."
„Wozu suchen?" Pallando lächelte siegesbewusst. Alatar schien seinem Vorschlag nicht grundsätzlich abgeneigt zu sein. „Kurz bevor Lútholwen in den Schnee gefallen ist habe ich an einer Felswand über unseren Köpfen ein schwarzes Loch gesehen – eine Höhle, so nehme ich an."
Alatar schüttelte bedenklich den Kopf, doch als Lútholwen leise im Schlaf wimmerte stimmte er zu, und schon wenige Stunden später erreichten sie die Steilwand, in welcher in etwa sechzig Fuß Höhe ein mannshohes Loch klaffte.
Vorsichtig tastete Alatar den Felsen nach einer Möglichkeit ab ihn zu ersteigen und fand tatsächlich so viel Halt für Finger und Füße, dass er gute dreißig Fuß bis zu einer kleinen Plattform zurücklegen konnte. Von da aus war der Weg einfach. Wind und Frost hatten das Gestein so heftig zerklüftet und aufgerissen, dass es Stufen gebildete hatte über welche Alatar schließlich den Zugang zur Höhle erreichte.
Mit seinem Stab machte er etwas Licht und musterte den Innenraum, und was er sah machte ihn zufrieden. Der Eingangshöhle schlossen sich über mehrere schmale Gänge weitere Räume unterschiedlicher Größe an. In Gedanken begann sich Alatar die Räumlichkeiten als festen Sitz vorzustellen: Wohnraum, Waffenkammer, Lagerräume. Eine Höhle besaß sogar einen kleinen Durchbruch nach außen, sodass der Rauch einer Kochstelle dorthin abziehen konnte.
Nur der breite Spalt im Boden der zentralsten Höhle besorgte ihn. Eine ihm befremdliche Wärme stieg von dort herauf. Misstrauisch hielt er seinen leuchtenden Stab hinein und versuchte den Grund des Spaltes auszumachen, doch das Licht verschwand in der tiefen Schwärze, ohne dass Alatar außer den seitlichen Felsen etwas hätte erkennen können. Er warf einen Stein hinab und lauschte, doch selbst nach mehr als zwanzig Sekunden vermochte er keinen Aufprall zu hören.
„Großartig!", rief Pallando hinter ihm und schreckte ihn auf. „Dieser Raum ist ideal für einen Raum zum gemütlichen Zusammensitzen! Und der Aufstieg hierher war leichter als es zunächst schien!"
Lútholwen stand hinter ihm und lächelte Alatar fröhlich an.
„Dann denkst auch du darüber nach, länger als nur zwei Nächte hier zu verweilen?", fragte Alatar und schaute noch immer argwöhnisch in den Spalt.
„Warum nicht? Bis zum Frühling könnten wir bleiben!" Pallando hockte sich neben ihn und folgte seinem Blick. „Das Blut der Erde muss dich nicht sorgen!"
Alatar schaute ihn fragend an. „Blut der Erde?"
„Flüssiges Gestein, aufgestiegen aus dem Herzen der Welt." Pallando schmunzelte.
„Wenn du meinst..." Noch immer misstrauisch warf er einen letzten Blick in den Abgrund und beschloss für sich, ihn immer zu beobachten, um jede Veränderung zu bemerken.
„Warum wollen wir nur bis zum Frühling hier verweilen?", fragte Lútholwen und wärmte ihre Hände über dem Abgrund. „Es ist schön hier. In der Nähe habe ich einen Bach gesehen. Er ist zwar zurzeit gefroren, aber dafür haben wir Schnee. Holz gibt es auch und Wild... und der Spalt könnte unsere Abfälle aufnehmen. Was treibt dich zurück in den Westen, Alatar? Willst du den Valar sagen, dass du die dir gestellte Aufgabe nicht..."
Pallando brachte sie mit einem Handzeichen zum Schweigen, doch es war zu spät. Alatar sah sie böse an, packte sie am Mantel und schob sie hart gegen die Wand.
„Wage es nicht an meinen Entscheidungen zu zweifeln!", fauchte er sie an.
„Das will ich nicht!", wimmerte Lútholwen. „Ich dachte nur... Ich wollte nicht... Ich wollte nicht, dass du dich vor ihnen schämen musst, weil du so schnell aufgegeben hast!"
„Ich habe nicht aufgegeben!", knurrte Alatar. „Ich habe nur nach einer Gelegenheit gesucht, um endlich einmal in Ruhe über alles nachdenken zu können. Und dieser Ort bietet diese Gelegenheit! Ich hatte bereits lange vor deinen unverschämten Worten beschlossen länger zu bleiben!"
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Seit die geplanten Vorbereitungen zur Abwehr der Ork-Elben beendet waren saßen die Krieger auf den für sie vorgesehenen Ästen in den Bäumen nahe den Feuerwänden. Einige ruhten und sammelten Kräfte, doch viele schauten immer wieder angespannt zum Horizont und warteten auf die von Elrohir entsandten Späher.
Stunden vergingen bis schließlich Talfbenn zurückkehrte und sich mit einem breiten Schmunzeln vor Elrohir stellte.
„Es sind keine dreihundert", verkündete er. „Eine andere Gruppe von etwa einhundertfünfzig bis zweihundert Ork-Elben hat ebenfalls den Zugang zum Wald erreicht, ist auf die andere Gruppe gestoßen..."
Bedeutungsvoll sah er Elrohir an und provozierte dessen Ungeduld. „Freust du dich auf die Hallen von Mandos oder warum grinst du so?"
„... und nun lecken alle Ork-Elben ihre Wunden!", beendete Talfbenn seinen Satz triumphierend. „Sie haben sich aneinander aufgerieben!"
Elrohir glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. „Wie viele sind es jetzt?"
„Ich kann nur schätzen und nehme an, dass es immer noch knapp zweihundert sein werden, aber ich dachte, dass es trotzdem ein Lächeln wert sei!" Talfbenn zwinkerte ihm zu.
„Das ist es, Freund!"
Elrohir klopfte ihm auf die Schulter und versuchte sich vorzustellen, was zwischen den Ork-Elben vorgefallen sein könnte. Obwohl er ihre Führungsstrukturen und genauen Verhaltensweisen nicht kannte, konnte er sich kaum vorstellen, dass sie sich wie normale Orks um Gold oder ein Stück Fleisch gestritten hatten... oder vielleicht doch?
„Agarmaethor!", murmelte er und knirschte mit den Zähnen. „Sie haben sich um Agarmaethor gestritten! Ein für sie wertvolles Stück Fleisch! Zwei Ork-Elben-Gruppierungen... zwei Herrn?" Elrohirs Augen blitzten auf. „Enthielt nicht eine von Agarmaethors letzten Visionen auch ein Bild eines Mannes? Was wäre, wenn auch er Ork-Elben befehligte?"
„Ist das wichtig für unseren Kampf?", fragte Talfbenn. „Die kleinere Gruppe Ork-Elben jedenfalls ist vernichtend geschlagen worden. Sie wird sich wohl kaum noch einmal einmischen."
Elrohir nickte gedanklich abwesend und murmelte: „Sag Amlugûr bitte, er möge Agarmaethor finden und herbeischaffen. Sie soll kämpfen, wenn sie es unbedingt will, aber nur in der letzten Reihe, hinter der zweiten Feuermauer, so weit wie nur möglich vom Schlachtgetümmel entfernt."
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Als Legolas zum Lager der Gemeinschaft zurückkehrte fand er es beinahe verlassen vor. Nur Agarmaethor sammelte ihre Sachen zusammen und schien sich für den Kampf zu rüsten. Er war sich nicht sicher, ob sie sich dabei so sehr auf ihre Gürtelschnalle konzentrierte, dass sie ihn deshalb nicht bemerkte oder ob sie seine Ankunft nicht wahrhaben wollte.
Unsicher beobachtete er sie von Weitem, näherte sich schließlich und blieb hinter ihr stehen.
„Dann geht es also bald los?", fragte er möglichst unverfänglich.
Agarmaethor schreckte zusammen und wandte sich zu ihm um. Ihre Augen waren noch gerötet, doch sie wirkte gefasst und beherrscht. „Ja... ja, sehr bald!"
„Gönnst du mir noch fünf Minuten bevor du losgehst? Nur fünf Minuten!", bat er leise.
Agarmaethor zögerte, nickte dann jedoch und sah ihn erwartungsvoll an. Legolas fühlte sich unwohl – so vor ihr zu stehen, den wartenden und fragenden Blick auf sich ruhend. Er setzte sich ins Gras, fasste sie am Handgelenk und zog sie zu sich herab, sodass sie vor ihm zu sitzen kam. Agarmaethor widersetzte sich nicht.
„Es tut mir leid", begann Legolas. „Ich habe einen Fehler gemacht... mehrere Fehler, und ich wünschte, ich könnte sie rückgängig machen."
Er hielt inne und versuchte eine Regung in Agarmaethors Gesichtszügen auszumachen, doch außer Trauer und Wehmut vermochte er nichts zu entdecken, was ihm seine Entschuldigung erleichtert hätte. Dornenstolz hatte Recht gehabt. Agarmaethor um Verzeihung zu bitten und einen Fehler einzugestehen war schwieriger als sich 100.000 Orks vor den Toren Mordors zu stellen. Was hätte ihm damals schon gedroht? Nur der Tod!
Er gab sich Mühe, seine Gedanken und Überlegungen der letzten Stunden in Worte zu fassen, sie Agarmaethor nahe zu bringen und ihr zu verstehen zu geben, dass er seine Fehler tatsächlich erkannt hatte und bereute, doch er konnte ihr kein erleichtertes Lächeln ins Gesicht zaubern. Sie wurde nur immer trauriger, bis sie schließlich langsam ihre Hand ausstreckte und ihm vorsichtig über die Wange strich.
„Ich bin dir nicht böse", sagte sie leise. „Ich war schockiert, als du mit mir gebrochen hast, aber auch ich hatte Zeit zum Nachdenken, und ich bin dir nicht böse. Und deshalb musst du dich auch nicht entschuldigen."
„Ich verstehe nicht ganz..." Legolas konnte es kaum fassen. „Du bist mir nicht böse? Dann ist alles vergeben und vergessen?"
„Es gibt nichts zu vergeben." Agarmaethor lächelte ihn sanft aber traurig an. „Es gibt nichts zu vergeben, denn ich habe Verständnis für deine Situation. Für dich muss es schrecklich gewesen sein, als ich mich erbrochen habe. Ich kann mir gut vorstellen, was dir in diesem Moment alles durch den Kopf gegangen ist – vor allem weil ich weggelaufen bin und du den Hintergrund von all dem nicht kennst."
Agarmaethors Verständnis schmerzte Legolas mehr als jedes böse Wort, welches sie ihm stattdessen an den Kopf hätte werfen können, ohne dass er auch nur mit der Wimper gezuckt hätte.
„Das klingt aber, als gebe es etwas, das du nicht vergessen kannst?", fragte er leise.
„Das ist wahr." Agarmaethor senkte den Blick. „Unsere Auseinandersetzung hat mir gezeigt, dass du unglücklich bist, und das geht mir nicht aus dem Kopf."
„Das ist nicht wahr!", wehrte Legolas ab. „Ich bin nicht unglücklich!"
„Du bist nicht so todunglücklich, wie ich es noch vor wenigen Wochen gewesen bin, aber wie kannst du glücklich sein, wenn deine Sehnsüchte, Wünsche und Bedürfnisse nicht erfüllt werden?", erwiderte Agarmaethor traurig. „Und du besitzt diese Sehnsüchte. Deine Worte während unseres Streites haben es mir offenbart."
„Aber ich habe dir doch gerade erklärt, dass ich Unrecht hatte!" Legolas war fassungslos.
„Es kommt aber nicht darauf an, ob du Recht oder Unrecht hattest. Es kommt allein darauf an, dass du diese Worte ausgesprochen hast, und das hättest du nie getan, wenn du glücklich gewesen wärst.
Du bist nicht zufrieden damit, dass es mir nicht gelingt, dir von meiner Vergangenheit zu berichten. Jetzt sagst du zwar, du könntest warten und dich in Geduld üben, aber eigentlich wünschst du dir doch, ich würde dir recht bald davon erzählen, nicht wahr?" Sie bemerkte, wie Legolas den Blick senkte. „Und du sagst auch, du könntest ebenfalls darauf warten, bis ich dir mehr Zärtlichkeiten schenken kann. Ich glaube dir. Ich glaube dir, dass du warten würdest. Aber ist es nicht so, dass du trotzdem lieber früher als später dieses 'Mehr' fühlen und berühren möchtest? Das sind die unerfüllten Sehnsüchte, von denen ich gesprochen habe."
„Niemand ist wunschlos glücklich", erwiderte Legolas. „Und wäre es so, dann würde der Begriff 'Vorfreude' seine Bedeutung verlieren, das spannende und fesselnde Entgegenfiebern auf ein heiß ersehntes Ereignis, das Entzücken über jeden winzigen Schritt, den man sich dabei nähert..."
„Aber die Zeit des Entgegenfieberns ist nicht absehbar", flüsterte Agarmaethor. „Ich kann dir das nicht zumuten und deshalb war die Trennung richtig. Ohne mich wirst du vielleicht einige Wochen oder Monate unglücklich sein, aber mit mir einige Jahrhunderte... oder gar Jahrtausende." Agarmaethor erhob sich aus dem Gras, stand eine Weile vor Legolas und schaute über den See. „Pass auf dich auf!", sagte sie weich, streckte die Hand aus und fuhr ihm sanft durchs Haar. „Dieser Kampf wird blutig und grausam werden. Ich weiß, dass du bereits verzweifelteren Situationen gegenüber gestanden und dich bewährt hast, aber ein dummer Pfeil kann sich immer verirren und den besten Krieger zu Fall bringen."
Legolas griff nach Agarmaethors Arm, hielt ihn fest und küsste liebevoll die Innenseite ihres Handgelenks. Sekunden vergingen, in denen sie mit geschlossenen Augen vor ihm stand und tief ein- und ausatmete, um ihren rasenden Puls wieder zu beruhigen, doch dann entzog sie ihm ihre Hand.
„Lass es besser!", sagte sie traurig. „Das führt doch zu nichts. Du machst es mir nur noch schwerer!"
Sie wandte sich ab und eilte davon, sah Legolas' entschlossenen Blick nicht mehr und hörte nicht, wie er flüsterte: „Das war Sinn der Sache."
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Mit verschwommenem Blick hastete Agarmaethor durch den Wald und erreichte schon bald die zweite Feuermauer. Gimli stand bereits dort und unterhielt sich leise mit Amlugûr, doch als sie sich näherte, wandte sich Amlugûr ab und kam zu ihr.
„Gut, dass du endlich kommst. Diese kleine, haarige Ratte kaut mir ein Ohr ab, weil sie nicht auf einen Baum klettern kann, um von dort aus Ausschau zu halten!", knurrte er.
Agarmaethor sagte nichts. Sie schüttelte nur unwillig den Kopf, doch ihr war nicht danach zumute, Amlugûr zurecht zu weisen.
„Hast du dich mit Legolas geeinigt?", fragte Amlugûr „Du wirkst wieder so ruhig und gefasst!"
„Wir sind jetzt endgültig getrennt... für immer." Agarmaethor wischte sich eine einzelne Träne weg, beugte sich zum Wasser des Flusses herab und wusch sich das Gesicht. „Elbereth, ist das Wasser eisig!", entfuhr es ihr erschrocken.
Amlugûr fasste sie am Handgelenk und zog sie ein Stück von Gimli fort.
„Höre mir gut zu!", sagte er eindringlich. „Dieser Kampf wird gnadenlos verlaufen – keine Gefangenen und kein Mitleid. Es wird viele Opfer geben, und jeder von uns könnte fallen, auch du oder ich. Und deshalb will ich, dass du mir etwas versprichst" Er umschlang sie mit seinen Armen, drückte sie ganz fest an sich und flüsterte ihr ins Ohr: „Versprich mir, dass du dich nicht gehen lässt, wenn ich nach diesem Kampf nicht mehr unter euch weilen sollte. Versprich mir, dass du nicht wieder in so ein tiefes Loch fällst, wie noch vor wenigen Wochen. Ich will nicht, dass du schwindest, nur weil du niemanden hast, der dich stützt. Reiß dich zusammen, und wenn es denn unbedingt sein muss, dann lehne dich an den Zwerg!"
„Amlugûr! Was soll das?" Agarmaethor versuchte sich aus seiner Umarmung zu winden, ohne dabei Gewalt anzuwenden.
„Schwöre es mir!", verlangte Amlugûr noch immer flüsternd und ließ sie nicht los. „Bitte!"
„Ja, ja! Ich schwöre es dir!" Agarmaethor gelang es, sich aus seiner Umklammerung zu befreien.
Amlugûr sah sie einige Sekunden lang durchdringend an, wandte sich dann ab und eilte auf seinen Posten.
